BGH,
Urt. v. 4.12.2007 - 5 StR 404/07
5 StR 404/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
4.12.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten
Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4.
Dezember 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
als beisitzende Richter,
Richterin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
- 3 -
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Potsdam vom 16. März 2007 im Schuldspruch dahingehend
geändert, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt ist,
und im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum
bandenmä-ßigen Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und unter
Einbeziehung der am 23.11.2004 vom Amtsgericht Tiergarten in Berlin
verhängten Freiheitsstrafen (ein Jahr zwei Monate und neun
Monate) nach Auflösung der dort gebildeten
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf eine
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten erkannt.
Hinsichtlich eines weiteren Tatvorwurfs des
bandenmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat es
1
- 4 -
den Angeklagten freigesprochen. Die gegen die Verurteilung mit einer
Verfahrens- und der Sachrüge geführte Revision des
Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs und
Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
1. Das Landgericht hat sich auf der Grundlage der überwiegend
geständigen Angaben des Angeklagten und der Aussage des Zeugen
N. H. von dem folgenden Tatgeschehen überzeugt:
2
a) N. H. , ein entfernter Verwandter des Angeklagten und
spätestens ab 2003 Mitglied einer in Brandenburg mit Drogen
handelnden Bande um die gesondert Verfolgten R. und A. , wandte sich im
Frühjahr 2003 an den Angeklagten. Der Zeuge hoffte, dass der
Angeklagte, der damals einen Club in Göttingen betrieb, ihm
jemanden benennen könne, der in den Niederlanden zur
Beschaffung von Drogen in der Lage sei. N. H. wollte seine Stellung in
der Bande verbessern, indem er einen von R. und A. gewünschten
Ankauf von Amphetamintabletten in gro-ßer Menge aus den
Niederlanden zu vermitteln versuchte. Dies gelang ihm mit Hilfe des
Angeklagten. Dieser erklärte sich schließlich
bereit, ihm zu helfen, weil N. H. ihn einerseits permanent anrief oder
aufsuchte und ihn bedrängte, andererseits aber auch, weil N.
H. ihm Geld in Höhe von 3.000 Euro schuldete und ihm gesagt
hatte, dass er die Schulden bei Gelingen des beabsichtigten
Drogengeschäfts tilgen könne. Ein im kriminellen
Milieu Göttingens einflussreicher Bosnier übergab dem
Angeklagten die Mobiltelefonnummer des in den Niederlanden lebenden N.
. Der Angeklagte reichte diese Telefonnummer an N. H. weiter. Auf
dessen Bitten trat der Angeklagte später gegenüber R.
, A. und N. H. in einem Göttinger Cafe als scheinbar
souveräner und professioneller Drogenboss auf.
3
Nachdem am 19. Juni 2003 zwischen R. und A. auf der einen und N. auf
der anderen Seite die Lieferung von 5.000 Ecstasytabletten zu je einem
Euro verabredet worden war, rief der Angeklagte am
4
- 5 -
23. oder 24. Juni 2003 bei N. H. an und teilte mit, dass N. ihn davon
unterrichtet hätte, dass die bestellten Drogen
(Wirkstoffgehalt 250 g MDMA Base) in Leipzig abgeholt werden
könnten. Wenige Tage nach deren Übernahme durch N. H.
rief N. den Angeklagten erneut an und forderte von ihm die Zahlung des
restlichen Kaufpreises, falls R. und A. nicht alsbald zahlen
würden. Der Angeklagte fuhr sodann nach Brandenburg an der
Havel, um die Angelegenheit direkt mit R. und A. zu klären. R.
teilte dem Angeklagten mit, N. H. und A. hätten den
Restkaufpreis in einem Casino verspielt, und sicherte zu, die restliche
Schuld dem N. überweisen zu lassen. Dieser teilte dem
Angeklagten schließlich den Eingang von 2.250 Euro
telefonisch mit.
5
b) Anfang Juli 2003 lehnte der Angeklagte eine Mitwirkung an einem von
N. H. für R. und A. gewünschten Kauf von 1 kg
Amphetamin ab. Der dafür zur Verfügung stehende
Kaufpreis von 3.000 Euro erschien dem Angeklagten zu gering. Der
schließlich von N. H. als 1 kg Amphetamin für 3.000
Euro übernommene Stoff erwies sich als Zucker.
2. Das Landgericht hat ein täterschaftliches Handeltreiben des
Angeklagten hinsichtlich der 5.000 Ecstasytabletten mangels
Bandenzugehörigkeit des Angeklagten und fehlenden
Eigeninteresses abgelehnt. Die in Aussicht gestellte
Rückzahlung von 3.000 Euro durch N. H. genüge
für die Annahme eines eigenen Interesses des Angeklagten am
konkreten Drogengeschäft nicht.
6
Das Landgericht hat die gefundene Strafe dem nach § 27 Abs. 2,
§ 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30a
Abs. 1 BtMG entnommen.
7
Hinsichtlich des zweiten Tatvorwurfs hat es den Angeklagten aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen.
8
- 6 -
3. Die gemäß § 338 Nr. 6 StPO erhobene
Verfahrensrüge ist unzulässig.
9
a) Zwar trägt die Revision vor, dass das Landgericht mit der
folgenden Anordnung des Vorsitzenden anstatt durch Gerichtsbeschluss,
wie es § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG vorsieht, die
Öffentlichkeit ungesetzlich beschränkt hat:
„Im Einverständnis mit dem Angeklagten und dem
Verteidiger wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft die
Öffentlichkeit ausgeschlossen, da anderenfalls eine
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit eintreten
kann.“ Diese - im Übrigen mit dem Wortlaut der in
§ 172 GVG genannten Ausschließungsgründe
nicht vollständig übereinstimmende - Anordnung
begründet nach tradiertem Verständnis (vgl. RGSt 64,
385, 388 m.w.N.) den geltend gemachten absoluten Revisionsgrund (BGH
NStZ 1999, 371 [4 StR 585/98]), und zwar sogar bei eigener
Antragstellung des Angeklagten auf Ausschluss der
Öffentlichkeit (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl.
§ 338 Rdn. 46 m.w.N.), daher auch hier, bei erklärtem
Einverständnis des Angeklagten.
10
11
Der Senat bR. t nicht näher zu prüfen, ob die in
dieser Rechtsauffassung zum Ausdruck kommende Bedeutung des
Öffentlichkeitsgrundsatzes in dieser Verfahrenslage heutigen
Vorstellungen von Verfahrensgerechtigkeit in unerträglichem
Maß widerspricht und Anlass zur Prüfung einer
Verwirkung einer darauf gerichteten Verfahrensrüge gegeben ist
(vgl. Basdorf StV 1997, 488, 492; Mosbacher JR 2007, 387, 389; vgl.
auch BGH NJW 2006, 3579, 3580). Der Senat weist lediglich auf Folgendes
hin: Der Angeklagte hat hier nach Prüfung der Sach- und
Rechtslage durch seinen Verteidiger ausdrücklich sein
Einverständnis mit einer bestimmten verfahrensbezogenen
Entscheidung - Ausschluss der Öffentlichkeit - als mit seinen
Interessen übereinstimmend erklärt. Warum er dann im
Revisionsverfahren berechtigt sein soll, in bewusster Abkehr von seinem
in der Hauptverhandlung sachgerecht bekundeten Willen die Aufhebung des
Sachurteils - zumal nicht etwa wegen einer sachlich verfehlten
Einschränkung der Öffentlichkeit, sondern allein
wegen eines formalen Fehlers - zu erlangen, er-
- 7 -
scheint widersprüchlich und erschließt sich weder
aus der Interessenlage des Angeklagten noch aus dem Bedürfnis
nach Einhaltung wesentlicher unverzichtbarer
Verfahrensgrundsätze.
b) Jedenfalls genügt das Revisionsvorbringen nicht dem
Erfordernis vollständigen Tatsachenvortrags nach §
344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Wegen der besonderen Fallkonstellation des
Teilfreispruchs hätte es weiteren Vortrags bedurft, um den
Senat in die Lage zu versetzen, zu prüfen, ob § 338
Nr. 6 StPO deshalb unanwendbar ist, weil das Beruhen des Urteils auf
dem Fehler denkgesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. BGHR StPO §
338 Aufhebungsumfang 1; § 338 Nr. 6 StPO Ausschluss 3; BGH
NStZ 1999, 371 [1 StR 636/98]; Meyer-Goßner aaO §
338 Rdn. 50b). Die Revision hätte hierzu ausnahmsweise
jedenfalls pauschal den Gegenstand der Aussage des Zeugen Ar. mitteilen
müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2004 - 4 StR 67/04;
BGH, Beschluss vom 8. August 2007 - 2 StR 224/07). Nur in dessen
Kenntnis könnte in der Sache entschieden werden, ob die unter
Verstoß gegen die Vorschriften über die
Öffentlichkeit der Hauptverhandlung erfolgte Zeugenvernehmung
überhaupt zur Verurteilung des Angeklagten herangezogen worden
ist und nicht etwa allein den der Freisprechung des Angeklagten anheim
fallenden Tatkomplex betroffen hat (vgl. dazu UA S. 10 f., 13). Das
Verbot einer Rekonstruktion der Hauptverhandlung, das primär
Verfahrensrügen grundlegend einschränkt, die auf eine
Verletzung des § 261 StPO gestützt sind, wird durch
die hier verlangte Vortragspflicht nicht berührt, zumal keine
Wiedergabe des Inhalts der Zeugenaussage im Einzelnen verlangt wird,
sondern eine eher pauschale Bezeichnung des Vernehmungsgegenstands
ausreichen wird.
12
4. Die Sachrüge nötigt zur Änderung des
Schuldspruchs und Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
13
a) Das Landgericht hat bei seiner Subsumtion übersehen, dass
die bei dem Angeklagten fehlende Bandenzugehörigkeit ein
strafschärfendes per-
14
- 8 -
sönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB
darstellt (BGH, Beschluss vom 3. April 1992 - 4 StR 131/92, StV 1992,
379 [L]; Weber, BtMG 2. Aufl. § 30 Rdn. 75;
Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 28 Rdn. 9; vgl.
auch BGHSt [GS] 12, 220, 226; BGHSt 46, 120, 128), was wegen der beim
Teilnehmer in einem solchen Fall vorzunehmenden Tatbestandsverschiebung
(vgl. BGHSt 6, 308, 310; BGHR StGB § 28 Abs. 2 Merkmal 2; BGH
NStZ-RR 2007, 279, 280) hier eine Anwendung des § 30a Abs. 1
BtMG zum Nachteil des Angeklagten ausschließt. Auf die in der
Sache unzutreffenden Einwände der Revision gegen die Annahme
des Landgerichts, R. , A. und N. H. hätten sich zu einer Bande
von Betäubungsmittelhändlern zusammengeschlossen,
kommt es demnach nicht an.
15
b) Der Senat ist indes nicht gehalten, den Schuldspruch - wie es danach
folgerichtig geboten wäre - auf Beihilfe zum Grunddelikt, dem
unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), umzustellen. Das
Landgericht ist nämlich bei seiner Subsumtion rechtsfehlerhaft
zugunsten des Angeklagten von Beihilfe statt von Täterschaft
ausgegangen. Dies ist vom Revisionsgericht dahingehend zu korrigieren,
dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs.
1 Nr. 2 BtMG) zu verurteilen ist.
aa) Dieser Eingriff des Revisionsgerichts ist auch bei der hier
alleinigen Urteilsanfechtung durch den Angeklagten zulässig
und geboten, weil auch dadurch noch eine Beschwer des Angeklagten
beseitigt wird (vgl. Meyer-Goßner aaO § 354 Rdn. 17)
und ansonsten das Revisionsgericht genötigt wäre,
einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten zu vertiefen, was nicht
Gegenstand seines Rechtsmittelangriffs sein kann.
16
Die Beschwer des Angeklagten liegt in Folgendem: Der Angeklagte ist
durch die Verurteilung wegen Beihilfe zum
bandenmäßigen Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus einem mit zwei
Jahren
17
- 9 -
Freiheitsstrafe beginnenden Strafrahmen verurteilt worden. Bei dem
Schuldspruch wegen unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge würde die
Strafe dagegen aus einem mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr
beginnenden Strafrahmen entnommen werden und eröffnete dem
Angeklagten die zusätzliche Chance, bei der Anwendung der neu
zu prüfenden Vorschrift des § 29a Abs. 2 BtMG eine
noch mildere Sanktion zu erreichen. Im Blick auf die bisher noch im
untersten Bereich des Strafrahmens gefundene Strafe kann dem Umstand,
dass der Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG über den
bisher vom Landgericht angewandten hinausreicht, keine Bedeutung
zukommen.
bb) Der Angeklagte ist auf der Grundlage der fehlerfrei getroffenen
Feststellungen des täterschaftlichen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig.
18
19
(1) Das Landgericht hat das Merkmal der Eigennützigkeit des
Handeltreibens (vgl. BGHSt [GS] 50, 252, 256; Weber, BtMG 2. Aufl.
§ 29 Rdn. 212 m.w.N.) zu Unrecht verneint. Der Angeklagte
hätte eigennützig gehandelt, falls er seine
Tatbeiträge auch geleistet hätte, weil er sich einen
persönlichen Vorteil versprochen hat, durch den er materiell
besser gestellt wird (vgl. BGHSt 34, 124, 126; BGHR BtMG § 29
Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 48).
So liegt es hier. Der Angeklagte war Inhaber eines nicht liquiden
Zahlungsanspruchs gegen N. H. über 3.000 Euro. Nur eine
erfolgreiche Durchführung des Rauschgiftgeschäfts
hätte die Zahlungsfähigkeit des Schuldners des
Angeklagten hergestellt und zur Begleichung der Schuld
geführt. In diesem, dem Angeklagten glaubhaft bekannt
gewordenen Geschehensablauf liegt ein Vermögensvorteil
für den Angeklagten als Gläubiger, den der Angeklagte
durch seine Vermittlungstätigkeit mit verfolgt hat. Er
handelte demnach eigennützig.
20
- 10 -
(2) Im Übrigen belegen die Feststellungen eine so wesentliche
Förderung des Rauschgiftgeschäfts insgesamt
(erfolgreiche Vermittlung des Lieferanten im Ausland; Mitwirkung bei
der Übergabe und der Bezahlung des Rauschgifts), dass eine
täterschaftliche Begehungsweise auf der Hand liegt (vgl. BGH
NJW 2007, 1220; zur Aufnahme in BGHSt bestimmt).
21
(3) An der Schuldspruchänderung ist der Senat durch §
265 Abs. 1 StPO nicht gehindert. Schon die Anklage lautete auf
täterschaftliches Handeltreiben.
22
5. Demnach sind die Strafe und die Gesamtstrafe neu zu bestimmen. Der
Aufhebung von Feststellungen bedurfte es bei dem hier vorliegenden
Wertungsfehler nicht, so dass der neue Tatrichter die Strafe auf der
Grundlage der bisherigen Feststellungen zu bestimmen haben wird, die
freilich um solche Feststellungen ergänzt werden
dürfen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
23
Basdorf Raum Brause
Schaal Jäger |