BGH,
Urt. v. 3.12.2009 - 3 StR 277/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 277/09
vom
3. Dezember 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_______________________________
StGB § 129 Abs. 1
1. Der Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom
24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten
Kriminalität führt nicht zu einer Änderung
der bisherigen Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Vereinigung im
Sinne des § 129 Abs. 1 StGB.
2. Verfolgen die Mitglieder einer Gruppierung durch koordiniertes
Handeln nicht nur kurzfristig ein gemeinsames Ziel, das über
die Begehung der konkreten Straftaten hinausgeht, auf welche die Zwecke
oder Tätigkeit der Gruppe gerichtet sind, so belegt dies
regelmäßig den für eine Vereinigung im
Sinne der §§ 129 ff. StGB notwendigen
übergeordneten Gemeinschaftswillen.
BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09 - LG Dresden
in der Strafsache
gegen
- 2 -
1.
2.
3.
4.
5.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
- 3 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 8. Oktober 2009 in der Sitzung am 3. Dezember 2009, an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Peter W.
- nur in der Verhandlung vom 8. Oktober 2009 -,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Tom W.
- nur in der Verhandlung vom 8. Oktober 2009 -,
- 4 -
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G.
- nur in der Verhandlung vom 8. Oktober 2009 -,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 5 -
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Dresden vom 6. August 2008 mit den Feststellungen
aufgehoben mit Ausnahme des Teilfreispruchs der Angeklagten T. und Tom
W. vom Vorwurf der Volksverhetzung; jedoch werden die Feststellungen zu
dem jeweiligen objektiven Tatgeschehen in den Fällen II. 1.
bis 3. der Urteilsgründe bezüglich aller Angeklagten
aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
2. Der Antrag des Angeklagten T. auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge wird
zurückgewiesen.
3. Die Revisionen der Angeklagten T. sowie Tom und Peter W. gegen das
vorgenannte Urteil werden verworfen.
Diese Angeklagten haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
- 6 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten Tom W. der gefährlichen
Körperverletzung in drei Fällen sowie die Angeklagten
T. und Peter W. jeweils der gefährlichen
Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall
in Tateinheit mit Sachbeschädigung, schuldig gesprochen. Es
hat folgende Jugendstrafen verhängt: gegen den Angeklagten Tom
W. eine solche von drei Jahren und sechs Monaten, gegen den Angeklagten
Peter W. eine solche von drei Jahren sowie gegen den Angeklagten T.
eine solche von zwei Jahren, deren Vollstreckung es zur
Bewährung ausgesetzt hat. Im Übrigen hat es die
Angeklagten Tom W. und T. vom Vorwurf der Volksverhetzung sowie die
Angeklagten G. und R. insgesamt freigesprochen. Mit ihrer zu Ungunsten
der Angeklagten eingelegten und vom Generalbundesanwalt vertretenen
Revision, die sich auf die Rüge der Verletzung materiellen
Rechts stützt, wendet sich die Staatsanwaltschaft insbesondere
dagegen, dass die Angeklagten nicht wegen mitgliedschaftlicher
Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden sind;
das Rechtsmittel hat insoweit Erfolg. Der Angeklagte T. begehrt
Wiedereinsetzung zur Ergänzung einer Verfahrensrüge
und beanstandet ebenso wie die Angeklagten Tom und Peter W. die
Verletzung formellen und materiellen Rechts. Diese Rechtsmittel sind
unbegründet.
1
A. Nach den Feststellungen des Landgerichts traf sich ab dem Jahre 2005
eine Gruppe politisch rechtsorientierter Jugendlicher aus M. , die sich
den Namen "Division Sächsischer Sturm" gegeben hatte und zu
der auch die Angeklagten gehörten. Im Herbst 2005 wurde eine
Halle in einem Bauhof zum festen täglichen Treffpunkt. Man
spielte Musik mit rechtsradikalen Texten und stattete die
Räumlichkeiten u. a. mit Reichskriegsflaggen aus. Zwischen
2
- 7 -
dieser Gruppe und anderen Personen in der Umgebung kam es
häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, wobei
sich die Angriffe der Gruppenmitglieder bevorzugt gegen Punker, "Linke"
und "Kiffer" richteten.
Anfang 2006 kam innerhalb der Gruppe die Idee auf, eine Kameradschaft
zu gründen. Im Januar 2006 trafen sich etwa 20
ausgewählte Personen, darunter auch die Angeklagten Tom W. ,
T. und R. . Es wurde besprochen, dass die Kameradschaft einen Namen und
ein Abzeichen bekommen sollte; man dachte auch über eine
einheitliche Kleidung nach, um nach außen Geschlossenheit zu
demonstrieren. Im Bauhof sollte Ordnung geschaffen und die Teilnahme an
rechtsorientierten Veranstaltungen organisiert werden. Hauptziel der
Kameradschaft war jedoch, M. durch die Schaffung einer sog.
nationalbefreiten Zone "zeckenfrei" und "braun" zu machen. Dies
bedeutete, dass gegen alle Personen, die keine rechtsorientierte
politische Gesinnung hatten, mit Gewalt vorgegangen werden sollte. Der
Angeklagte Tom W. beabsichtigte, ein "Sammelbecken von Nationalisten"
zu schaffen, in dem er Hooligans und Skinheads zusammenführen
wollte. Es sollten weiterhin sog. Skinheadkontrollrunden
durchgeführt werden, bei denen die Teilnehmer nach
missliebigen Personen Ausschau hielten. Wurden solche angetroffen,
organisierte und formierte man eine größere Einheit
und ging gewalttätig gegen sie vor. An diesen Aktionen sollten
nach Möglichkeit alle im Bauhof anwesenden Männer
teilnehmen.
3
Nach dieser Vorbesprechung entwickelte der Angeklagte G. nach
Recherchen in der Geschichte des Nationalsozialismus den Namen
"Kameradschaft Sturm 34". Am ersten Wochenende im März 2006
wurde eine der üblichen Zusammenkünfte im Bauhof
spontan zur Gründungsveranstaltung genutzt. Neben anderen
Personen hielt der Angeklagte G. eine Rede und erklärte den 30
bis 50 anwesenden Personen den vorherigen Absprachen ent-
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- 8 -
sprechend, wie eine Kameradschaft zu funktionieren habe, wie es zu dem
Namen "Kameradschaft Sturm 34" komme und welche gemeinsamen Ziele
verfolgt werden sollten. Die Anwesenden taten ihre Zustimmung kund und
waren sich einig, dass damit die "Kameradschaft Sturm 34"
gegründet war. Der Vorschlag, eine Mitgliederliste aufzulegen,
wurde u. a. deshalb nicht umgesetzt, weil der Angeklagte R. einwandte,
dass eine solche Liste im Falle polizeilicher Ermittlungen nachteilig
wäre.
Der Angeklagte Tom W. nahm in der Folgezeit in der Gruppierung eine
Anführerstellung ein. Er bildete mit den Angeklagten Peter W.
, T. und G. sowie weiteren Personen den "harten Kern" der
Kameradschaft. Die Beteiligten waren sich einig, dass ihre Ziele nur
mittels Gewaltanwendung durchgesetzt werden konnten. Lediglich dem
Angeklagten G. schwebte eine gewaltfreie Kameradschaft vor; er schied
später aus der Gruppierung aus. Bei einer Veranstaltung am 27.
Juni 2006 wurde ein Vorstand gewählt; dieser bestand aus dem
Angeklagten Tom W. und drei weiteren Personen, unter denen sich mit H.
auch ein weibliches Mitglied befand. Eine schriftliche Satzung wurde in
der Folgezeit nicht niedergelegt, einheitliche Kleidung nicht
angeschafft. Offizielle Regeln, nach denen die Entscheidungen getroffen
werden sollten, wurden nicht aufgestellt. Man legte auch nicht
ausdrücklich fest, wer als Mitglied der Kameradschaft
anzusehen war. Die Teilnahme an den Aktionen gegen "Zecken" und andere
war den im Bauhof Anwesenden freigestellt. Der Angeklagte Tom W. gab in
der Regel den Ton an; seine Anweisungen wurden indes nicht allgemein
akzeptiert. Der Austritt aus der Kameradschaft war ohne Weiteres
möglich; auch das Ausscheiden des Angeklagten G. wurde ohne
Diskussion hingenommen.
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Dem Angeklagten R. waren die ständigen Gewalttaten zuwider; er
fürchtete, es könnten Personen zu Tode kommen. Um
dies zu verhindern,
6
- 9 -
nahm er Kontakt zu den Polizeibehörden auf und verfasste als
Informant Berichte über den Verband. Durch Verfügung
vom 22. April 2007 verbot das Sächsische Staatsministerium des
Innern die "Kameradschaft Sturm 34" und löste diese auf, weil
ihre Zwecke und Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderliefen
und sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung
richteten.
Nach Gründung der "Kameradschaft Sturm 34" kam es zu folgenden
Straftaten:
7
Am 12. Mai 2006, dem Himmelfahrtstag, stellten der Angeklagte Tom W.
und der gesondert Verfolgte He. bei einer "Skinheadkontrollrunde" fest,
dass sich an der Torfgrube M. eine Gruppe sog. Ökos aufhalte.
Fast alle am Bauhof Anwesenden, darunter die Angeklagten Tom und Peter
W. , machten sich daraufhin mit Handschuhen, die mit Quarzsand
gefüllt waren, sowie Springerstiefeln auf den Weg zu der
Torfgrube. Eingedenk entsprechender früherer Aktionen gingen
sie in unausgesprochenem Einvernehmen davon aus, dass die dort
befindliche Gruppe - bei der es sich um acht Schüler und
Studenten handelte - zunächst gemeinsam provoziert und sodann
gewaltsam vertrieben werden sollte. In Ausführung dieses
Vorhabens schlugen und traten sie auf zwei Opfer ein; einem der beiden
Jugendlichen wurde zudem eine Bierflasche in das Gesicht geschlagen.
Nach der Rückkehr in den Bauhof wurde die Aktion gemeinsam
ausgewertet (Fall II. 1. der Urteilsgründe).
8
In der Nacht vom 20. auf den 21. Mai 2006 nahmen zahlreiche Mitglieder
der Kameradschaft, darunter alle Angeklagten, an einer Feier teil, bei
der ein präpariertes Holzkreuz angezündet wurde.
Danach begaben sie sich zu einer Tankstelle, um dort eine
Schlägerei mit einer Gruppe junger Leute anzuzetteln. Der
Angeklagte G. wollte sich an den Gewalttätigkeiten nicht
beteiligen und blieb außerhalb des
Tankstellengeländes zurück. Die Teilnahme des Ange-
9
- 10 -
klagten R. an den Tätlichkeiten hat das Landgericht ebenfalls
nicht festzustellen vermocht. Mehrere sonstige Mitglieder der
Kameradschaft schlugen den Geschädigten K. zusammen und traten
mit Springerstiefeln auf das am Boden liegende Opfer mit "wie beim
Fußball ausgeführten Tritten" ein. Die Angeklagten
T. und Peter W. beschädigten zudem einen PKW (Fall II. 2. der
Urteilsgründe).
In der Nacht vom 3. zum 4. Juni 2006 fand in B. ein Dorffest statt.
Unter den Gästen befanden sich auch drei Punker. Nach einem
Streit wurde der Angeklagte Tom W. informiert, von dem bekannt war,
dass man ihn jederzeit anrufen konnte, wenn es Probleme gab und man
Verstärkung brauchte. Er befand sich auf dem Bauhof, wo sich
schnell herumsprach, dass politisch Gleichgesinnte die "Kameraden vom
Sturm 34" angefordert hatten. Mit mindestens sechs voll besetzten
Fahrzeugen begaben sich die anwesenden Mitglieder der Kameradschaft,
unter ihnen die Angeklagten Tom W. und T. , sodann nach B. , wo sie in
militärischer Formation zum Festzelt zogen. Dort begannen sie
eine Schlägerei, bei der elf Personen teilweise erheblich
verletzt wurden. Nach dem Befehl "Geordneter Rückzug"
entfernten sich die Täter, kehrten zum Bauhof nach M.
zurück und werteten dort die Aktion aus (Fall II. 3. der
Urteilsgründe).
10
B. Revision der Staatsanwaltschaft
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I. Zum Umfang der Anfechtung des landgerichtlichen Urteils durch die
Revision der Staatsanwaltschaft gilt:
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Den Angeklagten ist u. a. vorgeworfen worden, eine Vereinigung
gegründet zu haben, deren Zwecke oder deren Tätigkeit
darauf gerichtet waren,
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- 11 -
Straftaten zu begehen, und sich an dieser Vereinigung als Mitglied
beteiligt zu haben (§ 129 Abs. 1 StGB), wobei der Angeklagte
Tom W. Rädelsführer (§ 129 Abs. 4 StGB)
gewesen sein soll. Mit ihrer Revision beantragt die Staatsanwaltschaft,
das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben. Ausweislich der
Begründung richtet sich das Rechtsmittel dagegen, dass die
Angeklagten nicht wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer
kriminellen Vereinigung verurteilt worden sind. Außerdem
rügt die Beschwerdeführerin die Fassung des
Urteilstenors, weil in diesem nicht zum Ausdruck gebracht werde, in wie
vielen tateinheitlichen Fällen die jeweilige
gefährliche Körperverletzung begangen worden sei. Sie
meint, aus diesem Grunde sei auch die Strafzumessung rechtsfehlerhaft.
1. Die Staatsanwaltschaft wendet sich somit in der Sache trotz des
umfassenden Aufhebungsantrags nicht gegen den Freispruch der
Angeklagten Tom W. und T. vom Vorwurf der Volksverhetzung. Die hierin
liegende Beschränkung der Revision ist wirksam; denn ein
Rechtsmittel kann auf solche Beschwerdepunkte beschränkt
werden, die losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der
Entscheidung nach deren innerem Zusammenhang rechtlich und
tatsächlich selbstständig geprüft und
beurteilt werden können, ohne dass eine Prüfung des
Urteils im Übrigen erforderlich ist (st. Rspr.; s. BGHSt 47,
32, 35 m. w. N.). Dies ist bei dem gegen die Angeklagten Tom W. und T.
erhobenen Vorwurf der Volksverhetzung der Fall, weil es sich hierbei
nicht um eine Straftat handelt, die in Verfolgung der Ziele der
Vereinigung begangen wurde, und die deshalb zu dem in Rede stehenden
Delikt der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129
StGB im Verhältnis der Tatmehrheit steht.
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2. Die Staatsanwaltschaft erhebt zwar ebenfalls keine
ausdrücklichen Einwände gegen den Freispruch des
Angeklagten R. von dem Vorwurf der gefährlichen
Körperverletzung in Tateinheit mit Landfriedensbruch im Fall
II. 2.
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der Urteilsgründe. Insoweit kommt eine wirksame
Beschränkung der Revision jedoch nicht in Betracht; denn
zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeklagten R. an
einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB und den im Fall
II. 2. der Urteilsgründe angeklagten Delikten wäre
Tateinheit im Sinne des § 52 StGB anzunehmen (vgl. BGHSt 29,
288, 290; BGH NStZ 1982, 517, 518). Bei tateinheitlich begangenen
Straftaten ist eine beschränkte Nachprüfung des
Schuldspruchs grundsätzlich nicht möglich (BGHSt 21,
256, 258; 24, 185, 189). Die Besonderheiten des § 129 StGB als
Organisationsdelikt, das über lange Zeiträume ganz
verschiedene Verhaltensweisen zu einer materiellrechtlichen Einheit
zusammenfasst, führen jedenfalls in der hier vorliegenden
Fallkonstellation nicht zu einer anderen Bewertung.
Es kann dahinstehen, ob der Umstand, dass die mitgliedschaftliche
Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB
und schwerer wiegende Straftaten trotz der Annahme materiellrechtlicher
Tateinheit unter besonderen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer
getrennten Aburteilung zugänglich sind (BGHSt 29, 288, 292
ff.; BGH StV 1999, 352, 353), es rechtfertigen kann, eine
Beschränkung der Revision auf in Tateinheit mit dem
Organisationsdelikt stehende schwerere Straftaten als wirksam anzusehen
(Paul in KK 6. Aufl. § 318 Rdn. 6 a; zur Zulässigkeit
der Revisionsbeschränkung auf einen Freispruch vom Vorwurf der
Vergewaltigung, wenn diese mit dem Dauerdelikt der Zuhälterei
tateinheitlich zusammentrifft, s. BGHSt 39, 390). Dagegen
könnte sprechen, dass sich der Schuldumfang des
Organisationsdelikts ohne Berücksichtigung der damit im
Zusammenhang begangenen Taten nicht beurteilen lässt und
umgekehrt (Gössel in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl.
§ 318 Rdn. 66).
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Dies bedarf indes keiner näheren Betrachtung. Denn eine
wirksame Rechtsmittelbeschränkung käme danach
allenfalls in Bezug auf ein mit dem
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- 13 -
Organisationsdelikt in Tateinheit stehendes schwereres Delikt in
Betracht, dessen Strafklage mit der Aburteilung des
Organisationsdelikts nicht verbraucht wäre. Im vorliegenden
Fall steht aber nicht die Wirksamkeit der Beschränkung der
Revision auf ein gewichtigeres, mit dem Organisationsdelikt in
Tateinheit stehendes weiteres Delikt in Rede; denn die
Staatsanwaltschaft greift mit ihrem Rechtsmittel nicht einen Freispruch
vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in
Tateinheit mit Landfriedensbruch, sondern die unterbliebene
Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer
kriminellen Vereinigung an. Die Beschränkung der Revision auf
dieses Organisationsdelikt scheidet aus. Denn anders als im umgekehrten
Fall wäre insoweit die Strafklage durch die Aburteilung des
tateinheitlich verwirklichten schwereren Delikts verbraucht; damit
entfällt der wesentliche Gesichtspunkt, der für die
Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung auf das in Tateinheit
mit dem Organisationsdelikt gewichtigere Delikt sprechen
könnte.
3. Aus denselben Gründen umfasst das Rechtsmittel
schließlich auch den Schuldspruch der Angeklagten T. sowie
Tom und Peter W. wegen gefährlicher Körperverletzung
in den drei Fällen II. 1. bis 3. der Urteilsgründe
(vgl. BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 1). Auch diese Straftaten
stünden in Tateinheit mit dem Organisationsdelikt nach
§ 129 StGB. Damit steht ebenfalls die unterbliebene
Verurteilung dieser Angeklagten in Bezug auf den Anklagevorwurf jeweils
tateinheitlich mit den gefährlichen
Körperverletzungen begangenen Landfriedensbruchs zur
revisionsgerichtlichen Überprüfung.
18
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit das Landgericht die Angeklagten
nicht wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen
Vereinigung verurteilt hat. Die Wertung des Landgerichts, nach den -
rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen seien die Voraussetzungen
einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB nicht gegeben,
hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht
19
- 14 -
stand. Vielmehr ist die "Kameradschaft Sturm 34" nach den
Feststellungen als kriminelle Vereinigung in diesem Sinne anzusehen. Im
Einzelnen:
1. Die Strafkammer stützt ihre Beurteilung
maßgeblich auf folgende Erwägungen:
20
Die Angeklagten hätten sich zwar mit anderen zu der
"Kameradschaft Sturm 34" zusammengeschlossen, um einen Zusammenhalt
herzustellen und ihre politische Gesinnung mittels der Begehung von
Straftaten durchzusetzen. Die Kameradschaft sei jedoch allenfalls als
Bande, nicht aber als kriminelle Vereinigung zu bezeichnen. Es habe an
verbandsinternen Entscheidungsstrukturen zur Herausbildung eines
Gruppenwillens gefehlt, dem sich die Mitglieder verbindlich zu
unterwerfen gehabt hätten. Auch die Wahl eines Vorstandes
ändere hieran nichts, zumal mit H. auch ein weibliches
Vorstandsmitglied gewählt worden sei. Dies deute darauf hin,
dass dieser Akt nicht in Verbindung mit den aus der Gruppe heraus
begangenen Straftaten stehe; denn grundsätzlich sollten
Mädchen in gewaltsame Aktionen nicht einbezogen werden. Eine
Satzung sei zwar geplant gewesen, bis zu der Verbotsverfügung
jedoch nicht konkret in Angriff genommen worden. Auch der Umstand, dass
innerhalb der Kameradschaft eine gewisse Hierarchie erkennbar gewesen
sei, kennzeichne die Gruppierung allenfalls als Bande. Trotz der
genannten Strukturen habe sich das Kameradschaftsleben eher zwanglos
gestaltet; es habe keine Mitgliedschaftsliste,
Mitgliedsbeiträge, feste Veranstaltungstermine,
Teilnahmepflichten, Verpflichtung zur einheitlichen Kleidung oder
Tätowierung und insbesondere keine Verpflichtung gegeben, sich
an den durchgeführten konkreten Straftaten zu beteiligen. Auch
der "harte Kern" der Gruppe sei nicht als kriminelle Vereinigung
aufgetreten.
21
- 15 -
2. Mit dieser Bewertung hat das Landgericht die Frage, ob die
"Kameradschaft Sturm 34" die Voraussetzungen einer kriminellen
Vereinigung erfüllt, zumindest teilweise unter Heranziehung
von Kriterien beurteilt, die für das Bestehen einer
Vereinigung keine bzw. allenfalls eine untergeordnete Bedeutung haben.
Außerdem hat es festgestellte, für das Bestehen
einer Vereinigung sprechende Umstände nicht in seine
Würdigung einbezogen. Damit hat sich die Strafkammer insgesamt
den Blick dafür verstellt, welche Tatsachen für das
Bestehen einer kriminellen Vereinigung relevant sind, und damit den
festgestellten Sachverhalt rechtsfehlerhaft gewertet.
22
a) Das Vorliegen einer Vereinigung hängt nach bisher in der
Rechtsprechung gebräuchlicher Definition von verschiedenen
personellen, organisatorischen, voluntativen sowie zeitlichen Kriterien
ab. Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist
danach der auf eine gewisse Dauer angelegte, freiwillige
organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu
verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den
Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart
in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher
Verband fühlen (st. Rspr.; zuletzt BGH NJW 2009, 3448, 3459,
zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; s. auch BGHSt 28, 147;
31, 202, 204 f.; 31, 239 f.; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 1668; 2006,
1603; BGHR StGB § 129 Vereinigung 3).
23
Der Senat hält - mit gewissen Modifikationen beim
Willenselement - an dieser Bestimmung des Begriffs der Vereinigung
für den Tatbestand der Bildung krimineller Vereinigungen nach
§ 129 StGB fest.
24
aa) Der Begriff der kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung wird
in mehreren europarechtlichen Regelungen näher definiert (vgl.
etwa Art. 1 der bis zum 10. November 2008 gültigen Gemeinsamen
Maßnahme des Rates der Eu-
25
- 16 -
ropäischen Union vom 21. Dezember 1998, ABl. EG 1998 Nr. L 351
S. 1; Art. 1 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 24. Oktober 2008 zur
Bekämpfung der organisierten Kriminalität, ABl. EG
2008 Nr. L 300 S. 42; Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Rahmenbeschlusses des
Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. EG
2002 Nr. L 164 S. 3, geändert durch den Rahmenbeschluss des
Rates vom 28. November 2008, ABl. EG 2008 Nr. L 330 S. 21; jeweils i.
V. m. EUV-Lissabon, Art. 9 des Protokolls Nr. 36 über die
Übergangsbestimmungen). Vor dem Hintergrund der dortigen
Umschreibungen wird in der Literatur insbesondere für die
terroristische Vereinigung (§§ 129 a, 129 b StGB)
teilweise die Auffassung vertreten, der bisher verwendete
Vereinigungsbegriff sei "europarechtsfreundlich" zu interpretieren;
deshalb sei er dahin zu modifizieren, dass die Anforderungen an die
organisatorischen und voluntativen Voraussetzungen herabgesetzt werden
(Krauß in LK 12. Aufl. § 129 a Rdn. 26; Kress JA
2005, 220; v. Heintschel-Heinegg in FS für Schroeder S. 799;
krit. Rudolphi/Stein in SK-StGB § 129 Rdn. 6 b). Diese
Auffassung ist von den Instanzgerichten teilweise übernommen
worden (OLG Düsseldorf, Urt. vom 5. Dezember 2007 - III-VI
10/05).
bb) Der Senat hat eine derartige Neubestimmung des Vereinigungsbegriffs
für den Bereich der terroristischen Vereinigung ebenfalls
zunächst grundsätzlich in den Blick genommen, ohne
sich indes im Einzelnen hierzu zu verhalten (BGH NJW 2006, 1603).
Insbesondere für die kriminelle Vereinigung im Sinne des
§ 129 StGB hat er jedoch vor dem Hintergrund des abgestuften
Systems der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch und
Vorbereitungshandlung, der erforderlichen Abgrenzbarkeit der
Vereinigung von einer Bande oder nur mittäterschaftlichen
Zusammenschlüssen, der prozessualen Folgewirkungen sowie des
Strafzwecks der §§ 129 ff. StGB in späteren
Entscheidungen erhebliche Bedenken geäußert (BGHR
StGB § 129 Vereinigung 3; s. auch für die
terroristische Vereinigung BGH NJW 2009, 3448, 3460; zur
Veröffentlichung in
26
- 17 -
BGHSt bestimmt). Der vorliegende Fall gibt Anlass klarzustellen, dass
es für den hier relevanten Begriff der kriminellen Vereinigung
im Sinne des § 129 StGB für alle in Betracht
kommenden Gruppierungen einheitlich bei der bisher in der
Rechtsprechung gebräuchlichen Definition der Vereinigung zu
verbleiben hat. Hierzu gilt:
Nach Art. 1 Ziffer 1 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 24. Oktober
2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität
(ABl. EG 2008 Nr. L 300 S. 42) bezeichnet der Ausdruck kriminelle
Vereinigung einen auf Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss
von mehr als zwei Personen, die, um sich unmittelbar oder mittelbar
einen finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteil zu verschaffen,
in Verabredung handeln, um Straftaten zu begehen, die mit einer
Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der
Besserung und Sicherung im Höchstmaß von mindestens
vier Jahren oder einer schwereren Strafe bedroht sind. Art. 1 Ziffer 2
des Rahmenbeschlusses umschreibt einen organisierten Zusammenschluss in
diesem Sinne als einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur
unmittelbaren Begehung eines Verbrechens gebildet wird und der auch
nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen
für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder
eine ausgeprägte Struktur hat.
27
Diese Begriffsbestimmungen können nicht unmittelbar
für die §§ 129 ff. StGB übernommen
werden. Zwar sind bei der Auslegung des deutschen Rechts auch die in
Rahmenbeschlüssen des Rates der Europäischen Union
enthaltenen Vorgaben grundsätzlich zu
berücksichtigen; denn die nationalen Gerichte haben ihre
Auslegung des innerstaatlichen Rechts auch an deren Wortlaut und Zweck
auszurichten (Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung, s.
EuGH NJW 2005, 2839 - Pupino). Diese Verpflichtung der nationalen
Gerichte besteht jedoch nicht uneingeschränkt; sie wird
vielmehr durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und
insbesondere durch den Grund-
28
- 18 -
satz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot begrenzt
(EuGH aaO S. 2841). Einer Auslegung des Tatbestandsmerkmals der
Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB, die sich an
den zitierten Begriffsbestimmungen des Rahmenbeschlusses orientiert,
stehen derartige allgemeine Rechtsgrundsätze des deutschen
Strafrechts entgegen:
Die Übertragung der Definition einer kriminellen Vereinigung
in Art. 1 des Rahmenbeschlusses vom 24. Oktober 2008 in das nationale
Recht würde zu einem unauflösbaren Widerspruch zu
wesentlichen Grundgedanken des Systems der Strafbarkeit mehrerer
zusammenwirkender Personen führen, auf dem das deutsche
materielle Strafrecht beruht. Die Umschreibung einer kriminellen
Vereinigung nach Art. 1 des Rahmenbeschlusses vom 24. Oktober 2008
unterscheidet sich in ihrem inhaltlichen Gehalt allenfalls nur noch in
unwesentlichen Randbereichen von derjenigen einer Bande, wie sie in der
neueren Rechtsprechung (BGHSt 46, 321) vorgenommen wird. Eine Bande ist
danach gekennzeichnet durch den Zusammenschluss von mindestens drei
Personen, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig
für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im
Einzelnen noch ungewisse Straftaten zu begehen; ein gefestigter
Bandenwille und ein Tätigwerden in einem
übergeordneten Bandeninteresse sind demgegenüber
nicht mehr erforderlich (BGHSt 46, 321, 325 ff.). Nach deutschem Recht
ist indes allein die Mitgliedschaft in einer Bande nicht strafbar;
vielmehr führt das Handeln als Bandenmitglied (lediglich)
dazu, dass der Täter nicht nur einen strafrechtlichen
Grundtatbestand erfüllt, sondern ein Qualifikationsmerkmal (s.
etwa § 146 Abs. 2, § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244
a Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 2, § 263 Abs. 5,
§ 267 Abs. 4 StGB, § 30 Abs. 1 Nr. 1, § 30 a
Abs. 1 BtMG) bzw. ein Regelbeispiel für einen besonders
schweren Fall (s. etwa § 263 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, §
267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 303 b Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StGB)
verwirklicht. Die Mitgliedschaft in einer Bande ist deshalb kein
strafbegründendes, sondern ein strafschärfendes
Merkmal. Demgegenüber
29
- 19 -
stellt § 129 Abs. 1 StGB mit Blick auf vereinigungsspezifische
Gefährdungen gewichtiger Rechtsgüter bereits u. a.
die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung
als solche unter Strafe. Dieser grundlegende Unterschied ginge bei
einer Übernahme des europarechtlichen Begriffs der kriminellen
Vereinigung verloren, denn in diesem Fall wäre bereits die
Mitgliedschaft in einer Gruppierung strafbar, die lediglich die
Voraussetzungen einer Bande erfüllt.
Hieraus und aus den weiteren, bereits in den Entscheidungen des Senats
vom 20. Dezember 2007 (BGHR StGB § 129 Vereinigung 3) sowie
14. August 2009 (BGH NJW 2009, 3448, 3460) näher dargelegten
Gründen folgt, dass eine "europarechtsfreundliche"
Modifikation des bisherigen Begriffs der kriminellen Vereinigung durch
die Rechtsprechung nicht möglich ist. Sie wäre
vielmehr allein Sache des Gesetzgebers (für die kriminelle
Vereinigung im Ergebnis ebenso Krauß aaO § 129 Rdn.
49), der bei einer Neuregelung allerdings auch dafür Sorge zu
tragen hätte, dass das deutsche materielle
Strafrechtsgefüge insgesamt in sich stimmig bleibt.
30
b) Nach den Feststellungen ist nicht zweifelhaft, dass sich in der
"Kameradschaft Sturm 34" mindestens drei Personen für eine
gewisse Dauer zusammenschlossen und somit die Anforderungen an eine
Vereinigung in personeller und zeitlicher Hinsicht erfüllt
sind.
31
c) Zu den maßgebenden Gesichtspunkten bezüglich der
Organisation der "Kameradschaft Sturm 34" gilt:
32
aa) Eine Vereinigung ist in struktureller Hinsicht dadurch
gekennzeichnet, dass ein Mindestmaß an fester Organisation
mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder besteht (BGHSt 31,
202, 206; 31, 239, 242). Diese innere Organisation muss so stark sein,
dass sich die Durchsetzung der Ziele der Ver-
33
- 20 -
einigung nach bestimmten Gruppenregeln vollzieht und der individuelle
Gestaltungseinfluss des Einzelnen dahinter zurücktritt. Die
Straftaten und Aktionen, die von den Mitgliedern der Vereinigung
geplant und begangen werden, müssen vor diesem Hintergrund
stattfinden. Erforderlich ist dabei ein mitgliedschaftliches
Zusammenwirken zu einem gemeinsamen Zweck mit verteilten Rollen und
einer abgestimmten, koordinierten Aufgabenverteilung (BGH NJW 1992,
1518).
bb) Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen gegeben; diesen
ist zu entnehmen, dass innerhalb der "Kameradschaft Sturm 34" eine
ausreichende organisatorische Struktur vorhanden war, um die gemeinsam
verfolgten Ziele - Schaffung einer "national-befreiten Zone" in der
Gegend um M. usw. - zu verwirklichen (zu den für einen
ausreichenden organisatorischen Zusammenschluss sprechenden Indizien
zusammenfassend Krauß aaO § 129 Rdn. 25 m. w. N.).
34
Die Mittel, deren sich die Mitglieder der Kameradschaft
hierfür bedienen wollten, waren von Beginn an festgelegt.
Insbesondere die Durchführung der sog. Skinheadkontrollrunden
und gegebenenfalls die sich unmittelbar an diese
anschließenden Aktionen gegen missliebige Personen
erforderten ein beachtliches Maß an Koordination zwischen den
Beteiligten. Auch die mit einem nicht unerheblichen logistischen
Aufwand verbundene Art und Weise, in der die konkreten Straftaten
begangen wurden, belegt eine intensive vorherige Abstimmung zwischen
den Mitgliedern der Organisation (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 300, 301). In
dem Bauhof war ein ständiger Gruppentreff und damit ein
räumlicher Fixpunkt eingerichtet (Krauß aaO
§ 129 Rdn. 25), von dem die gewalttätigen Aktionen
ausgingen und zu dem die Teilnehmer an den konkreten Straftaten nach
deren Begehung jeweils zurückkehrten. Die dort sodann -
jedenfalls in den Fällen II. 1. und 3. der
Urteilsgründe - vorgenommene gemeinsame Aus-
35
- 21 -
wertung der gewalttätigen Aktionen lässt ein
bemerkenswertes Maß an Planung und personeller
Geschlossenheit erkennen; sie ist deshalb ebenfalls ein gewichtiges
Indiz für den organisatorischen Zusammenhalt der
Gruppenmitglieder. Hinzu kommt, dass die Bestimmung der Ziele der
Gruppe und der zu deren Erreichung eingesetzten Mittel auf einer
gemeinsamen politisch-ideologischen Grundhaltung der Beteiligten
beruhte (vgl. zu diesem Kriterium auch den Sachverhalt, welcher der
Entscheidung BGHSt 41, 47 zugrunde liegt). Die Mitglieder der
"Kameradschaft Sturm 34" einte eine politisch im extrem rechten Bereich
zu verortende Überzeugung, welche Grundlage der Straftaten
war, auf deren Begehung die Gruppierung gerichtet war. All diese
Umstände belegen einen hohen Organisationsgrad der
Gruppierung, der den Anforderungen genügt, die in
organisationsspezifischer Hinsicht an eine Vereinigung zu stellen sind.
d) Auch das erforderliche Willenselement der Vereinigung liegt nach den
Feststellungen vor:
36
aa) Nach bisher ständiger Rechtsprechung ist wesentlich
für eine Vereinigung die subjektive Einbindung der Beteiligten
in die kriminellen Ziele der Organisation und in deren entsprechende
Willensbildung unter Zurückstellung individueller
Einzelmeinungen. Innerhalb der Vereinigung müssen deshalb
grundsätzlich bestimmte, von ihren Mitgliedern anerkannte
Entscheidungsstrukturen bestehen; dieser organisierten Willensbildung
müssen sich die Mitglieder als für alle verbindlich
unterwerfen. Der bloße Wille mehrerer Personen, gemeinsam
Straftaten zu begehen, verbindet diese noch nicht zu einer kriminellen
Vereinigung, weil der Wille des Einzelnen maßgeblich bleibt
und die Unterordnung unter einen Gruppenwillen unterbleibt. Die Art und
Weise der Willensbildung ist allerdings gleichgültig;
maßgeblich ist allein, dass sie von den Mitgliedern der
Vereinigung übereinstimmend anerkannt wird. Die für
alle Mitglieder verbindlichen Regeln können etwa dem
Demokratieprinzip entsprechen oder auf dem
37
- 22 -
Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut sein. Die Annahme einer
Vereinigung scheidet indes aus, wenn die Mitglieder einer Gruppierung
sich nur jeweils der autoritären Führung einer Person
unterwerfen, ohne dass dies vom Gruppenwillen abgeleitet wird (BGHSt
31, 239, 240; 45, 26, 35; BGH NJW 1992, 1518; 2009, 3448, 3460, zur
Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
Der Bundesgerichtshof hat in Anwendung dieser Grundsätze in
mehreren, vor allem im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts ergangenen
Entscheidungen hohe Anforderungen an die tatrichterlichen
Feststellungen hinsichtlich des Zustandekommens des Gruppenwillens in
einer Vereinigung gestellt und auf dieser Grundlage den jeweiligen
Urteilsgründen ausreichende Tatsachen, die das voluntative
Element einer Vereinigung belegen, nicht zu entnehmen vermocht (vgl.
etwa BGHSt 31, 202; BGHR StGB § 129 Gruppenwille 3; BGH NJW
1992, 1518; NStZ 2004, 574; 2007, 31). Der Senat hat allerdings in
Entscheidungen zum Staatsschutzstrafrecht im engeren Sinne im Hinblick
auf die zugrunde liegenden besonderen, für den
Staatsschutzbereich typischen Fallgestaltungen auch weniger
detaillierte tatrichterliche Feststellungen zur Art und Weise der
Willensbildung innerhalb einer Organisation als ausreichend bewertet.
So hat er etwa in dem Urteil vom 10. März 2005 (NJW 2005,
1668), welches die Strafbarkeit der Mitglieder einer Musikgruppe zum
Gegenstand hatte, die auf die Veröffentlichung von Liedern mit
Texten strafbaren Inhalts ausgerichtet war, ausgeführt, das
Tatgericht habe zwar nicht festgestellt, dass sich die Angeklagten
verbindliche Regeln gegeben hätten, nach denen
sämtliche Entscheidungen innerhalb der Gruppe zu treffen
gewesen seien. Dies sei indessen auch nicht erforderlich gewesen; denn
aus dem erfolgreichen Zusammenwirken über mehrere Jahre ergebe
sich ohne Weiteres, dass sich jedes einzelne Gruppenmitglied dem vom
gemeinsamen Willen getragenen Ziel untergeordnet haben müsse
(BGH aaO S. 1670). In seinem Beschluss vom 28. November 2007 (NJW 2008,
86), bei dem es um politisch motivierte Brandstiftungen ging, hat er
38
- 23 -
darauf hingewiesen, dass zwar die inneren Strukturen der Gruppe nicht
aufgedeckt seien. Der Inhalt der veröffentlichten Schriften
zeige jedoch hinreichend deutlich, dass die Mitglieder der Gruppe ihre
Aktivitäten an den ideologischen Vorgaben und der daraus
entwickelten Strategie der Organisation ausrichteten und sich somit dem
aus der internen Meinungsbildung entspringenden Gruppenwillen
unterordneten (BGH aaO S. 87). In dem Urteil vom 14. August 2009 (NJW
2009, 3448, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt) hat der
Senat auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen die Al
Qaida als Vereinigung im Sinne der §§ 129 a, 129 b
StGB gewürdigt. Bei der Bewertung des Willenselements hat er
u. a. darauf abgestellt, deren Mitglieder hätten im dortigen
Tatzeitraum die gemeinsame politisch-ideologische Grundhaltung des
gewaltbereiten extremistischen Islamismus geteilt. Die Gruppierung habe
mit dem "Jihad gegen Juden und Kreuzzügler" bis zur
Zerstörung der USA und ihrer Verbündeten
über eine über den bloßen Zweckzusammenhang
der Vereinigung hinausreichende, von allen Mitgliedern getragene
Zielsetzung verfügt.
bb) An der in diesen Entscheidungen zum Ausdruck kommenden Tendenz, bei
der Beurteilung des notwendigen voluntativen Elements der Vereinigung
den Schwerpunkt der Betrachtung weniger auf die Regeln zu legen, nach
denen sich die Willensbildung vollzieht, vielmehr vor allem die
Zielsetzung der Vereinigung und den Gemeinschaftswillen selbst in den
Blick zu nehmen, hält der Senat fest; er präzisiert
diesen Ansatz wie folgt:
39
Verfolgen die Mitglieder der Organisation nicht nur kurzfristig ein
gemeinsames Ziel, das über die Begehung der konkreten
Straftaten hinausgeht, auf welche die Zwecke oder Tätigkeit
der Gruppe gerichtet sind, und handeln sie hierbei - etwa im Rahmen der
Vorbereitung oder der Verwirklichung dieser Straftaten - koordiniert
zusammen, so belegt dies regelmäßig für
sich bereits hinreichend, dass innerhalb des Verbands der für
eine Vereinigung im Sinne
40
- 24 -
der §§ 129 ff. StGB notwendige übergeordnete
Gemeinschaftswille besteht und von den Mitgliedern anerkannt wird; denn
die nachhaltige, aufeinander abgestimmte gemeinsame Verfolgung einer
derartigen übergeordneten Zielsetzung ist in der Regel nur
dann möglich, wenn die Mitglieder der Gruppierung sich unter
Zurückstellung ihrer individuellen Einzelmeinungen einem auf
die Erreichung des gemeinsamen Ziels gerichteten Gruppenwillen
unterordnen. In diesen Fällen ist das Bestehen
ausdrücklicher, verbindlicher Regeln, nach denen die
Entscheidungen innerhalb der Gruppierung zu treffen sind, für
das voluntative Element der Vereinigung nicht konstitutiv; deshalb
erübrigen sich nähere Feststellungen dazu, auf welche
formale Art und Weise der gemeinschaftliche Wille gebildet wird. Dies
gilt nur dann nicht, wenn der Sachverhalt ausnahmsweise Besonderheiten
aufweist, die aus der Verfolgung des gemeinsamen
übergeordneten Ziels keinen ausreichenden Schluss auf die
Existenz eines den individuellen Interessen der Einzelnen vorgehenden
Gemeinschaftswillens zulassen.
Dieses Verständnis ergibt sich insbesondere aus einer an Sinn
und Zweck des § 129 StGB orientierten Auslegung des
Vereinigungsbegriffs; denn vor dem Hintergrund des Normzwecks der
Vereinigungsdelikte kommt es - jedenfalls in den Fällen, in
denen die Mitglieder der Organisation eine über den
bloßen Zweckzusammenhang der Vereinigung hinausreichende
Zielsetzung verfolgen - wesentlich auf die Existenz dieses
Gemeinschaftswillens, nicht aber darauf an, nach welchen verbindlichen
Regeln sich die Willensbildung im Einzelfall vollzieht. § 129
StGB soll die erhöhte kriminelle Intensität erfassen,
die in der Gründung oder Fortführung einer
ausreichend festgefügten Organisation ihren Ausdruck findet
und die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte
Gefährlichkeit für wichtige Rechtsgüter der
Gemeinschaft mit sich bringt (BGHSt 31, 202, 207; 41, 47, 51). Diese
für größere
Personenzusammenschlüsse typische Eigendynamik hat ihre
besondere Gefährlichkeit darin, dass
41
- 25 -
sie geeignet ist, dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten
zu erleichtern und bei ihm das Gefühl persönlicher
Verantwortung zurückzudrängen (BGHSt 28, 147, 148 f.;
BGH NJW 1992, 1518). Für die so verstandene spezifisch
vereinigungsbezogene Gefährlichkeit ist die konkrete
Ausgestaltung der Art und Weise der Bildung des gemeinschaftlichen
Willens jedenfalls in den Fallgestaltungen ohne erheblichen Belang, in
denen die in Rede stehende Eigendynamik vor allem dadurch in Gang
gesetzt werden kann, dass die Beteiligten sich in der Verfolgung eines
gemeinsamen Zieles verbunden fühlen. Dies rechtfertigt es, in
den Fällen, in denen die Beteiligten sich zusammengeschlossen
haben und tätig werden, um ein über die Begehung
konkreter Straftaten hinausgehendes Ziel zu erreichen,
regelmäßig vom Bestehen eines für die
Qualifikation des Zusammenschlusses als Vereinigung im Sinne des
§ 129 StGB ausreichenden Gruppenwillen auszugehen. Dies gilt
insbesondere dann, wenn die Beteiligten bereits eine längere
Zeit zusammengewirkt und sich dabei Verhaltensmuster herausgebildet
haben, die einen jeweils neuen ausdrücklichen Prozess zur
Bildung eines Gemeinschaftswillens - etwa im Zusammenhang mit der
Vorbereitung oder Begehung vereinigungsspezifischer Straftaten -
entbehrlich machen.
Ein derartiges übergeordnetes Ziel verfolgen die Mitglieder
einer Gruppierung typischerweise etwa in den Fällen politisch,
ideologisch, religiös oder weltanschaulich motivierter
Kriminalität. Solche Fallgestaltungen erscheinen jedoch
darüber hinaus auch im Bereich der
Wirtschaftskriminalität denkbar. Dort wird es indes
regelmäßig an der Verfolgung eines
übergeordneten gemeinschaftlichen Ziels fehlen; denn bei
Wirtschaftsstraftaten steht typischerweise das persönliche
Gewinnstreben des einzelnen Täters im Vordergrund. In diesen
Fällen sind die hergebrachten Grundsätze zur
Feststellung des Gruppenwillens weiterhin maßgebend; deshalb
sind hier nach wie vor Feststellungen dazu erforderlich, nach welchen
Regeln sich der gemeinschaftliche Wille der Gruppie-
42
- 26 -
rung bildet, denen die einzelnen Mitglieder folgen, weil sie sie als
verbindlich ansehen. Aus den dargelegten Gründen kommt es auch
vor dem Hintergrund der Regelungen in dem Rahmenbeschluss des Rates vom
24. Oktober 2008, der ersichtlich vor allem wirtschaftskriminelle
Gruppierungen in den Blick nimmt, nicht in Betracht, die inhaltlichen
Anforderungen an eine kriminelle Vereinigung speziell für
diesen Bereich zu mindern. Es verstieße im Übrigen
gegen fundamentale Auslegungsgrundsätze, wollte man das
Tatbestandsmerkmal der kriminellen Vereinigung abhängig von
den tatsächlichen Feststellungen zu den Zielsetzungen des
Personenzusammenschlusses unterschiedlich interpretieren; der Begriff
der kriminellen Vereinigung kann deshalb nur insgesamt einheitlich
verstanden werden.
cc) Auch wenn man in den Fällen der koordinierten Verfolgung
eines übergeordneten Ziels durch die Gruppenmitglieder bei der
Bewertung des Willenselements der Vereinigung maßgeblich auf
die Existenz eines Gruppenwillens als solchen und nicht auf die Art
seines Zustandekommens abstellt, unterscheidet sich die Vereinigung
hinreichend sicher von anderen Formen des strafbaren Zusammenwirkens
mehrerer.
43
Dies gilt zunächst im Verhältnis zu der Begehung von
Straftaten durch die Mitglieder einer Bande. Der Senat verkennt nicht,
dass bei einer Herleitung des maßgebenden
Gemeinschaftswillens aus der gemeinsamen Verfolgung eines
übergeordneten Ziels wesentlich auf ein tatsächliches
Element abgestellt wird, das Ähnlichkeiten zu dem
übergeordneten Interesse aufweist, welches die
frühere Rechtsprechung als für eine Bande
konstitutives Merkmal angesehen hatte (BGHSt 42, 255, 259; BGH NStZ
1997, 90, 91; BGHR BtMG § 30 a Bande 8). Mit diesem
Erfordernis war die Bandentat allerdings ohnehin bereits in die
Nähe des Organisationsdelikts nach § 129 StGB
gerückt worden (BGHSt 46, 321, 327). Entscheidend ist jedoch,
dass - wie bereits aufgezeigt - nach neue-
44
- 27 -
rem Verständnis der Rechtsprechung ein derartiges
übergeordnetes Interesse für eine Bande nicht mehr
notwendig ist. Die Mitglieder einer Bande können - und werden
regelmäßig - ihre eigenen Interessen an einer
risikolosen und effektiven Tatausführung sowie Beute- und
Gewinnerzielung verfolgen (BGHSt 46, 321, 329 f.). Gerade hierin
besteht - auch nach dem dargelegten Verständnis des Senats -
neben den bedeutend geringeren Anforderungen an die Organisation der
Gruppierung ein weiterer wesentlicher Unterschied zu einer Vereinigung.
Die Abgrenzung zu mittäterschaftlichem Zusammenwirken ist
ebenfalls weiterhin trennscharf möglich; denn diese ist von
einem gemeinsamen Willen mehrerer Personen zur Tat und einer
gemeinsamen Tatherrschaft gekennzeichnet. Darüber hinaus muss
keines der für eine Vereinigung konstitutiven Elemente
vorliegen (Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB
§ 129 a Rdn. 35).
45
dd) Gemessen an den dargelegten Maßstäben wird hier
der erforderliche Gruppenwille durch die Feststellungen hinreichend
belegt. Die Mitglieder der "Kameradschaft Sturm 34" verfolgten ein von
einem gemeinschaftlichen Bestreben getragenes Ziel, das über
die Begehung der einzelnen strafbaren Gewalttätigkeiten
hinausging; sie einte das in gemeinsamer rechtsgerichteter
politisch-ideologischer Überzeugung wurzelnde, von
übereinstimmenden Vorstellungen getragene Vorhaben, M. und
Umgebung durch die Vertreibung politisch Andersdenkender "zeckenfrei"
und "braun" zu machen. Die Umsetzung dieses Ziels durch die Begehung
gewalttätiger Straftaten war ebenfalls vom Gruppenwillen
umfasst, ohne dass es insoweit einer jeweils ausdrücklichen
Form des Willensbildungsprozesses bedurfte. Die Mitglieder der
"Kameradschaft Sturm 34" wirkten planvoll und zielgerichtet zusammen;
ihr bereits längere Zeit vor der Gründung der
Kameradschaft und nach diesem Zeitpunkt praktiziertes Vorgehen gegen
missliebige Personen folgte einem einge-
46
- 28 -
schliffenen Verhaltensmuster. Dies belegt ein nicht
unbeträchtliches Maß an gemeinschaftlicher
Willensbildung, der sich die einzelnen Mitglieder der Gruppierung unter
Zurückstellung der jeweiligen Vorstellungen des Einzelnen
unterordneten; denn anderenfalls wäre die gemeinsame
Durchführung der gewalttätigen Aktionen in der
festgestellten Form nicht möglich gewesen. Unter diesen
Umständen waren detaillierte Feststellungen zur Art und Weise
der Bildung des Gemeinschaftswillens hier nicht erforderlich.
Für das Bestehen eines verbindlichen übergeordneten
Gruppenwillens spricht auch, dass der Angeklagte G. sein Ziel einer
gewaltfreien Kameradschaft nicht durchsetzen konnte und später
aus dem Verband ausschied. Die Strafkammer hat schließlich
selbst im Rahmen der Strafzumessung sowohl dem Angeklagten T. als auch
dem Angeklagten Peter W. ausdrücklich zu Gute gehalten, sie
hätten sich der durch die "Kameradschaft Sturm 34"
entstehenden Gruppendynamik nicht entziehen können.
47
Dass bei den Mitgliedern der Kameradschaft das Bewusstsein bestand,
einem organisatorisch ausreichend fest gefügten, auf die
Begehung von Straftaten gerichteten Verband anzugehören,
ergibt sich schließlich auch aus den Feststellungen zu Fall
II. 3. der Urteilsgründe. Nach diesen hatten
außerhalb der Gruppierung stehende, politisch gleichgesinnte
Personen die "Kameraden vom Sturm 34" angefordert; dies löste
bei den auf dem Bauhof anwesenden Personen keine Zweifel
darüber aus, wer hiermit gemeint war.
48
e) Soweit die Strafkammer demgegenüber zur Begründung
ihrer Auffassung, die Voraussetzungen einer kriminellen Vereinigung
seien nicht gegeben, darauf abgestellt hat, dass eine Satzung noch
nicht erstellt war, eine Mitgliederliste nicht geführt wurde,
keine Mitgliedsbeiträge erhoben wurden und keine festen
Veranstaltungstermine, Teilnahmepflichten sowie Verpflichtungen zur
49
- 29 -
einheitlichen Kleidung oder Tätowierung bestanden, hat sie die
Bedeutung dieser Kriterien verkannt. Diese Umstände sind zwar,
wenn sie festzustellen sind, Indizien, die für das Vorliegen
einer Vereinigung sprechen. Sie sind jedoch für eine
kriminelle Vereinigung nicht konstitutiv; allein aus ihrem Fehlen kann
deshalb nicht geschlossen werden, dass die Voraussetzungen einer
Vereinigung nicht gegeben sind.
Entsprechendes gilt, soweit das Landgericht seine Beurteilung auf die
Erwägung gegründet hat, dass die einzelnen Mitglieder
der Kameradschaft nicht zur Beteiligung an den konkreten
Gewalttätigkeiten verpflichtet waren. Auch dieser Umstand
findet als Voraussetzung für das Bestehen einer Vereinigung im
Gesetz keine Stütze. Die §§ 129 ff. StGB
setzen als Vorfelddelikte nach ihrer Struktur nicht voraus, dass
überhaupt von den Mitgliedern der Vereinigung konkrete
Straftaten begangen werden, solche müssen noch nicht einmal
konkret geplant oder vorbereitet sein (vgl. BGH NJW 2005, 80, 81). Erst
recht ist es nicht notwendig, dass bei den einzelnen Taten alle oder
jeweils dieselben Mitglieder der Vereinigung aktiv werden; vielmehr ist
auch eine Begehung in wechselnder Besetzung möglich (BGHSt 31,
202, 206). Mit Blick auf den Strafzweck der Vereinigungsdelikte (BGHSt
31, 202, 207; 41, 47, 51) ist es erforderlich, aber auch ausreichend,
dass die Zwecke oder Tätigkeit der Vereinigung auf die
Begehung solcher Delikte gerichtet ist.
50
Ebenso wenig hängt die Bewertung der Kameradschaft als
kriminelle Vereinigung davon ab, ob eine ausdrückliche
Festlegung dahin existierte, wer als Mitglied der Kameradschaft gelten
sollte. Nach den Feststellungen sind jedenfalls diejenigen als Mitglied
der Kameradschaft - das heißt als Person, die sich unter
Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine
Tätigkeit zur Förderung der kriminellen Ziele der
Vereinigung entfaltet - anzusehen, die regelmäßig
die Treffen im Bauhof besuchten. Es liegt nahe, dass dies
51
- 30 -
auch für diejenigen anzunehmen ist, die an der
Gründungsveranstaltung teilnahmen oder sich an der Wahl des
Vorstands beteiligten. Somit lassen sich die Mitglieder der
Kameradschaft auch ohne ausdrückliche Regelung hinreichend
sicher von solchen Personen abgrenzen, die nicht auf Dauer oder
zumindest längere Zeit am "Kameradschaftsleben" teilnahmen. Im
Übrigen ist im Randbereich die Abgrenzung von Mitgliedern,
Unterstützern und Sympathisanten einer Vereinigung
häufig im Einzelfall problematisch; dies stellt jedoch nicht
per se deren Existenz in Frage.
Zur Abgrenzung einer Vereinigung von sonstigem strafbaren Verhalten
mehrerer Personen untauglich ist schließlich die
Erwägung des Landgerichts, in dem gewählten Vorstand
habe sich ein weibliches Mitglied befunden, Mädchen
hätten jedoch an den Gewalttätigkeiten nicht
teilnehmen sollen. Vor dem Hintergrund der aufgeführten
Abgrenzungskriterien erschließt sich dem Senat der Sinn
dieser Argumentation nicht.
52
3. Einen weiteren Rechtsfehler zu Gunsten oder zu Lasten (§
301 StPO) der Angeklagten deckt die Revision nicht auf.
53
III. Für das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bedeutet dies:
54
1. Obwohl die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des
Landgerichts die Voraussetzungen einer kriminellen Vereinigung belegen,
kann der Senat nicht selbst in der Sache dahin entscheiden, dass die
Angeklagten sich nach § 129 StGB strafbar gemacht haben.
55
Für die Angeklagten G. und R. folgt dies bereits daraus, dass
diese vom Landgericht insgesamt freigesprochen worden sind. In solchen
Fällen ist für eine entsprechende Anwendung des
§ 354 Abs. 1 StPO regelmäßig kein Raum,
wenn sich die Revision der Staatsanwaltschaft erfolgreich gegen den
56
- 31 -
Freispruch eines Angeklagten wendet. Denn die auf einen Freispruch
zugeschnittenen und daher bereits ihrer Natur nach
ergänzungsbedürftigen Feststellungen bieten dem
Revisionsgericht vor allem deshalb keine verlässliche
Grundlage für eine den Angeklagten belastende
Sachentscheidung, weil sie von Verfahrensfehlern betroffen sein
können, die der Angeklagte nur aus dem Grund nicht
rügen konnte, weil er durch sie nicht beschwert war. Ein
Ausnahmefall, in dem die Aufhebung des Freispruchs durch das
Revisionsgericht mit einem Schuldspruch verbunden werden kann, liegt
hier nicht vor (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 13 m.
w. N.).
Entsprechendes gilt auch für die Angeklagten T. sowie Tom und
Peter W. . Da das Vergehen nach § 129 StGB mit den vom
Landgericht abgeurteilten gefährlichen
Körperverletzungen in Tateinheit stünde, hat die
Strafkammer die genannten Angeklagten zwar zu Recht insoweit nicht
formal - teilweise - freigesprochen. In der Sache konnten sich indes
auch diese Angeklagten gegen die Feststellungen in dem sie nicht
beschwerenden Teil des Urteils nicht angemessen zur Wehr setzen.
57
Hinzu kommt, dass allen Angeklagten durch die Staatsanwaltschaft nicht
nur die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen
Vereinigung, sondern auch deren Gründung zur Last gelegt
worden ist. Das Gründen einer kriminellen Vereinigung nach
§ 129 Abs. 1 StGB steht zu der weiteren Tatbestandsalternative
der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung jedenfalls dann
im Verhältnis der Tateinheit, wenn sich die Beteiligung als
Mitglied wie hier unmittelbar an das Gründen der Vereinigung
anschließt. Seine frühere Auffassung, die
mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung
umfasse auch die Beteiligung des Mitglieds an der Gründung der
Vereinigung mit der Folge, dass in diesen Fällen der
Schuldspruch nur wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an der
Vereinigung zu ergehen habe (BGH NStZ 2004,
58
- 32 -
385), gibt der Senat auf. Das Gründen einer kriminellen
Vereinigung weist einen im Verhältnis zur Beteiligung als
Mitglied selbstständigen Unrechtsgehalt auf. Dieser ist nicht
nur bei der Bewertung des Schuldumfangs im Rahmen der Strafzumessung zu
berücksichtigen. Das Erfordernis der Rechtsklarheit gebietet
es vielmehr, bereits im Schuldspruch zu verdeutlichen, dass der
Angeklagte über die mitgliedschaftliche Beteiligung hinaus
eine weitere, eigenständige Tathandlung des § 129
Abs. 1 StGB verwirklicht hat. Zu den Einzelheiten des
Gründungsvorgangs und dabei insbesondere den
Tatbeiträgen der Angeklagten verhalten sich die
Urteilsgründe indes nicht in dem für eine
Sachentscheidung des Revisionsgerichts erforderlichen Umfang. Dies ist
zwar vor dem Hintergrund der rechtlichen Auffassung des Landgerichts
nachvollziehbar, die "Kameradschaft Sturm 34" sei nicht als kriminelle
Vereinigung anzusehen und der Tatbestand des § 129 Abs. 1 StGB
sei bereits aus diesem Grunde nicht verwirklicht. Dem Senat ist es auf
dieser ungenügenden tatsächlichen Grundlage jedoch
verwehrt, in der Sache durchzuerkennen.
2. Die somit auf die Revision der Staatsanwaltschaft gebotene Aufhebung
des Urteils betrifft alle Angeklagten. Sie umfasst die angefochtene
Entscheidung insoweit, als sie nicht wegen des Vergehens nach
§ 129 StGB verurteilt bzw. ausdrücklich
freigesprochen worden sind. Miterfasst von der Aufhebung sind damit
auch die abgeurteilten Taten (II. 1. bis 3. der
Urteilsgründe); denn diese stünden im Falle einer
Verurteilung wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung mit dem
Organisationsdelikt nach § 129 Abs. 1 StGB in Tateinheit (BGHR
StGB § 129 Konkurrenzen 1). Hieraus folgt auch, dass der
Freispruch des Angeklagten R. vom Vorwurf der gefährlichen
Körperverletzung in Tateinheit mit Landfriedensbruch im Fall
II. 2. der Urteilsgründe (Überfall an der
Esso-Tankstelle in S. ) keinen Bestand haben kann.
59
- 33 -
Bereits aufgrund der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels
der Staatsanwaltschaft von der Aufhebung nicht umfasst ist
demgegenüber der Freispruch der Angeklagten T. und Tom W. vom
gegenüber § 129 StGB selbstständigen
Tatvorwurf der Volksverhetzung.
60
3. Die Feststellungen zu den einzelnen Taten II. 1. bis 3. der
Urteilsgründe sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen; sie
können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
Dies betrifft auch die Feststellungen, die dem Freispruch des
Angeklagten R. im Fall II. 2. der Urteilsgründe zugrunde
liegen. Die Würdigung der Einlassung des Angeklagten, der
seine Beteiligung an dieser Tat bestritten hat, sowie der erhobenen
Beweise lässt revisionsrechtlich relevante Rechtsfehler (vgl.
BGH NJW 2005, 2322, 2326) nicht erkennen.
61
C. Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten T.
62
Der Angeklagte T. hat seine Revision form- und fristgerecht eingelegt
und mit der Sachrüge und einer verfahrensrechtlichen
Beanstandung begründet. Er beantragt die Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand mit dem Ziel, eine im Rahmen der erhobenen
Verfahrensrüge nicht fristgerecht vorgelegte Seite eines
Gerichtsbeschlusses nachreichen zu können.
63
Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Wiedereinsetzung zur
Ergänzung einer bereits erhobenen Verfahrensrüge ist
grundsätzlich ausgeschlossen (Meyer-Goßner, StPO 52.
Aufl. § 44 Rdn. 7 b m. w. N.). Die
Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) ist
bereits deshalb nicht versäumt, weil das Rechtsmittel
fristgerecht mit der Sachrüge begründet worden ist.
Aber auch die in Rede stehende Verfahrensrüge ist nicht
verspätet, sondern allein in einer der gesetzlichen
Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht
genügenden Weise erhoben worden, weil der Beschluss des
Landgerichts vom 4. Juli 2008 nicht vollständig mitgeteilt
worden ist. Es widerspricht im Übrigen der Systematik des
64
- 34 -
Revisionsverfahrens, in derartigen Fällen die Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand zur formgerechten Begründung der
Revisionsrüge zuzulassen, nachdem der
Beschwerdeführer durch die Antragsschrift des
Generalbundesanwalts (vgl. § 349 Abs. 2 und 3 StPO) von der
Formwidrigkeit seiner Verfahrensrüge erfahren hat (BGH,
Beschl. vom 9. April 2008 - 3 StR 28/08 - Rdn. 3; Beschl. vom 27.
März 2008 - 3 StR 6/08 - Rdn. 5). Eine besondere
Verfahrenslage, bei der ausnahmsweise zur Wahrung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eine Wiedereinsetzung
unerlässlich ist (vgl. BGHR StPO § 44
Verfahrensrüge 8; Meyer-Goßner aaO § 44
Rdn. 7 ff.), liegt nicht vor.
Im Übrigen bliebe die Rüge gemäß
den Ausführungen in der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts in der Sache ohne Erfolg.
65
D. Revisionen der Angeklagten T. sowie Tom und Peter W.
66
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigungen hat aus den Gründen der jeweiligen
Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum
Nachteil der Angeklagten ergeben; deren Rechtsmittel sind deshalb
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
67
E. Der Senat weist für das weitere Verfahren auf Folgendes hin:
68
I. Die Feststellungen, die das neue Tatgericht insbesondere zum
Tatvorwurf nach § 129 StGB zu treffen haben wird,
dürfen die zu den Taten II. 1. bis 3. der
Urteilsgründe aufrecht erhaltenen Feststellungen
ergänzen, diesen aber nicht widersprechen.
69
II. Das neue Tatgericht wird ggf. bei der Bestimmung der angemessen
Sanktion für den Angeklagten Tom W. zu bedenken haben, ob nach
den § 105 Abs. 1, § 31 JGG eine einheitliche
Jugendstrafe in Betracht kommt. Dabei wird es erforderlich sein,
ergänzend den Vollstreckungsstand hinsichtlich
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der mitgeteilten Vorverurteilungen dieses Angeklagten festzustellen;
dieser lässt sich den bisherigen Feststellungen nicht
entnehmen.
III. Die Würdigung des Landgerichts, die Angeklagten T. sowie
Tom und Peter W. hätten sich auf der Grundlage der bisherigen
Feststellungen zu den Taten II. 1. bis 3. der Urteilsgründe
jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung nach
§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB strafbar gemacht, ist als solche
rechtsfehlerfrei. Dies gilt ebenfalls für die Wertung der
Strafkammer, ein Schuldspruch wegen tateinheitlich verwirklichten
Landfriedensbruchs (§§ 125, 125 a StGB) scheide aus.
Schließlich lässt ihre Würdigung, auf der
Grundlage der Feststellungen zur Tat II. 2. der Urteilsgründe
sei der Angeklagte R. insoweit nicht wegen einer strafbaren Beteiligung
an der gewalttätigen Auseinandersetzung zu verurteilen,
Rechtsfehler nicht erkennen.
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IV. Gelangt das neue Tatgericht zu der Auffassung, die Angeklagten T.
sowie Tom und Peter W. seien der mitgliedschaftlichen Beteiligung an
einer kriminellen Vereinigung, u. U. in Tateinheit mit deren
Gründung, schuldig und hätten sich daneben in den
Fällen II. 1. bis 3. der Urteilsgründe jeweils wegen
gefährlicher Körperverletzung nach § 224
Abs. 1 Nr. 4 StGB strafbar gemacht, wären die Konkurrenzen wie
folgt zu beurteilen:
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Die mitgliedschaftliche Beteiligung der Angeklagten T. sowie Tom und
Peter W. an der kriminellen Vereinigung und die von den Angeklagten
begangenen gefährlichen Körperverletzungen
stünden zueinander jeweils im Verhältnis der
Tateinheit (§ 52 StGB); denn es handelte sich bei den
Körperverletzungsdelikten um Straftaten, welche die
Angeklagten als Mitglieder der kriminellen Vereinigung in Verfolgung
von deren Zielen begingen (BGHSt 29, 288, 290). Da die
gefährlichen Körperverletzungen nach § 224
StGB schwerer wiegen als das Vergehen nach § 129 Abs. 1 StGB,
würden die einzelnen Gewalt-
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delikte nicht nach den Grundsätzen der Klammerwirkung durch
die Organisationsstraftat zu einer materiellrechtlich insgesamt
einheitlichen Tat verbunden (Rissing-van Saan in LK 12. Aufl.
§ 52 Rdn. 28 ff.); sie stünden vielmehr zueinander im
Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB).
Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls, um das
Konkurrenzverhältnis bei gleichartiger Tateinheit im Sinne des
§ 52 StGB kenntlich zu machen, in der Entscheidungsformel
anzugeben haben, wie oft der Tatbestand der gefährlichen
Körperverletzung jeweils verwirklicht wurde (vgl.
Meyer-Goßner aaO § 260 Rdn. 26).
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V. Mit Blick darauf, dass die Angeklagten G. und R. mit dem gewaltsamen
Vorgehen der Kameradschaftsmitglieder nicht einverstanden waren und der
Angeklagte R. sich den Polizeibehörden als Informant zur
Verfügung stellte, erscheint jedenfalls nach den bisherigen
Feststellungen die Wertung nicht völlig unbedenklich, beide
hätten sich als Mitglied an der Vereinigung beteiligt. Denn
dies erfordert, dass der Täter sich unter Eingliederung in die
Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur
Förderung der Ziele der Organisation entfaltet (BGHSt 18, 296,
299 f.; BGH NStZ 1993, 37, 38).
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Sollte das neue Tatgericht diese Voraussetzungen feststellen und eine
Strafbarkeit der Angeklagten nach § 129 Abs. 1 StGB bejahen,
wird es bei der Bestimmung der Rechtsfolgen jedenfalls die in
§ 129 Abs. 5 und 6 StGB enthaltenen Regelungen bzw. die hinter
diesen Vorschriften stehen Rechtsgedanken nicht aus dem Blick verlieren
dürfen.
Becker von Lienen Sost-Scheible
Schäfer Mayer |