BGH,
Urt. v. 4.2.2004 - 2 StR 355/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 355/03
vom
4.02.2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Verdachts der Untreue und des Betrugs
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4.
Februar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Roggenbuck,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Darmstadt vom 16. Dezember 2002 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch
entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur
Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten H. vom Vorwurf der Untreue,
den Angeklagten B. vom Vorwurf des Betrugs in jeweils sechs
Fällen
aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dem
Angeklagten H. war
zur Last gelegt, als Leiter der Abteilung Ba. geschäfte bei
der Firma M.
KGaA in D. ab April 1997 im Zusammenwirken mit dem Angeklagten
B. Aufträge im Außenhandelsbereich erteilt zu haben,
ohne daß den jeweiligen
Transaktionen Kompensationsgeschäfte der Firma M. KGaA
zugrunde lagen. Dem Angeklagten B. lag zur Last, nach Anweisung der
jeweiligen Zahlungen an Drittfirmen die Rechnungsbeträge der
Firma D.
& H. GmbH, eine Außenhandelsgesellschaft, deren
alleiniger Gesellschafter
und allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer er
war, in
Rechnung gestellt zu haben, obwohl ihm bekannt war, daß
dieses Unternehmen
aufgrund seiner ökonomischen Situation nicht in der Lage sein
würde, die
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übernommenen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.
Dabei sei es den Angeklagten
durch die Fertigung von Scheinrechnungen gelungen,
Umsatzgeschäfte
vorzutäuschen und die Geltendmachung von
Zahlungsansprüchen
durch die Firma M. KGaA erheblich zu verzögern. Der Firma M.
KGaA
sei durch das Vorgehen der Angeklagten ein Gesamtschaden in
Höhe von
8.267.035 DM entstanden.
Das Landgericht hat demgegenüber festgestellt, daß
es sich bei den
sechs angeklagten Geschäften nicht um vorgetäuschte
Umsatzgeschäfte gehandelt
habe. Die Verluste der Firma M. KGaA beruhten vielmehr auf
unternehmerischen
Fehlentscheidungen, die einerseits der Angeklagte H.
für die Firma M. KGaA und andererseits der Angeklagte B.
für die Firmen
D. & H. GmbH, B. & Co GmbH, G. I
GmbH (die sogenannte B. gruppe) und für die L. T. PTE Ltd.,
die er zusammen mit dem in S. ansässigen Geschäftsmann
E. erworben hatte und die als alleiniger Importeur von M. produkten
installiert
werden sollte, getroffen hatten. Ein strafbares Verhalten sieht die
Strafkammer
auch nicht darin, daß der Angeklagte H. als Angestellter der
Firma M. KGaA zusammen mit dem Angeklagten B. durch die angeklagten
Geschäfte hoch risikoreiche Finanzierungsgeschäfte
getätigt hat, die
mit dem eigentlichen Ba. geschäft nichts zu tun hatten, in dem
er Millionenbeträge
zur Zahlung freigegeben hat, ohne daß es die im
kaufmännischen Bereich
üblichen Dokumente und Handelspapiere oder auch nur
ausreichende
Sicherheiten gab oder ohne daß sie ihm vorlagen.
Gegen den Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf
die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Sie
macht geltend, das
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Landgericht habe zu Gunsten der Angeklagten den "Zweifelssatz" zu weit
ausgelegt.
Im übrigen habe das Landgericht zu Unrecht strafbare
Risikogeschäfte
verneint.
Das Rechtsmittel, das der Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung
nicht vertreten hat, hat keinen Erfolg.
Soweit sich die Beschwerdeführerin dagegen wendet,
daß das Landgericht
die angeklagten Scheingeschäfte als nicht erwiesen ansieht,
ist das
Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2
StPO.
Keinen Erfolg haben kann die Revision aber auch, soweit sie
vorträgt,
nach den Feststellungen habe der Angeklagte H. den Rahmen
zulässiger
"Risikogeschäfte" überschritten, er sei deshalb der
Untreue bzw. der Angeklagte
B. der Beihilfe zur Untreue schuldig.
Bei den verfahrensgegenständlichen Geschäften
handelte es sich zwar
nicht mehr um originär in den Verantwortungsbereich des
Angeklagten H.
fallende Ba. geschäfte, sondern um reine
Handelsgeschäfte und Vorfinanzierungen
durch die Firma M. KGaA, die der allgemeinen Marktpflege und auch
der allgemeinen Gewinnerzielung dienten. Gegenstand der
geschäftlichen Aktivitäten
waren gewinnträchtige Geschäftsmöglichkeiten
im asiatischen Wirtschaftsraum.
Bereits ab dem Jahre 1995 wurde ein umfangreiches Engagement
der Firma M. KGaA in Asien, insbesondere in China, gestartet, um
neue Märkte für die eigenen Produkte zu
erschließen. Dabei schaltete der Angeklagte
H. den ihm bekannten Mitangeklagten B. ein, der mit seinen
Firmen und mit der L. T. PTE Ltd. über eine Vielzahl von Kon-
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takten in dieser Region verfügte. Der Vorgesetzte des
Angeklagten H.
und die Geschäftsleitung der Firma M. KGaA hatten gegen die
Art dieser Geschäfte
grundsätzlich keine Einwände und waren sich der damit
verbundenen
spezifischen Risiken bewußt (UA S. 8/9). Im Rahmen dieser
Geschäftsbeziehungen
wurden zwischen März und September 1997 über die
Firmen des Mitangeklagten
B. Geschäfte getätigt, die alle zu ganz erheblichen
finanziellen
Verlusten der Firma M. KGaA führten. Dabei handelte es sich um
ein Cashmere-,
ein Harnstoff-, ein Rohrubinen-, ein Lichterketten-, ein
Apfelsaftkonzentrat-
und ein Stahlgeschäft, wobei deren Einzelheiten, vor allem die
vertraglichen
Konstruktionen im einzelnen nicht mehr aufgeklärt werden
konnten, da
genaue Dokumentationen fehlten.
Die Feststellungen der Strafkammer zu den einzelnen Geschäften
rechtfertigen entgegen dem Vorbringen der Revision nicht eine
Verurteilung
des Angeklagten H. wegen Untreue bzw. des Angeklagten B. wegen
Beihilfe zur Untreue. Der Angeklagte H. war verpflichtet, bei seiner
Tätigkeit
die für ihn geltenden kaufmännischen
Maßstäbe zu beachten. Bei den
vom ihm getätigten Geschäften handelte es sich um
sogenannte Risikogeschäfte,
also um Geschäfte, die für den Treugeber das Risiko
des Vermögensverlustes
beinhalteten. Der Abschluß eines mit einem Risiko behafteten
Geschäfts
erfüllt aber nicht schon wegen des Risikos als solchem oder
wegen des
Eintritts eines Verlustes den Tatbestand der Untreue. Wirtschaftlich
vernünftige
Ausgaben im Rahmen kaufmännischen Unternehmergeistes
dürfen nicht ohne
weiteres pönalisiert werden. Ein riskantes Handeln, dessen
Folgen einen anderen
treffen, ist allerdings in der Regel pflichtwidrig, wenn der Handelnde
den
ihm gezogenen Rahmen nicht einhält, insbesondere die Grenzen
des verkehrsüblichen
Risikos überschritten hat (BGH wistra 1982, 148, 150; 1985, 190
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f.; vgl. im einzelnen Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl.,
§ 266 Rdn. 42 ff.;
Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl.
§ 266 Rdn. 20 ff.; Nack
in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht 3. Aufl.
§ 66 Rdn. 103 ff.
sowie Schmid ebenda § 31 Rdn. 115 ff.). Ein von § 266
StGB erfaßtes
(Risiko-)Geschäft liegt insbesondere dann vor, wenn der
Täter bewußt und
entgegen den Regeln kaufmännischer Sorgfalt eine
äußerst gesteigerte Verlustgefahr
auf sich nimmt, nur um eine höchst zweifelhafte Gewinnaussicht
zu
erhalten (BGH NStZ 1990, 437 f.). Für die Beurteilung des
eingeräumten Spielraums
maßgebend ist dabei das zugrundeliegende
Treueverhältnis, danach
beurteilt sich, wie weit diesem das Eingehen oder Vermeiden von
Verlustrisiken
innewohnt, sowie ob und in welchem Umfang sich eine Begrenzung der
Dispositionsmacht
daraus ergibt.
Diese rechtlichen Grundlagen hat die Strafkammer bei ihrer Entscheidung
beachtet. Die Beweiswürdigung selbst weist entgegen der
Ansicht der
Beschwerdeführerin keinen im Revisionsverfahren zu
beanstandenden
Rechtsfehler auf. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil
er Zweifel
an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so
ist dies durch das Revisionsgericht
in der Regel hinzunehmen. Dieses hat insoweit nur zu beurteilen,
ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler
unterlaufen sind. Das
ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung
widersprüchlich, unklar oder lückenhaft
ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze
verstößt.
Rechtlich zu beanstanden sind die Beweiserwägungen auch dann,
wenn sie
erkennen lassen, daß das Gericht überspannte
Anforderungen an die zur Verurteilung
erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei nicht
beachtet
hat, daß eine absolute, das Gegenteil denknotwendig
ausschließende und von
niemandem anzweifelbare, Gewißheit nicht erforderlich ist,
vielmehr ein nach
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der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit
genügt, das vernünftige
und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten
gegründete Zweifel nicht
zuläßt (st. Rspr.).
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Ein solcher Rechtsfehler liegt nach Ansicht des Senats nicht vor. Die
vom Angeklagten H. getätigten sechs von der Anklage
erfaßten Geschäfte
waren im Rahmen seines Geschäftsbereichs erlaubt und wurden
von dessen
Vorgesetzten grundsätzlich auch gebilligt. Die
Verfügungsbefugnis des Angeklagten
H. war vor allem angesichts seines - wie den Verantwortlichen der
Firma M. KGaA bekannt war - genauen Regelungen nicht
zugänglichen Arbeitsbereichs
nicht konkret bestimmt, die Grenzen seiner Tätigkeiten wurden
auch nicht so gehandhabt, daß sein Vorgehen bei den sechs zu
erheblichen
Verlusten führenden Geschäften als ein -
strafbewehrtes - Überschreiten seiner
Verfügungsbefugnis gewertet werden kann.
Nach den Feststellungen bestanden zum Zeitpunkt der Anbahnung der
sechs Geschäfte insbesondere auch keine konkreten
Dokumentationsverpflichtungen
für den Angeklagten H. . In seiner Abteilung war es schon
zuvor seit Jahren üblich gewesen, nur in Einzelfällen
konkrete schriftliche Verträge
zu schließen. Es war ebenfalls durchaus üblich,
daß es zwischen den
beteiligten Geschäftspartnern nur zu mündlichen
Absprachen kam oder aber
lediglich ein kurzer Schriftverkehr über den Inhalt des
jeweiligen Geschäftes
geführt wurde. Viele Geschäfte standen unter dem
Motto "Vertrauen gegen
Vertrauen", so daß auf Sicherheiten verzichtet wurde. Es war
auch nicht ungewöhnlich,
größere Geldbeträge aufgrund von
Proforma-Rechnungen zur Zahlung
anzuweisen, und erst später die Originalrechnung in Empfang zu
nehmen.
Im übrigen fehlte eine eindeutige Abgrenzung von allgemeiner
Geschäftskorrespondenz
zu Belegen der Geschäftsbuchhaltung (UA S. 12). Dieser Umstand
wurde erstmals in einem Bericht der Konzernrevision über die
Prüfung der
Ba. aktivitäten der Firma M. KGaA im April 1998 moniert und es
wurden
organisatorische Verbesserungen vorgeschlagen (UA S. 48). Das letzte Ge-
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schäft (Stahlgeschäft) im September 1997 war zwar
angesichts der finanziellen
Situation der Ba. gruppe, da diese nunmehr vor dem Konkurs stand,
besonders
risikoreich. Es war aber als reines Finanzierungsgeschäft, wie
die
Strafkammer rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, vom Zeugen Dr.
Sch. , dem für
die Tätigkeiten des Angeklagten H. zuständigen
Mitglied der Geschäftsleitung
der Firma M. KGaA (vgl. UA S. 115-120, 178) ausdrücklich
genehmigt.
Eine Verurteilung der Angeklagten wegen Untreue bzw. wegen Anstiftung
zur
Untreue scheidet schon deshalb aus.
Rissing-van Saan Detter Bode
Otten Roggenbuck |