BGH,
Urt. v. 30.5.2000 - 4 StR 54/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 54/00
vom
30. Mai 2000
in der Strafsache gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. Mai
2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Meyer-Goßner, die Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf, Dr. Kuckein, die Richterin am
Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann als beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 20. September 1999 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei
Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
angeordnet und bestimmt, daß diese erst zu vollziehen ist,
wenn der Angeklagte ein Jahr Freiheitsstrafe verbüßt
hat.
Die Revision des Angeklagten, mit der er - allgemein - die Verletzung
materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.
Der Erörterung bedarf lediglich die vom Generalbundesanwalt
aufgeworfene Frage, ob die Maßregel nach § 64 StGB
rechtsfehlerfrei angeordnet worden ist:
1. Nach den Urteilsfeststellungen begann der jetzt 25jährige
Angeklagte im Alter von 14 oder 15 Jahren damit, Alkohol zu trinken. Er
hatte "keine Lust, jeden Tag arbeiten zu müssen"; Ausbildungen
brach er u.a. deswegen ab, weil er "lieber mit Freunden Alkohol trinken
und feiern gehen wollte". Das Leben machte ihm "mehr Spaß,
wenn er betrunken war". Die hier abgeurteilte Tat (Überfall
auf die Angestellten einer Imbißstube in alkoholisiertem
Zustand [BAK: ca. 2 %] unter Einsatz eines Messers) beging er
während der laufenden Bewährungszeit für
eine Verurteilung wegen fahrlässigen Vollrausches.
2. Die sachverständig beratene Strafkammer hielt die
Unterbringung des an einer Persönlichkeitsstörung
leidenden, therapiewilligen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
für erforderlich, weil der Angeklagte den Hang habe,
alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu
nehmen, die der Aburteilung zugrundeliegende Straftat auf diesen Hang
zurückgehe und die Gefahr bestehe, daß der
Angeklagte infolge seines Hanges weitere erhebliche Straftaten begehen
werde. Es bestehe auch eine hinreichend konkrete Aussicht darauf,
daß eine Entzugstherapie erfolgreich sein werde. Der
Vorwegvollzug eines Jahres der verhängten Freiheitsstrafe sei
erforderlich, weil dadurch der Zweck der Maßregel erleichtert
werde. Bei dem Angeklagten gehöre nämlich - so der
Sachverständige, dem sich die Strafkammer nach eigener
Überzeugungsbildung angeschlossen hat - zum "Therapieerfolg"
die "direkt anschließende Erprobung und Bewährung in
Freiheit", an die er durch "stufenweise Belastung"
herangeführt werden müsse, indem er aus der
geschlossenen Unterbringung nach und nach über die halboffene
und offene Unterbringung, über "beschütztes und
behütetes Wohnen" an ein Leben ohne Alkohol auch unter den
Bedingungen der Freiheit gewöhnt werde. Unter Zugrundelegung
der vom Sachverständigen angegebenen voraussichtlichen Dauer
des Maßregelvollzuges von insgesamt einem Jahr bestehe nach
dem Vorwegvollzug eines Jahres Freiheitsstrafe die
Möglichkeit, die Vollstreckung des Strafrestes
gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur
Bewährung auszusetzen. Müßte der Angeklagte
nach dem Vollzug der Unterbringung noch Freiheitsstrafe
verbüßen, so würde der Erfolg der Therapie
- nach dem Gutachten des Sachverständigen, dem das Landgericht
auch insoweit gefolgt ist - "zunichte gemacht" werden.
3. Im Gegensatz zum Generalbundesanwalt sieht der Senat keinen
durchgreifenden Rechtsfehler, der zur Aufhebung der so
begründeten Unterbringungsanordnung führen
müßte. Das Landgericht hat in hinreichender Weise
dargelegt, daß beim Angeklagten die Voraussetzungen
für die Anordnung einer Maßregel nach § 64
StGB vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2000 - 2 StR
598/99). Angesichts der - auch zu den Besonderheiten in der
Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. UA 10) - getroffenen
Feststellungen, war eine eingehendere Erörterung des von der
Strafkammer gefundenen Ergebnisses hier nicht geboten, zumal alle
Verfahrensbeteiligten mit dem Sachverständigen die Anordnung
der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erforderlich
hielten. Auch die Notwendigkeit des Abweichens von der
Vollzugsreihenfolge (§ 67 Abs. 2 StGB) ist unter den gegebenen
Umständen ausreichend begründet (vgl. hierzu BGHR
StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 3, 8, 15).
Meyer-Goßner Tolksdorf Kuckein
Solin-Stojanovic Ernemann |