BGH,
Urt. v. 4.12.2002 - 4 StR 411/02
4 StR 411/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
vom
4. Dezember 2002
in der Strafsache gegen
wegen Begünstigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 4.
Dezember 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, Richter am Bundesgerichtshof Maatz,
Athing, Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter, Bundesanwalt in
der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter
der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht
erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Neubrandenburg vom 30. August 2001 mit den Feststellungen aufgehoben,
soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall
F. II. der Urteilsgründe freigesprochen worden ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Begünstigung zu
einer Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu je
300,00 DM verurteilt und ihn im übrigen - unter anderem vom
Vorwurf der Bedrohung - freigesprochen.
Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die
Staatsanwaltschaft - diese beschränkt auf den Freispruch vom
Vorwurf der Bedrohung - Revision eingelegt. Beide Rechtsmittel haben
Erfolg.
1. Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg;
eines Eingehens auf die Verfahrensbeschwerden bedarf es deshalb nicht.
Nach den Feststellungen übergab die Lebensgefährtin
des gesondert Verfolgten Peter K. der Ehefrau des als Rechtsanwalt
zugelassenen Angeklagten in dessen Anwesenheit Bargeld in Höhe
von 13.250, DM, das - wie der Angeklagte wußte - in
Höhe von mindestens 2.000, DM aus Betrieben zur
Förderung der Prostitution stammte. Um seinem Mandanten K. die
Tatvorteile zu sichern, ließ der Angeklagte das Geld
entgegennehmen und auf dem Kostenblatt "als ´Zahlung vom
Mandanten´" buchen.
Nach der zum Zeitpunkt der Verurteilung noch geltenden Gesetzesfassung
hat das Landgericht zutreffend das Verhalten K. s als
Förderung der Prostitution gemäß §
180a Abs. 1 Nr. 2 StGB gewertet und dies als taugliche Vortat im Sinne
des § 257 Abs. 1 StGB behandelt. Der Schuldspruch kann jedoch
keinen Bestand haben, weil nach Art. 2 Nr. 2 des am 1. Januar 2002 in
Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse
der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 3983) der
Straftatbestand des § 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB entfallen ist.
Zwar ist die Verurteilung des Angeklagten nicht unmittelbar auf
§ 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB gestützt. Die
Begünstigung gemäß § 257 StGB
steht jedoch in einem solchen inneren
Abhängigkeitsverhältnis zur Vortat (vgl. BGHSt 14,
156, 158 zu § 257 StGB aF m. Anm. Dreher NJW 1960, 1163; BGH
wistra 1999, 103, 104; Stree in Schönke/Schröder StGB
26. Aufl. § 257 Rdn. 14; Rudolphi in SK-StGB 26. Lfg.
§ 2 Rdn. 8d; Hoyer in SK-StGB 52. Lfg. § 257 Rdn. 5;
Hassemer in NK-StGB 6. Lfg. § 2 Rdn. 40), daß der
eigenständige Schutzzweck des § 257 StGB, die
Sicherung von Vorteilen aus rechtswidrigen Taten, die
gemäß § 11 Nr. 5 StGB den Tatbestand eines
Strafgesetzes verwirklichen, seinen spezifischen Unrechtsgehalt
verliert, wenn der Bezugstatbestand wegfällt (vgl. BGHSt aaO;
ausdrücklich zu § 257 StGB: Stree aaO; Rudolphi aaO;
Hoyer aaO; Hassemer aaO; a.A. Jakobs, Strafrecht AT 2. Aufl. 4. Abschn.
Rdn. 72 Fn. 104; zu § 258 StGB: Eser in
Schönke/Schröder aaO § 2 Rdn. 27). Dieses
besondere Abhängigkeitsverhältnis findet seinen
gesetzlichen Ausdruck auch in § 257 Abs. 2 StGB, wonach der
Strafrahmen der Begünstigung durch den Strafrahmen der
Bezugstat begrenzt ist (vgl. BGHSt aaO; BGH wistra 1999, 103, 104;
Hassemer aaO). Dem Angeklagten kommt daher gemäß
§ 2 Abs. 3 StGB (mittelbar) zugute, daß das
festgestellte Verhalten des Vortäters nicht mehr strafbar ist.
Diese gemäß § 354a StPO vom
Revisionsgericht zu beachtende Gesetzesänderung führt
zur Aufhebung des Schuldspruchs. Der Senat kann den Schuldspruch nicht
aus anderen Gründen bestätigen, weil die bisher
getroffenen Feststellungen auch eine andere Vortat im Sinne des
§ 257 Abs. 1 StGB, als sie das Landgericht angenommen hat,
nicht belegen. Gleichwohl kann der Senat in der Sache nicht selbst
entscheiden und den Angeklagten freisprechen, weil nicht
auszuschließen ist, daß sich in einer neuen
Hauptverhandlung weitere Feststellungen treffen lassen, nach denen sich
die - noch dem geschichtlichen Lebenssachverhalt
gemäß § 264 StPO unterfallende - Vortat als
eine rechtswidrige Tat nach den Strafvorschriften der
§§ 180a ff. StGB darstellt.
2. Revision der Staatsanwaltschaft
Die von der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte
und wirksam auf den Fall F. II. der Urteilsgründe
beschränkte - vom Generalbundesanwalt vertretene - Revision
hat mit der zulässig erhobenen Rüge der Verletzung
des § 261 StPO Erfolg.
Das Landgericht hat den Angeklagten im Fall F. II. der
Urteilsgründe vom Vorwurf der Bedrohung "ohne Erhebung der
angebotenen Beweise aus rechtlichen Gründen" freigesprochen.
Mit der zugelassenen Anklage war dem Angeklagten insoweit zur Last
gelegt worden, während seiner Verhaftung gegenüber
zwei Personen nacheinander geäußert zu haben, den
für den Haftbefehl verantwortlichen Richter "umzubringen".
Über diese Geschehnisse sei der betroffene Richter informiert
worden. Nach der Auffassung des Landgerichts erfülle dieses
angeklagte Verhalten keinen Straftatbestand, da diese
Äußerungen "nach den gesamten Umständen ...
als bloße Verwünschungen einzuordnen" seien. Dazu
führt das angefochtene Urteil aus, daß sich der
Angeklagte "in einem Zustand hoher emotionaler Erregung" befunden habe,
was durch die - im Urteil wiedergegebene und gewürdigte -
Aussage eines Zeugen verdeutlicht werde.
Demgegenüber macht die Revision geltend, daß der im
Urteil genannte Zeuge nicht vernommen worden ist. Dieses Vorbringen
wird durch die Sitzungsniederschrift bewiesen (§ 274 StPO).
Damit sind die im Urteil getroffenen Feststellungen nicht aus den zum
Inbegriff der Hauptverhandlung gehörenden Vorgängen
gewonnen worden.
Auf dem Verstoß gegen § 261 StPO beruht der
Freispruch im Fall F. II. der Urteilsgründe. Denn das
Landgericht hat in seiner rechtlichen Beurteilung des im Anklagesatz
ausgeführten Lebenssachverhaltes, der grundsätzlich
den Tatbestand der Bedrohung erfüllen würde (zur
Abgrenzung von Bedrohung und Verwünschung vgl.
Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 241 Rdn. 10
m.w.N.), ausdrücklich auf die angebliche Aussage des Zeugen
abgehoben.
Auf die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht
(§ 244 Abs. 2 StPO) und die Sachrüge kommt es danach
nicht mehr an. Insoweit wird auf die Ausführungen des
Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 2. Oktober 2002
verwiesen.
Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanovic Ernemann |