BGH,
Urt. v. 30.8.2000 - 2 StR 204/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 204/00
vom
30. August 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen versuchten Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30.
August 2000, an der teilgenommen haben: Vizepräsident des
Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke als Vorsitzender, die Richter
am Bundesgerichtshof Niemöller, Detter, Rothfuß,
Hebenstreit als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim
Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Bonn vom 10. Juni 1999 mit den Feststellungen -
ausgenommen denjenigen zum äußeren Tathergang -
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
1. Das Landgericht hat beide Angeklagten des versuchten Totschlags
schuldig gesprochen; die Angeklagte S. hat es zu einer Jugendstrafe von
sieben Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten W. zu einer
Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mit ihrer Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird,
rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts;
sie erstrebt die Verurteilung beider Angeklagten wegen vollendeten
Mordes. Das Rechtsmittel hat überwiegend Erfolg.
2. Das Landgericht hat im wesentlichen folgenden Sachverhalt
festgestellt:
Die beiden Angeklagten, die damals 17-jährige R. S. und ihr
seinerzeit 20 Jahre alter Freund Sa. W. , lebten zusammen in einem
kleinen Haus, das ihnen R. s Pflegemutter zur Verfügung
gestellt hatte; sie selbst bewohnte mit weiteren Pflegekindern,
darunter der 15-jährigen J. K. , ein
größeres Haus in der Nähe. Zwischen der
Angeklagten und J. traten im Laufe der Zeit Spannungen auf. Die
Angeklagte nahm es J. insbesondere übel, daß diese
der Pflegemutter R. s Schwangerschaft offenbart und sie einmal zu
Unrecht verdächtigt hatte, der Pflegemutter 20,00 DM gestohlen
zu haben; sie sann daher auf eine Gelegenheit, J. eine
"gründliche Abreibung" zu verpassen. Diese Gelegenheit bot
sich, als die Pflegemutter ein Sängerfest im Dorf besuchte und
J. in deren Haus allein war. Die Angeklagte ging am Abend zu ihr, traf
sie an und begann einen Streit. Die beiden Frauen rauften sich in den
Haaren. Die Angeklagte schlug dabei J. zu Boden und brachte ihr mit
einem Klappmesser insgesamt 16 Stichverletzungen bei. Anfangs stach sie
ihr in den Bauch und in den Rücken. Mit weiteren Stichen
fügte sie ihr Verletzungen an den Armen, der linken Hand und
am Halse zu. Schließlich versetzte sie ihr "in
Tötungsabsicht" mehrere wuchtige Messerstiche ins Gesicht, von
denen einer das Nasenbein zertrümmerte, ein anderer den
Oberkiefer durchtrennte und drei Zähne herausbrach. Beim
letzten Stich blieb das Messer so fest im Gesicht stecken,
daß die Angeklagte es nicht mehr herausziehen konnte. J.
lebte zwar noch, war aber so zugerichtet, daß die Angeklagte
sie für tot hielt.
Anschließend lief die Angeklagte nach Hause und berichtete
ihrem Freund, dem Angeklagten, sie habe J. erstochen. Beide kehrten
daraufhin zum Tatort zurück, um die Spuren der Tat zu
beseitigen. Während die Angeklagte draußen blieb,
drang der Angeklagte in das Haus ein und fand dort J. , die mit
blutüberströmtem Kopf regungslos auf dem
Rücken lag. Da sie Geräusche von sich gab, die sich
wie ein Röcheln anhörten, nahm der Angeklagte
zutreffend an, daß sie noch lebe. Er zog ihr das Messer aus
dem Gesicht, wusch sich die Hände und suchte nach einem
Gegenstand, um die - wie er annahm - bereits Sterbende zu
töten. Mit einer beidhändig gehaltenen Wasserflasche
schlug er auf ihren Kopf ein, so daß ihr Stirnbein
zersplitterte. Das röchelähnliche Geräusch
hielt jedoch an - J. war noch nicht tot. Der Angeklagte legte daraufhin
eine Jeansjacke über ihr Gesicht, warf sich mit seinem ganzen
Gewicht auf sie und würgte sie dann. Danach versuchte er,
ihren Körper aus dem Zimmer zu schaffen, gab dies jedoch
alsbald wieder auf. J. starb "entweder infolge der -
möglicherweise den Sterbevorgang verkürzen-
den - Schläge mit der Wasserflasche oder aber nach diesen"
(Schlägen) "infolge der Messerstiche durch Verbluten".
II.
Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Prüfung
nicht stand. Der Schuldspruch weist Rechtsfehler zum Vorteil der
Angeklagten auf; sie betreffen bei der Angeklagten S. die Annahme eines
nur versuchten Tötungsverbrechens und die Vorsatzform,
außerdem bei beiden Angeklagten die Verneinung von
Mordmerkmalen.
1. Was die Verurteilung der Angeklagten S. angeht, so ergibt die
rechtliche Prüfung:
a) Zu Unrecht hat die Jugendkammer die Angeklagte nur eines versuchten
statt eines vollendeten Tötungsverbrechens schuldig
gesprochen. Zur Begründung hat sie ausgeführt:
Zwar sei jeder der "Tatbeiträge" der Angeklagten für
sich genommen geeignet gewesen, den Tod des Opfers
herbeizuführen - doch habe sich nicht feststellen lassen, "ob
der Tod durch Verbluten allein durch die von der Angeklagten S.
gesetzten Messerstiche eingetreten ist oder aber die Schläge
mit der Wasserflasche den von ihr in Gang gesetzten Kausalverlauf
unterbrochen haben". Daher sei nach dem Zweifelssatz zugunsten jedes
Angeklagten zu unterstellen, daß sein Tatbeitrag nicht den
Tod herbeigeführt habe (UA S. 133).
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Jugendkammer hat damit den
strafrechtlich maßgebenden Ursachenbegriff verkannt.
Ursächlich ist jede Bedingung, die den Erfolg
herbeigeführt hat; dabei ist gleichgültig, ob neben
der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder
Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs
beigetragen haben. Anders verhält es sich allerdings, wenn ein
späteres Ereignis ihre Wirkung beseitigt und unter
Eröffnung einer neuen Kausalreihe den Erfolg allein
herbeiführt. Dagegen schließt es die
Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus,
daß ein weiteres Verhalten, sei es des Täters, sei
es des Opfers, sei es auch Dritter, an der Herbeiführung des
Erfolgs mitgewirkt hat (st. Rspr. und h.M. im Schrifttum,
zusammenfassende Darstellung mit zahlreichen Nachweisen in BGHSt 39,
195, 197 f). Ursächlich bleibt das Täterhandeln
selbst dann, wenn ein später handelnder Dritter durch ein auf
denselben Erfolg gerichtetes Tun vorsätzlich zu dessen
Herbeiführung beiträgt, sofern er nur dabei an das
Handeln des Täters anknüpft, dieses also die
Bedingung seines eigenen Eingreifens ist. Auch dies entspricht
gefestigter Auffassung in Rechtsprechung (vgl. die Nachweise in BGH
aaO) und Schrifttum (Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. vor
§ 13 Rdn. 11; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. vor
§ 13 Rdn. 18 a; Lenckner in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. Vorbem.
§§ 13 ff Rdn. 77; Rudolphi in SK-StGB vor §
1 Rdn. 49; Jeschek in LK 11. Aufl. vor § 13 Rdn. 58;
Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT 10. Aufl. § 14 Rdn. 33 ff,
36; Maurach/Zipf, Strafrecht AT Teilband 1, 7. Aufl. § 18 IV
Rdn. 61 ff). Demgemäß ist wegen vollendeten
Tötungsverbrechens auch zu bestrafen, wer jemanden mit
Tötungsvorsatz niedergeschossen und dadurch einen Dritten dazu
veranlaßt hat, dem Verletzten den "Gnadenschuß" zu
geben (OGHSt 2, 352, 354 f; BGH bei Dallinger MDR 1956, 526;
Jähnke in LK 10. Aufl. § 212 Rdn. 3).
Soweit der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einer
älteren, vereinzelt gebliebenen Entscheidung (BGH NJW 1966,
1823) zu einem Ergebnis gelangt ist, das hiermit in Widerspruch steht
(Hertel NJW 1966, 2418; Kion JuS 1967, 499; Jähnke aaO
Fußn. 3), kann schon zweifelhaft sein, ob in der
Begründung dieses Urteils überhaupt eine abweichende
Rechtsauffassung zum Ausdruck gekommen ist; Ausführungen
desselben Senats in einer jüngeren Entscheidung (BGH NJW 1989,
2479 f) machen jedenfalls deutlich, daß er eine solche
Rechtsauffassung nicht oder zumindest nicht mehr vertritt. Für
eine Anfrage nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG besteht daher kein
Anlaß.
Danach hat die Angeklagte durch die Messerstiche den Tod J. s
verursacht. Daran ändert es nichts, daß der
später zum Tatort gekommene Angeklagte dem Opfer durch
Schläge mit der Wasserflasche weitere Verletzungen
zugefügt hat, die gleichfalls geeignet waren, den Tod
herbeizuführen. Es kommt nicht darauf an, ob die Messerstiche
oder die Schläge mit der Wasserflasche jeweils für
sich genommen den Tod des Opfers bewirkt hätten oder J. erst
infolge des Zusammenwirkens der ihr von beiden Angeklagten
beigebrachten Verletzungen gestorben ist. Die Angeklagte hat mit den
von ihr geführten Messerstichen jedenfalls eine Bedingung
für den Tod des Opfers gesetzt; denn ohne diese, ihr von der
Angeklagten beigebrachten Verletzungen wäre es nicht dazu
gekommen, daß der Angeklagte eingriff und - an das Handeln
seiner Freundin anknüpfend - J. mit der Wasserflasche auf den
Kopf schlug, um das von der Angeklagten begonnene Tötungswerk
zu vollenden. Für die Annahme, der Angeklagte habe mit seinen
Schlägen die todesursächliche Wirkung der von seiner
Freundin gesetzten Messerstiche beseitigt und stattdessen einen neuen,
davon unabhängig zum Tod führenden Kausalverlauf in
Gang gesetzt, ist hiernach kein Raum.
Die strafrechtliche Haftung der Angeklagten im Sinne eines vollendeten
Tötungsverbrechens entfällt auch nicht unter dem
Gesichtspunkt einer Abweichung des tatsächlichen
Kausalverlaufs vom vorgestellten. Eine solche Abweichung ist zwar zu
bejahen, soweit zugunsten der Angeklagten unterstellt werden
muß, daß die dem Tatopfer vom Angeklagten W.
zugefügten Verletzungen den Eintritt des Todes beschleunigt
haben. Abweichungen vom vorgestellten Kausalverlauf sind jedoch
rechtlich bedeutungslos, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach
allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere
Bewertung der Tat rechtfertigen (BGHSt 38, 32, 34 mit Nachweisen aus
Rechtsprechung und Schrifttum). So liegt es hier. Der Tod des Opfers
ist nicht etwa Folge einer außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit
liegenden Verkettung unglücklicher Umstände, bei der
eine Haftung der Angeklagten für den Erfolg ausscheiden
würde. Die Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist
vielmehr unwesentlich und rechtfertigt auch keine andere Bewertung der
Tat.
b) Rechtsfehlerhaft ist es ferner, daß die Kammer bei der
rechtlichen Bewertung des Handelns der Angeklagten nur bedingten
Tötungsvorsatz angenommen hat; in den Urteilsgründen
heißt es dazu, ihr Vorsatz sei "bei Beginn der Stiche in den
Kopf zumindest in der Form des dolus eventualis - eines
bewußten Inkaufnehmens des Todes - vorhanden" gewesen (UA S.
132). Dies steht in Widerspruch zu der Feststellung, daß die
Angeklagte bei den letzten, in das Gesicht geführten Stichen
"in Tötungsabsicht", also mit direktem Vorsatz, gehandelt hat
(UA S. 32).
c) Darüber hinaus hält auch die Verneinung des
Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe rechtlicher
Prüfung nicht stand.
Die Jugendkammer hat hierzu ausgeführt, es habe zwar nahe
gelegen, "aus der brutalen Vorgehensweise" der Angeklagten "beim Setzen
der Messerstiche ins Gesicht - in ihren Augen eine besondere
Demütigung - auf niedrige Beweggründe zu
schließen"; hierfür spreche auch "die in der
Bezeichnung der Getöteten als Fotze zum Ausdruck kommende
Verachtung". Niedrige Beweggründe seien jedoch "bei
Würdigung der Gesamtumstände, wie schon in der
Beweiswürdigung ausgeführt", nicht sicher
feststellbar (UA S. 132).
Diese Ausführungen reichen nicht aus, um erkennbar zu machen,
ob die tatrichterliche Beurteilung insoweit frei von Rechtsfehlern ist.
Das gilt schon deshalb, weil die Kammer keine Feststellungen zum
Tötungsmotiv der Angeklagten getroffen hat. Die
Sachverhaltsschilderung der Urteilsgründe enthält
hierzu nichts. Mitgeteilt wird darin zwar, aus welchem Grund sich die
Angeklagte entschloß, J. am Tatabend aufzusuchen (UA S. 30:
"... mit ihr einmal unter vier Augen über die
´verpetzte Schwangerschaft´ und die
Verdächtigung wegen der 20,00 DM zu sprechen", weitergehend
zuvor UA S. 27: "... J. einmal bei sich bietender Gelegenheit ... eine
gründliche Abreibung ... zu geben"). Welche Tatantriebe die
Angeklagte aber dazu bestimmt haben, den Entschluß zur
Tötung zu fassen, ist nicht festgestellt.
Die Kammer beruft sich allerdings auf eine "Würdigung der
Gesamtumstände", die sie "schon in der
Beweiswürdigung" vorgenommen haben will. Doch geht diese
Verweisung ins Leere. Denn im beweiswürdigenden Abschnitt der
Urteilsgründe finden sich zwar einzelne Zusatzfeststellungen,
denen Bedeutung für den Schluß auf das
Tötungsmotiv zukommen kann (UA S. 118: "eine Art
Bestrafungsaktion"; UA S. 124: "Bestrafungsaktion"; UA S. 120:
"Vergeltungsaktion"; "Verärgerung und Abneinung"; UA S. 119:
"Verdruß", "Ärger", "Haßgefühle")
- diese werden aber weder dort noch an anderer Stelle unter dem
Gesichtspunkt des Tötungsmotivs gewürdigt.
Daß die Kammer im Rahmen der rechtlichen Wertung die
Brutalität der Tötungshandlung und die im Gebrauch
eines Schimpfworts zum Ausdruck gebrachte Verachtung des Opfers als
mögliche Anhaltspunkte für das Vorliegen niedriger
Beweggründe erwogen hat, belegt nicht, daß sie die
gebotene Gesamtwürdigung angestellt hätte. Diese
muß Vorgeschichte, Anlaß und Umstände der
Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine
Persönlichkeit einschließen (BGHSt 35, 116, 127;
BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 11, 39),
sich mithin auf alle äußeren und inneren
für die Handlungsantriebe des Täters
maßgeblichen Faktoren erstrecken (BGHR StGB § 211
Abs. 2 Niedrige Beweggründe 23, 24, 31). In die
Würdigung wäre hier vor allem die Entwicklung des
Verhältnisses zwischen der Angeklagten und dem
späteren Tatopfer einzubeziehen gewesen, ihre sich daraus
entwickelnde innere Einstellung zu J. , für die der
beweiswürdigende Teil der Urteilsgründe zahlreiche
Anhaltspunkte bietet, nicht zuletzt auch die
Äußerung der Angeklagten gegenüber einer
Zeugin, "die", nämlich J. , "werde sie mal umbringen" (UA S.
120). Der Erörterung hätte insbesondere bedurft, ob
und gegebenenfalls inwieweit die feindseligen Gefühle und
Empfindungen, welche die Angeklagte gegenüber J. hegte, als
Beweggründe der Tötung wirksam geworden und vor dem
Hintergrund der sie auslösenden Anlässe zu werten
sind.
Eine solche Gesamtwürdigung fehlt. Sie war hier auch nicht
etwa deshalb entbehrlich, weil die Angeklagte den
Tötungsentschluß nach den Feststellungen erst im
Laufe der heftigen körperlichen Auseinandersetzung, also
spontan gefaßt hat; denn dies braucht der Bejahung niedriger
Beweggründe nicht entgegenzustehen (BGHR StGB § 211
Abs. 2 niedrige Beweggründe 11; BGH, Urt. v. 19. Juli 2000 - 2
StR 96/00; zu den dann gesteigerten Prüfungsanforderungen vgl.
BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 16 und
31; BGH, Urt. v. 11. Januar 2000 - 1 StR 505/99).
2. Die Verurteilung des Angeklagten W. weist ebenfalls Rechtsfehler auf.
a) Die Annahme eines nur versuchten Tötungsverbrechens ist bei
ihm allerdings rechtlich nicht zu beanstanden. Auf die Beurteilung
seiner Tat hat sich der Rechtsfehler, der die Bewertung der
Ursächlichkeit des Handelns der Angeklagten S. betrifft, nicht
ausgewirkt. Gleiches gilt für die von der Kammer offenbar
vorausgesetzte, aber unrichtige Annahme, der Tod des Opfers
könne - alternativ - nur entweder dem einen oder dem anderen
Angeklagten als von ihm verursachter Handlungserfolg zurechenbar sein
(UA S. 36, 129, 133). Denn die Kammer hat jedenfalls nicht verkannt,
daß der Angeklagte den Tod J. s verursacht und mithin ein
vollendetes Tötungsverbrechen begangen hätte, wenn
durch sein Handeln der Eintritt des - womöglich ohnehin schon
nahenden - Todes nur noch beschleunigt worden wäre (BGHSt 7,
287 f; 21, 59, 61; BGH NStZ 1981, 218 f; 1985, 26 f; BGH StV 1986, 59,
200; BGH StGB vor § 1/Kausalität, Angriffe, mehrere
1; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl.
§ 212 Rdn. 3). Den Urteilsausführungen ist zu
entnehmen, daß sie eine den Todeseintritt beschleunigende
Wirkung der vom Angeklagten gegen den Kopf J. s geführten
Schläge nicht festzustellen vermochte. Dies kommt in der
Tatschilderung des Urteils dadurch zum Ausdruck, daß dort
diesen Schlägen nur eine den Sterbevorgang
"möglicherweise" verkürzende Wirkung zuerkannt wird
(UA S. 36), und gründet sich auf die Ausführungen des
rechtsmedizinischen Sachverstänigen, der - wie das Urteil
ebenfalls mitteilt - erklärt hatte, durch die Schläge
"könne" auch eine deutlich verkürzte Lebenserwartung
bewirkt worden sein (UA S. 128 unten). Wenn die Kammer sich hiernach
außerstande gesehen hat, eine Beschleunigung des
Todeseintritts als Folge der mit der Wasserflasche geführten
Schläge festzustellen, so liegt darin auch kein
selbständiger, der Beweiswürdigung anhaftender
Rechtsfehler. Weder widerspricht das Ergebnis - wie die Revision meint
- Erfahrungssätzen, noch weisen die
Urteilsausführungen zu diesem Punkt - wie sie ebenfalls
rügt - Lücken auf. Die Bezugnahme auf das
vorbereitende schriftliche Gutachten des rechtsmedizinischen
Sachverständigen ist im Rahmen der allein erhobenen
Sachrüge unzulässig, ganz abgesehen davon,
daß der zitierte Abschnitt des Gutachtens für die
Deutung, der Sachverständige habe eine Beschleunigung des
Todeseintritts als Folge der Schläge für gesichert
erachtet, nichts hergibt.
Konnte die Kammer aber nicht ausschließen, daß J.
auch ohne das Eingreifen des Angeklagten zur selben Zeit gestorben
wäre, zu der ihr Tod tatsächlich eintrat, dann
mußte sie nach dem Zweifelssatz von dieser
Möglichkeit ausgehen und durfte den Angeklagten - wie
geschehen - nur wegen eines versuchten Tötungsverbrechens
verurteilen.
b) Dagegen ist die Ablehnung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht
rechtsfehlerhaft; das Urteil beruht insoweit auf einem
Beweiswürdigungsmangel.
Die Kammer hat hierzu im Rahmen der rechtlichen Wertung lediglich
ausgeführt, eine Verdeckungsabsicht des Angeklagten habe "bei
verständiger Würdigung des Gesamtgeschehens nicht als
bestimmender Faktor seines Vorgehens festgestellt werden"
können (UA S. 133). Dies entspricht der
Sachverhaltsschilderung des Urteils insofern, als Feststellungen zum
Tötungsmotiv fehlen. Der Beweggrund, von dem der Angeklagte
sich bei seinem Vorgehen leiten ließ, bleibt offen. Soweit
festgestellt ist, daß er, nachdem er J. das Messer aus dem
Kopf gezogen, sich die Hände gewaschen und das Zimmer wieder
betreten hatte, einen Gegenstand suchte, um das vom Opfer
herrührende "Geräusch zu beenden und die in seinen
Augen sterbende J. zu töten" (UA S. 34), belegt dies allein
den Tötungsvorsatz, gibt aber keine Auskunft über das
Tötungsmotiv. Das gilt auch für die inhaltsgleiche,
im beweiswürdigenden Teil des Urteils enthaltene Feststellung,
wonach der Angeklagte lediglich noch versuchte, "dem Ganzen ein Ende zu
setzen" (UA S. 131), und ebenso für deren Grundlage,
nämlich die Erklärung des Angeklagten bei seiner
polizeilichen Vernehmung vom 6. August 1998, er habe J. den Kehlkopf
einzudrücken versucht, "weil er es habe beenden wollen" (UA S.
68).
Weshalb die Kammer gemeint hat, das Tötungsmotiv des
Angeklagten nicht feststellen zu können, ist jedoch nicht
erklärt. Eine Begründung hierfür fehlt. Die
Frage nach dem Beweggrund bleibt unerörtert. Die
Beweiswürdigung ist insofern lückenhaft. Denn es gab
erörterungsbedürftige Umstände, die
dafür sprechen konnten, daß der Angeklagte das von
seiner Freundin begonnene Tötungswerk fortgeführt
hat, um sie vor der Entdeckung ihrer Straftat zu schützen:
Einerseits war er selbst J. nicht feindlich gesonnen und hatte dazu
auch keinen eigenen, in seiner Person liegenden Grund. Andererseits
stand er zu der Angeklagten, mit der er zusammenlebte, in einem engen,
auf Liebe gegründeten Verhältnis, das gegenseitige
Hilfe in schwierigen Situationen erwarten ließ. Als die
Angeklagte ihm nach ihrer Rückkehr vom Hause der Pflegemutter
erzählt hatte, sie habe J. erstochen, überlegte er
demgemäß, "wie er seiner Freundin in dieser
Situation helfen" könne, und ging mit ihr zum Tatort
zurück, "um die Tatspuren zu vernichten" (UA S. 33). Diese in
der Sachverhaltsschilderung enthaltene Feststellung kehrt im
Strafzumessungsteil der Urteilsgründe wieder und ist dort in
die Worte gefaßt, der Angeklagte habe "R. vor Entdeckung
bewahren und für sich als seine Freundin erhalten" wollen (UA
S. 142). Freilich bezieht sich dies auf einen Zeitpunkt, in dem der
Angeklagte glaubte, J. sei bereits tot; doch lag angesichts dieser
seiner Motivation die Folgerung nahe, daß derselbe Beweggrund
ihn dann auch dazu bestimmt hat, die Tötung des schwerverletzt
aufgefundenen Opfers zu vollenden. Diesen Schluß scheint die
Kammer im übrigen selbst gezogen zu haben; denn im
beweiswürdigenden Abschnitt der Urteilsgründe
heißt es, "im zweiten Handlungsteil" habe der Angeklagte
"vorrangig eine Hilfsaktion für seine Freundin"
durchgeführt (UA S. 118). "Hilfsaktion" für die
Angeklagte konnte in diesem Zusammenhang aber nur ein Handeln sein,
durch das sie vor der Entdeckung ihrer Tat geschützt werden
würde - eine andere Deutung kommt nicht in Betracht. Ein
Indiz, das in die nämliche Richtung weist, bot
schließlich auch das Einlassungsverhalten des Angeklagten im
Ermittlungsverfahren, das - wie das Urteil in breiter Darstellung der
polizeilichen Vernehmungen deutlich macht - über weite
Strecken von dem entschiedenen Bemühen geprägt war,
die Alleinschuld am Tode J. auf sich zu nehmen, um die
Überführung und Bestrafung der Angeklagten zu
verhindern.
Mit diesen Umständen, die für die Bejahrung der
Verdeckungsabsicht sprechen konnten, hätte sich die Kammer
auseinandersetzen müssen. Daß dies unterblieben ist,
begründet einen Beweiswürdigungsmangel und damit
einen Rechtsfehler.
III.
1. Das Urteil ist daher mit den Feststellungen aufzuheben.
Aufrechterhalten bleiben jedoch die Feststellungen zum
äußeren Tathergang, soweit sie die Kammer in den
Urteilsgründen von UA S. 30 bis 36 (beginnend mit der
Überschrift "Das engere Tatgeschehen" und endend vor der
Überschift "Geschehen nach der Tat") dokumentiert hat; das
erscheint angebracht, weil nach diesen, rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen in Verbindung mit der rechtlichen Wertung durch den
Senat bereits abschließend geklärt ist,
daß die Angeklagte S. eine vollendete Tötung, der
Angeklagte W. dagegen nur einen Tötungsversuch zu verantworten
hat. Soweit die Staatsanwaltschaft die Verurteilung des Angeklagten W.
wegen vollendeten Tötungsverbrechens erstrebt, hat ihr
Rechtsmittel keinen Erfolg.
2. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat
vorsorglich darauf hin, daß die Annahme erheblich
verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bei keinem
der beiden Angeklagten eine Grundlage in den bisherigen Feststellungen
findet; von den akut wirksamen und latent vorhandenen
Störfaktoren, die nach Meinung des Sachverständigen
und der ihm folgenden Kammer die Schuldfähigkeit der
Angeklagten beeinträchtigt haben sollen (bei der Angeklagten
S. ein "vorübergehender Impulskontrollverlust", bei dem
Angeklagten W. Unreife, geringe
Konfliktverarbeitungsfähigkeit, Streß und Panik),
erfüllt keiner eines der in § 20 StGB bezeichneten
Eingangsmerkmale.
Jähnke Niemöller Detter Rothfuß Hebenstreit |