BGH,
Urt. v. 4.12.2008 - 4 StR 438/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 438/08
vom
4. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Totschlags u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4.
Dezember 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kuckein,
Athing, Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Magdeburg vom 13. Mai 2008 im Schuldspruch dahin abgeändert,
dass die Angeklagten der Körperverletzung mit Todesfolge und
des versuchten Totschlags schuldig sind.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Von der Auferlegung von Kosten und Auslagen wird abgesehen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Totschlags verurteilt und
gegen den Angeklagten B. unter Einbeziehung eines weiteren Urteils eine
Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren sowie gegen den Angeklagten S.
eine Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten
verhängt. Hiergegen richten sich die Revisionen der
Angeklagten, die die Verletzung formellen und materiellen Rechts
(Angeklagter B. ) bzw. materiellen Rechts (Angeklagter S. )
beanstanden. Die Rechtsmittel führen auf die Sachrüge
hin zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen -
auch hinsichtlich der vom Angeklagten B. erhobenen
Verfahrensrügen - haben sie keinen Erfolg.
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I.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen entschlossen sich
die Angeklagten, Burkhard G. , den Nachbarn der Mutter des Angeklagten
S. , „heftig körperlich zu
züchtigen“, da dieser - so nahmen die Angeklagten an
- der Mutter des Angeklagten S. Geld entwendet und den Angeklagten B.
sowie dessen Eltern beleidigt hatte.
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Als Burkhard G. den Diebstahl des Geldes abstritt, schlug der
Angeklagte S. mit Händen und Fäusten immer heftiger
auf dessen Kopf, Oberkörper und Rücken ein.
Anschließend bestätigte Burkhard G. auf Frage des
Angeklagten B. die beleidigenden Äußerungen
über diesen und dessen Eltern. Darüber geriet der
Angeklagte B. in Wut, schlug mit den Fäusten auf den
Oberkörper des Burkhard G. ein, trat mehrmals in dessen
Rücken und schließlich mit so großer Wucht
gegen die Nieren, dass dieser nach vorn sackte, zu röcheln
begann und vom Bett rutschte. Anschließend stellte der
Angeklagte B. sich auf das am Boden liegende Opfer und sprang
mindestens sechs Mal auf dessen Rücken. "Danach" erkannten
beide Angeklagte, dass das Leben ihres Opfers konkret
gefährdet sein könnte. Gleichwohl warf der Angeklagte
B. eine hölzerne Wäschetruhe auf Burkhard G. , die
diesen zwischen Rücken und Kopf traf. Hierbei - aber auch bei
den vorangegangenen Verletzungshandlungen - sahen beide Angeklagte
voraus, dass dies zum Tod des Burkhard G. führen konnte.
Anschließend versuchte der Angeklagte B. , den Puls des
regungslos auf dem Boden liegenden Burkhard G. zu fühlen.
Nachdem ihm dies nicht gelungen war, wollten der Angeklagte S. , der
Springerstiefel mit festen Sohlen und Stahlkappen trug, und der
Angeklagte B. , der Turnschuhe anhatte, durch jeweils mehrere
Fußtritte an den Kopf, „den Geschädigten
wieder wachmachen“ und Sicherheit über dessen Tod
oder Leben
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gewinnen. Hierbei nahmen sie für den Fall, dass dieser noch
nicht eingetreten war, den Tod des Burkhard G. billigend in Kauf.
Burkhard G. verstarb an Verbluten nach innen infolge eines durch die
Schläge und Fußtritte gegen den Oberkörper
verursachten Abrisses der Milzblutader. Nicht todesursächlich
waren die durch Sprünge auf den Rücken verursachten
Verletzungen der Rippen und der Wirbelsäule. Der genaue
Todeszeitpunkt konnte „wissenschaftlich exakt“
nicht bestimmt werden. Ob die Tritte gegen den Kopf den Todeseintritt
zumindest beschleunigt haben oder ob das Opfer zu diesem Zeitpunkt
bereits verstorben war, vermochte das Landgericht ebenfalls nicht
festzustellen.
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II.
Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen vollendeten
Totschlags nicht; sie belegen indes, dass die Angeklagten der
Körperverletzung mit Todesfolge und des versuchten Totschlags
schuldig sind.
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Kann bei Tätern, die während ihrer Handlungen vom
Körperverletzungs- zum Tötungsvorsatz
übergehen, nicht ausgeschlossen werden oder steht fest, dass
die zum Tod führenden Handlungen
„lediglich“ mit Körperverletzungsvorsatz
ausgeführt wurden, scheidet eine Verurteilung wegen
vollendeten Totschlags aus; vielmehr ist dann
regelmäßig wegen Körperverletzung mit
Todesfolge und versuchtem Totschlag zu verurteilen (BGH NJW 1989, 596,
597; BGH NStZ 1992, 277, 278; BGH bei Holtz MDR 1977, 282). Auf dieser
Grundlage schied hier eine Verurteilung wegen vollendeten Totschlags
aus, weil der durch die Schläge und Fußtritte der
Angeklagten gegen den Oberkörper ihres Opfers verursachte
Abriss der Milzblutader nach den von der Jugendkammer getroffe-
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nen Feststellungen dem vom Körperverletzungsvorsatz getragenen
ersten Tatteil zuzuordnen ist. Jedoch waren diese Misshandlungen mit
der Gefahr des Todes des Burkhard G. verbunden, der objektiv und auch
für die Angeklagten vorhersehbar war, so dass die Angeklagten
den Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge
verwirklicht haben.
Ferner belegen die Feststellungen, dass beide Angeklagte im zweiten
Tatteil mit Tötungsvorsatz gehandelt, also einen versuchten
Totschlag begangen haben. Hierbei ist ohne Bedeutung, ob Burkhard G.
schon vor diesen Misshandlungen verstorben war (vgl. BGH NStZ 1992,
277, 278 m.w.N.). Anders als in den Fällen, in denen die
Täter ohne Zäsur im Tatgeschehen vom
Körperverletzungs- zum Tötungsvorsatz
übergehen, stellt sich jedoch das zweiaktige Geschehen wegen
der Unterbrechung zur Untersuchung des Tatopfers nicht als
natürliche Handlungseinheit dar, vielmehr stehen die
Körperverletzung mit Todesfolge und der versuchte Totschlag
zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit (vgl. BGH NStZ-RR
1999, 101).
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III.
Der Senat kann den Schuldspruch selbst entsprechend abändern,
da der Jugendkammer bei vollständigen Feststellungen lediglich
ein Subsumtionsfehler unterlaufen und auszuschließen ist,
dass sich die Angeklagten gegen diesen Vorwurf anders als geschehen
hätten verteidigen können.
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Die Änderung des Schuldspruchs erfordert nicht die Aufhebung
der Strafaussprüche. Denn weder die vom Landgericht bei der
Bemessung der Jugendstrafen in den Vordergrund gestellte Dauer der
erforderlichen erzieheri-
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schen Einwirkung noch die Belange eines gerechten Schuldausgleichs
werden von der Schuldspruchänderung berührt.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Mutzbauer |