BGH,
Urt. v. 29.10.2009 - 4 StR 239/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 239/09
vom
29. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Raubes u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29.
Oktober 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz, Athing, Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer,
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der
Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten C. M. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Halle vom 12. Dezember 2008, soweit es die Angeklagten B.
und C. M. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
Jugendkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten des Raubes schuldig gesprochen. Es
hat den Angeklagten B. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und
sechs Monaten und den Angeklagten C. M. zu einer gesonderten
Jugendstrafe (§ 31 Abs. 3 JGG) von zwei Jahren verurteilt und
die Vollstreckung der Strafen jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
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Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen
rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts.
Hinsichtlich des Angeklagten B. beanstandet sie ferner das Verfahren.
Die Staatsanwaltschaft erstrebt eine tateinheitliche Verurteilung der
Angeklagten auch wegen unerlaubten Sichverschaffens von
Betäubungsmitteln, unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
Geldwäsche, Hausfriedensbruchs und wegen
Sachbeschädigung sowie die Verhängung
höherer Strafen.
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Die Revisionen haben schon mit der Sachrüge Erfolg. Die
Verfahrensrüge bedarf daher keiner näheren
Erörterung.
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I.
Nach den Feststellungen suchten der Angeklagte B. und der
frühere Mitangeklagte W. am Abend des 13. Dezember 2006 den
ihnen als Drogenhändler bekannten S. in dessen Wohnung im
vierten Stock eines Mehrfamilienhauses auf und erwarben von ihm
Haschisch zum Eigenverbrauch. Auf dem Heimweg lehnte der Angeklagte B.
den Vorschlag des Mitangeklagten W. ab, S. das möglicherweise
aus Drogengeschäften stammende Bargeld, das sie auf dem Tisch
in der Wohnung hatten liegen sehen, gewaltsam wegzunehmen. In der
darauf folgenden Nacht traf sich der Angeklagte B. in seiner Wohnung
mit seinem gesondert verfolgten Bruder M. , dem Angeklagten C. M. und
dem rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten Wi. . Sie
fassten den Entschluss, S. auszurauben. Gegen 2.00 Uhr nachts gelangten
sie durch die nicht verschlossene Haustür in das Wohnhaus.
Dort setzten sie absprachegemäß ihre Sturmmasken auf
und drückten gemeinsam "unter einigem Kraftaufwand" die
Tür zu der Wohnung auf, in der S. auf einer Couch im
Wohnzimmer schlief. Einer der Täter forderte den durch die
Geräusche wach gewordenen S. auf, sich ruhig zu verhalten,
sonst würden er und auch sein Hund "abgestochen". Danach
befragt, wo das Bargeld sei, deutete S. , der wegen der
Übermacht der Angreifer und der Drohung keinen Widerstand
wagte, mit der Hand auf den Wohnzimmertisch. Bei der
anschließenden Durchsuchung der Wohnung wurde eine
Haschischplatte im Wert von etwa 400 Euro entdeckt, die Wi. an sich
nahm. Der Angeklagte C. M. steckte das auf dem Wohnzimmertisch liegende
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Bargeld im Wert von 150 Euro ein. M. B. nahm eine Playstation an sich.
Ferner wurden ein MP3-Player und eine Kamera entwendet. Nach dem
Verlassen der Wohnung trennten sich die Täter und trafen sich
später in der Wohnung des Angeklagten B. , wo sie die Beute
untereinander verteilten. Die Haschischplatte konsumierten sie
gemeinsam.
II.
Die Verurteilungen der Angeklagten B. und C. M. können nicht
bestehen bleiben, weil die Schuldsprüche sachlich-rechtliche
Fehler zum Vorteil der Angeklagten aufweisen.
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1. Das Landgericht hat die den Angeklagten zur Last gelegte Verwendung
eines Messers als Drohmittel mit rechtsfehlerfreien Erwägungen
als nicht erwiesen angesehen und die Angeklagten deshalb, was von der
Revision auch nicht beanstandet wird, nicht wegen schweren Raubes,
sondern wegen Raubes verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet
jedoch zu Recht, dass das Landgericht damit seiner Kognitionspflicht
nicht genügt hat, die gebietet, dass der durch die zugelassene
Anklage abgegrenzte Prozessstoff durch vollständige
Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird
(vgl. BGHSt 25, 72, 75; BGH NStZ 1999, 415; 2008, 471, 472). Dies
stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils dar (vgl. BGH NStZ
1983, 174, 175). Dass die den Angeklagten zur Last gelegte Tat im
Anklagesatz lediglich als schwerer Raub bezeichnet wurde und dass die
Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der
Angeklagten nur wegen Raubes beantragte, änderte nichts an der
umfassenden Kognitionspflicht des Landgerichts. Dass eine wirksame
Beschränkung der Strafverfolgung gemäß
§ 154 a StPO auf diese
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Gesetzesverletzungen erfolgt ist, lässt sich weder der
Anklageschrift noch sonst den Akten entnehmen.
2. Das Landgericht hätte demgemäß eine
Strafbarkeit der Angeklagten auch wegen folgender Gesetzesverletzungen
prüfen müssen:
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a) Der frühere Mitangeklagte Wi. , der durch das insoweit
nicht angefochtene Urteil nur wegen Raubes verurteilt worden ist, hat
mit der Wegnahme der Haschischplatte zugleich auch den Straftatbestand
des Sichverschaffens von Betäubungsmitteln
gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG verwirklicht
(vgl. Körner BtMG 6.Aufl. § 29 Rn. 1352 m.N.),
möglicherweise aber auch den Verbrechenstatbestand des
unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, in dem der
Vergehenstatbestand des Sichverschaffens von Betäubungsmitteln
aufgeht (BGH StraFo 2005, 82, 83). Dass es sich um eine nicht geringe
Menge Haschisch handelte, liegt im Hinblick auf den festgestellten Wert
der Platte von etwa 400 Euro jedenfalls nicht fern. Es hätte
deshalb der Prüfung bedurft, ob der gemeinsame Tatentschluss,
dem Geschädigten das in seiner Wohnung vermutete Bargeld und
andere mitnehmenswerte Gegenstände wegzunehmen und die Beute
anschließend zu verteilen, auch möglicherweise in
der Wohnung verwahrte Betäubungsmittel umfasste und die
Angeklagten demgemäß auch hinsichtlich des
Sichverschaffens und des Besitzes der Haschischplatte
mittäterschaftlich handelten und das Haschisch bis zu dessen
Verbrauch in Mitgewahrsam hatten (vgl. BGHR BtMG § 29 a Abs. 1
Nr. 2 Menge 10; MünchKommStGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 954;
Weber BtMG 3. Aufl. § 29 Rn. 1222). Dies liegt im Hinblick
darauf, dass die Angeklagten im Tatzeitraum Haschisch konsumierten und
dass sie auch das erbeutete Haschisch gemeinsam verbrauchten, nahe.
Hierzu, insbesondere auch zum Wirkstoffgehalt des Haschisch,
hätte es daher weiterer
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Feststellungen bedurft. Dass diese noch getroffen werden
können, erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen.
b) Nach den Feststellungen haben die Angeklagten mit dem Eindringen in
die Wohnung des Geschädigten zudem mittäterschaftlich
den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs gemäß
§ 123 Abs. 1 StGB verwirklicht, der zu dem nachfolgenden Raub
in Tateinheit steht. Der gemäß § 123 Abs. 2
StGB erforderliche Strafantrag ist von dem in seinem Hausrecht
verletzten Geschädigten form- und fristgerecht gestellt
worden. Der Geschädigte hat unmittelbar nach dem
Überfall die Polizei gerufen und ist noch in der Nacht
polizeilich als Zeuge vernommen worden. Er hat sowohl die
Vernehmungsniederschrift als auch die von einem weiteren Beamten des
Kriminaldauerdienstes aufgenommene Strafanzeige unterschrieben. Der
damit gegenüber der Verfolgungsbehörde
erklärte Wille zur Strafverfolgung genügt den
inhaltlichen Anforderungen an einen Strafantrag (vgl.
Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 158 Rdn. 4 m.N.).
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c) Entgegen der Auffassung der Revision war das Landgericht dagegen
nicht gehalten, sich der Frage zuzuwenden, ob die Angeklagten sich mit
der Wegnahme des möglicherweise aus Drogengeschäften
stammenden Bargeldes auch wegen (versuchter) Geldwäsche
strafbar gemacht haben. Sinn und Zweck der hier allein in Betracht
kommenden Straftatbestände des § 261 Abs. 2 StGB ist
es, den Vortäter dadurch gegenüber der Umwelt zu
isolieren, dass der aus einer der in Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift
genannten Straftaten herrührende Gegenstand
„praktisch verkehrsunfähig“ gemacht werden
soll (vgl. BT-Drucks. 12/989 S. 27). Wird dem Vortäter ein
solcher Gegenstand (gewaltsam) weggenommen, fehlt es am inneren
Zusammenhang mit der Ächtung des Tatobjekts und dem
Isolierungszweck des § 261 Abs. 2 StGB (vgl. Stree in
Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 261 Rdn.
13). Demgemäß ist der Raub eines sol-
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chen Gegenstandes kein Sichverschaffen im Sinne der Nr. 1 dieser
Vorschrift (BVerfG NJW 2004, 1305, 1306; vgl. Fischer StGB 56. Aufl.
§ 261 Rdn. 24 m.w.N.). Für das Verwahren und
Verwenden eines dem Vortäter geraubten Gegenstandes kann
nichts anderes gelten.
d) Soweit nach den Feststellungen eine tateinheitliche Verurteilung der
Angeklagten wegen mittäterschaftlich begangener
Sachbeschädigung unterblieben ist, kann dahinstehen, ob
Verletzter neben dem Eigentümer auch derjenige ist, der, wie
der Geschädigte als Mieter, ein unmittelbares obligatorisches
Recht an der beschädigten Sache, hier der
Wohnungstür, hat (zum Streitstand vgl. Fischer StGB 56. Aufl.
§ 303 c Rdn. 3). Ob zum Zeitpunkt der Verkündung des
angefochtenen Urteils der gemäß § 303 c
StGB erforderliche Strafantrag vorlag, ist nunmehr ohne Belang, weil
der Generalbundesanwalt „rein vorsorglich“ das
besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht
hat und die Sache nach der aus anderen Gründen gebotenen
Zurückverweisung insgesamt neu zu verhandeln ist.
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III.
1. Die aufgezeigten Rechtsfehler nötigen zur Aufhebung des
Urteils, soweit es die Angeklagten B. und C. M. betrifft, auch soweit
sie des Raubes schuldig gesprochen worden sind. Eine Teilaufhebung, wie
sie die Staatsanwaltschaft ursprünglich mit ihrer
Revisionsbegründungsschrift beantragt hat, scheidet aus, weil
der Raub und die aus den vorgenannten Gründen
möglicherweise von den Angeklagten verwirklichten
Gesetzesverletzungen materiell-rechtlich eine Tat bilden (vgl. BGH NStZ
1997, 276). Demgemäß ist die von der
Staatsanwaltschaft vorgenommene Beschränkung der Revision
unwirksam und damit unbeachtlich.
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2. Infolge der Aufhebung der Verurteilungen müssen die Strafen
neu zugemessen werden. Insoweit wird auf die Ausführungen in
den Antragsschriften des Generalbundesanwalts verwiesen.
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3. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an
ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs.
2 Satz 1 2. Alt. StPO).
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Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer |