BGH,
Urt. v. 30.8.2007 - 3 StR 170/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 170/07
vom
30.8.2007
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Bankrotts u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
30.8.2007, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Winkler
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Kiel vom 11. Dezember 2006 mit den Feststellungen
aufgehoben, soweit das Verfahren eingestellt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten des "vorsätzlichen
unerlaubten Erwerbs einer Schusswaffe in Tateinheit mit
vorsätzlichem unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe" schuldig
gesprochen, jedoch von Strafe abgesehen (§ 60 StGB). Vom
Vorwurf der Untreue hat es den Angeklagten freigesprochen. Soweit dem
Angeklagten vorsätzlicher Bankrott (§ 283 Abs. 1 Nr.
7 Buchst. a StGB), vorsätzliche Verletzung der
Buchführungspflicht (§ 283 b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a
StGB) oder unrichtige Darstellung (§ 331 Nr. 1 und 4 HGB) zur
Last lag, hat es das Verfahren eingestellt. Allein gegen die teilweise
Verfahrenseinstellung richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft,
die die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel
hat Erfolg.
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1. Dem Angeklagten war in der Anklageschrift - soweit hier von
Interesse - zur Last gelegt worden, als
Geschäftsführer der H. GmbH (H ) am 30. Juni 1997 den
Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31. März 1997
unterzeichnet zu haben, obwohl ihm bewusst war, dass in dieser Bilanz
unter der "Rubrik A. Anlagevermögen III. Finanzanlagen" eine
stille Beteiligung der H an der i mbH & Co. KG (I ) bzw. der
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i mbh & Co. KG telecommunications (T ) unrichtig mit
99.966.485,49 DM aktiviert worden war und sich die H im Zeitpunkt der
Unterschrift in einer Liquiditätskrise befand, die den
baldigen Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit erwarten
ließ. Die Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen
Urteil beschränken sich zu diesem Anklagevorwurf auf die
Mitteilung, dass am 5. Dezember 1997 Antrag auf Eröffnung des
gerichtlichen Vergleichsverfahrens gestellt worden war, das Amtsgericht
Kiel diesen Antrag mit Beschluss vom 1. März 1998 jedoch
ablehnte und gleichzeitig das Anschlusskonkursverfahren wegen
Zahlungsunfähigkeit der H eröffnete.
Das Landgericht ist der Ansicht, eine Strafbarkeit des Angeklagten nach
§ 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB scheide jedenfalls deswegen
aus, weil es an einem tatsächlichen Zusammenhang zwischen der
dem Angeklagten vorgeworfenen Bankrotthandlung und der
Konkurseröffnung fehle; eine unrichtige Bewertung der stillen
Beteiligung in dem Jahresabschluss zum 31. März 1997
möge zwar geeignet gewesen sein, die Überschuldung
der H zu verschleiern, sie sei jedoch nicht geeignet gewesen,
über deren Liquiditätssituation zu täuschen.
Da es sich bei der stillen Beteiligung nicht um liquides
Vermögen gehandelt habe, sei durch eine Falschbilanzierung die
Liquidität der H nicht besser dargestellt worden, als sie
tatsächlich gewesen sei. Die Eröffnung des
Konkursverfahrens habe daher nicht ansatzweise mit den Gefahren zu tun,
die von der dem Angeklagten vorgeworfenen unrichtigen Bilanzierung
ausgegangen seien. Aus demselben Grunde scheide auch eine Strafbarkeit
gemäß § 283 b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB
aus. Einer Verurteilung wegen unrichtiger Darstellung
gemäß § 331 Nr. 1 und 4 HGB stehe der
Grundsatz der Spezialität entgegen, weil die Libanesische
Republik den Angeklagten nicht zur Verfolgung dieser Straftat
ausgeliefert und hierzu auch nicht nachträglich ihre
Zustimmung erteilt habe. Es bestehe daher insoweit ein
Verfahrenshindernis, das dazu führe, dass das Verfahren zu
diesem Anklagepunkt insgesamt einzustellen sei.
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2. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht. Dabei kann
dahinstehen, ob einer Verurteilung des Angeklagten nach § 331
Nr. 1 und 4 HGB tatsächlich der Grundsatz der
Spezialität entgegenstünde; denn das Landgericht hat
schon eine mögliche Strafbarkeit des Angeklagten
gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB
rechtsfehlerhaft verneint.
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Da das Landgericht zur Sache lediglich die Eröffnung des
Konkursverfahrens über das Vermögen der H und damit
den Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach §
283 Abs. 6 StGB aF feststellt, sich mit den tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB dagegen
nicht befasst, ist für die revisionsrechtliche
Prüfung vom Anklagevorwurf auszugehen, dass die Aktivierung
der stillen Beteiligung der H an der I bzw. der T im Jahresabschluss
per 31. März 1997 mit 99.966.485,49 DM inhaltlich unrichtig
und geeignet war, die Übersicht über den
Vermögensstand der H zu erschweren, sowie im Zeitpunkt der
Unterzeichnung der Bilanz durch den Angeklagten am 30. Juni 1997 die
Zahlungsunfähigkeit der H drohte und dem Angeklagten all dies
bewusst war. Auf dieser Grundlage ist eine Verurteilung des Angeklagten
wegen vorsätzlichen Bankrotts entgegen der Auffassung des
Landgerichts nicht ausgeschlossen.
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Nicht zu beanstanden ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des
Landgerichts, dass eine Strafbarkeit des Angeklagten nach §
283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB nicht in Betracht kommt, wenn seine
Bankrotthandlung in keiner Beziehung zur Eröffnung des
Anschlusskonkursverfahrens über das Vermögen der H
stand (vgl. BGHSt 1, 186, 191 - zu § 240 Abs. 1 Nr. 3 KO aF -;
BGH JZ 1979, 75, 76; NJW 2001, 1874, 1876; zu § 283 b StGB:
BGHSt 28, 231, 233). Jedoch hat das Landgericht die
Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs rechtsfehlerhaft
verneint. Es hat zwar nicht verkannt, dass - wie schon aus §
283 Abs. 2 StGB folgt - eine kausale Herbeiführung des
Konkurses durch die Bankrotthandlung nicht erforderlich war (vgl. BGHSt
1, 186, 191). Es hat jedoch nicht hinreichend bedacht, dass es sich bei
§ 283
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Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a StGB um ein abstraktes
Gefährdungsdelikt handelt, das die Gesamtheit der
Gläubiger vor einer potentiellen Schmälerung ihrer
Befriedigungsmöglichkeiten schützen soll (BGHSt 28,
371, 373; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 283 Rdn. 1;
Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. vor § 283 Rdn. 3). Es
war daher nicht notwendig, dass die Befriedigungsinteressen auch nur
eines Gläubigers durch die Bankrotthandlung einer konkreten
Gefahr ausgesetzt wurden. Vielmehr genügte ein rein
äußerlicher Zusammenhang zwischen der
Falschbilanzierung und der Konkurseröffnung. Hierfür
kann dahinstehen, ob ein solcher immer schon dann besteht, wenn - wie
hier - die Krise, in der die Bankrotthandlung vorgenommen wurde, vor
dem Eintritt der objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach §
283 Abs. 6 StGB nicht mehr überwunden wird; hierfür
könnte § 283 b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StGB sprechen
(Bittmann, Insolvenzstrafrecht § 13 Rdn. 7), auch für
den Anwendungsbereich des § 283 StGB. Denn jedenfalls reichte
es aus, wenn zumindest ein Teil der Gläubiger sowohl von der
Bankrotthandlung als auch von der Konkurseröffnung betroffen
waren (BGHSt 1, 186, 191). Dies wäre etwa dann der Fall
gewesen, wenn Gläubigerforderungen, die schon zur Zeit der
Bankrotthandlung bestanden, bei Konkurseröffnung noch nicht
getilgt gewesen sein sollten (BGHSt 1, 186, 191; BGH bei Herlan GA
1953, 73; 1971, 38; BGH NJW 2001, 1874, 1876) oder Mängel der
Buchführung bis zur Konkurseröffnung noch fortgewirkt
hätten (BGH, Urt. vom 5. Juli 1955 - 5 StR 236/55; Urt. vom 4.
April 1979 - 3 StR 488/78, insoweit in BGHSt 28, 371 nicht abgedruckt;
s. auch RGSt 39, 165, 167 m. w. N.); denn die durch die
Bankrotthandlung begründete abstrakte Gefahr hätte
dann bis zum Eintritt der objektiven Strafbarkeitsbedingung
fortbestanden, wäre durch diese verstärkt und einem
Übergang in eine
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konkrete Gefährdung oder gar in einen Schaden näher
gebracht worden. Dies war nach dem nicht aufgeklärten
Tatvorwurf naheliegend der Fall. Die Sache bedarf daher neuer
Verhandlung.
Winkler Miebach von Lienen Becker Hubert |