BGH,
Urt. v. 30.10.2008 - 3 StR 375/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 375/08
vom
30. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30.
Oktober 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
der Richter am Bundesgerichtshof
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwältin bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft, der
Nebenklägerin und des Angeklagten wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Tatkomplex 2. b)
bb) der Urteilsgründe in einem Fall (Wohnwagen in W. ) wegen
Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und
sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist; im
Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die
notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das Urteil des Landgerichts Stade vom 21. Februar 2008 im
Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der
Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und
sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen sowie
des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem
Missbrauch von Schutzbefohlenen schuldig ist.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die
zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
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3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft, der
Nebenklägerin und des Angeklagten gegen das vorbezeichnete
Urteil werden verworfen.
4. Der Angeklagte und die Nebenklägerin haben die
verbleibenden Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit
mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von
Schutzbefohlenen in drei Fällen sowie wegen sexuellen
Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von
Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren
verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt
hat. Im Übrigen hat es ihn von dem mit der Anklageschrift
erhobenen Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem
Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in
97 weiteren Fällen freigesprochen.
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I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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Die im Jahr 1990 geborene Nebenklägerin K. lebte seit der
Scheidung ihrer Eltern im Jahre 1992 im Haushalt ihrer
Großmutter, der Zeugin R. , die der Angeklagte im Jahr 1998
heiratete. K. hatte zu
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ihrer Großmutter und dem Angeklagten, die sie versorgten,
betreuten und erzogen, ein gutes Verhältnis. Im März
2000 trat die Zeugin R. eine mehrjährige Haftstrafe an, aus
der sie im September 2003 entlassen wurde. Während dieser Zeit
kam es zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf K. , zu
deren Beginn der Angeklagte in mindestens einem Fall seine Arme um sie
legte, sie küsste und ihr die Zunge in den Mund steckte. In
drei weiteren Fällen der im Laufe der Zeit intensiver
werdenden sexuellen Handlungen steckte der Angeklagte seinen Finger in
die Scheide der Nebenklägerin, wobei diese sich wehrte, indem
sie versuchte, ihn wegzustoßen und ihre Beine
zusammenpresste. Der körperlich überlegene Angeklagte
überwand den Widerstand, indem er gegen ihren Willen ihre
Beine auseinander drückte. Zwei dieser Taten ereigneten sich
im Zimmer der Nebenklägerin, die dritte in einem Wohnwagen auf
einem Campingplatz in W. , in dem der Angeklagte und die
Nebenklägerin übernachteten, wenn sie die Zeugin R.
in der Haft besuchten.
Weitere Taten hat die Kammer nicht zu individualisieren vermocht. Sie
hat aber - ohne konkretisieren zu können, wann und wie
häufig diese Handlungen stattfanden bzw. ob sie den vier
festgestellten Einzeltaten zugeordnet werden können -
darüber hinausgehend festgestellt, dass der Angeklagte der
Nebenklägerin abends in deren Zimmer beim Eincremen half und
sie dabei wiederholt gegen deren Willen, den sie ihm gegenüber
auch äußerte, an Brust, Gesäß,
Oberschenkeln und im Genitalbereich berührte. Er betrat
häufig ihr Zimmer, wenn sie sich bereits zum Schlafen
hingelegt hatte und zog ihr die Boxershorts herunter, die sie zum
Schlafen trug. In mindestens einem Fall hatte der Angeklagte einen
Samenerguss. Er leckte an der Scheide der Nebenklägerin und
forderte sie mehrfach - erfolglos - auf, ihn mit der Hand oder oral zu
befriedigen. Ebenso versuchte er mehrfach vergeblich - zum Teil
ungeschützt, zum Teil mit einem Kondom - in sie einzudringen,
obwohl sie sich wegdrehte und ihre Beine zusammendrückte.
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II. Die Revisionen aller Beschwerdeführer führen zur
Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte im Tatkomplex 2. b)
bb) der Urteilsgründe wegen des sexuellen Übergriffs
auf die Nebenklägerin im Wohnwagen auf dem Campingplatz in W.
wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern
und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist.
Denn es fehlt in diesem Fall an der Verfahrensvoraussetzung der
Anklageerhebung. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung
zugelassenen Anklage vom 19. Juni 2007 war dem Angeklagten zur Last
gelegt worden, die Nebenklägerin in 100 Fällen
vergewaltigt und sexuell missbraucht zu haben, wobei sich die Taten
jeweils im Schlafzimmer der Nebenklägerin ereignet
hätten. Dort habe der Angeklagte sich und - gegen deren
Widerstand - auch die Nebenklägerin entkleidet, sie
geküsst, an der Brust berührt und sei unter Einsatz
seiner Körperkräfte gegen ihren Widerstand mit dem
Finger vaginal in sie eingedrungen. Die Anzahl der Taten hat die
Staatsanwaltschaft anhand der Eckdaten des Tatzeitraums im Wege einer
Hochrechnung geschätzt.
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Die von der Strafkammer abgeurteilte Tat im Wohnwagen ist von dem in
der Anklage geschilderten geschichtlichen Vorgang nicht erfasst, so
dass der Angeklagte deswegen ohne Erhebung einer Nachtragsanklage nicht
verurteilt werden durfte.
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Gegenstand der Urteilsfindung ist nur die in der Anklage bezeichnete
Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Allerdings hat das Gericht
die angeklagte Tat im verfahrensrechtlichen Sinne erschöpfend
abzuurteilen; zur Tat in diesem Sinne gehört das gesamte
Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage
bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Lebensauffassung einen
einheitlichen Vorgang darstellt (BGHSt 32, 215, 216). In diesem Rahmen
muss der Tatrichter seine Untersuchung auch auf Teile der Tat
erstrecken, die erst in der Hauptverhandlung bekannt werden (BGHSt 16,
200, 202).
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Diese Umgestaltung der Strafklage darf aber nicht dazu führen,
dass das der Anklage zu Grunde liegende Geschehen vollständig
verlassen und durch ein anderes ersetzt wird, mag dieses auch
gleichartig sein (Engelhardt in KK 6. Aufl. § 264 Rdn. 17 m.
w. N.). So verhält es sich hier: Bei der von der Kammer
aufgrund der Aussage der Nebenklägerin festgestellten Tat im
Wohnwagen auf dem Campingplatz in W. anlässlich eines Besuches
der Zeugin R. in der Haftanstalt - also an einem anderen Tatort und
unter anderen Begleitumständen - handelt es sich um einen
geschichtlichen Vorgang, der sich von den Anklagevorwürfen,
die sich allein auf Taten im Schlafzimmer der Nebenklägerin
bezogen, deutlich unterscheidet. Die erforderliche
Tatidentität im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO liegt
daher nicht mehr vor.
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Da auch eine Nachtragsanklage nicht erhoben wurde, war das Verfahren
auf die Revision des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft (§
301 StPO) und der Nebenklägerin (vgl. Paul in KK §
301 Rdn. 2) in dem genannten Fall gemäß §
354 Abs. 1, § 206 a Abs. 1 StPO einzustellen; dies
führt wegen des Wegfalls der verhängten Einzelstrafe
zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
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III. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft hat zum
Strafausspruch Erfolg; im Übrigen zeigt sie keinen
durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf.
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1. Soweit sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die allgemeine
Sachrüge gestützten Revision gegen den Freispruch des
Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in 97 Fällen
wendet, ist sie unbegründet.
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Wie bei jeder Verurteilung muss der Tatrichter auch bei
Serienstraftaten, wie sie in länger andauernden
Missbrauchsbeziehungen vorkommen, von jeder einzelnen individuellen
Straftat überzeugt sein (BGHSt 42, 107, 109). Zur Vermeidung
unvertretbarer Strafbarkeitslücken dürfen aufgrund
der Feststellungs-
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schwierigkeiten solcher oft gleichförmig verlaufenden Taten
über einen langen Zeitraum zum Nachteil von Kindern und/oder
Schutzbefohlenen, die in der Regel allein als Beweismittel zur
Verfügung stehen, zwar keine überzogenen
Anforderungen an die Individualisierbarkeit der einzelnen Taten im
Urteil gestellt werden (BGH NStZ 1994, 502). Der Tatrichter muss sich
aber in objektiv nachvollziehbarer Weise zumindest die
Überzeugung verschaffen, dass es in einem gewissen Zeitraum zu
einer bestimmten Mindestzahl von Straftaten gekommen ist (BGH StV 2002,
523). Dabei steht nicht in erster Linie die Ermittlung einer
Tatfrequenz, sondern die des konkreten Lebenssachverhalts im
Vordergrund; dieser ist ausgehend vom Beginn der Tatserie mit den
unterschiedlichen Details etwa zu Tatausführung und Tatort der
einzelnen Straftaten in dem gegebenen Tatzeitraum - notfalls auch ohne
genaue zeitliche Einordnung und lediglich unter Festlegung einer
Mindestzahl der begangenen Delikte nach dem Zweifelssatz -
festzustellen und abzuurteilen (vgl. BGHR StGB vor §
1/Serienstraftaten Kindesmissbrauch 2).
Die entsprechende Überzeugungsbildung ist eine Frage der
Beweiswürdigung. Diese obliegt dem Tatrichter. Er hat sich
unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil
über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das
Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung
beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters
mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder
Widersprüche aufweist oder mit den Denkgesetzen oder
gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht. Sind derartige
Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die
tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen,
wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich
gewesen wäre (BGH NStZ-RR 2008, 146, 147; NJW 2005, 2325,
2326).
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Nach diesen Grundsätzen zeigt die Revision einen Rechtsfehler,
insbesondere eine Überspannung der Anforderungen an die
richterliche Überzeugungsbildung, nicht auf. Auf der Grundlage
der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist die vom Landgericht
vorgenommene Würdigung, dass es im Schlafzimmer der
Nebenklägerin mit Sicherheit lediglich zu zwei
Vergewaltigungen und zu dem ebenfalls von der Nebenklägerin
geschilderten Fall des sexuellen Missbrauchs zu Beginn der
Übergriffe gekommen ist, revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
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Das Landgericht ist sich des Umstandes bewusst gewesen, dass die
Aussage der Nebenklägerin, es sei "sehr oft" zu den
Übergriffen gekommen, eine häufigere Tatbegehung nahe
legte. Es hat sich - im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zu den notwendigen Feststellungen bei Serientaten
des sexuellen Missbrauchs - keine Überzeugung von einer
bestimmten größeren Anzahl von Vergewaltigungen zu
verschaffen vermocht, weil insoweit lediglich eine bloße
Schätzung ohne gesicherte Tatsachengrundlage möglich
gewesen wäre. Dies lässt keinen Rechtsfehler
erkennen. Das Landgericht hat sich zum Nachweis der angeklagten Taten
nur auf die Aussage der Nebenklägerin stützen
können. Deren Angaben zur Tatfrequenz haben gewechselt.
Während sie zunächst ausgesagt hatte, es sei fast
jeden Abend dazu gekommen, dass der Angeklagte ihr den Finger in die
Scheide gesteckt habe, ist sie davon später abgerückt
und hat erklärt, es sei jedenfalls sehr oft gewesen, ohne
allerdings eine Zahl angeben zu können. Auch mit
wiederkehrenden Situationen im familiären Zusammenleben hat
sie die Taten nicht zu verknüpfen vermocht. Ebenso wenig hat
sie die weiteren von der Strafkammer festgestellten Details einer oder
mehreren der festgestellten oder weiteren Taten zuordnen
können. Zu den Tatorten hat sie lediglich angegeben, dass es
in einem Fall auch im Wohnwagen zu einem Übergriff durch den
Angeklagten gekommen sei.
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Die Überzeugungsbildung der Strafkammer lässt vor
diesem Hintergrund keinen Rechtsfehler im dargestellten Sinn erkennen.
Sie ist daher - ungeachtet der Frage, ob auch die Annahme einer
größeren Anzahl von Taten möglich gewesen
wäre - vom Revisionsgericht hinzunehmen.
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2. Im Strafausspruch kann das angefochtene Urteil jedoch hinsichtlich
der verbliebenen Einzelstrafen keinen Bestand haben. Die Nichtanwendung
des Regelstrafrahmens des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB, die bei
Vorliegen gewichtiger Milderungsgründe möglich ist
(Fischer, StGB 55. Aufl. § 177 Rdn. 65, 74 m. w. N.), ist hier
rechtsfehlerhaft. Gleiches gilt für die Annahme eines minder
schweren Falles im Sinne des § 176 Abs. 1 letzter Halbs. StGB
aF bei der ersten abgeurteilten Tat.
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Zwar ist es Sache des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden
Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von Tat und Täter
gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden
Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander
abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur
möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich
fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht bestimmende
Strafzumessungsfaktoren oder rechtlich anerkannte Strafzwecke
außer Betracht lässt oder wenn sich die Strafe nach
oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter
Schuldausgleich zu sein (BGHSt 29, 319, 320 m. w. N.). All dies gilt
namentlich auch für die Strafrahmenwahl. Die Entscheidung
über die Annahme eines minder schweren Falles und -
entsprechend - über das Absehen von der Regelwirkung des
§ 177 Abs. 2 StGB ist jedoch aufgrund einer Gesamtbetrachtung
zu treffen, die alle Umstände einzubeziehen hat, die
für die Wertung der Tat und des Täters bedeutsam
sind, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie
begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGHR StGB vor §
1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 8). Eine Bewertung nur
des engeren Tatgeschehens ist unzulässig
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(BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall,
Gesamtwürdigung 5; Gesamtwürdigung,
unvollständige 10). Es stellt daher einen durchgreifenden
Rechtsfehler dar, wenn der Tatrichter bei der Strafrahmenwahl einen
bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt (vgl. § 267 Abs. 3
Satz 1 StPO) erkennbar außer Betracht lässt.
So liegt es hier. Die Strafkammer hat die weiteren Tathandlungen des
Angeklagten, die sie sicher festgestellt hat, bei der Strafrahmenwahl
aus dem Blick verloren. Sie hat insbesondere nicht gewürdigt,
dass der Angeklagte mehrfach versuchte, mit der Nebenklägerin
den Geschlechtsverkehr zu vollziehen und sie - wenn auch erfolglos -
aufforderte, ihn oral oder manuell zu befriedigen. Diese Handlungen hat
die Kammer zwar weder einer der abgeurteilten Taten zuordnen
können, noch anhand dieser Feststellungen weitere Taten zu
konkretisieren vermocht. Gleichwohl hätten sie als
bestimmender Strafzumessungsfaktor in die Gesamtwürdigung
einfließen müssen:
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Handelte es sich insoweit um weitere Varianten sexueller Handlungen im
Rahmen der abgeurteilten Taten, so waren sie bei der Strafzumessung zu
berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. vom 22. Dezember 1998 - 3
StR 530/98) und deshalb auch in die Gesamtbetrachtung zur
Strafrahmenwahl einzustellen. Gleiches gilt, wenn es sich bei diesen
Handlungen um weitere selbständige Taten gehandelt
hätte; denn in diesem Fall war der Umstand, dass die
abgeurteilten Taten nur einen Teil einer Tatserie bildeten, als
wesentlicher Strafzumessungsgesichtspunkt zu würdigen (st.
Rspr.; vgl. BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 2; BGH NStZ-RR
1997, 130; BGH, Beschl. vom 9. Oktober 2003 - 4 StR 359/03 - jeweils m.
w. N.).
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Voraussetzung der Einbeziehung der weiteren sexuellen Handlungen in die
Strafzumessung ist es in derartigen Fällen allerdings, dass
sie prozessord-
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nungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass
sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abgeschätzt werden
können und eine unzulässige strafschärfende
Berücksichtigung des bloßen Verdachts der Begehung
weiterer Straftaten ausgeschlossen ist (BGHR aaO; BGHR StGB §
46 Abs. 2 Vorleben 14). So verhält es sich hier. Das
Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass
der Angeklagte die weiteren sexuellen Handlungen zum Nachteil der
Nebenklägerin beging; lediglich die Zuordnung zu den
begangenen oder die Einordnung als selbständige andere -
angeklagte - Taten war ihm nicht möglich. Angesichts dessen
handelte es sich nicht um den bloßen Verdacht weiterer
Straftaten oder Tatvarianten; vielmehr sind die zusätzlichen
sexuellen Handlungen des Angeklagten festgestellt, so dass deren
Unrechtsgehalt ohne Weiteres erfasst werden kann. Die Strafkammer hat
deshalb, als sie die Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB unter
anderem auch deshalb verneint hat, weil die eigentliche sexuelle
Handlung bei den konkret festgestellten Vergewaltigungen nicht
besonders schwerwiegend gewesen sei, einen unzutreffenden Schuldumfang
zu Grunde gelegt. Gleiches gilt bei der Annahme eines minder schweren
Falles nach § 176 Abs. 1 letzter Halbs. StGB aF. Dies
führt zur Aufhebung der entsprechenden Einzelstrafen.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch
können hingegen bestehen bleiben. Ergänzende, dazu
nicht in Widerspruch stehende Feststellungen kann der neue Tatrichter
treffen.
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IV. Soweit sich die Nebenklägerin gegen den Teilfreispruch des
Angeklagten wendet, hat ihre Revision aus den unter III. 1. genannten
Gründen in der Sache keinen Erfolg. Hinsichtlich ihrer
Einwendungen gegen den Strafausspruch, insbesondere gegen die
Nichtanwendung des Strafrahmens des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB,
ist die Revision bereits unzulässig (BGH NStZ-RR 2003, 306;
Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 400 Rdn. 3).
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V. Die weitergehende Revision des Angeklagten hat ebenfalls keinen
Erfolg.
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Die Rüge der Verletzung der Vorschriften über die
Öffentlichkeit des Verfahrens (§ 338 Nr. 6 StPO) ist
aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
vom 27. August 2008 hinsichtlich der Verlesung eines Gutachtens in der
Hauptverhandlung vom 3. Dezember 2007 unzulässig und im
Übrigen unbegründet.
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Die umfassende Überprüfung des Urteils auf die
allgemein erhobene Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten ergeben.
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VI. Eine Erstattung der notwendigen Auslagen, die dem Angeklagten sowie
der Nebenklägerin durch die gegenseitigen Revisionen
entstanden sind, findet nicht statt, da die Rechtsmittel beider Seiten
ohne Erfolg geblieben sind (Meyer-Goßner aaO § 473
Rdn. 10 m. w. N.).
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Becker Miebach Pfister
Sost-Scheible Hubert |