BGH,
Urt. v. 30.1.2001 - 1 StR 423/00
BtMG 1981 §§ 29 Abs. 1 Nr. 1; 30a Abs. 1
Zur Abgrenzung zwischen tatbestandsmäßigem
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und straflosen
Vorbereitungshandlungen im Rahmen einer Bandentätigkeit.
BGH, Urteil vom 30. Januar 2001 - 1 StR 423/00 - LG München I
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 423/00
vom
30. Januar 2001
in der Strafsache gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30.
Januar 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Schäfer und die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Wahl, Schluckebier, Dr. Kolz, Schaal,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als
Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt und Rechtsanwalt als
Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
München I vom 14. März 2000 mit den Feststellungen
aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II 1 der Urteilsgründe
verurteilt worden ist,
b) im gesamten Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bandenhandels mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Beihilfe zum
Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in
zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren
und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung eines
sichergestellten Mobiltelefongeräts samt Ladegerät
angeordnet.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des
Angeklagten hat teilweise Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen leitete der türkische
Staatsangehörige B. , mit dem den Angeklagten seit Jahren eine
tiefe Freundschaft verband, einen internationalen
Heroinhändlerring, der in einer Vielzahl von Einzelakten
Heroin insgesamt im dreistelligen Kilogrammbereich in Europa vertrieb.
Spätestens ab Juni 1998 "schloß sich der Angeklagte
der Bande um B. an", wobei er im einzelnen folgende
Aktivitäten entfaltete:
1. (II 1 der Urteilsgründe)
Im Juni 1998 wurde der Angeklagte wegen seiner Kenntnisse und
Möglichkeiten als früherer Autohändler von
B. um die Mitwirkung beim Erwerb eines für
Drogenschmuggelfahrten besonders geeigneten Mitsubishi Pajero gebeten.
Der Angeklagte erklärte sich hierzu bereit, um B. einen
Freundschaftsdienst zu erweisen, zugleich aber auch, um sich bei diesem
Geschäft eine Provision zu verdienen. Mit dem ihm
ausgehändigten Geldbetrag von 45.000 DM erwarb er ein Fahrzeug
des vorgegebenen Typs für 44.000 DM, behielt den
Differenzbetrag von 1.000 DM absprachegemäß als
Provision ein und ließ einen als Drogen- und Geldkurier
tätigen Mitarbeiter des B. als Fahrzeughalter eintragen.
Anschließend fuhr der Angeklagte den Mitsubishi Pajero zu B.
in die Türkei und kehrte nach Deutschland zurück,
während in der Türkei ein Drogenschmuggelversteck in
das Fahrzeug eingebaut wurde. Am 21. Juli 1998 holte der Angeklagte das
umgebaute Fahrzeug in der Türkei ab, um es nach
München zu überführen, wo es von einem
Mitarbeiter B. s für Schmuggelfahrten übernommen
werden sollte. Während dieser Fahrt erreichte den Angeklagten
in Innsbruck die telefonische Order des
B. , das Fahrzeug nicht nach Deutschland zu verbringen, sondern es in
Innsbruck stehenzulassen, nachdem die Organisation des B. durch
polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen in Schwierigkeiten geraten
war. Am 28. Juli 1998 meldete der Angeklagte das Fahrzeug in Absprache
mit B. auf sich um, um es - nach Beseitigung des Schmuggelverstecks -
zunächst für seinen eigenen Garnhandel zu nutzen. Im
Dezember 1998 verkaufte er das Fahrzeug und führte den
Verkaufserlös an B. ab.
2. (II 2, 3 der Urteilsgründe)
Angesichts der inzwischen gegen die Drogenhandelsorganisation
B. s eingeleiteten polizeilichen Maßnahmen bat dieser den
Angeklagten am 25. Juli 1998, sich von einem Kurier B. s, der sich
versteckt halten mußte, Drogengeld in Höhe von
mindestens 80.000 holländischen Gulden übergeben zu
lassen und an den Fahrer eines Münchener Busunternehmens
weiterzugeben, der es zu B. in die Türkei bringen sollte. Dem
kam der Angeklagte bis zum 28. Juli 1998 nach. Gleichermaßen
nahm er am 1. Oktober 1998 in München im Auftrag des B. von
einem Drogengeldkurier einen Betrag von 27.985 US-Dollar und 17.400
holländische Gulden entgegen und transferierte das Geld auf
nicht näher ermittelte Weise an B. in die Türkei. In
beiden Fällen erstrebte der Angeklagte für sich keine
finanziellen Vorteile.
II.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen mittäterschaftlichen
Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
durch Ankauf und Überführung des für
Schmuggelfahrten vorgesehenen Tatfahrzeugs (Fall II 1) hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung
des Generalbundesanwalts wäre auch eine Verurteilung wegen
Beihilfe hierzu von den Feststellungen nicht getragen.
a) Die Revision beanstandet allerdings ohne Erfolg, das Landgericht
habe bei der Beweiswürdigung gewichtige für den
Angeklagten sprechende Gesichtspunkte nicht berücksichtigt und
sei deshalb zu Unrecht davon ausgegangen, der Angeklagte habe bereits
im Juni 1998 beim Ankauf des Mitsubishi Pajero von den
Betäubungsmittelgeschäften B. s gewußt.
Ein sachlich-rechtlicher Mangel kann zwar vorliegen, wenn sich das
Urteil im Rahmen der Beweiswürdigung nicht mit allen
festgestellten Umständen auseinandersetzt, die den Angeklagten
be- oder entlasten (BGHSt 14, 162, 164 f; BGHR StPO § 261
Beweiswürdigung 2). Einen solchen Fehler deckt die Revision
aber nicht auf. Ihr Vorbringen geht im Ergebnis nur dahin,
daß das Landgericht andere als von ihr für
zutreffend erachtete Schlußfolgerungen gezogen hat. Die vom
Landgericht angeführten Indizien begründen - wie vom
Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift an den Senat im einzelnen
zutreffend dargelegt - eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür,
daß der Angeklagte bereits im Juni 1998 Kenntnis von den
Drogengeschäften gehabt und den Zweck des Autoerwerbs und
-transports gekannt hat. Auf dieser Grundlage ist die tatrichterliche
Überzeugung rechtsfehlerfrei begründet.
b) Zu Unrecht wertet das Landgericht jedoch das festgestellte Geschehen
als mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten am
Bandenhandel mit Betäubungsmitteln.
Voraussetzung für die Annahme von Mittäterschaft ist
allerdings nicht, daß sich jeder Täter an der
eigentlichen Tatbestandsverwirklichung beteiligt. Mittäter
kann auch sein, wer - mit Täterwillen - lediglich einen die
Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet, der sich
auch auf Vorbereitungshandlungen beschränken kann. Die
Feststellungen ergeben indessen kein tatbestandliches Handeltreiben
anderer, in das der Angeklagte als Mittäter hätte
eingebunden sein können.
Zwar erfaßt der Begriff des Handeltreibens wegen seiner
weiten Auslegung jedes eigennützige Bemühen, das
darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu
ermöglichen oder zu fördern (st. Rspr., vgl. BGHSt
34, 124, 125; BGH StV 1997, 589). Auch verbindet das Handeltreiben alle
im Rahmen eines Güterumsatzes aufeinanderfolgenden Teilakte
vom Erwerb bis zur Veräußerung zu einer Tat im Sinne
einer Bewertungseinheit (BGHSt 30, 28, 29 f). Erforderlich ist aber
stets, daß Tätigkeiten erfolgen, die auf die
Ermöglichung oder Förderung eines bestimmten
Umsatzgeschäfts mit Betäubungsmitteln zumindest in
dem Sinne zielen, daß ein konkretes Geschäft
"angebahnt" ist oder "läuft" (BGHR BtMG § 29 Abs. 1
Nr. 1 Handeltreiben 22, 37, 43; vgl. auch BGH NStZ 1996, 507, wo der
Senat bereits bei noch weiter gediehenen Maßnahmen als im
vorliegenden Fall - Fahrt nach Amsterdam, um an Rauschgift
heranzukommen - das Versuchsstadium des Handeltreibens noch nicht als
erreicht ansah). Auch eine Handlung im Interesse einer Bande ohne
konkreten Bezug zu einer Straftat genügt - anders als bei dem
Organisationsdelikt des § 129 StGB - nicht, eine Straftat des
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu begründen.
Das Landgericht hat nicht feststellen können, daß
der Mitsubishi Pajero im Rahmen eines angebahnten oder laufenden
Betäubungsmittelgeschäfts angekauft und in die
Türkei sowie von dort nach Österreich
überführt wurde. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte
für die Einbindung dieses Kraftfahrzeugs in einen konkreten
Vorgang des Transports von Betäubungsmitteln oder von
Verkaufserlösen. Der bloße Umstand, daß
die Tätergruppe um B. bisher Heroin und Drogengeld mit
Kraftfahrzeugen geschmuggelt hat und zu erwarten steht, daß
sie dies auch mit dem neu angeschafften Kraftfahrzeug tun wird, reicht
zur Verwirklichung des Tatbestandes des unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln nicht aus. Daran ändert nichts,
daß sich diese Tätergruppe als Bande mit dem
ernsthaften Willen betätigt, fortlaufend weitere Straftaten
des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu begehen; denn es
handelt sich auch insoweit noch um im einzelnen ungewisse Straftaten.
Auch wenn, was sich aus dem Einbau des Schmuggelverstecks in der
Türkei ergibt, das Fahrzeug zum Einsatz beim unerlaubten
Heroinhandel eindeutig bestimmt war, ist damit noch keine konkrete Tat
des Handeltreibens festgestellt. Die Aktivitäten aller an dem
Erwerb und der Herrichtung des Fahrzeugs Beteiligten liegen insoweit
allein auf der Ebene der Vorbereitungshandlungen.
c) Aus diesen Gründen wird von den Feststellungen - mangels
konkreter Haupttat - auch eine Bestrafung des Angeklagten als Gehilfe
nicht getragen. Der Versuch der Beihilfe ist nicht strafbar (BGH NStZ
1983, 462).
d) Nach den bisherigen Feststellungen hat sich der Angeklagte durch
seine auf der Vorbereitungsebene liegenden Aktivitäten auch
nicht im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB zur Begehung eines
Verbrechens bereiterklärt. Nach den mit dem Bandenchef B.
getroffenen Absprachen sollten die Tätigkeiten, zu denen sich
der Angeklagte bereiterklärte, nicht über die
Beschaffung und
Überführung des Mitsubishi Pajero nach
München hinausgehen. Der Senat teilt die Auffassung der
Revision und des Generalbundesanwalts, daß diese
Tätigkeiten lediglich als Beihilfe zum unerlaubten
Betäubungsmittelhandel zu werten wären, da es sich in
bezug auf die Rauschgiftgeschäfte der Bande um einen deutlich
untergeordneten Beitrag handeln würde, zumal die Provision des
Angeklagten nicht auf Erlöse aus dem Drogenhandel, sondern
allein auf die Autovermittlung bezogen war. Die Zusage eines
Tatbeitrags, der rechtlich als Beihilfe zu einem Verbrechen zu werten
ist, ist jedoch nicht nach § 30 Abs. 2 StGB strafbar (BGH NStZ
1982, 244 und 1993, 138).
e) Die Sache bedarf somit im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und
Entscheidung. Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls auch zu
prüfen haben, ob sich der Angeklagte durch die Entgegennahme
und Verwendung des Geldbetrages von 45.000 DM - der nach den bisherigen
Feststellungen aus Drogengeldern stammte - wegen Geldwäsche
nach § 261 StGB strafbar gemacht hat.
f) Der aufgezeigte Mangel führt im Ergebnis nicht nur zur
Aufhebung der Strafe hinsichtlich der Tat zu II 1 der
Urteilsgründe, sondern auch zur Aufhebung der für die
beiden Beihilfetaten verhängten Strafen.
Bei Tatmehrheit kann nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs die Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs zur
Aufhebung weiterer, für sich genommen rechtsfehlerfreier
Strafaussprüche führen, wenn nicht
auszuschließen ist, daß diese durch den
Rechtsfehler im Ergebnis beeinflußt sind (vgl. die Nachw. bei
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 353 Rdn.
10). Dies kann insbesondere dann zu bejahen sein, wenn es sich bei der
rechtsfehlerhaft festgesetzten Einzelstrafe um die höchste
Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) handelt oder wenn die abgeurteilten
Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen. Da hier beides
unzweifelhaft der Fall ist, hat der Senat den Strafausspruch insgesamt
aufgehoben.
2. Darüber hinausgehend hat die Nachprüfung des
landgerichtlichen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Schäfer Wahl Schluckebier Kolz Schaal |