BGH,
Urt. v. 31.7.2008 - 4 StR 144/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 144/08
vom
31. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31.
Juli 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kuckein, Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Mat. W. B. ,
Rechtsanwalt
für den Angeklagten Man. V. B. ,
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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I. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Saarbrücken vom 25. Juni 2007
1. in den Schuldsprüchen dahin abgeändert, dass
a) der Angeklagte W. des Wohnungseinbruchsdiebstahls, des Diebstahls in
drei Fällen, des schweren Bandendiebstahls in neun
Fällen, des Computerbetruges in zwei Fällen und des
versuchten Computerbetruges,
b) der Angeklagte S. des Wohnungseinbruchsdiebstahls, des Diebstahls in
drei Fällen und des schweren Bandendiebstahls in drei
Fällen,
c) der Angeklagte Mat. B. des schweren Bandendiebstahls in sieben
Fällen, des Diebstahls in drei Fällen, der
Sachbeschädigung, der Brandstiftung und der schweren
Brandstiftung in Tateinheit mit Wohnungseinbruchsdiebstahl,
d) der Angeklagte Man. B. des schweren Bandendiebstahls in
fünf Fällen, des Computerbetruges in zwei
Fällen und des versuchten Computerbetruges
schuldig sind,
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2. in den Aussprüchen über die gegen die Angeklagten
W. und S. in den Fällen des schweren Bandendiebstahls (W. :
Fälle III, VI, VII, VIII, IX, XIII, XIV, XV und XVII; S. :
Fälle III, VI und VII) verhängten Einzelstrafen und
die Gesamtfreiheitsstrafen aufgehoben.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der die Angeklagten W. und
S. betreffenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine allgemeine
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die Angeklagten Mat. B. und Man. B. tragen die Kosten der sie
betreffenden Revisionen der Staatsanwaltschaft.
IV. Die Revisionen der Angeklagten W. und Mat. B. gegen das
vorbezeichnete Urteil werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer
hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
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Den Angeklagten W. wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls, wegen Diebstahls
in drei Fällen, wegen Bandendiebstahls in neun
Fällen, wegen Computerbetruges in zwei Fällen und
wegen versuchten Computerbetruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
drei Jahren und sechs Monaten,
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den Angeklagten S. wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls, wegen Diebstahls
in drei Fällen und wegen Bandendiebstahls in drei
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun
Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde,
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den Angeklagten Mat. B. wegen Bandendiebstahls in sieben
Fällen, wegen Diebstahls in drei Fällen, wegen
Brandstiftung, wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit
Wohnungseinbruchsdiebstahl und wegen Sachbeschädigung zu einer
Jugendstrafe von vier Jahren und neun Monaten und
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den Angeklagten Man. B. wegen Bandendiebstahls in fünf
Fällen, wegen Computerbetruges in zwei Fällen und
wegen versuchten Computerbetruges unter Einbeziehung des Urteils des
Amtsgerichts Saarlouis vom 14. Februar 2007 zu einer Jugendstrafe von
zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt
wurde.
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Im Übrigen hat es die Angeklagten W. und Mat. B.
freigesprochen.
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Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten W. und Mat. B. mit
ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und
materiellen Rechts rügen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet
mit ihren zu Ungunsten
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der Angeklagten eingelegten Revisionen, dass die Angeklagten in den
Fällen der Verurteilung wegen Bandendiebstahls nicht wegen
schweren Bandendiebstahls gemäß § 244 a
StGB verurteilt worden sind. Sie erstrebt hinsichtlich der Angeklagten
Mat. und Man. B. jeweils eine entsprechende
Schuldspruchänderung unter Aufrechterhaltung der erkannten
Jugendstrafen; bezüglich der Angeklagten W. und S. begehrt sie
neben der Verschärfung der Schuldsprüche die
Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen sowie der
Gesamtstrafen.
I. Revisionen der Staatsanwaltschaft
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Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Zu Recht
rügt die Beschwerdeführerin, dass das Landgericht die
vier Angeklagten jeweils nur wegen Bandendiebstahls und nicht wegen
schweren Bandendiebstahls verurteilt hat.
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1. Nach den Feststellungen fassten die Angeklagten W. und S. sowie die
gesondert verfolgte L. im Juni 2005 den Entschluss, ihre desolate
finanzielle Situation künftig durch
Einbruchsdiebstähle zu verbessern und sich so eine nicht nur
vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen, wobei L. nur
Gehilfendienste leistete. Im Juli 2005 schlossen sich ihnen die
Angeklagten Mat. und Man. B. , die Brüder der gesondert
verfolgten L. , an, denen es ebenfalls um die Erzielung dauerhafter
Einnahmen ging. Im August 2005 kam schließlich noch die
gesondert verfolgte P. hinzu, die ihnen in Kenntnis der geplanten
Straftaten Unterschlupf gewährte und sie bei den
Tatausführungen unterstützte. In der Zeit vom 24.
Juni 2005 bis zum 20. August 2005 begingen die Angeklagten in
wechselnder Besetzung neben anderen Straftaten in neun Fällen
(Fälle III, VI, VII, VIII, IX, XIII, XIV, XV und
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XVII der Urteilsgründe) Einbrüche in Schulen und
Kindergärten, wobei jeweils zumindest zwei der Angeklagten am
Tatort agierten.
Das Landgericht hat in den genannten Fällen das Vorliegen
eines Bandendiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 bejaht. Es hat
auch festgestellt, dass die jeweils beteiligten Angeklagten in allen
Fällen die Bandendiebstähle unter den in §
243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen haben.
Dennoch hat es die Angeklagten nicht wegen schweren Bandendiebstahls
verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass
zwar die Anwendbarkeit des § 244 a StGB auf Jugendbanden durch
die höchstrichterliche Rechtsprechung anerkannt sei; hier
scheide eine Anwendung aber deswegen aus, weil es sich um eine Bande
handele, die in einem örtlich begrenzten Bereich
tätig gewesen und lediglich in Schulen oder vergleichbaren
Einrichtungen eingebrochen sei und die dort nur geringe Beute gemacht
habe. Auf solche Banden sei § 244 a StGB nicht anzuwenden,
weil die Vorschrift allein der Bekämpfung der Organisierten
Kriminalität diene, wobei insbesondere die "ins Ausland
reichenden Verbindungen reisender Verbrecherbanden getroffen werden"
sollen.
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2. Die Nichtanwendung des § 244 a StGB durch das Landgericht
beanstandet die Beschwerdeführerin zu Recht. Die von der
Jugendkammer vorgenommene Auslegung der Vorschrift ist mit deren
Wortlaut nicht vereinbar. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 6. Juni
2000 - 4 StR 91/00 (= NStZ-RR 2000, 343, 344) bezüglich der
Jugendbande ausgeführt hat, lassen auch weder die
Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch ihr Normzweck eine Intention
des Gesetzgebers erkennen, nicht dem Bereich der Organisierten
Kriminalität zuzurechnende Banden aus dem Anwendungsbereich
des § 244 a StGB herauszunehmen. Der Gesetzgeber hat das
Problem erkannt, dass die in erster Linie zur Bekämpfung der
Organisierten Kriminalität gedachte Vorschrift auch
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auf andere Banden, etwa Jugend-Diebesbanden, anzuwenden sein wird. Er
hat u.a. deshalb davon abgesehen, den - ohne erschwerte
Umstände begangenen - Bandendiebstahl allgemein als
Verbrechenstatbestand umzugestalten (BTDrucks. 12/989 S. 25). Der
Verbrechenstatbestand des schweren Bandendiebstahls sollte vielmehr an
zusätzliche Kriterien geknüpft werden. Wenn aber
diese erfüllt sind und der Bandendiebstahl etwa unter den in
§ 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen
wird, findet § 244 a StGB auf alle Diebesbanden Anwendung
(vgl. zur Jugendbande auch BGH, Urteil vom 22. März 2006 - 5
StR 38/06 = NStZ 2006, 574). Es kommt mithin nicht darauf an, ob es
sich um eine Jugendbande, eine im örtlich begrenzten Bereich
tätige oder auf bestimmte Objekte spezialisierte Bande handelt.
3. Der Senat ändert die Schuldsprüche dahingehend ab,
dass die Angeklagten jeweils nicht des Bandendiebstahls, sondern des
schweren Bandendiebstahls, § 244 a StGB, schuldig sind.
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Die Änderung der Schuldsprüche führt
bezüglich der Angeklagten W. und S. zur Aufhebung der
entsprechenden Einzelstrafen. Der Senat kann angesichts der
höheren Mindeststrafe des § 244 a Abs. 1 StGB nicht
ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender
rechtlicher Bewertung auf höhere Einzelstrafen erkannt
hätte. Das zieht die Aufhebung der gegen diese Angeklagten
erkannten Gesamtstrafen nach sich. Einer Aufhebung der Feststellungen
bedarf es nicht, da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Die gegen
die Angeklagten Mat. und Man. B. verhängten Jugendstrafen
können bestehen bleiben, da diese maßgeblich am
unverändert bestehenden Erziehungsbedarf ausgerichtet sind.
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Da sich das Verfahren nunmehr nur noch gegen Erwachsene richtet,
verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer
zurück (vgl. BGHSt 35, 267).
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II. Revisionen der Angeklagten W. und Mat. B.
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Die Revisionen der Angeklagten W. und Mat. B. erweisen sich im Ergebnis
als unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf
Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zu ihrem
Nachteil ergeben hat.
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Zu dem vom Angeklagten W. geltend gemachten Verstoß gegen
Art. 6 Abs. 1 MRK bemerkt der Senat: Zwar ist durch die um zwei Monate
verzögerte Fertigstellung des Protokolls eine der Justiz
anzulastende Verfahrensverzögerung eingetreten. Einer
über diese Feststellung hinausgehenden Kompensation durch den
Senat bedarf es jedoch nicht, zumal das Landgericht der
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durch die lange Dauer der Untersuchungshaft entstandenen Belastung des
Angeklagten bereits durch eine Reduzierung der Einzelstrafen um jeweils
drei Monate Rechnung getragen hat.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović RiBGH Dr. Ernemann ist infolge Urlaubs gehindert zu
unterschreiben
Tepperwien |