BGH,
Urt. v. 4.3.2010 - 3 StR 559/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 559/09
vom
4. März 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.
a.
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4.
März 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten N. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Oldenburg vom 4. August 2009 wird
a) das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
und das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagten im Fall II. 12.
der Urteilsgründe jeweils wegen Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
verurteilt worden sind; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des
Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse
zur Last;
b) das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
soweit die Angeklagten verurteilt worden sind; jedoch bleiben die
Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme der
Feststellungen zum Nichtvorliegen bandenmäßiger
Begehungsweise aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in zwei Fällen sowie wegen Beihilfe zum
unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in acht Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von
vier Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten N. hat es wegen
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe
zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in fünf Fällen eine
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten
verhängt. Außerdem hat es die Einziehung mehrer
Mobiltelefone mit Zubehör, den Verfall i. H. v. 30.718,35
€ (Angeklagter N. ) sowie den Verfall von Wertersatz i. H. v.
11.000 € (Angeklagter B. ) bzw. 5.200 € (Angeklagter
N. ) angeordnet. Von jeweils zwei Tatvorwürfen hat es die
Angeklagten freigesprochen.
1
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten der
Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung formellen und sachlichen
Rechts gestützten Revision gegen die unterlassene Verurteilung
der Angeklagten als Mitglieder einer Betäubungsmittelbande
(§ 30 a Abs. 1 BtMG), die Strafzumessung, die Höhe
des angeordneten Verfalls von Wertersatz sowie gegen die
Teilfreisprüche.
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Das vom Generalbundesanwalt überwiegend vertretene
Rechtsmittel führt im Fall II. 12. der Urteilsgründe
zur Einstellung des Verfahrens. In den weiteren Fällen der
Verurteilung hat es mit der Aufklärungsrüge den aus
der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg. Es führt im Fall II.
2. der Urteilsgründe zur Auf-
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hebung des Schuldspruchs und im Fall II. 1. der Urteilsgründe
zur Aufhebung des Strafausspruchs auch zu Gunsten der Angeklagten
(§ 301 StPO). Erfolglos bleibt das Rechtsmittel, soweit es
sich gegen die Teilfreisprüche richtet.
I. Im Fall II. 12. der Urteilsgründe (Fall II. 11. der
Anklage) war das Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen, weil
es sich insoweit um eine Tat handelt, die nicht von der Anklage sowie
dem Eröffnungsbeschluss umfasst war und deshalb von der
Strafkammer ohne eine Nachtragsanklage nicht hätte abgeurteilt
werden dürfen.
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Nach der zugelassenen Anklage lag den Angeklagten insoweit zur Last, in
der Zeit vom 21. September bis zum 27. September 2007 mindestens 145
Gramm Kokain oder den Kaufpreis für geliefertes Kokain i. H.
v. 4.378 € zwischen einem
Betäubungsmittelhändler aus den Niederlanden und dem
Abnehmer in der Schweiz mit einem angemieteten Fahrzeug transportiert
zu haben, wobei der Angeklagte B. von dem aus der Tat erlangten Geld am
25. September 2007 in bar 4.000 € auf sein Postbankkonto
einbezahlt haben soll. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil
fuhren die Angeklagten in der Zeit vom 21. Juli bis 29. Juli 2007 mit
einem von der Firma Sixt angemieteten Pkw in die Schweiz, holten dort
mindestens 25.000 Schweizer Franken (SF) ab und brachten das Geld
für einen Kurierlohn von 5 % nach Amsterdam zu ihrem
Auftraggeber.
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Gegenstand der Urteilsfindung ist gemäß §
264 Abs. 1 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach
dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt. Tat im Sinne dieser
Vorschrift ist ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von
anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und
innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht
haben soll (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 264
Rdn. 2 m. w. N.). Verändert sich im
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Laufe eines Verfahrens das Bild des Geschehens, das die Anklage
umschreibt, so kommt es darauf an, ob die "Nämlichkeit der
Tat" trotz der Abweichungen noch gewahrt ist. Dies ist - ungeachtet
gewisser Unterschiede - dann der Fall, wenn bestimmte individuelle
Merkmale die Tat weiterhin als einmaliges, unverwechselbares Geschehen
kennzeichnen (vgl. BGHSt 46, 130, 133; BGH NStZ 2002, 659).
Nach diesem Maßstab ist die Tat II. 12. der
Urteilsgründe nicht Gegenstand der Anklage. Das festgestellte
Geschehen entspricht vor allem hinsichtlich der Tatzeit aber auch der
Währung sowie der Geldsumme nicht der in der Anklageschrift
geschilderten Tat. Da auch im Übrigen eine
Übereinstimmung zwischen angeklagter und abgeurteilter Tat
anhand individueller Merkmale nicht besteht, ist von zwei
unterschiedlichen prozessualen Taten auszugehen.
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II. Die zulässig erhobene Aufklärungsrüge,
das Landgericht habe es rechtsfehlerhaft unterlassen, zum Fall II. 2.
der Urteilsgründe den Abnehmer des Kokains H. bzw. den
Vernehmungsbeamten aus der Schweiz zu vernehmen sowie die Erkenntnisse
aus der in der Schweiz durchgeführten
Telekommunikationsüberwachung als Beweismittel in die
Hauptverhandlung einzuführen (§ 244 Abs. 2 StPO), hat
Erfolg.
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1. Nach den Feststellungen transportierten die Angeklagten für
die in den Niederlanden lebenden, nicht identifizierten
Betäubungsmittelhändler P. und A. Kokain oder aus dem
Verkauf von Kokain stammendes Geld. Im Einzelnen hat das Landgericht
folgende Fahrten festgestellt:
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P. kaufte von dem Lieferanten "O. " aus Mali ein Kilogramm Kokain, das
der Kurier E. inkorporiert am 17. Oktober 2007 mit dem Flugzeug nach
Frankfurt/Main brachte. Der Angeklagte B. hatte den Kontakt zwischen P.
und "O. " hergestellt und den Kurier vermittelt. Beide Ange-
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klagte holten mit einem von dem Angeklagten N. angemieteten und
gesteuerten Pkw den Kurier vom Flughafen ab und brachten ihn in die
Wohnung des P. in Amsterdam, wo er das Kokain ausschied. Als Entlohnung
erhielten die Angeklagten von P. 200 € (Angeklagter B. ) und
100 € (Angeklagter N. ). Der Angeklagte B. zahlte an den
Kurier 3.500 €, die er zuvor von P. erhalten hatte (Fall II.
1. der Urteilsgründe).
Am 30. Juli 2008 übernahmen beide Angeklagte in Amsterdam von
P. oder A. vier Kilogramm Kokain, das sie über Deutschland in
die Schweiz brachten oder durch einen von ihnen begleiteten Transport
bringen ließen und dort dem gesondert verfolgten Abnehmer H.
übergaben. Sie erhielten als Kurierlohn von P. 8.000 bis 8.500
SF, die sie unter sich aufteilten (Fall II. 2. der
Urteilsgründe).
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In den Fällen II. 3. bis 11. der Urteilsgründe holten
die Angeklagten für Lieferungen von mindestens einem Kilogramm
Kokain in der Schweiz jeweils den Verkaufspreis ab und brachten das
Geld zu ihren Auftraggebern P. oder A. nach Amsterdam. In einem Fall
transportierten sie gemeinsam mindestens ca. 25.000 SF. Der Angeklagte
B. beförderte in einem Fall 80.000 SF, in einem Fall
mindestens 30.000 SF und in vier weiteren Fällen mindestens
25.000 SF allein, wobei in einem Fall A. der Auftraggeber war. Der
Angeklagte N. transportierte in einem Fall für A. 30.000 SF
allein. Als Kurierlohn erhielten sie jeweils mindestens ca. 5 % des
transportierten Geldes. Bei einem weiteren Geldtransport für
P. wurden bei einer Grenzkontrolle die vom Angeklagten N.
mitgeführten 30.718,35 € sichergestellt. In sechs
Fällen konnte nicht festgestellt werden, ob P. oder A. der
Auftraggeber war.
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2. Eine Verurteilung wegen bandenmäßiger
Begehungsweise hat das Landgericht abgelehnt und hierzu im Wesentlichen
ausgeführt: Der für die An-
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nahme einer Bande erforderliche Zusammenschluss von mindestens drei
Personen habe nicht festgestellt werden können. Es seien keine
konkreten Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die
Betäubungsmittelhändler P. und A. gemeinsam
Kokaingeschäfte durchgeführt oder sich gekannt haben.
Dasselbe gelte für eine ausdrückliche oder
stillschweigende Abrede zwischen den zwei Angeklagten einerseits und
den Betäubungsmittelhändlern P. oder A. andererseits,
dauerhaft gemeinsam Betäubungsmitteldelikte zu begehen. Im
Fall II. 1. der Urteilsgründe habe eine Einbindung des
Angeklagten N. in eine gemeinsame Absprache zwischen P. und dem
Angeklagten B. nicht festgestellt werden können; vielmehr
spreche der Tatablauf eher dafür, dass er nur eine
untergeordnete Funktion als Fahrer eingenommen habe. Etwas anderes
ergebe sich auch nicht aus dem Inhalt überwachter
Telefongespräche vom 20. Oktober 2008, aus denen folge, dass
P. den Angeklagten N. erstmals direkt beauftragt und in den
übrigen Fällen nur mit dem Angeklagten B. Kontakt
gehabt habe.
3. Die von der Staatsanwaltschaft vermissten Beweiserhebungen
drängten sich auf, weil es sich um wesentliche Beweismittel
handelte, um die Identität des Auftraggebers im Fall II. 2.
der Urteilsgründe aufzuklären. Wer der Auftraggeber
war, hat das Landgericht aufgrund sich insoweit widersprechender
Angaben des Angeklagten B. offen gelassen. Eine
bandenmäßige Begehung hat es in allen
Fällen u. a. mit der Begründung abgelehnt,
Anhaltspunkte für eine Verbindung zwischen den Auftraggebern
P. und A. seien nicht erkennbar. Nach der polizeilichen Aussage des
Zeugen H. in Verbindung mit den Erkenntnissen der in der Schweiz
durchgeführten Telekommunikationsüberwachung war
indes A. der Auftraggeber. Da nach den Feststellungen P. bei derselben
Tat den Kurierlohn den Angeklagten auszahlte, hätte bei der
Feststellung des A. als Auftraggeber eine Verbindung zwischen P. und A.
nahe gelegen, sodass sich das Landgericht durch die vermisste Beweis-
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erhebung möglicherweise die Überzeugung von einer
Bandenabrede zwischen den Angeklagten, P. und A. für alle
Fälle verschafft hätte. Jedenfalls wäre es
ein weiteres Indiz von Gewicht für eine Bandenabrede zwischen
den Angeklagten und A. , wenn dieser in einem weiteren Fall als
Auftraggeber hätte festgestellt werden können. Eine
Vernehmung des Zeugen H. wäre zumindest im Wege der
Rechtshilfe in der Schweiz möglich gewesen.
4. Die erfolgreiche Aufklärungsrüge führt
zur Aufhebung des Urteils mit den zugehörigen Feststellungen,
soweit die Angeklagten verurteilt worden sind. Die Feststellungen zum
objektiven Tatgeschehen sind - mit Ausnahme des Fehlens einer
Bandenabrede - rechtsfehlerfrei getroffen worden und können
bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die dazu nicht in
Widerspruch stehen, insbesondere zum jeweiligen Auftraggeber, sind
zulässig.
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III. Im Übrigen hätte die Revision auch mit der
Sachrüge Erfolg.
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Einzelne Passagen der Begründung, mit der eine
bandenmäßige Begehung verneint worden ist,
könnten zur Besorgnis Anlass geben, die Strafkammer habe
aufgrund eines fehlerhaften rechtlichen
Prüfungsmaßstabes zu hohe Anforderungen an eine
Bandenabrede (vgl. hierzu BGHSt 47, 214, 218 f.; BGHSt 50, 160, 163 f.;
BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 1 Bande 6; BGH NStZ 2006, 176)
gestellt. Jedenfalls hätte der Schuldspruch in allen
Fällen deswegen keinen Bestand, weil die
Beweiswürdigung des Landgerichts, die der Ablehnung
bandenmäßigen Handelns zugrunde liegt,
Lücken aufweist (Meyer-Goßner aaO § 337
Rdn. 27 ff.) und die erforderliche Gesamtwürdigung aller
Indizien (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11)
vermissen lässt.
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1. Soweit das Landgericht ausführt, es sei nur in vier
Fällen konkret feststellbar gewesen, dass P. (Fälle
II. 1 und 3. der Urteilsgründe) bzw. A. (Fälle II. 5.
und 6. der Urteilsgründe) der Auftraggeber gewesen sei, hat es
nicht
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bedacht, dass im Fall II. 2. der Urteilsgründe der
Betäubungsmittelhändler P. den Angeklagten den
Kurierlohn ausbezahlte und somit an der Tat beteiligt war. Obwohl der
Angeklagte B. nach seinem Geständnis im Fall II. 7. der
Urteilsgründe A. als Auftraggeber genannt hat, hat das
Landgericht dies weder bei den Feststellungen noch in der
Beweiswürdigung zur Frage der bandenmäßigen
Begehung berücksichtigt.
2. Soweit sich das Landgericht nicht in der Lage gesehen hat, aus dem
Inhalt der überwachten Telefongespräche zwischen dem
Angeklagten B. und P. vom 20. Oktober 2008, insbesondere aus der
Äußerung von P. "Wir haben doch Sachen mit ihm (N. )
seit drei Jahren gemacht", ein gewichtiges Indiz für eine
dauerhafte Verbindung zwischen P. und den zwei Angeklagten zu
entnehmen, hat es nicht erkennbar in seine Überlegungen
einbezogen, dass die Äußerungen zu Beginn der
Gespräche auf ein weiteres Geschäft mit Em. (N. )
hindeuten (P. : "Ich habe jemanden aus Afrika gefunden, der sich
bereiterklärt hat. Em. möchte es nicht.") und sowohl
der Anlass als auch der Gesamtzusammenhang der
Äußerung es nahe legen, bei den seit Jahren
gemachten Sachen handle es sich um vergleichbare Geldtransporte
für Kokainlieferungen.
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3. Vor allem ist zu besorgen, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft
nicht alle für eine bandenmäßige
Begehungsweise sprechenden Umstände in seine
Beweiswürdigung einbezogen und diese lediglich einzeln
bewertet, nicht aber der erforderlichen Gesamtwürdigung (BGHR
StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11; BGH NStZ-RR 2004,
238, 239) unterzogen hat. Der relativ enge zeitliche Zusammenhang der
Taten im Zeitraum von Mai 2006 bis Oktober 2008, deren große
Anzahl ausschließlich für die Auftraggeber P. und A.
, der jeweils gleichartige, eingespielte Tatablauf in den
Fällen des Geldtransportes sowie die Höhe der den
Angeklagten anvertrauten Geldsummen sind gewichtige Indizien
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(vgl. BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 1 Bande 9), die bei einer
Gesamtschau mit den weiteren belastenden Umständen,
insbesondere der Äußerung des Angeklagten B.
gegenüber P. vom 20. Oktober 2008 bezogen auf den Angeklagten
N. "... Wir haben doch Sachen mit ihm seit drei Jahren gemacht",
für eine bandenmäßige Begehung sprechen
können.
IV. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt im Fall II. 2.
der Urteilsgründe zur Aufhebung des Schuldspruchs und im Fall
II. 1. der Urteilsgründe zur Aufhebung des Strafausspruchs
auch zu Gunsten der Angeklagten (§ 301 StPO).
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1. Bei dem zum Fall II. 2. der Urteilsgründe festgestellten
Tatgeschehen haben sich die Angeklagten lediglich wegen unerlaubter
Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum
unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils
nicht geringer Menge strafbar gemacht. Ein Kurier, dessen
Tätigkeit sich in dem Transport bzw. der Transportbegleitung
und der Übergabe des Rauschgifts erschöpft und ohne
weiteren Einfluss auf die Abwicklung des eigentlichen
Umsatzgeschäftes bleibt, ist bei der erforderlichen Abgrenzung
von Mittäterschaft und Beihilfe nach den allgemeinen
Grundsätzen lediglich der Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig (BGH NStZ 2007,
338 und 531; Winkler NStZ 2008, 444 f.). Solche Tätigkeiten
sind hinsichtlich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln als
untergeordnete Unterstützungshandlungen einzuordnen (vgl. BGHR
BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 56; BGH NStZ 2005, 228;
BGH StraFo 2007, 332; Weber, BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 482, 575
ff.).
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2. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht zu Lasten der Angeklagten
gewertet, dass die Grenze zur nicht geringen Menge deutlich
überschritten wurde, ohne den Wirkstoffgehalt des Kokains -
notfalls im Wege der Schätzung
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unter Berücksichtigung des Grundsatzes "im Zweifel
für den Angeklagten" - festzustellen. Damit hat es einen
für die Bestimmung des Schuldumfangs wesentlichen Umstand
(Weber aaO Vor §§ 29 ff. Rdn. 799 ff., 804 ff. m. w.
N.) offen gelassen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass
in den Fällen II. 1. und II. 2. der Urteilsgründe der
jeweilige Strafausspruch auf diesem Rechtsfehler beruht. In den
übrigen Fällen, in denen die Angeklagten den
Verkaufspreis für das Kokain transportierten, ist wegen der
verhängten Freiheitsstrafen von jeweils lediglich neun Monaten
ausgeschlossen, dass das Landgericht bei genauer Feststellung der
Wirkstoffmengen noch mildere Strafen verhängt hätte,
sodass sich der Rechtsfehler nicht zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt
hat.
V. Die Teilfreisprüche der Angeklagten B. (Fälle II.
9. und 13. der Urteilsgründe) und N. (Fälle II. 7.
und 11. der Urteilsgründe) halten rechtlicher
Überprüfung stand.
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Der Urteilsbegründung kann der jeweilige Tatvorwurf entnommen
werden. Die Strafkammer setzt sich in der Beweiswürdigung mit
den wesentlichen belastenden Indizien zwar knapp, aber noch ausreichend
auseinander und begründet ohne durchgreifenden Rechtsfehler,
aus welchen Gründen sie sich von den Straftaten, wegen der die
Angeklagten freigesprochen worden sind, nicht hat überzeugen
können. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht oder
sonstige Verfahrensfehler macht die Staatsanwaltschaft insoweit nicht
geltend. In ihrer Revisionsbegründung stützt sie sich
weitgehend auf urteilsfremdes Vorbringen, das im Rahmen der
Sachrüge nicht berücksichtigt werden kann. Im Fall
II. 7. der Urteilsgründe kam eine Verurteilung des Angeklagten
N. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln durch das Überlassen des
Tatfahrzeugs nicht in Betracht, weil er nach den Feststellungen weder
an der Fahrt beteiligt war noch von ihr wusste.
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VI. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung
und Entscheidung. Für das weitere Verfahren weist der Senat
auf Folgendes hin:
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Der neue Tatrichter wird bei der Entscheidung über den Verfall
zu prüfen haben, ob neben dem Kurierlohn auch die von der
Schweiz nach Amsterdam verbrachten Kaufpreise für die
Betäubungsmittel für verfallen zu erklären
sind. Nach dem §§ 73 ff. StPO zugrundeliegende
"Bruttoprinzip" unterliegen nicht nur die jeweiligen Gewinne
("Reinerlöse") dem Verfall, sondern ohne Abzug alle
Vermögenswerte, die dem Tatbeteiligten für die Tat
oder aus ihr in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind (st.
Rspr.; BGHSt 47, 369, 370 ff. und 50, 299, 309 f.; BGHR StGB §
73 c Härte 12 m. w. N.). Der einem Kurier
ausgehändigte Kaufpreis unterliegt in voller Höhe dem
Verfall oder dem Verfall von Wertersatz (BGHSt 51, 65, 68; BGHR StGB
§ 73 c Härte 12; BGH NStZ 2004, 440). Bei der
Verfallsentscheidung wird die Härtevorschrift des §
73 c StGB zu berücksichtigen sein.
27
Becker Pfister von Lienen
Hubert Schäfer |