BGH,
Urt. v. 3.12.2008 - 2 StR 86/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 86/08
vom
3. Dezember 2008
Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja
BtMG § 29 a
Die nicht geringe Menge Metamfetamin beginnt bei fünf Gramm
Metamfetamin-Base.
BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 2 StR 86/08 - LG Frankfurt am Main
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3.
Dezember 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Richterin am
Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak,
Prof. Dr. Schmitt als beisitzende Richter,
Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 24. August 2007 im Schuldspruch dahin
geändert, dass der Angeklagte in den Fällen 4 und 5
der Urteilsgründe des unerlaubten
bandenmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubtem Erwerb und unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln schuldig ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das oben genannte
Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
fünf Fällen, davon in zwei Fällen als
Mitglied einer Bande handelnd, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier
Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatte der
Angeklagte Kontakt zu einem Philippino namens „T.
“, über den er
Metamfetaminhydrochlorid/“Shabu“ von einem Labor
auf den Philippinen zum gewinnbringendem Weiterverkauf in Deutschland
bezog. Der Angeklagte erhielt im Jahre 2006 vier Lieferungen mit
jeweils mindestens 20 g Metamfetaminhydrochlorid per Luftfracht
zugesandt, die fünfte mit 21,775 g Metamfetaminhydrochlorid
wurde auf dem Frankfurter Flughafen beschlagnahmt. Der Angeklagte
konsumierte von den ersten vier Lieferungen jeweils zwei Gramm selbst,
den Rest veräußerte er. Ab der vierten Lieferung
setzte er den gesondert Verfolgten „J. “ als
Läufer ein. Das Landgericht hat gestützt auf die
Ausführungen einer Sachverständigen die nicht geringe
Menge Metamfetamin abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, die dreißig Gramm Metamfetamin-Base
festgelegt hat, mit fünf Gramm Metamfetaminhydrochlorid
angesetzt.
1
Gegen das Urteil haben der Angeklagte und zu seinen Ungunsten die
Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Der Angeklagte beanstandet die
von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichende Annahme der
nicht geringen Menge von fünf Gramm Metamfetaminhydrochlorid.
Die Staatsanwaltschaft erstrebt eine Verurteilung wegen
bandenmäßiger Begehung in allen Fällen. Sie
rügt, dass das Landgericht in den beiden Fällen der
Verurteilung wegen bandenmäßiger Begehung nicht den
Verbrechenstatbestand des § 30 a BtMG mit einer erheblich
höheren Mindeststrafe, sondern den des § 30 BtMG
zugrunde gelegt hat. Ferner beanstandet sie, dass das Landgericht die
nicht geringe
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Menge fehlerhaft in Hydrochlorid und nicht in Base berechnet habe. Zwar
habe es wegen der hohen Gefährlichkeit des Metamfetamins
zutreffend die nicht geringe Menge niedriger festgesetzt als die
bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dies aber nur
unzureichend begründet, so dass die Umstände, die
eine solche Entscheidung rechtfertigen können, nicht
hinreichend deutlich würden.
I.
Die Revision des Angeklagten bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Die von
ihm zum Weiterverkauf eingeführten Mengen von
Metamfetaminhydrochlorid haben jeweils die Grenze zur nicht geringen
Menge überschritten (1.). Der fehlerhafte Schuldspruch in den
Fällen 4 und 5 des angefochtenen Urteils hat sich nicht zum
Nachteil des Angeklagten ausgewirkt (2.).
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1. Der Senat hält angesichts der wissenschaftlichen
Erkenntnisse über die Toxizität des Metamfetamins in
den letzten zehn Jahren einen gegenüber der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs deutlich niedrigeren Grenzwert
der nicht geringen Menge für erforderlich. Er setzt, anders
als das Landgericht, den Grenzwert der nicht geringen Menge im Sinne
von §§ 29 a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4, 30 a Abs.
1 BtMG für Metamfetamin jedoch nicht auf fünf Gramm
Metamfetaminhydrochlorid, sondern auf fünf Gramm
Metamfetamin-Base fest. Fünf Gramm Metamfetamin-Base
entsprechen nach Maßgabe des Umrechnungsfaktors1 bei der
Verbindung mit Salzsäure von 1,2446 (gerundet 1,245) 6,223
Gramm Metamfetaminhydrochlorid.
4
1 Dieser errechnet sich aus dem Verhältnis des
Molekulargewichts des Metamfetaminhydrochloridsalzes von 185,7 (Summe
der Molekulargewichte von Metamfetamin-Base - 149,2 - und
Salzsäure - 36,5) zu demjenigen der Metamfetaminbase von
149,2. Dividiert man das Molekulargewicht des Hydrochloridsalzes durch
das Molekulargewicht der Base erhält man den Umrechnungsfaktor
1,2446, gerundet 1,245.
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a) Zur Wirkung und zur Gefährlichkeit von Metamfetamin hat der
Senat Gutachten des Leiters des Instituts für Forensische
Toxikologie der Universität Frankfurt, Prof. Dr. Dr. K. ,
sowie des Apothekers für experimentelle Pharmakologie und
Toxikologie Dr. D. vom Bundeskriminalamt eingeholt. Danach ergibt sich
Folgendes:
5
aa) Metamfetamin wurde Mitte der 30er Jahre in Deutschland für
die medizinische Anwendung als sogenanntes Weckamin bzw.
Psychostimulans entwickelt. 1937 wurde es patentiert und 1938 als
Medikament unter dem Namen Pervitin auf den Markt gebracht. Im Zweiten
Weltkrieg diente es als Wachhaltemittel innerhalb der Wehrmacht und
wurde besonders von Piloten gebraucht. Nach dem Krieg setzten es u. a.
Sportler und Fernfahrer zur Leistungssteigerung ein, aber auch
zahlreiche Appetitzügler enthielten Metamfetamin. Pervitin
wurde in Deutschland therapeutisch in Ampullen oder Tablettenform als
Analepticum (kreislaufwirksames Mittel bei Kräfteverfall) und
psychomotorisches Stimulanz u. a. bei psychischen Depressionen oder
Vergiftungen eingesetzt. 1988 wurde das Medikament vom Markt genommen.
In Japan kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zu weit verbreitetem
Missbrauch, der bis in die Gegenwart andauert. Von Japan aus
verbreitete sich der Konsum über den ost- und
südostasiatischen Raum. So wird etwa in Thailand
hochkonzentriertes Metamfetamin als Yaba-Tabletten konsumiert, wobei
immer wieder über Suizide und amokartige
Gewaltausbrüche berichtet wurde. Aus dem philippinischen Raum
stammt Shabu, welches aus hochreinen farblosen Kristallen besteht. In
den USA eskalierte der Metamfetaminmissbrauch Anfang der 80er Jahre.
Bis Anfang der 90er Jahre kam Metamfetamin als illegale Droge in Europa
nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Zwischenzeitlich hat sich
Metamfetamin unter den Synomymen „Crystal“ oder
„Ice“ auch hier etabliert. Im europäischen
Raum wird es heute hauptsächlich in Laboren in Osteuropa
hergestellt. Die Herstellung ist aus gängigen Grundstoffen
ohne großen technischen Aufwand in klei-
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nen Laboren möglich. Ende der 90er Jahre erfolgten erste
größere Sicherstellungen in Sachsen. Beim
Bundeskriminalamt wird Metamfetamin erst seit 2006 gesondert erfasst.
Im Jahr 2006 kam es laut Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität
2007 zu 416 Sicherstellungsfällen mit insgesamt 10,7 kg
„Crystal“, im Jahr 2007 zu 454
Sicherstellungsfällen mit 10 kg „Crystal“.
Der zunehmende Missbrauch von Metamfetamin hat zur Umstufung des
Stoffes aus der Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes in die
Anlage II (verkehrs-, aber nicht verschrei-bungsmittelfähige
Betäubungsmittel) durch die 21. BtMÄndVO vom 18.
Februar 2008 (BGBl. I 246) geführt (BR-Drs. 48/08 S. 9). Von
einer Umstufung in die Anlage I hat der Verordnungsgeber abgesehen,
weil der Stoff als Ausgangsstoff für die
Arzneimittelherstellung dient und deshalb verkehrsfähig
bleiben soll.
bb) Metamfetamin [chemische Bezeichnung:
(2S)-N-Methyl-1-phenylpropan-2-amin] ist ein am Stickstoffarm der
Seitenkette mit einer Methylgruppe versehenes Derivat des Amfetamins.
Chemisch sind die Amfetamine in die Gruppe der Phenylakylamine
einzuordnen, deren Struktur eine enge Verwandtschaft mit zahlreichen
biologisch-synthetisierten sogenannten „biogenen
Aminen“ (Botenstoffen des Gehirns) aufweist. Durch Amfetamine
wird der sympathische Teil des vegetativen Nervensystems aktiviert, d.
h. die Konzentration der Botenstoffe im zentralen Nervensystem wird
erhöht, was zu einem Gefühl des körperlichen
Wohlbefindens, einer Antriebssteigerung, einer Hebung der Stimmung
(Euphorie), Unterdrückung von Hungergefühl und von
körperlicher Erschöpfung führt. Nach dem
Abklingen der Wirkung treten Effekte wie Verstimmung und
Abgeschlagenheit auf. Bei wiederholter Zufuhr gewöhnt sich der
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Körper an diese Stoffe, so dass die Dosis sehr schnell
gesteigert werden muss. Bei rasch aufeinander folgendem Konsum von
Metamfetamin-Zubereitungen kommt es innerhalb weniger Stunden zu einer
Toleranzentwicklung (Tachyphylaxie), wie sie vom LSD bekannt ist.
Metamfetamin überwindet aufgrund seiner chemischen
Eigenschaften die Blut-Hirn-Schranke schneller als Amfetamin und
führt somit zu einer stärkeren Aufputschwirkung,
während sein Abbau andererseits verlangsamt ist, wobei
wiederum Amfetamin als Abbauprodukt entsteht. Nebenwirkungen und
toxische Effekte treten bereits nach Konsum üblicher Dosen und
verstärkt nach Inhalation, hoher Dosierung, Dauergebrauch und
Mischkonsum auf.
cc) Die bekannten akut toxischen Effekte sind zentrale Erregung mit
psychiatrischen und neurologischen Komplikationen wie von Todesangst,
Schwindel und Übelkeit begleitete Panikattacken,
halluzinatorische Zustände mit räumlicher
Desorientierung, paranoide und/oder affektive Psychosen, akute
depressive Episoden, bei polytoxikomanen Konsumenten
Intoxikationspsychosen mit Beziehungs- und Verfolgungswahn, bei
Überdosierung u. a. cerebrale Krampfanfälle,
Hirninfarkte und generalisierte Angststörungen.
Außerdem gibt es toxische Effekte auf verschiedene
Organsysteme wie das Herz-Kreislauf-System, Leber und Niere, das
Gerinnungssystem und das hämatopoetische System
(Blutkörperchen bildendes System). Eine der am
häufigsten beobachteten schwerwiegenden, akut
lebensbedrohlichen Wirkungen ist die Entwicklung der Hyperthermie
(starke Erhöhung der Körpertemperatur bis auf Werte
um 42 bis 43° C) durch Beeinträchtigung der zentralen
Thermoregulation im Gehirn, verbunden mit Dehydratation
(Entwässerung), die nicht von der eingenommenen Dosis
abhängt. Die Wirkung wird verstärkt durch hohe
Raumtemperaturen in Diskotheken und starke körperliche
Belastung durch Tanzen. Als Folge kann es zum Kreislaufzusammenbruch
und zum Hitzschlag kommen. Als Komplikationen sind weiterhin belegt
Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes
8
- 9 -
(z. B. Hyponatriämien, die zu Koma, Desorientierung und
dystonen Bewegungsstörungen führen können),
„Herzjagen“ (Tachykardie) bis hin zu
tödlichen Herzrhythmusstörungen,
Blutdrucksteigerungen mit der Folge fokaler Hirnblutungen, akutes
Nierenversagen und/oder toxische Leberschädigungen,
Lungenödem, Magen- und Darmgeschwüre,
Gefäßspasmen und Auslösen von
Migräneanfällen. Nach inhalativem und nasalem Konsum
kommt es wesentlich häufiger zur Ausbildung depressiver
Verstimmungen mit Wahnvorstellungen, Anzeichen paranoider Schizophrenie
und/oder Halluzinationen. Besonders gefährlich wird der Konsum
durch den Umstand, dass sich die noch einigermaßen sichere
Dosierung für den Einzelnen nicht vorhersagen lässt,
weil die aktuelle Verfassung des Einzelnen („Set“)
und die jeweiligen Umgebungsbedingungen („Setting“)
den Grad der Wirkungen beeinflussen. Japanische Studien belegen zudem,
dass der chronische Missbrauch zur Manifestation einer
Metamfetamininduzierten Psychose mit Halluzinationen und
Wahnvorstellungen führt, die sich vom Erscheinungsbild her
kaum von endogenen Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis
unterscheidet. Das Risiko der Ausbildung dieses Krankheitsbildes ist
bei Metamfetamin wesentlich höher als bei Amfetamin.
Metamfetamin kann zu psychischer Abhängigkeit führen.
Die Gefahr einer schweren psychischen Abhängigkeitsentwicklung
besteht insbesondere bei der Konsumform des Rauchens. Weil die
ungewöhnlich starke und lang anhaltende (durchschnittlich
zwölf Stunden) Wirkung des Metamfetamins beim Rauchen bereits
bei wenigen Wiederholungen abflacht, muss der Konsument die Dosis
stetig erhöhen. Nach dem Rausch folgt eine stark depressive
Phase, die neues Verlangen auslöst. Auch leiden die
Konsumenten unter starker Schlaflosigkeit. Das für den
Metamfetaminmissbrauch typische Konsummuster der Stimulierung durch
Metamfetamin und Herbeiführung von Entspannung zur
Befriedigung des Schlafbedarfs durch Konsum von Haschisch oder
Benzodiazepi-
9
- 10 -
nen, die bei chronischem Missbrauch auch durch stärker
sedierende Stoffe wie Heroin ersetzt werden, kann schließlich
zur Polytoxikomanie führen.
Schon 3 mg Metamfetamin genügen, um auf die meisten Menschen
anregend zu wirken. Zu der üblichen Dosierung von Metamfetamin
im Rahmen von therapeutischen Maßnahmen hat der
Sachverständige Dr. D. ausgeführt, dass die
empfohlene Einzeldosis bei 3 bis 6 mg Metamfetaminhydrochlorid lag, als
maximale Tagesdosis wurden 15 mg Metamfetaminhydrochlorid genannt.
Orale Dosierungen über 20 mg können bei
NichtGewöhnten bereits erhebliche Nebenwirkungen psychischer
und vegetativer Art auslösen. Von
Landeskriminalämtern in den letzten Jahren sichergestellte
Metamfetamintabletten enthielten zwischen 25 und 60 mg
Metamfetaminhydrochlorid (20 bis 48 mg Metamfetamin-Base) pro Tablette,
durchschnittlich 26 bis 30 mg Metamfetaminhydrochlorid (21 bis 24 mg
Metamfetamin-Base). Während bei der oralen Aufnahme nur ein
Teil der aufgenommenen Dosis das Gehirn erreicht, kommt es bei
venöser Injektion und noch mehr bei Inhalation/Rauchen zur
schnellen Aufnahme hoher Drogenanteile ins Gehirn, so dass eine
ungewöhnlich starke Rauschwirkung erzielt wird. Bei Aufnahme
durch Inhalation oder Rauchen haben beide Gutachter
übereinstimmend eine mit Crack vergleichbare Wirkung
bestätigt. Hinzu kommt Folgendes: Wegen seines geringen
Molekulargewichts hat Metamfetamin einen deutlich niedrigeren Schmelz-
und Verdampfungspunkt als Kokain. Beim Rauchen von Crack sind somit
wesentlich höhere Temperaturen erforderlich, bei denen ein
nicht unerheblicher Teil des Kokains durch Pyrolyse zersetzt wird und
keine Rauschwirkung mehr hat. Demgegenüber geht Metamfetamin
bereits bei leichtem Erwärmen ohne Zersetzung in die Gasphase
über, so dass die
„Bioverfügbarkeit“ noch höher ist
als bei Crack. Diese besondere Gefährlichkeit besteht beim
Amfetamin nicht, weil dessen Moleküle beim Erhitzen zerfallen.
Amfetamin ist daher für diese Konsumform nicht geeignet.
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dd) Danach ist die bisherige Gleichstellung des Metamfetamins mit den
Amfetaminderivaten Methylendioxyamfetamin (MDA),
Methylendioxymetamfetamin (MDMA) und Methylendioxyethylamfetamin (MDE)
nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht gerechtfertigt. Zwar
handelt es sich auch beim Metamfetamin um ein Amfetaminderivat, jedoch
unterscheiden sich die chemische Zusammensetzung der Moleküle
von Metamfetamin einerseits und von MDA, MDMA und MDE andererseits und
auch die Wirkungsweise grundlegend. Bei MDA, MDMA und MDE ist chemisch
der Kern durch ein zweites Ringsystem stark verändert, was
auch pharmakologisch eine deutliche Veränderung der Wirkart
zur Folge hat. Bei diesen Amfetaminderivaten steht nicht die
aufputschende Wirkung im Vordergrund, sondern eine affektive
Zustandsänderung im Sinne einer anregenden,
soziokontaktsteigernden, enthemmenden Stimmungslage bei gleichzeitiger
Erhöhung der motorischen Aktivität
(„Entaktogene“). Bei hohen Dosen kommt es anders
als bei Amfetamin und Metamfetamin zu einer stark halluzinogenen
Wirkung. Am schwächsten ausgeprägt sind die Wirkungen
bei MDE, das milder und kürzer wirkt. Die effektive
Einzeldosis liegt bei diesen Drogen deutlich höher als bei
Metamfetamin, etwa bei MDE bei 120 mg Base, bei MDMA bei 80 mg Base
(vgl. ergänzend Cassardt NStZ 1995, 257, 260; NStZ 1997, 135).
11
b) Ausgehend von diesen von beiden Gutachtern übereinstimmend
dargelegten chemisch-toxikologischen Ausgangswerten ist der Grenzwert
der „nicht geringen Menge“ im Sinne des
Betäubungsmittelstrafrechts bei Metamfetamin auf 5 Gramm
Metamfetamin-Base festzusetzen, um dessen Gefährdungspotential
im Vergleich zu anderen Betäubungsmitteln hinreichend gerecht
zu werden. Wie insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. Dr.
K. ausgeführt hat, empfiehlt sich eine Festlegung der nicht
geringen Menge bei den Amfetaminderivaten bezogen auf die
wirkungsbestimmende Base. Da die basischen Rauschmittel mit
Säuren Salze mit unterschiedlichen Molekulargewichten
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bilden (z. B. mit Salzsäure Hydrochloride, mit
Schwefelsäure Sulfate usw.), ist der Anteil der wirksamen Base
je nach Art des Salzes anders zu berechnen.
aa) Bei der Festlegung der im Hinblick auf Gefährlichkeit und
Toxizität des Metamfetamins realistischen nicht geringen Menge
stützt sich der Senat auf die inzwischen in ständiger
Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof angewandte Methode (BGHSt 41, 1,
10; 49, 306, 312 f.; 51, 318, 321). Danach kann die nicht geringe Menge
eines Betäubungsmittels wegen der in illegalen
Betäubungsmitteln sehr unterschiedlichen Wirkstoffgehalte
grundsätzlich nicht anders festgesetzt werden als durch ein
Vielfaches des zum Erreichen eines stofftypischen Rauschzustandes
erforderlichen jeweiligen Wirkstoffs (Konsumeinheit). Dabei
müssen die Grenzwerte für die verschiedenen
Betäubungsmittel gerade wegen ihrer qualitativ
unterschiedlichen Wirkung aufeinander abgestimmt sein. Ausschlaggebend
ist deshalb zunächst die pharmakodynamische Wirkung von
Metamfetamin im Verhältnis namentlich zu Amfetamin. Insoweit
entnimmt der Senat den Gutachten beider Sachverständiger, dass
bei oraler Aufnahme Metamfetamin etwa anderthalb- bis zweimal so stark
wirkt wie Amfetamin. In der - beim Amfetamin nicht möglichen -
Konsumform Rauchen wirkt Metamfetamin mindestens doppelt so stark wie
Amfetamin und vor allem erheblich schneller, weil wegen der
höheren Lipophilie (Fettlöslichkeit) des
Metamfetamins die Blut-Hirn-Schranke schneller überwunden
wird. Auch gelangt beim Rauchen das gesamte aufgenommene Rauschgift
unmittelbar zum Gehirn, während beim oralen Konsum mehrere
Stunden bis zur vollständigen Resorption im Körper
vergehen können. Für die Konsumform des Rauchens ist
daher eine Gleichsetzung in der Wirkung mit Crack (Kokain-Base)
gerechtfertigt. Diese gefährlichste Konsumform fällt
für die Festlegung des Grenzwerts erheblich ins Gewicht, denn
Drogenkonsumenten wollen naturgemäß eine
möglichst schnelle und starke Wirkung erzielen. Das Rauchen
ist demgemäß heute die gängigste Methode
des Metamfetaminkonsums.
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bb) Für den Erst- oder Gelegenheitskonsumenten ist nach den
Darlegungen beider Sachverständiger eine Konsumeinheit von 20
bis 30 mg Metamfetamin-Base schon sehr hoch angesetzt und schon bei
oraler Aufnahme mit der Gefahr erheblicher gesundheitlicher
Beeinträchtigungen verbunden. Ausgehend von den bei der
Festlegung des Grenzwertes der nicht geringen Menge bei Amfetamin zu
Grunde gelegten 200 Konsumeinheiten (vgl. BGHSt 35, 43, 48; anders,
nämlich 250 Konsumeinheiten, BGHSt 42, 255, 267 betr.
MDE-Base) ergibt sich bei einer für nicht
Metamfetamingewöhnte sehr hohen Einzeldosis von 25 mg
Metamfetamin-Base eine Gesamtwirkstoffmenge von 200 x 25 mg = 5 Gramm,
d. h. 6,2 Gramm Metamfetaminhydrochlorid als Grenze der nicht geringen
Menge. Diese Festlegung entspricht auch in etwa der nicht geringen
Menge der beim Rauchen/Inhalieren wirkungsgleichen Droge Crack
(Kokain-Base), bei der die nicht geringe Menge bei 5 Gramm
Kokainhydrochlorid, d. h. 4,5 Gramm Kokain-Base liegt. Darin liegt
gemessen an der bisherigen nicht geringen Menge von 30 Gramm
Metamfetamin-Base zwar eine erhebliche Herabsetzung. Diese ist aber
angesichts der neueren Erkenntnisse über das hohe
Suchtpotential des Metamfetamins und die gesundheitlichen Konsequenzen
des missbräuchlichen Konsums nicht nur gerechtfertigt, sondern
notwendig. Die Erkenntnisse über den zunehmenden Missbrauch
von Metamfetamin haben erst in jüngerer Vergangenheit die
Bundesregierung als Verordnungsgeber veranlasst, mit Zustimmung des
Bundesrates Metamfetamin aus der Anlage III zu § 1 BtMG
(verkehrs- und verschreibungsfähige Betäubungsmittel)
in die Anlage II (verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähige
Betäubungsmittel) hochzustufen.
14
cc) Der Senat hat beim 1. und beim 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
angefragt, ob an den entgegenstehenden Entscheidungen vom 25. Juli 2001
- 5 StR 183/01 (NStZ 2002, 267), 23. August 2001 - 5 StR 334/01
(NStZ-RR 2001, 379) und 18. Dezember 2002 - 1 StR 340/02 (StV 2003,
281) fest-
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gehalten wird, bei den übrigen Strafsenaten, ob der
beabsichtigten Entscheidung dortige Rechtsprechung entgegensteht und ob
gegebenenfalls an dieser festgehalten wird (§ 132 Abs. 3 GVG).
Der 5. Strafsenat hat erklärt, dass er an seiner abweichenden
Rechtsprechung nicht festhält. Der 1., der 3. und der 4.
Strafsenat haben der Festlegung der nicht geringen Menge Metamfetamin
auf 5 Gramm Metamfetamin-Base zugestimmt. Rechtsprechung anderer Senate
steht der Festlegung der nicht geringen Menge Metamfetamin auf 5 Gramm
Metamfetamin-Base danach nicht (mehr) entgegen.
dd) Mit der Festsetzung der nicht geringen Menge auf 5 Gramm
Metamfetamin-Base wird zwar eine realistische Einordnung des
Metamfetamins im Vergleich zu Amfetamin, Kokain und Heroin, nicht aber
zu den 3,4-Methylendioxy-Derivaten (MDA, MDMA, MDE) erreicht, bei denen
die nicht geringe Menge 30 Gramm MDA/MDMA/MDE-Base beträgt
(BGHSt 42, 255, 267; BGH NStZ 2001, 381). Nach den von den
Sachverständigen Prof. Dr. Dr. K. und Dr. D. dargelegten
neurobiologischen Forschungen der jüngeren Zeit haben alle
Amfetamin-Derivate eine mehr oder weniger starke neurotoxische, d. h.
Nervenzellen zerstörende Wirkung. Es erschiene dem Senat daher
durchaus gerechtfertigt, die nicht geringe Menge bei diesen
AmfetaminDerivaten in Übereinstimmung mit der für
Amfetamin geltenden Grenze auf 10 Gramm Base herabzusetzen. Der
vorliegende Fall gibt dafür jedoch keinen Anlass.
16
2. Der Schuldspruch in den Fällen 1 bis 3 der
Urteilsgründe weist danach keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten auf. In den Fällen 4 und 5 der
Urteilsgründe hat das Landgericht die Qualifikation des
§ 30 a Abs. 1 BtMG nicht angewendet, deren Voraussetzungen
nach den Feststellungen gegeben sind. Das
bandenmäßige unerlaubte Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbindet in den
Fällen des § 30 a Abs. 1 BtMG die im
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15 -
Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden
Teilakte, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit, die
auch die unerlaubte Einfuhr umfasst (st. Rspr., vgl. BGH NStZ-RR 1999,
219; BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 - 3 StR 519/07 und Urteil vom
24. Oktober 2007 - 2 StR 232/07). Tateinheitliche Einfuhr und
tateinheitlicher Erwerb (§ 29 Abs. 1 Nr. 1) liegen daher nur
vor hinsichtlich der zum Eigenverbrauch bestimmten Mengen, die hier die
nicht geringe Menge nicht erreicht haben (vgl. BGH NStZ 2007, 529). Der
Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Eines
Hinweises nach § 265 StPO bedurfte es nicht, da ausgeschlossen
ist, dass sich der weitgehend geständige Angeklagte anders als
geschehen hätte verteidigen können.
Der Strafausspruch hat im Hinblick auf die Revision des Angeklagten
Bestand. Der Senat kann ausschließen, dass der
rechtsfehlerhafte Schuldspruch in den Fällen 4 und 5 der
Urteilsgründe und die Annahme eines zu niedrigen Grenzwertes
der nicht geringen Menge die Höhe der Einzelstrafen zu Lasten
des Angeklagten beeinflusst haben. In den Fällen 4 und 5 der
Urteilsgründe ändert sich der Unrechtsgehalt der Tat
durch die Schuldspruchänderung nicht. Dadurch
entfällt zwar die vom Landgericht tateinheitlich mit
bandenmäßigem Handeltreiben ausgeurteilte
bandenmäßige Einfuhr hinsichtlich des zum
Weiterverkauf bestimmten Metamfetamins, hinzu treten jedoch
tateinheitlich Erwerb und Einfuhr hinsichtlich der zum Eigenkonsum
bestimmten Mengen. Das Landgericht hat die Strafen in diesen
Fällen statt aus dem Qualifikationstatbestand des §
30 a Abs. 1 oder 3 BtMG aus dem niedrigeren Strafrahmen des §
30 Abs. 2 BtMG entnommen und dadurch den Angeklagten ungerechtfertigt
begünstigt. Auch nach dem geänderten Schuldspruch hat
der Angeklagte jeweils mehrere Delikte tateinheitlich verwirklicht.
Zwar hat das Landgericht in allen Fällen einen Grenzwert der
nicht geringen Menge von 5 Gramm Metamfetaminhydrochlorid anstelle von
5 Gramm Metamfetamin-Base (6,22 Gramm Metamfetamin-
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hydrochlorid) zugrunde gelegt. Bei der Strafzumessung hat es jedoch nur
zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass die nicht geringe Menge nicht
unerheblich überschritten wurde. Dies trifft auch bei einem
Grenzwert von 6,22 Gramm Metamfetaminhydrochlorid zu.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg. Das
Landgericht hat das Bestehen einer Bande in den Fällen 1 bis 3
der Urteilsgründe nicht rechtsbedenkenfrei verneint (1.).
Darüber hinaus hat es die Qualifikationsnorm des § 30
a BtMG nicht erörtert und § 30 BtMG unzutreffend
ausgelegt (2.).
19
1. Nach den Urteilsausführungen gehörten der
Angeklagte und „T. “ derselben Organisation an, die
auf den Philippinen ein Rauschgiftlabor betrieb. Es liegt danach nahe,
dass zumindest eine weitere Person auf den Philippinen zu dieser
Organisation gehörte, die sich vor Ort um Herstellung und
Vertrieb des Metamfetamins kümmerte. Hierfür spricht
auch das im Urteil wiedergegebene Telefonat vom 5. September 2006, bei
dem T. bezogen auf die Verhältnisse im Heimatland von
„unser Mann“ und „unsere
Männer“ sprach. Das Landgericht hätte
deshalb in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe eine
Bandenabrede mit weiteren Personen auf den Philippinen prüfen
müssen. Die Feststellung einer Bande setzt nicht voraus, dass
die einzelnen Bandenmitglieder namentlich oder von Person bekannt sein
müssen (BGHSt 50, 160, 164 ff.; BGH Beschluss vom 22. Januar
2008 - 5 StR 253/07).
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2. Auch die Verurteilung wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge „als
Mitglied einer Bande handelnd“ in den Fällen 4 und 5
der Urteilsgründe hält der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand. Der Urteilstenor in
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Verbindung mit der rechtlichen Würdigung und der Angabe der
angewendeten Strafvorschriften, hier § 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und
4, Abs. 2 BtMG, lässt besorgen, dass das Landgericht den
Qualifikationstatbestand des § 30 a BtMG übersehen
hat. Es hat offenbar verkannt, dass § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG nur
das bandenmäßige Handeltreiben mit normalen Mengen
Betäubungsmitteln unter Strafe stellt und zudem § 30
Abs. 1 Nr. 2 BtMG, den das Landgericht fälschlicherweise
genannt hat, nur die gewerbsmäßige unerlaubte Abgabe
usw. durch eine Person über 21 Jahre an eine Person unter 18
Jahre erfasst, wie sich aus der Bezugnahme auf § 29 a Abs. 1
Nr. 1 BtMG ergibt. Der Senat hat davon abgesehen, den Schuldspruch in
den Fällen 4 und 5 selbst zu ändern, um dem neuen
Tatrichter einheitliche Feststellungen zum Bestehen einer Bande in
allen Fällen zu ermöglichen. Im Übrigen
erscheinen auch neue Feststellungen zum Umfang des Eigenkonsums des
Angeklagten nicht ausgeschlossen.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf
die oben unter I 2. dargelegten Konkurrenzverhältnisse hin.
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Rissing-van Saan Fischer Roggenbuck
Cierniak Schmitt |