BGH,
Urt. v. 30.10.2003 - 5 StR 274/03
5 StR 274/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
30.10.2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels u.a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
30.10.2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H
als Verteidiger des Angeklagten L ,
Rechtsanwältin Ho
als Verteidigerin des Angeklagten S ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revisionen der Angeklagten L und S sowie
die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil
des Landgerichts Mannheim vom 6. Februar 2003 werden
verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten fallen diesen,
die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft
fallen der Staatskasse zur Last; außergerichtliche Auslagen
werden nicht erstattet.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten L und S wegen gewerbs-
und bandenmäßigen Schmuggels sowie wegen versuchter
Steuerhinterziehung
verurteilt. Den Angeklagten L hat es mit einer Gesamtfreiheitsstrafe
in Höhe von drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten
S mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren belegt. Gegen dieses
Urteil wenden sich beide Angeklagte mit ihren unbeschränkt
geführten
Revisionen; die Staatsanwaltschaft greift mit ihren - vom
Generalbundesanwalt
nicht vertretenen - Revisionen nur den Rechtsfolgenausspruch
hinsichtlich
der Angeklagten L und S an. Sämtliche Rechtsmittel bleiben
ohne Erfolg.
- 4 -
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts verbanden sich die beiden
Angeklagten L und S etwa ab Frühjahr 2001 mit unbekannt
gebliebenen
Hintermännern, um über eine hierfür
gegründete Spedition Zigaretten
von Litauen nach Großbritannien zu schmuggeln.
Während der Angeklagte
L maßgeblich den gegründeten Speditionsbetrieb
leiten sollte, oblag
es nach der internen Aufgabenverteilung dem Angeklagten S , den
Kontakt zu den Hintermännern zu halten, aber auch den
Mitangeklagten L
zu überwachen.
Am 5. und 8. September 2001 übernahmen die Angeklagten im Raum
Appenweier Ladungen von ca. 10 Paletten Rigipsplatten. Die Rigipsplatten
waren innen ausgeschnitten, so daß darin etwa 2,8 Millionen
Zigaretten versteckt
werden konnten. Die Zigaretten wurden - ohne
ordnungsgemäß angemeldet
worden zu sein - über Ungarn in das Zollgebiet der EU
verbracht.
Dadurch wurden Einfuhrabgaben in Höhe von etwa 250.000
Die Paletten wurden dann in eine nahe gelegene Lagerhalle transportiert
und umgepackt. Die Angeklagten verbrachten die - jetzt als
Papierhandtücher
getarnten - Zigaretten mit einem Lastzug der Spedition auf den
Weg nach Großbritannien. In Metz wurde der Lkw einer
zollamtlichen Kontrolle
unterzogen. Die Zigaretten wurden dabei sichergestellt. Diese Tat hat
das Landgericht als gewerbs- und bandenmäßigen
Schmuggel gemäß
§§ 369, 373 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 AO gewertet.
Am 18. September 2001 sollte der nichtrevidierende Mitangeklagte
Sa auf dem Gelände der Firma R in München 160 mit
Geigenharz
gefüllte Fässer im Auftrag der Angeklagten abholen.
In den Fässern, die
über den Freihafen Triest in das Zollgebiet der EU gelangten,
sollten sich
nicht angemeldete Zigaretten befinden. Die Zigaretten, auf die
Einfuhrabgaben
in Höhe von etwa 250.000
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nischen Zoll aufgefunden und sichergestellt werden. In dem Verhalten der
Angeklagten hat das Landgericht eine gemeinschaftlich versuchte
Steuerhinterziehung
gesehen.
II.
Die Revisionen der Angeklagten L und S sind ebenso unbegründet
wie die Revisionen der Staatsanwaltschaft.
1. Die Revisionen der Angeklagten, die sowohl verfahrens- als auch
sachlich-rechtliche Beanstandungen enthalten, zeigen keinen Rechtsfehler
auf.
a) Die Verfahrensrügen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg.
aa) Die Aufklärungsrügen der Angeklagten L und S ,
mit denen
sie die Nichteinvernahme des „Professors“ ( Si )
beanstanden,
sind jeweils nicht ausreichend ausgeführt im Sinne des
§ 344
Abs. 2 Satz 2 StPO, weil weder mitgeteilt wird, welche
Umstände zu einer
Vernehmung dieses Zeugen gedrängt hätten, noch welche
konkreten Tatsachen
der Zeuge bekundet hätte.
bb) Die Rüge des Angeklagten L , das Landgericht habe den
Beweisantrag
auf Vernehmung des Si entgegen § 244
Abs. 3 StPO abgelehnt, ist unbegründet. Das Landgericht ist
insoweit
rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß es sich um einen
bloßen Beweisermittlungsantrag
gehandelt habe. Der Antrag enthält lediglich Wertungen,
die in das Wissen des Zeugen gestellt werden (Fremdsteuerung, keine
Tatherrschaft
und auch keinen Willen hierzu). Da dem Antrag sich allenfalls ein
Beweisziel, jedoch keine konkreten Beweistatsachen entnehmen
läßt, liegt
kein Beweisantrag vor, der gemäß § 244 Abs.
3 StPO zu bescheiden gewesen
wäre (vgl. BGHSt 39, 251, 253 ff.).
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cc) Eine Verletzung des § 261 StPO, die der Angeklagte L
rügt, ist
nicht ersichtlich. Das Landgericht hat der nach § 251 Abs. 2
StPO verlesenen
Aussage des Zeugen G keinen anderen Erklärungsinhalt
beigemessen als sich aus der Vernehmungsniederschrift ergibt. Die
Revision
will lediglich im Hinblick auf die zollrechtliche Gestellungspflicht
(Art. 40 ZK)
aus der Aussage andere rechtliche Schlußfolgerungen
herleiten. Dies kann
aber keine Verletzung des § 261 StPO begründen.
dd) Gleichfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge des Angeklagten L
, seine
Verteidigung sei im Sinne des § 338 Nr. 8 StPO
unzulässig beschränkt worden,
weil sein Akteneinsichtsrecht (§ 147 StPO) dadurch faktisch
vereitelt
worden sei, daß das umfangreiche Aktenmaterial ihm nicht zur
Mitnahme in
sein Büro überlassen bzw. an seine Kanzlei
übersandt worden sei. Eine entsprechende
Beanstandung, die mit einem Aussetzungsantrag verbunden
war, hat das Landgericht durch Gerichtsbeschluß
zurückgewiesen.
Die Rüge ist zwar grundsätzlich zulässig,
weil ein entsprechender Antrag
in der Hauptverhandlung gestellt wurde (vgl. BGH NStZ 2000, 46;
NStZ 1985, 87; Laufhütte in KK 5. Aufl. § 147 Rdn.
30). Sie ist indes nicht
ordnungsgemäß ausgeführt im Sinne des
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Es hätte
nämlich der Darlegung bedurft, welche Aktenbestandteile der
Verteidiger
vorab bereits durch die Staatsanwaltschaft erhalten hatte. Dies war
schon
deshalb erforderlich, weil das Landgericht in seinem die Aussetzung
ablehnenden
Beschluß auf die in Kopie überlassenen
Aktenbestandteile hingewiesen
hatte.
b) Die sachlich-rechtlichen Beanstandungen der Angeklagten zeigen
gleichfalls keinen Rechtsfehler auf.
aa) Das Landgericht hat hinsichtlich der Tat vom 18. September 2001
die Angeklagten zutreffend wegen versuchter Steuerhinterziehung
verurteilt.
Die versuchte Hinterziehung ergibt sich hier schon daraus,
daß die Ange-
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klagten nach ihrem Vorstellungsbild geschmuggelte Zigaretten in Empfang
nehmen wollten. Eine solche Gestellungspflicht hätte nach Art.
40 ZK aber
mit der Einfuhr der Zigaretten nach Italien ebenso wie mit der
Übernahme
der Zigaretten in München bestanden. Ob später die
Harzfässer (ohne die
mittlerweile sichergestellten Zigaretten) zollrechtlich
ordnungsgemäß abgefertigt
wurden, ist ohne Belang.
Diese Tat ist - auch wenn das Landgericht hier eine Hinterziehung
italienischer
Einfuhrabgaben zugrundegelegt hat - in Deutschland nach
§ 370 Abs. 6 und 7 AO strafbar. Unabhängig von
§ 370 Abs. 6 AO wären
auch in Deutschland die Einfuhrabgaben sowie die Tabaksteuer entstanden.
Ungeachtet dessen ist seit der Änderung des § 370
Abs. 7 AO durch das
EG-Finanzschutzgesetz vom 10. September 1998 (BGBl. II, S. 2322)
klargestellt,
daß auch die Hinterziehung von Eingangsabgaben in anderen
EU-Mitgliedstaaten in Deutschland verfolgbar ist (BVerfG wistra 2003,
255).
bb) Das Landgericht hat die Angeklagten L und S rechtsfehlerfrei
als Mittäter angesehen. Ob Mittäterschaft (§
25 Abs. 2 StGB) oder
Beihilfe (§ 27 StGB) vorliegt, hat der Tatrichter aufgrund
einer wertenden
Betrachtung aller Tatumstände zu bestimmen. Dabei bilden der
Grad des
eigenen Interesses, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft
oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft die wesentlichen
Beurteilungskriterien
(BGHSt 36, 363, 367; 34, 124, 126). Hier konnte das Landgericht
aufgrund der Gründung der Spedition, der
maßgeblichen Kontrolle der Ware
am Umschlagplatz Deutschland sowie dem erheblichen finanziellen
Eigeninteresse
der Angeklagten von einer täterschaftlichen Begehung ausgehen.
Der Umstand, daß die Transporte durch russische oder
litauische Hintermänner
vorfinanziert und im wesentlichen gesteuert wurden, steht der Annahme
einer Täterschaft bei den Angeklagten nicht entgegen, weil
ihnen
dennoch ein ausreichendes Maß an Tatherrschaft verblieb und
jeder von ihnen
ein wesentliches Glied in der bandenmäßig
strukturierten Tätergruppe
darstellte.
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Als Mittäter ist ihnen auch jeweils wechselseitig die -
spätestens bei
ihrer Übernahme (Art. 40 ZK) vorzunehmende - unterbliebene
Gestellung
der Zigaretten zuzurechnen (vgl. BGHSt 48, 52, 69 f.). Auch bei den
Transporten
vom 5. und 8. September 2001 hätten die Angeklagten deshalb
spätestens
nach der Übernahme der Zigaretten in Appenweier diese
gemäß
Art. 40 ZK den Zollbehörden gestellen müssen.
cc) Die Strafzumessung, die grundsätzlich Sache des
Tatrichters ist
(BGHSt 34, 345, 349), weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten
auf. Dies gilt im übrigen auch hinsichtlich der Strafe des
Angeklagten
L im Verhältnis zu den gegen seine Mittäter
verhängten Strafen. So durfte
das Landgericht erheblich strafschärfend gewichten,
daß der Angeklagte L
den Mitangeklagten Li zur Tatbegehung veranlaßt und mithin in
die bandenmäßigen
Strukturen verstrickt hatte. Angesichts der erheblichen kriminellen
Energie und des hohen Organisationsgrades der Straftaten ist die
Strafe bei dem Angeklagten L ersichtlich nicht derart hoch,
daß sie sich von
ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein.
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die sich gegen den
Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Angeklagten L und S
richten, sind unbegründet.
a) Die mildernde Erwägung des Landgerichts, die Angeklagten
hätten
Untersuchungshaft verbüßt und seien als
Erstverbüßer besonders haftempfindlich,
läßt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. BGHR StGB
§ 46 Abs. 1
Begründung 18). Soweit die Beschwerdeführerin unter
Hinweis auf einen
früheren Vollzug von Untersuchungshaft bei dem Angeklagten S
die
Richtigkeit der Feststellungen anzweifelt, kann sie nicht
gehört werden, weil
ihr Vorbringen urteilsfremd ist. Der Senat schließt im
Hinblick auf die Höhe
der verhängten Strafen aus, daß den vorgenannten
Gesichtspunkten bei der
Strafzumessung ein zu großes Gewicht eingeräumt
wurde. Dies gilt im übrigen
auch für die eher unterstützende weitere
Erwägung des Landgerichts,
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die Haftempfindlichkeit des Angeklagten S werde noch dadurch
erhöht,
daß er als Ausländer mit Sprachproblemen zu
kämpfen habe.
b) Die von der Beschwerdeführerin weiter beanstandete
Nichtanwendung
des Strafrahmens gemäß § 370 Abs. 3 AO
läßt keinen Rechtsfehler
erkennen. Dabei kann offenbleiben, ob der Steuerschaden ein solcher
großen
Ausmaßes im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO
ist. Das Landgericht
hat jedenfalls unter Hinweis auf die übrigen
Strafzumessungskriterien
(Geständnis, tatsächlich nicht eingetretene
Steuerverkürzung) rechtsfehlerfrei
von einer Anwendung des Strafrahmens nach § 370 Abs. 3 AO
abgesehen.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat dabei das
Landgericht
auch die besondere bandenmäßige Struktur
berücksichtigt, die den
Taten zugrunde liegt.
Harms Häger Raum
Brause Schaal |