BGH,
Urt. v. 31.5.2002 - 2 StR 73/02
2 StR 73/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 31. Mai 2002
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat aufgrund der Verhandlung
vom 29. Mai 2002 in der Sitzung vom 31. Mai 2002, an denen teilgenommen
haben: Vizepräsident des Bundesgerichtshofes Dr.
Jähnke als Vorsitzender, die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten, die Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, Prof.
Dr. Fischer, die Richterin am Bundesgerichtshof Elf als beisitzende
Richter, Bundesanwalt in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der
Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin in der Verhandlung und Rechtsanwalt als
Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Köln vom 30. Oktober 2001 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision
rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen
Rechts; die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt hat er von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen
(vgl. BGHSt 38, 362). Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der
regelmäßig in erheblichen Mengen Alkohol
konsumierte, am Tattag nach dem Abendessen ab 19.00 Uhr 1,5 l
Kölsch getrunken, als er sich um etwa 21.00 Uhr mit seinem
Freund H. traf. Die beiden begegneten dem späteren Tatopfer
Sch. und ihrer Freundin; sie versuchten, die beiden Mädchen zu
überreden, sich ihnen anzuschließen. Im Gegensatz zu
ihrer Freundin entschloß sich Sch. , die früher
einmal mit H. befreundet gewesen war, den jungen Männern
Gesellschaft zu leisten, da der Angeklagte ihr einredete, sein Freund
wolle sich wieder mit ihr versöhnen. Während man sich
unterhielt, teilten die beiden Männer sich eine halbe Flasche
Wodka. Als der Angeklagte seine Hoffnung auf ein sexuelles Abenteuer
schwinden sah, wollte er von seinem Freund nach Hause gefahren werden.
In der Hoffnung auf Versöhnung mit H. begleitete Sch. die
beiden. Vor dem Haus des Angeklagten ging die Unterhaltung auf dem
Parkplatz weiter, und der Angeklagte holte aus seiner Wohnung eine
Flasche Wein. Diese leerte er gemeinsam mit Sch. , welche zwei
Gläser trank. Nachdem der Angeklagte noch eine Flasche Sekt
herbeigebracht hatte, von der die junge Frau ein Glas und er den Rest
konsumierte, wollte Sch. nach Hause. Der Angeklagte hatte sein
Interesse an ihr noch nicht aufgegeben und erklärte, sie zu
begleiten. Trotz seiner Alkoholisierung steuerte der Angeklagte den Pkw
selbst.
An einer Grünfläche hielt er auf einem Parkplatz an
und faßte den Entschluß, mit Sch. an Ort und Stelle
notfalls auch gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr
auszuüben. Er zog die Frau, die sich widersetzte und
vergeblich nach ihrem früheren Freund rief, in das
nahegelegene Waldstück. Um sie zum Schweigen zu bringen,
schlug der Angeklagte sie so heftig in das Gesicht, daß sie
einen Schneidezahn verlor. Im Wald stieß er Sch. zu Boden, so
daß sie mit dem Rücken über einem
Holzbalken lag, und entkleidete sie teilweise. Als sie wiederum um
Hilfe schrie, würgte er sie mit beiden Händen so
stark, daß sie kaum noch atmen konnte, und drehte ihr Gesicht
auf die Erde, wodurch sie noch weniger Luft bekam. Dabei drohte er ihr,
sie zu erwürgen, wenn sie sich nicht ruhig verhalte. Sch. gab
schließlich aus Furcht jeden weiteren Widerstand auf, und der
Angeklagte führte gegen ihren Willen ungeschützten
Geschlechtsverkehr und Oralverkehr aus. Nachdem er in die Hand der
Zeugin ejakuliert hatte, gingen beide zurück zum Auto. Der
Angeklagte forderte seinen Freund auf, zu fahren und zunächst
Sch. nach Hause zu bringen, was diese aber nicht wollte. Als der
Angeklagte sich von Sch. verabschiedete, kündigte er an, sie
von nun an noch oft zu besuchen. Zu Hause wusch er sich, machte sich
für seine Arbeit als Müllsortierer fertig und ging
dieser Tätigkeit, ohne geschlafen zu haben, von 5.30 Uhr bis
10.00 Uhr nach. Übermüdet brach er dann die Arbeit ab.
Sch. erlitt u.a. Würgemale am Hals und leidet seit der Tat
unter Angstzuständen. Sie stimmte einer als
"Täter-Opfer-Ausgleich" bezeichneten Vereinbarung vom 25./26.
Oktober 2001 zu, die der Verteidiger des Angeklagten und ihr
Rechtsanwalt unterzeichneten. Darin verpflichtete sich der Angeklagte,
an die Geschädigte ein Schmerzensgeld in Höhe von
15.000 DM zu zahlen, die Kosten für das notwendig werdende
Zahnimplantat zu übernehmen sowie die Kosten der Vereinbarung
nebst den entstandenen Anwaltskosten zu tragen. Die Vereinbarung
enthält ferner einen Passus, wonach der Angeklagte die
Geschädigte um Verzeihung bittet und sie seine Entschuldigung
annimmt. Vor der Hauptverhandlung leistete der Angeklagte eine erste
Zahlung von 10.000 DM, die er durch den Verkauf seines Autos und
über Familienangehörige finanzierte. Von diesem
Betrag behielt der Rechtsanwalt der Geschädigten 2.000 DM
für Anwaltskosten ein. Für weitere 5.000 DM und die
Zahnarztkosten bestehen Zahlungsfrist zum 1. Juli und 31. Dezember 2002.
Die Geschädigte, die ihre Nebenklage
vereinbarungsgemäß zurücknahm, war zum
Abschluß des Vergleichs nur deshalb bereit, weil sie
befürchtete, ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem
Angeklagten zu erhalten, und weil sie - was der Angeklagte
wußte - dringend Geld zur Finanzierung des Zahnimplantats
benötigte.
2. Das Landgericht hat angenommen, daß der Angeklagte bei
Begehung der Tat eine Blutalkoholkonzentration von maximal 3,6 %o
aufwies und sich - bei im übrigen voll vorhandener
Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seines Tuns - im Zustand
erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21
StGB) befand. Die Strafe hat die Kammer dem gemäß
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des
§ 177 Abs. 2 StGB entnommen; eine weitere Strafmilderung nach
§§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB hat sie abgelehnt.
II.
Die Revision des Angeklagten war zu verwerfen.
1. Die Verfahrensrügen sind unbegründet.
a) Das Landgericht hat seine Aufklärungspflicht (§
244 Abs. 2 StPO) nicht dadurch verletzt, daß es von weiteren
Beweiserhebungen zur Alkoholisierung des Angeklagten abgesehen hat.
Eine Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten sowie seines Freundes H.
dazu, daß der Angeklagte nicht 1,5 l, sondern 3 l
Kölsch konsumierte und die halbvolle Flasche Wodka allein
leerte, drängte sich nicht auf. Denn diese von dem Angeklagten
behaupteten Trinkmengen hätten im Zusammenwirken mit dem
weiteren Konsum von Wein und Sekt, wie er vom Landgericht festgestellt
wurde, zu einer unglaubhaft hohen Blutalkoholkonzentration von weit
über 4 %o zur Tatzeit geführt. Eine solche war mit
dem Leistungsverhalten des Angeklagten unmittelbar vor,
während und nach der Tat nicht vereinbar. Die
sachverständig beratene Strafkammer hat vielmehr - worauf im
folgenden noch einzugehen sein wird - in nicht zu beanstandender Weise
aus diversen Kriterien im Verhalten des Angeklagten den
Schluß gezogen, daß seine Schuldfähigkeit
nicht aufgehoben war.
b) Auch ein Verstoß gegen § 261 StPO liegt nicht
vor. Durch die nur zum überwiegenden Teil und nicht in vollem
Wortlaut erfolgte Wiedergabe der als Täter-Opfer-Ausgleich
bezeichneten Vereinbarung stellt sich die Beweiswürdigung
nicht als lückenhaft oder widersprüchlich dar. Die in
der Vereinbarung enthaltene Erklärung der
Geschädigten, sie habe an der Verhängung einer nicht
zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe gegen den
Angeklagten kein Interesse mehr, wird im Urteil zwar nicht
ausdrücklich erwähnt. Dies läßt
aber nicht besorgen, die Strafkammer habe den Inhalt der Abrede
unvollständig oder unrichtig gewürdigt. Eine
wörtliche Wiedergabe dieses Gesichtspunkts war nicht zwingend;
es kann vielmehr ausgeschlossen werden, daß das Landgericht
sich damit nicht auseinandergesetzt hat. So wird unter anderem die
Tatsache, daß die Geschädigte ihre
Anschlußerklärung zurückgenommen hat, vom
Tatgericht ausdrücklich gewürdigt; dieses Verhalten
dokumentiert den Verzicht auf eine aktive eigene Beteiligung am
Prozeß und läßt bereits auf geringeres
Strafverfolgungsinteresse schließen.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten ergeben.
a) Der Schuldspruch hält materiellrechtlicher
Überprüfung stand.
aa) Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht von einer erheblich
verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen und
hat eine Schuldunfähigkeit rechtsfehlerfrei verneint.
Es kann dahinstehen, ob das Landgericht - sachverständig
beraten - bei dem 65 kg schweren Angeklagten zu Recht einen
Reduktionsfaktor von 0,8 angenommen hat. Ein derartiges Abweichen von
dem im Regelfall bei Männern anzusetzenden Faktor von 0,7 kann
bei mageren, schmalwüchsigen Personen in Betracht kommen, da
der Reduktionsfaktor von der individuellen körperlichen
Konstitution, insbesondere vom Fettgewebsanteil, abhängt (vgl.
BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 2; BGH NStZ 1992, 277;
Beschl. v. 25. Mai 1993 - 2 StR 153/93; Forster, Praxis der
Rechtsmedizin (1986), S. 451; Schütz, Alkohol im Blut (1983),
S. 59). Mangels näherer Angaben zum Körperbau des
Angeklagten, auch seiner Größe, kann der Senat
jedoch nicht überprüfen, ob die zu Ungunsten des
Angeklagten erfolgte Abweichung vom Durchschnittswert berechtigt war.
Dies gefährdet den Bestand des Urteils jedoch letztlich
ebensowenig wie die Tatsache, daß das Landgericht die
gebotene Kontrollrechnung zur Überprüfung der
Trinkmengenangaben (vgl. BGHR StGB § 21
Blutalkoholkonzentration 1, 7, 18; § 20
Blutalkoholkonzentration 19; BGH NStZ-RR 1997, 226; 1998, 359) nicht
vorgenommen hat.
Denn der Senat schließt aus, daß das Landgericht
bei rechnerischer Ermittlung anderer Blutalkoholwerte
Schuldunfähigkeit des Angeklagten angenommen hätte.
Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten vor, während
und nach der Tat einer Gesamtwürdigung unterzogen und im
Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung in nicht zu
beanstandender Weise den Schluß gezogen, daß die
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht aufgehoben und seine
Einsichtsfähigkeit nicht beeinträchtigt war.
Rechtsfehlerfrei stellt das Landgericht im wesentlichen darauf ab,
daß der Angeklagte ein zielgerichtetes und durchdachtes
Leistungsverhalten (Autofahren, situationsadäquate Reaktionen
und Gespräche, diverse Sexualpraktiken,
anschließendes Arbeiten) zeigte und - auch nach seinen
eigenen Angaben - keine Ausfallerscheinungen aufwies.
Gegenüber diesen aussagekräftigen
psychodiagnostischen Kriterien, einhergehend mit
Alkoholgewöhnung und weitgehend erhaltenem
Erinnerungsvermögen des Angeklagten, hat das Landgericht dem
Blutalkoholwert, der hier lediglich anhand der Trinkmengen
über einen Zeitraum von 7 1/2 Stunden ermittelt werden konnte,
zu Recht keine ausschlaggebende Beweisbedeutung beigemessen (vgl. BGHSt
43, 66; BGH NStZ 1998, 457; Beschl. v. 23. November 2000 - 3 StR
413/00).
bb) Ohne Rechtsfehler hat der Tatrichter eine Strafbarkeit wegen
Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung angenommen. Das Würgen des Tatopfers
durch den Angeklagten ist als eine das Leben gefährdende
Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu werten.
Festes Würgen am Hals kann geeignet sein, eine
Lebensgefährdung herbeizuführen (vgl. BGH GA 1961,
241). Zwar reicht insoweit nicht jeder Griff aus, der zu
Würgemalen führt, ebensowenig bloße Atemnot
(vgl. BGH StV 1993, 26; BGH, Urt. v. 11. April 2000 - 1 StR 55/00);
andererseits kann Würgen bis zur Bewußtlosigkeit
oder bis zum Eintritt von Sehstörungen beim Opfer dessen Leben
gefährden (vgl. BGH, Urt. v. 27. September 1995 - 3 StR
324/95; BGH JZ 1986, 963). Von maßgeblicher Bedeutung sind
demnach Dauer und Stärke der Einwirkung, die abstrakt geeignet
sein muß, das Leben des Opfers zu gefährden.
§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt nicht voraus, daß das
Opfer tatsächlich in Lebensgefahr geraten ist. Nach den vom
Landgericht festgestellten Gesamtumständen gingen die von dem
Angeklagten vorgenommenen Würgegriffe über ein nur
kurzzeitiges Zudrücken mit vorübergehender Luftnot
weit hinaus und waren nach Art und Umfang abstrakt geeignet, bei der
Geschädigten eine Lebensgefährdung
herbeizuführen. Daß der Angeklagte in subjektiver
Hinsicht die Umstände erkannt hatte, aus denen sich die
Lebensgefährlichkeit seines Tuns ergab (vgl. BGH NJW 1990,
3156), wird durch seine Äußerung belegt, er werde
sein Opfer erwürgen, wenn es nicht still sei.
b) Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis der rechtlichen
Nachprüfung stand. Vergeblich wendet sich die Revision gegen
die Ablehnung einer weiteren Strafmilderung gemäß
§§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB. Auf der Grundlage der
landgerichtlichen Feststellungen waren die Voraussetzungen des
§ 46 a Nr. 1 StGB hier im Ergebnis zu verneinen.
Nach § 46 Abs. 2 StGB ist das Nachtatverhalten des
Täters, insbesondere sein Bemühen um Wiedergutmachung
und das Erstreben eines Ausgleichs mit dem Verletzten, bei der
Strafzumessung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist
aus gesetzessystematischer Sicht davon auszugehen, daß der
vertypte Strafmilderungsgrund des § 46 a StGB an weitergehende
Voraussetzungen geknüpft sein muß (vgl. auch
Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 46 a Rdn. 4;
Schöch in 50 Jahre Bundesgerichtshof - Festgabe aus der
Wissenschaft, S. 309, 323).
Die Vorschrift des § 46 a Nr. 1 StGB setzt nach
ständiger Rechtsprechung und nach der gesetzgeberischen
Intention einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter
und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die
Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muß (vgl. BGHR
StGB § 46 a Wiedergutmachung 1; BT-Drs. 12/6853, S. 21).
Dafür ist weder zwingend die Vermittlung durch einen neutralen
Dritten erforderlich (obwohl die Gesetzesinitiative von einer solchen
ausging, vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 22), noch ein - nicht immer ratsamer
- persönlicher Kontakt zwischen Täter und Opfer (vgl.
BGH StV 1999, 89, 2001, 448). Unverzichtbar ist jedoch nach dem
Grundgedanken des Täter-Opfer-Ausgleichs eine von beiden
Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung. An einer solchen
fehlt es hier, obwohl die von den Anwälten beider Seiten
unterzeichnete schriftliche Vereinbarung rein formal gesehen die
Anwendung des § 46 a Nr. 1 StGB indiziert. Das Tatgericht, das
durch die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung der
Vereinbarung als "Täter-Opfer-Ausgleich" in keiner Weise
gebunden war, hat zu Recht die Gesamtumstände in seine
Beurteilung mit einbezogen. Aus diesen ergibt sich, daß im
vorliegenden Fall - wie er sich in der maßgeblichen
Hauptverhandlung darstellte - ein Täter-Opfer-Ausgleich im
Sinne dieser Vorschrift nicht stattgefunden hat.
Mit Einführung des § 46 a StGB durch das
Verbrechensbekämpfungsgesetz sollten die Belange des Opfers in
den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden (vgl.
Gesetzentwurf zum VerbrBekG, BT-Drs. 12/6853, S. 21; Bericht des
Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8588, S. 4). Bei der Verankerung des
Täter-Opfer-Ausgleichs in Nr. 1 dieser Vorschrift hat sich der
Gesetzgeber inhaltlich an die Definition des § 10 Abs. 1 Nr. 7
JGG angelehnt und somit den förmlichen, tatsächlich
praktizierten Täter-Opfer-Ausgleich vor Augen gehabt (vgl.
BT-Drs. 12/6853, S. 21; ebenso König/Seitz NStZ 1995, 1, 2;
Kilchling NStZ 1996, 309, 312). Ein erfolgreicher
Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB
setzt grundsätzlich voraus, daß das Opfer die
Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich
akzeptiert. Das ergibt sich aus ratio und Entstehungsgeschichte dieser
Norm. Ob der von § 46 a Nr. 1 StGB angestrebte kommunikative
Prozeß zu bejahen ist, ist im Einzelfall anhand
deliktsspezifischer Gesichtspunkte zu prüfen. Bei einem
schwerwiegenden Sexualdelikt, wie es hier vorliegt, wird eine
entsprechende, zumindest annähernd gelungene
Konfliktlösung in der Regel aus tatsächlichen
Gründen schwerer erreichbar sein (vgl. auch BGH NStZ 1995,
492; StV 2000, 129).
Hier hat die Geschädigte nach den Feststellungen des
Landgerichts die Vereinbarung nicht als friedensstiftende
Konfliktregelung innerlich akzeptiert. Sie stimmte der Abrede vielmehr
nur zu, weil sie befürchtete, ansonsten keinerlei
Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten, und weil sie - was
der Angeklagte wußte - dringend Geld benötigte, um
das Zahnimplantat finanzieren zu können. Da das Tatopfer sich
demnach allein aus faktischen Zwängen heraus notgedrungen mit
der schriftlichen Vereinbarung einverstanden erklärte, liegt
im Ergebnis ein umfassender Ausgleich der durch die Straftat
verursachten Folgen im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB nicht vor.
Allerdings kann die fehlende Einwilligung des Opfers im Rahmen des
§ 46 a Nr. 1 StGB dann unerheblich sein, wenn der
Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem
Verletzten zu erreichen, die Wiedergutmachung der Tat ernsthaft
erstrebt hat. Die Anwendbarkeit des Strafmilderungsgrundes soll demnach
nicht ausschließlich vom Willen des Opfers abhängen;
nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte dem Täter in den
Fällen, in denen eine vollständige Wiedergutmachung
nicht möglich wäre, eine realistische Chance
eingeräumt werden, in den Genuß der Strafmilderung
zu gelangen, etwa bei Verweigerung der Mitwirkung durch das Opfer oder
bei Eintritt eines hohen Schadens durch relativ geringes Verschulden.
Als einschränkendes Kriterium fordert die Vorschrift aber das
Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem
Verletzten zu erreichen, als Rahmenbedingung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S.
21). Das bedeutet, daß das Bemühen des
Täters gerade darauf gerichtet sein muß, zu einem
friedensstiftenden Ausgleich mit dem Verletzten zu gelangen; der
Täter muß demnach in dem ernsthaften Bestreben
handeln, das Opfer "zufriedenzustellen". Dies war bei dem Angeklagten
nach den Urteilsfeststellungen nicht der Fall. Er kannte die
finanzielle Situation der Geschädigten; ihm war
bewußt, daß sie die schriftliche Vereinbarung nur
aus der Not heraus annahm, ohne darin tatsächlich eine
Konfliktregelung zu sehen. Daß es dem Angeklagten aber selbst
gerade um einen friedensstiftenden Ausgleich ging, ist nicht
ersichtlich.
Nach alledem mußte bei dieser Sachlage eine Strafmilderung
gemäß § 46 a Nr. 1 StGB ausscheiden. Die -
auch - auf diese Überlegungen gestützte Ablehnung der
§§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB erfolgte demnach ohne
Rechtsfehler. Auf den teilweise rechtlich bedenklichen weiteren
Erwägungen des Landgerichts zur Nichtanwendung des §
46 a StGB beruht der Strafausspruch daher nicht.
Rechtsfehlerfrei und der Gesetzessystematik entsprechend hat das
Landgericht nach Verneinung der Strafmilderung gemäß
§ 46 a StGB das Verhalten des Angeklagten strafmildernd
gemäß § 46 Abs. 2 StGB
berücksichtigt.
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke ist
infolge Eintritts in den Ruhestand an der Unterschrift gehindert.
Rothfuß Otten Fischer Elf
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