BGH,
Urt. v. 3.4.2008 - 3 StR 394/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 394/07
vom
3.4.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 21. Februar 2008 in der Sitzung am 3.4.2008, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 21. Februar 2008 -
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor in der Verhandlung vom 21. Februar 2008,
Justizangestellte in der Sitzung vom 3.4.2008
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Dresden vom 7. März 2007 in den Fällen
II. 3., 4., 6., 7. und 8. der Urteilsgründe mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts machte sich der Angeklagte,
der seit seinem 14. Lebensjahr in politisch rechtsgerichteten
Organisationen und Parteien aktiv und seit dem Jahre 1998 Mitglied des
Bundesvorstands der NPD ist, im Jahre 1993 mit dem Handel von CDs unter
dem Namen "P. Liste" selbstständig. Seit dem Jahre 1996
bestritt er seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit dieser
Tätigkeit. Im Januar 1998 brachte er sein Unternehmen in die
der NPD nahestehende "D. Verlags Gesellschaft mbH" ein. Dort war er
zunächst als Produktionsleiter angestellt und für
alle Artikel verantwortlich, die der Verlag vertrieb; seit dem Jahre
2004 ist er einer von
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zwei Geschäftsführern. Der Angeklagte hatte bei der
Auswahl der CDs freie Hand und trug die Verantwortung für die
rechtliche Seite der Produktionen. Dabei war ihm klar, dass sich die
von dem Verlag unter seiner Leitung vertriebenen Liedtexte teilweise am
Rande der Legalität bewegten. Anlässlich einer
Durchsuchung der Räumlichkeiten der "D. Verlags Gesellschaft
mbH" im März 2003 wurden insgesamt 250 verschiedene CDs
sichergestellt; ihr Inhalt wurde in der Folgezeit
überprüft.
Hinsichtlich acht dieser CDs hat die Staatsanwaltschaft Anklage
erhoben. Sie hat dem Angeklagten vorgeworfen, er habe sich der
Volksverhetzung in fünf Fällen, davon in einem Fall
in Tateinheit mit Gewaltdarstellung, des Verwendens von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen, der Beschimpfung von Bekenntnissen,
Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen sowie des
Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen
schuldig gemacht.
2
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen. Es hat dies damit
begründet, dass teilweise schon die Voraussetzungen des
objektiven Tatbestands der jeweils in Betracht kommenden
Strafvorschriften nicht gegeben seien; teilweise hat es angenommen, der
Angeklagte habe nicht vorsätzlich gehandelt bzw. sich in einem
unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden.
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Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung
materiellen Rechts begründete Revision der Staatsanwaltschaft.
Das vom Generalbundesanwalt - mit Ausnahme des Falles II. 5. der
Urteilsgründe - vertretene Rechtsmittel hat einen Teilerfolg.
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II. Die Revision ist nicht begründet, soweit sie sich gegen
den Freispruch des Angeklagten in den Fällen II. 1., 2. und 5.
der Urteilsgründe wendet.
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1. Im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat das Landgericht ohne
Rechtsfehler den objektiven Tatbestand der Volksverhetzung (§
130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) verneint; denn der Text des
Liedes "Geh uns aus dem Weg" auf der CD "Eiserne Jugend" der Gruppe
"Foierstoss" wendet sich nicht gegen ein Angriffsobjekt im Sinne der
genannten Vorschrift.
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Die Norm setzt voraus, dass sich der Inhalt einer Schrift, der nach
§ 11 Abs. 3 StGB CDs gleich stehen, gegen einen Teil der
Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische,
religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe richtet.
Unter einem - im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden - Teil
der Bevölkerung ist eine von der übrigen
Bevölkerung auf Grund gemeinsamer äußerer
oder innerer Merkmale politischer, nationaler, ethnischer, rassischer,
religiöser, weltanschaulicher, sozialer, wirtschaftlicher,
beruflicher oder sonstiger Art unterscheidbare Gruppe von Personen zu
verstehen, die zahlenmäßig von einiger Erheblichkeit
und somit individuell nicht mehr unterscheidbar sind (vgl. Fischer,
StGB 55. Aufl. § 130 Rdn. 4). Dass es sich bei den mit den
Bezeichnungen "Linke und Antifa-Brut" sowie "Rote Flut" angesprochenen
Personenkreisen nicht um abgrenzbare Bevölkerungsgruppen in
diesem Sinne handelt, hat das Landgericht mit revisionsrechtlich nicht
zu beanstandender Interpretation des Liedtextes dargelegt.
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a) Die Auslegung des Inhalts einer Schrift im Sinne des § 130
Abs. 2 Nr. 1 StGB hat sich wegen des Charakters der Vorschrift als
Verbreitungsdelikt an seinem objektiven Sinngehalt, Zweck und
Erklärungswert zu orientieren, wie sie von einem
verständigen, unvoreingenommenen Durchschnittsleser oder
-hörer aufgefasst werden. Ob die Schrift die inhaltlichen
Anforderungen des objektiven Tatbestands erfüllt, muss sich
demnach in erster Linie aus ihr selbst ergeben. Umstände, die
in der Schrift selbst keinen Niederschlag gefunden haben, bleiben
grundsätzlich außer Betracht. Insbesondere
subjektive Zielsetzungen, Mo-
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tive, Absichten, Vorstellungen oder Neigungen des Täters
müssen zumindest "zwischen den Zeilen" erkennbar sein (vgl.
Miebach/Schäfer in MünchKomm StGB § 130 Rdn.
57). Lässt eine Äußerung mehrere Deutungen
zu, von denen nur eine strafbar ist, so darf die zur Bestrafung
führende Interpretation nur zugrunde gelegt werden, wenn die
anderen Deutungsmöglichkeiten, insbesondere solche, die mit
der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) vereinbar
wären, mit überzeugenden Gründen
ausgeschlossen werden können (vgl. BVerfG NJW 1994, 2943).
b) Bei einer diesen Maßstäben entsprechenden
Auslegung des Inhalts der CD ergibt sich, dass kein ausreichend
eingrenzbarer Bevölkerungsteil angegriffen wird.
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Zwar kann grundsätzlich auch eine politische Gruppierung
taugliches Ziel eines Angriffs im Sinne des § 130 Abs. 2 StGB
sein (vgl. von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 130 Rdn. 9). Bei
nicht näher spezifizierten Sammelbegriffen wie "Rote" oder
"Linke" ist der bezeichnete Personenkreis jedoch so groß und
unüberschaubar und umfasst derart zahlreiche, sich teilweise
deutlich unterscheidende politische Richtungen und Einstellungen, dass
seine Abgrenzung auf Grund bestimmter Merkmale von der
Gesamtbevölkerung nicht möglich ist (vgl. BGHR StGB
§ 130 Nr. 1 Bevölkerungsteil 1).
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Ähnliches gilt im Ergebnis für die Bezeichnung
"Antifa-Brut". Der Begriff "Antifa" bezeichnet nach allgemeinem
Verständnis je nach Zusammenhang linke, linksradikale und/oder
autonome Gruppierungen oder Organisationen, die sich das Ziel gesetzt
haben, Nationalismus oder Rassismus zu bekämpfen. Dabei
handelt es sich allerdings nicht um ein auch nur annähernd
homogenes Gebilde. Vielmehr ist die Ablehnung von Faschismus, Rassismus
und Nationalismus häufig nur der kleinste gemeinsame Nenner,
der zwischen den unter-
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schiedlichen Gruppierungen konsensfähig ist. Treffen sich
indes ansonsten politisch-ideologisch ganz unterschiedlich
geprägte Personengruppen lediglich in einem gemeinsamen Ziel,
so reicht allein dies grundsätzlich nicht aus, um sie als
abgrenzbaren Teil der Bevölkerung im Sinne des § 130
Abs. 1 und 2 StGB ansehen zu können; denn die Personenmehrheit
ist in diesen Fällen nicht in einem Maße durch
gemeinsame individuelle Merkmale geprägt, das sie nach
außen als Einheit erscheinen lässt und eine
hinreichend sichere Unterscheidung von der übrigen
Bevölkerung ermöglicht.
Die besonderen Umstände des vorliegenden Falles
führen nicht zu einem abweichenden Ergebnis; denn auch dem
Kontext, etwa dem Inhalt der übrigen Lieder der CD, sind bei
sachgerechter Interpretation keine Gesichtspunkte zu entnehmen, die zu
einer hinreichenden Eingrenzbarkeit des angegriffenen Personenkreises
führen könnten.
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2. Auch im Fall II. 2. der Urteilsgründe ist der Freispruch
des Angeklagten vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2
Nr. 1 Buchst. a und d StGB) in Tateinheit mit Gewaltdarstellung
(§ 131 Abs. 1 Nr. 1 und 4 StGB) bezüglich der Texte
der Lieder auf der CD "Spirit of 88/White Power Skinheads" der Band
"Spreegeschwader" im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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a) Hinsichtlich des Liedes "Ignoranten" liegen - entgegen der Ansicht
des Landgerichts, das zur Begründung des Freispruchs auf einen
Tatbestands- bzw. unvermeidbaren Verbotsirrtum des Angeklagten
abgestellt hat - bereits die Voraussetzungen des objektiven Tatbestands
der Norm nicht vor; denn es fehlt an der in allen Alternativen der
Vorschrift vorausgesetzten besonderen Intensität des Angriffs.
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aa) Mit dem Text des genannten Liedes wird zunächst nicht zum
Hass gegen einen Teil der Bevölkerung oder eine im Gesetz
näher bezeichnete
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Gruppe von Personen aufgestachelt. Hierunter ist ein Verhalten zu
verstehen, das auf die Gefühle oder den Intellekt eines
anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist,
eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung
oder Verachtung hinausgehende, feindselige Haltung gegen den
betreffenden Bevölkerungsteil oder die betreffende Gruppe zu
erzeugen oder zu verstärken (vgl. BGHSt 40, 97, 102; 46, 212,
217). Der Liedtext enthält zwar abfällige
Äußerungen über Türken, Albaner
und Russen, denen vor allem die Beherrschung der Schulen und die
Begehung bestimmter Arten von Straftaten vorgeworfen wird. Wenn auch
Hetze, die sich gegen Ausländer richtet, bei entsprechendem
Gewicht regelmäßig tatbestandsrelevant sein kann
(vgl. Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 32), so ist
hier jedoch die erforderliche besonders intensive Form der Einwirkung
(vgl. BGHSt 21, 371, 372) auch unter Beachtung des zu
berücksichtigenden Kontextes nicht gegeben.
bb) Daneben wird auch nicht zu Gewalt- oder
Willkürmaßnahmen gegen die genannten Angriffsobjekte
aufgefordert. Dies setzt ein über das bloße
Befürworten hinausgehendes, ausdrückliches oder
konkludentes Einwirken auf andere mit dem Ziel voraus, in ihnen den
Entschluss zu diskriminierenden Handlungen hervorzurufen, die den
elementaren Geboten der Menschlichkeit widersprechen (vgl.
Lenckner/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB
27. Aufl. § 130 Rdn. 5 b; von Bubnoff, aaO § 130 Rdn.
19). Hierunter fallen etwa Gewalttätigkeiten im Sinne des
§ 125 StGB, Freiheitsberaubungen, gewaltsame Vertreibungen,
Pogrome, die Veranstaltung von Hetzjagden gegen Ausländer und
sonstige im Widerspruch zu elementaren Geboten der Menschlichkeit
stehende Behandlungen aller Art (vgl. Miebach/Schäfer, aaO
§ 130 Rdn. 35). Ein derartiger Appellcharakter ist dem Text
des genannten Liedes nicht zu entnehmen.
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cc) Schließlich wird auch nicht die Menschenwürde
anderer dadurch angegriffen, dass eines der genannten Angriffsobjekte
beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder
verleumdet wird. Beschimpfen ist eine nach Inhalt oder Form besonders
verletzende Äußerung der Missachtung (vgl. BGHSt 46,
212, 216). Unter Verächtlichmachen ist jede auch
bloß wertende Äußerung zu verstehen, durch
die jemand als der Achtung der Staatsbürger unwert oder
unwürdig hingestellt wird (vgl. BGHSt 3, 346, 348). Verleumden
erfordert das wider besseres Wissen aufgestellte oder verbreitete
Behaupten einer Tatsache, die geeignet ist, die betroffene Gruppe in
ihrer Geltung und in ihrem Ansehen herabzuwürdigen (vgl.
Fischer, aaO § 130 Rdn. 11). Ein Angriff gegen die
Menschenwürde anderer, der sich durch eine dieser Handlungen
ergeben muss, setzt voraus, dass sich die feindselige Handlung nicht
nur gegen einzelne Persönlichkeitsrechte wie etwa die Ehre
richtet, sondern den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit
trifft, indem er unter Missachtung des Gleichheitssatzes als
minderwertig dargestellt und ihm das Lebensrecht in der Gemeinschaft
bestritten wird (vgl. BVerfG NJW 2001, 61, 63). Ein noch weiter
gehender Angriff etwa auf das biologische Lebensrecht an sich ist nicht
erforderlich (vgl. BayObLG NStZ 1994, 588, 589). Auch insoweit kommen
grundsätzlich entsprechend intensive
ausländerfeindliche Parolen in Betracht (vgl. die Beispiele
bei Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 44 m. w. N.).
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Derart besonders qualifizierte Beeinträchtigungen, die durch
ein gesteigertes Maß an Gehässigkeit und Rohheit
gekennzeichnet sein müssen, und durch die die
Angehörigen des betreffenden Bevölkerungsteils oder
der betreffenden Gruppe in ihren grundlegenden Lebensrechten als
gleichwertige Persönlichkeiten in der Gemeinschaft verletzt
werden und der unverzichtbare Bereich ihres
Persönlichkeitskerns sozial abgewertet wird (vgl. BGHSt 36,
83, 90), liegen hier indes nicht vor. Der Gehalt des Textes zielt
vielmehr in erster Linie auf das Anprangern eines von den Interpreten
postulierten Unverständnisses
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gegenüber dem vermeintlich legitimen Anliegen
ausländerfeindlicher Bevölkerungskreise und eine -
wenn auch durchaus massive - Kundgabe der Missbilligung bestimmter
behaupteter Zustände.
b) Bezüglich des Liedes "Mörder in der Nacht" hat das
Landgericht die Verwirklichung des objektiven Tatbestands von
§ 131 StGB ohne Rechtsfehler verneint, da dem Text keine
eindeutig gewaltverherrlichende Aussage zu entnehmen ist.
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3. Der Freispruch des Angeklagten im Fall II. 5. der
Urteilsgründe vom Vorwurf der Beschimpfung von Bekenntnissen,
Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen (§
166 Abs. 1 und 2 StGB) ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
20
Das Landgericht hat den objektiven Tatbestand des § 166 StGB
rechtsfehlerfrei mit der Begründung verneint, es fehle an
einer ausreichenden Tathandlung, weil dem Angeklagten nicht
nachzuweisen gewesen sei, dass er die CD "Der Untermensch" der Gruppe
"Camulos" - deren Texte in mehreren Liedern allerdings die inhaltlichen
Voraussetzungen des § 166 StGB erfüllen -
tatsächlich verbreitet, das heißt, sie ihrer
Substanz nach einem größeren Personenkreis
zugänglich gemacht (vgl. BGH NJW 1999, 1979, 1980 zu
§ 184 StGB m. w. N.) habe. Das Landgericht hat lediglich
festgestellt, dass im Lager des Verlags eine CD aufbewahrt wurde. Das
bloße Vorrätighalten einer Schrift ist
gemäß § 166 StGB indes ebenso wenig mit
Strafe bedroht wie der Versuch des Verbreitens (§ 166 Abs. 1
und 2, § 23 Abs. 2, § 12 Abs. 1 und 2 StGB).
21
Soweit das Landgericht im Übrigen in Bezug auf eine
mögliche Strafbarkeit wegen Volksverhetzung den Vorsatz des
Angeklagten nicht festzustellen vermocht hat, begegnet dies aus den vom
Generalbundesanwalt in seiner An-
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tragsschrift zutreffend dargelegten Gründen keinen
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
III. Demgegenüber hält das Urteil
sachlich-rechtlicher Prüfung in den Fällen II. 3.,
4., 6., 7. und 8. der Urteilsgründe nicht stand.
23
1. Bei dem Freispruch des Angeklagten im Fall II. 3. der
Urteilsgründe vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130
Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) im Zusammenhang mit dem Text des
Liedes "Rote raus" auf der CD "Herz des Reiches" der Gruppe
"Panzerfaust" hat das Landgericht weder den objektiven noch den
subjektiven Tatbestand der Vorschrift mit einer rechtlich
tragfähigen Begründung ausgeschlossen.
24
a) Entgegen der Meinung der Strafkammer wird mit dem in dem Lied
verwendeten Ausdruck "Kommunisten" ein Teil der Bevölkerung im
Sinne des Tatbestandes der Volksverhetzung gemäß
§ 130 Abs. 1 und 2 StGB bezeichnet. Im Gegensatz zu der
"Antifa"-Bewegung, in der weltanschaulich unterschiedlich
geprägte Gruppierungen lediglich durch ein gemeinsames Ziel
vereint sind, verbindet Kommunisten - bei durchaus unterschiedlicher
Ausrichtung in Einzelfragen - eine gemeinsame weltanschauliche,
politisch-ideologische Grundüberzeugung. Diese gibt der
Personenmehrheit ein insgesamt gemeinschaftliches Gepräge, das
sie - trotz im Randbereich vorhandener Berührungspunkte und
Überschneidungen mit sonstigen, insbesondere politisch
linksgerichteten Gruppierungen - in ausreichender Weise von der
übrigen Bevölkerung unterscheidbar macht.
25
b) Der Text des Liedes enthält einen Angriff gegen die
Menschenwürde anderer, der darin liegt, dass die Kommunisten
als Teil der Bevölkerung böswillig
verächtlich gemacht werden. In ihm heißt es
auszugsweise: "Blöder als die Polizei erlaubt/ Dreckiger als
das dreckigste Schwein/ Du stinkst mehr als ein
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Hundehaufen/ Dein Gehirn ist erbsenklein/ Du bist ein Kommunist und
deine Ideen gehören auf den Mist/ Nie wieder werdet ihr unser
Volk zerspalten/ Unser Heimat vergewaltigen". Der Refrain lautet: "Rote
raus, Rote raus, Rote raus/ Das ist unsre Heimat, hier sind wir zu
haus/ Rote raus, Rote raus, Rote raus/ Ihr lächerlichen
Kasper, wir lachen euch bloß aus". Bei sachgerechter
Auslegung werden hierdurch in eindeutiger Weise Kommunisten nicht nur
in einzelnen Persönlichkeitsrechten wie ihrer Ehre getroffen,
sondern darüber hinausgehend in besonders gehässiger
und roher Weise sozial abgewertet und im Kern ihrer
Persönlichkeit verletzt.
c) Soweit das Landgericht ausgeführt hat, eine Strafbarkeit
des Angeklagten scheide daneben jedenfalls aus subjektiven
Gründen aus, da ihm "als Laien" kein Vorsatz nachgewiesen
werden könne, wenn selbst die Strafkammer den Text
für rechtlich noch vertretbar erachte, hat es die
Voraussetzungen vorsätzlichen Handelns verkannt.
27
aa) Das Landgericht hätte, wollte es den Vorsatz des
Angeklagten verneinen, aufgrund der Feststellungen zum objektiven
Tatgeschehen darlegen müssen, was der Angeklagte im Einzelnen
nicht in sein Wissen und Wollen aufgenommen hat. Da im Rahmen des
§ 130 StGB bedingter Vorsatz ausreicht, kommt es darauf an, ob
der Täter das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen
der Norm als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und
damit in der Weise einverstanden ist, dass er die
Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt (vgl. Fischer, aaO
§ 15 Rdn. 9 ff.).
28
bb) Dem Landgericht oblag es deshalb, unter Anlegung dieser
Maßstäbe zu prüfen, ob der Angeklagte
zumindest bedingt vorsätzlich davon ausging, dass in dem
betreffenden Lied Kommunisten als Teil der Bevölkerung
böswillig verächtlich gemacht werden.
Hierfür reichte allein der Hinweis darauf nicht aus,
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dass die Strafkammer selbst die Verwirklichung des objektiven
Tatbestands der Norm verneint hat. Vielmehr musste sie die
maßgebende Vorstellung des Täters zum Zeitpunkt der
Begehung der Tat feststellen und würdigen. Dabei war darauf
Bedacht zu nehmen, dass der Vorsatz auf der Wissensseite als
intellektuelles Element erfordert, dass der Täter sich zurzeit
der Handlung des Vorliegens aller Umstände des
äußeren Tatbestands bewusst ist.
Namentlich bei normativ geprägten Tatbestandsmerkmalen braucht
der Täter im Übrigen nicht die aus den
Gesetzesbegriffen folgende rechtliche Wertung nachzuvollziehen;
insofern genügt die Parallelwertung in der
Laiensphäre, die voraussetzt, dass der Täter die
Tatsachen kennt, die dem normativen Begriff zugrunde liegen, und auf
der Grundlage dieses Wissens den sozialen Sinngehalt des
Tatbestandsmerkmals richtig begreift (vgl. Lackner/Kühl, StGB
26. Aufl. § 15 Rdn. 9, 14).
30
2. Im Fall II. 4. der Urteilsgründe hat das Landgericht zum
Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen (§ 86 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) festgestellt, dass
der Angeklagte in den Räumen der "D. Verlags Gesellschaft mbH"
zu Verkaufszwecken die CD "Stimme des Volkes 26.03.1999" lagerte. Diese
enthielt die Aufnahme einer aus Liedern und Textbeiträgen
bestehenden Sendung von "Radio Germania", einem politisch
rechtsgerichteten Sender. In zwei Liedern wird unter
Anknüpfung an den Sprachgebrauch des Dritten Reiches die
Parole der Hitlerjugend "Blut und Ehre" gebraucht. Dem Angeklagten war
im Jahre 1999 in einem Gespräch von dem Verantwortlichen des
Senders mitgeteilt worden, dass alle Sendungen anwaltlich begutachtet
und für unbedenklich gehalten worden seien. Daneben wird von
dem Sprecher zu Beginn der Sendung darauf hingewiesen, dass die Sendung
"wie immer auch dieses Mal von unseren Rechtsanwälten als
strafrecht-
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lich nicht relevant und ohne Verstöße gegen die
Jugendschutzordnung gewertet worden" sei.
a) Die Strafkammer hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, dass
der objektive Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 2 StGB
erfüllt ist; denn der Angeklagte hielt mit der beschriebenen
CD einen Gegenstand zum Zwecke der Verbreitung vorrätig, der
ein Kennzeichen einer nationalsozialistischen Organisation im Sinne von
§ 86 a Abs. 2 Satz 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB enthielt.
32
b) Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht darauf
abgestellt, dem Angeklagten könne nicht nachgewiesen werden,
er habe gewusst, dass die Verwendung des Begriffspaares "Blut und Ehre"
zweifelsfrei auf die Parole der Hitlerjugend hinweise; es fehle somit
an der subjektiven Tatseite. Gehe man stattdessen von einem
Verbotsirrtum aus, sei dieser unvermeidbar gewesen. Diese
Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
33
aa) Zwar können Fehlvorstellungen oder -bewertungen
über normative Tatbestandsmerkmale je nach dem Stand der
(Un-)Kenntnis des Täters zu einem den Vorsatz und damit die
Strafbarkeit ausschließenden Tatbestandsirrtum
(§§ 15, 16 StGB) oder zu einem vermeidbaren oder
unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) führen,
wobei die sachgerechte Einordnung derartiger Irrtümer unter
Rückgriff auf wertende Kriterien und differenzierte
Betrachtungen vorzunehmen ist (vgl. BGH NStZ 2006, 214, 217). Insoweit
kann das Vertrauen des Täters in juristische
Auskünfte sowohl im Rahmen des Tatbestandsvorsatzes Bedeutung
erlangen als auch sich im Bereich der Schuld auf die Strafbarkeit
auswirken (vgl. Kirch-Heim/Samson, wistra 2008, 81). Durch die vom
Landgericht getroffenen Feststellungen wird indes weder
tragfähig belegt, dass der An-
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- 15 -
geklagte ohne Vorsatz handelte, noch dass ihm bei Begehung der Tat die
Einsicht fehlte, Unrecht zu tun.
bb) Weder die pauschale Auskunft des für den Radiosender
Verantwortlichen über eine anwaltliche Begutachtung noch der
ebenso substanzlose Hinweis des Sprechers zu Beginn der Sendung
enthält einen irgendwie näher fassbaren konkreten
Hinweis auf eine Strafnorm oder gar ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal.
Die Feststellungen lassen deshalb nicht erkennen, wieso der Angeklagte
allein aufgrund dieser Auskünfte nicht zumindest im Sinne
bedingten Vorsatzes wusste und wollte, dass in den betreffenden Liedern
mit der Losung "Blut und Ehre" die Parole der Hitlerjugend
wiedergegeben wurde. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der
Angeklagte aufgrund seines politischen Werdegangs und seiner
über viele Jahre ausgeübten beruflichen
Tätigkeit mit dem Vokabular politisch rechtsgerichteter Kreise
in hohem Maße vertraut war.
35
cc) Auch ein Verbotsirrtum des Angeklagten ist nicht ausreichend
belegt. Wenn der Täter einen in seiner Bedeutung zutreffend
erkannten Umstand rechtlich unrichtig subsumiert, kann seine
Fehlvorstellung zwar als sog. Subsumtionsirrtum im Rahmen der Schuld
Bedeutung gewinnen (vgl. Lackner/Kühl, aaO § 15 Rdn.
14). Hierzu lassen die Urteilsgründe jedoch jegliche
näheren Ausführungen vermissen. Der -
rechtsfehlerhaften - Annahme eines Tatbestandsirrtums wird vielmehr
ohne nähere Begründung diejenige eines Verbotsirrtums
"nachgeschoben". Da der Täter bereits dann ausreichende
Unrechtseinsicht hat, wenn er bei Begehung der Tat mit der
Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in
Kauf nimmt (vgl. BGHSt 4, 1, 4; 27, 196, 202; BGH NStZ 1996, 236, 237;
338), hier dem Angeklagten aber bewusst war, dass er sich in einem
rechtlichen Grenzbereich bewegte, liegt es zumindest nicht nahe, dass
er aufgrund der pauschalen Hinweise über das Unrecht seines
Tuns irrte.
36
- 16 -
dd) Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht weiter angenommen, ein
etwaiger Verbotsirrtum sei unvermeidbar gewesen; hierfür
bilden die getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage.
37
Die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums setzt voraus, dass der
Täter alle seine geistigen Erkenntniskräfte
eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder
erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und
sachkundigen Rechtsrats beseitigt hat (vgl. BGHSt 21, 18, 20). Dabei
müssen sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus
der Sicht des Täters verlässlich sein; die Auskunft
selbst muss zudem einen unrechtsverneinenden Inhalt haben. Eine
Auskunft ist in diesem Sinne nur dann verlässlich, wenn sie
objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere
nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und
Rechtslage erteilt worden ist (vgl. Vogel in LK 12. Aufl. § 17
Rdn. 78, 85). Bei der Auskunftsperson ist dies der Fall, wenn sie die
Gewähr für eine diesen Anforderungen entsprechende
Auskunftserteilung bietet (vgl. BGHSt 40, 257, 264).
38
Hinzu kommt, dass der Täter nicht vorschnell auf die
Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und
seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen
verschließen darf. Maßgebend sind die jeweils
konkreten Umstände, insbesondere seine Verhältnisse
und Persönlichkeit; daher sind zum Beispiel sein
Bildungsstand, seine Erfahrung und seine berufliche Stellung zu
berücksichtigen (vgl. Fischer, aaO § 17 Rdn. 8).
39
Das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat vermag somit nicht
in jedem Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Täters zu
begründen. Wendet sich dieser an einen auf dem betreffenden
Rechtsgebiet versierten Anwalt, so hat er damit zwar vielfach das
zunächst Gebotene getan (vgl. BGHR StGB § 17
Vermeidbarkeit 3). Jedoch ist weiter erforderlich, dass der
Täter auf
40
- 17 -
die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren
Umständen vertrauen darf. Dies ist nicht der Fall, wenn die
Unerlaubtheit des Tuns für ihn bei auch nur
mäßiger Anspannung von Verstand und Gewissen leicht
erkennbar ist oder er nicht mehr als eine Hoffnung haben kann, das ihm
bekannte Strafgesetz greife hier noch nicht ein. Daher darf der
Täter sich auf die Auffassung eines Rechtsanwalts etwa nicht
allein deswegen verlassen, weil sie seinem Vorhaben günstig
ist (vgl. BGH, Beschl. vom 12. Juni 1985 - 3 StR 82/85). Eher zur
Absicherung als zur Klärung bestellte
Gefälligkeitsgutachten scheiden als Grundlage unvermeidbarer
Verbotsirrtümer aus (vgl. Fischer, aaO § 17 Rdn. 9
a). Auskünfte, die erkennbar vordergründig und
mangelhaft sind oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich eine
"Feigenblattfunktion" (vgl. Cramer/Sternberg-Lieben in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 17 Rdn.
18) erfüllen sollen, können den Täter
ebenfalls nicht entlasten (vgl. BGH NStZ 2000, 307, 309). Insbesondere
bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist
regelmäßig ein detailliertes, schriftliches
Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu
begründen (vgl. Kirch-Heim/Samson, aaO 81, 85).
Vor diesem Hintergrund genügen die getroffenen Feststellungen
nicht ansatzweise, um die Unvermeidbarkeit eines etwaigen
Verbotsirrtums zu belegen. Dem Angeklagten oblag bereits aufgrund
seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als der
für das Verlagsprogramm verantwortlichen Person eine besondere
Erkundigungs- und Prüfungspflicht, an die strenge
Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGHSt 37, 55, 66). Dies gilt erst
recht im Hinblick auf die sonstigen besonderen Umstände des
vorliegenden Falles. So war dem selbst mit den einschlägigen
Rechtsfragen vertrauten Angeklagten bewusst, dass er sich in einem
rechtlichen Grenzbereich bewegte und die Gefahr der Erfüllung
von Straftatbeständen aufgrund des Inhalts der von der "D.
Verlags Gesellschaft mbH" angebotenen und vertriebenen CDs nahe lag.
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Der Angeklagte durfte sich somit allein auf die pauschale
mündliche Auskunft eines Dritten über eine
anwaltliche Begutachtung ebenso wenig verlassen wie auf die Aussage des
Sprechers zu Beginn der Sendung. Beide Hinweise boten keinerlei
Gewähr für eine hinreichende inhaltliche
Verlässlichkeit; denn sie ließen weder einen Schluss
auf den Umfang noch auf die Sorgfältigkeit der rechtlichen
Überprüfung zu. Die Auskunft hätte sich
zudem inhaltlich darauf richten müssen, dass das beabsichtigte
Handeln kein Unrecht ist (vgl. Vogel, aaO § 17 Rdn. 19).
Hinsichtlich der Aussage durch den Verantwortlichen des Senders
verhalten sich die Urteilsgründe indes noch nicht einmal dazu,
ob sich die anwaltliche Begutachtung auf alle oder nur auf einzelne
nach dem Strafgesetzbuch in Betracht kommenden Strafvorschriften bezog
und auch etwa die einschlägigen Normen des
Jugendschutzgesetzes (vgl. §§ 15, 27 JuSchG) umfasste.
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3. Der Freispruch des Angeklagten im Fall II. 6. der
Urteilsgründe vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130
Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB) bezüglich des Liedes
"Stinkendes Leben" auf der CD "Das rechte Wort" der Gruppe "Patriot
19/8 & Sleipnir" kann ebenfalls keinen Bestand haben.
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a) Die in dem Lied angesprochene Gruppe der "Punker" stellt einen Teil
der Bevölkerung im Sinne der genannten Vorschrift dar (vgl.
Lenckner/Sternberg-Lieben, aaO § 130 Rdn. 4;
Miebach/Schäfer, aaO § 130 Rdn. 25). Punker sind
aufgrund einer etwa in ihrem Lebensstil und äußeren
Erscheinungsbild zu Tage tretenden weltanschaulichen
Überzeugung, die trotz unterschiedlicher Präferenzen
im Einzelnen nach außen genügende Gemeinsamkeiten
erkennen lässt, als Personenmehrheit von der übrigen
Bevölkerung in ausreichendem Maße abgrenzbar.
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b) Entgegen der Auffassung der Strafkammer wird in dem genannten Lied
die Menschenwürde der Punker dadurch angegriffen, dass sie
beschimpft und böswillig verächtlich gemacht werden.
Mit dem Text der Kehrreime "Du bist ein Punk, du bist so krank/ bist so
abnorm und nie in Form/ benimmst dich wie das letzte Schwein/
Gefällt es dir, Abschaum zu sein?" und "Die Zeit ist reif
für Deutschlands Segen/ Die Zukunft liegt in unserer Hand/ Wir
werden sie von den Straßen fegen/ Und frei und sauber sei das
Land" sowie weiteren ähnlichen Passagen wird die Missachtung
von Punkern in besonders gravierender Form zum Ausdruck gebracht; diese
werden im Kern ihrer Persönlichkeit getroffen und verletzt.
Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang gemeint hat, nur eine
Beeinträchtigung der Ehre feststellen zu können, und
zur Begründung ausgeführt hat, die Bezeichnung
"Schwein" sei im heutigen Sprachgebrauch üblich und werde
teilweise auch in populären Liedern wie "Männer sind
Schweine" der Gruppe "Die Ärzte" gebraucht, hat sie in
besonderer Weise die sich bei verständiger Würdigung
aufdrängende Bedeutung des hier relevanten Textes verkannt. In
diesem geht es im Gegensatz zu dem von der Strafkammer als Vergleich
bemühten Lied nicht um eine satirische Überspitzung
bestimmter menschlicher Verhaltensweisen und Eigenschaften; vielmehr
wird in eindeutiger Weise das Recht von Punkern auf Anerkennung als
Persönlichkeiten in der Gemeinschaft besonders
gehässig und roh verletzt und der unverzichtbare Bereich ihres
Persönlichkeitskerns sozial abgewertet.
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c) Mit dem Inhalt des letzten Kehrreims wird daneben auch zu Gewalt-
und Willkürmaßnahmen gegen Punker aufgefordert, da
zumindest konkludent auf andere mit dem Ziel eingewirkt wird, in ihnen
den Entschluss zu Gewalttätigkeiten und ähnlichen
Handlungen hervorzurufen. Diesem appellativen Charakter des Textes
steht nicht entgegen, dass vordergründig die Formulierung "Wir
werden sie von der Straße fegen" benutzt wird. Bei
sachgerechter Bewertung ergibt sich, dass die Zielrichtung der Aussage
nicht dahin geht, eigene
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Handlungen oder Absichten der Interpreten darzustellen; vielmehr ist
die eigentliche Intention erkennbar darauf gerichtet, andere zu
animieren, Gewalt- oder Willkürmaßnahmen zu
verüben bzw. sich solchen anzuschließen.
d) Soweit die Strafkammer daneben unter Hinweis auf eine
Unbedenklichkeitserklärung des Rechtsanwalts N. , deren
näherer Inhalt in den Feststellungen nicht mitgeteilt wird,
den Vorsatz des Angeklagten verneint hat, hält dies aus den
dargelegten Gründen rechtlicher Prüfung nicht stand.
Der Schluss des Landgerichts von dieser nicht näher
spezifizierten Auskunft darauf, dass der Angeklagte sich in einer
Fehlvorstellung über bestimmte Merkmale des gesetzlichen
Tatbestands befand, entbehrt auch hier einer tragfähigen
Grundlage.
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e) Aus denselben Gründen ist die den Ausführungen
über einen Tatbestandsirrtum ohne weitere Begründung
folgende Annahme eines Verbotsirrtums rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer
hat auch in diesem Fall nicht dargelegt, über welches
normative Tatbestandsmerkmal sich der Angeklagte in einer Weise im
Irrtum befunden haben soll, die seine Unrechtseinsicht ausschloss.
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f) Schließlich reichen die Ausführungen des
Landgerichts nicht aus, um die Unvermeidbarkeit eines etwaigen
Verbotsirrtums zu begründen. Allein das Vertrauen in eine
inhaltlich nicht näher konkretisierte anwaltliche Auskunft
kann bei sachgerechter Bewertung der sonstigen Umstände des
vorliegenden Falles bei Anwendung der dargelegten
Maßstäbe nicht zu der Annahme führen, der
Angeklagte habe seine eventuelle Fehlvorstellung nicht durch die
genügende Anspannung seines Gewissens vermeiden
können.
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4. Der Freispruch im Fall II. 7. der Urteilsgründe vom Vorwurf
der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und d StGB)
im Zusammenhang mit dem Text des Liedes "Bunthaarige Schweine" auf der
CD "Totgesagte leben länger" der Gruppe "Doitsche Patrioten"
begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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a) Der Text des Liedes richtet sich wie im Fall zuvor bei
verständiger Auslegung gegen Punker und damit gegen einen
genügend abgrenzbaren Teil der Bevölkerung. Dem steht
nicht entgegen, dass die Punker hier nicht ausdrücklich als
solche bezeichnet sind; denn eine derartige namentliche Benennung ist
jedenfalls dann entbehrlich, wenn sich aus dem Inhalt der Schrift
ausreichend deutlich ergibt, welcher bestimmte
Bevölkerungsteil Ziel des Angriffs ist. Dies ist hier der
Fall. In dem Text des Liedes werden mehrere typische
Äu-ßerlichkeiten und Verhaltensweisen genannt, die
Punkern zuzuordnen sind und deren Erscheinungsbild bestimmen. Dies
lässt den zweifelsfreien Schluss darauf zu, dass hier die
betreffende Personenmehrheit als Angriffsobjekt umschrieben ist.
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b) Mit Formulierungen wie "Hallo du kleines Arschgesicht/ Ich find dich
einfach widerlich/ Wie oft willst du denn noch erwachen/ Bestell dir
lieber gleich nen Sarg", "Bunthaarige Schweine/ Dreckig eklig und
verkeimt/ Ziehst du hier nicht gleich Leine/ Nutz ich die Gunst der
Zeit" oder "Vielleicht hast du es nicht ganz geschnallt/ Verpiss dich
bevor es knallt" wird sowohl die Menschenwürde der Punker
dadurch angegriffen, dass sie böswillig verächtlich
gemacht werden, als auch zu Gewalt- oder
Willkürmaßnahmen gegen sie aufgefordert.
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c) Soweit die Strafkammer den Vorsatz des Angeklagten verneint hat,
weil er gewusst habe, dass zu der CD ein Gutachten der
Rechtsanwältin P. existiere, das zu dem Ergebnis gekommen sei,
die Texte seien strafrechtlich
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unbedenklich, hält dies aus den bereits ausgeführten
Gründen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Auch in diesem Fall wird der Inhalt des Gutachtens in den
Urteilsgründen nicht mitgeteilt; danach kannte der Angeklagte
nur dessen pauschales Ergebnis. Somit wird die Folgerung der
Strafkammer, er habe sich über einzelne Tatbestandsmerkmale im
Irrtum befunden, von den Feststellungen nicht getragen.
d) Entsprechendes gilt für die Annahme eines unvermeidbaren
Verbotsirrtums. Dessen Voraussetzungen sind den Feststellungen nicht zu
entnehmen. Auch insoweit gelten die obigen Ausführungen
entsprechend. Darüber hinaus wäre hier in die
rechtliche Bewertung die Kenntnis des Angeklagten davon einzubeziehen
gewesen, dass in zumindest einem früheren Fall (Fall II. 2.
der Urteilsgründe) trotz eines Gutachtens von
Rechtsanwältin P. , welches zu dem Ergebnis gekommen war, die
auf der CD befindlichen und von ihr geprüften Texte seien
erlaubt, die CD im Nachhinein bezüglich dreier Lieder durch
die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Schriften indiziert wurde, was zu einer Neuauflage führte, in
der die beanstandeten Lieder durch andere ersetzt wurden. Der
Angeklagte hatte somit begründeten Anlass, an der
Verlässlichkeit der Auskunft zu zweifeln und durfte auch aus
diesem Grunde nicht ohne Weiteres auf das pauschale Ergebnis der
entsprechenden Begutachtung vertrauen.
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5. Soweit die Strafkammer im Fall II. 8. der Urteilsgründe den
Angeklagten vom Vorwurf des Verbreitens von Propagandamaterial
verfassungswidriger Organisationen (§ 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB)
freigesprochen hat, hält das Urteil revisionsrechtlicher
Prüfung schließlich ebenfalls nicht stand.
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a) Das Landgericht hat zunächst den objektiven Tatbestand der
Vorschrift mit rechtsfehlerfreien Erwägungen bejaht. Dabei hat
es zutreffend ausgeführt, den Texten der Lieder "Doitschland"
und "Unter dem Krakenkreuz" sei bei
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einer Auslegung aus verständiger Sicht zu entnehmen, dass der
Ausdruck "Krakenkreuz" als Synonym für "Hakenkreuz" gebraucht
und damit eindeutig an nationalsozialistische Zielsetzungen
angeknüpft werde.
b) Das Landgericht hat jedoch die - bereits als solche nicht nahe
liegende - Einlassung des Angeklagten, der angegeben hat, er habe die
CD als "reine Spaß-CD" bewertet, mit der ein besonderer Typ
Skinheads satirisch habe dargestellt werden sollen, für nicht
widerlegt angesehen und deshalb den Vorsatz des Angeklagten verneint.
Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung zur subjektiven
Tatseite geht von einem unzutreffenden Verständnis der
Liedtexte aus und erweist sich als lücken- und damit
sachlich-rechtlich fehlerhaft.
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aa) Die Interpretation des Textes der einzelnen Lieder durch das
Landgericht begegnet durchgreifenden Bedenken, soweit es verschiedene
Passagen als geeignet angesehen hat, Zweifel aufkommen zu lassen, ob
mit den Liedtexten politische Ziele verfolgt werden sollten.
Hierfür hat es etwa die Textstelle "Doitschland ich lieb dich
so/ das ist keine Banane und keine Schokolade/ ich vermisse meine
Heimat und das finde ich sehr schade" benannt. Insoweit hätte
sich die Strafkammer jedenfalls mit der nahe liegenden
Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass die
Begriffe "Banane" und "Schokolade" in der rechtsextremen Szene als
Synonyme für Menschen mit dunkler Hautfarbe und
südländischer Herkunft gebraucht werden. In diesem
Zusammenhang wäre zu würdigen gewesen, dass der
Angeklagte mit der politisch rechtsgerichteten Terminologie in
besonderer Weise vertraut war, was nahe legt, dass ihm der Gehalt der
dargestellten Textpassage in Form einer rassistischen Ausrichtung der
Texte ohne Weiteres klar war.
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bb) Das Landgericht hat sich daneben nicht erkennbar damit
auseinandergesetzt, dass - für den Angeklagten nach den
Umständen ebenfalls augen-
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fällig - durch das Propagieren des "Marschierens unter dem
Krakenkreuz" zur Machtübernahme als Entsprechung zum
Marschieren der vormaligen NSDAP unter dem Hakenkreuz mit dem Ziel der
Machtergreifung in besonderer Weise an die nationalsozialistische
Terminologie und Ideologie angeknüpft wird. Den
Urteilsgründen ist kein Anhaltspunkt dafür zu
entnehmen, dass der Angeklagte den objektiven Bedeutungsgehalt dieser
eindeutigen Passage nicht erkannte und damit nicht einverstanden war.
Becker Miebach von Lienen
Hubert Schäfer |