BGH,
Urt. v. 4.9.2001 - 1 StR 232/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 232/01
vom
4. September 2001
in der Strafsache gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4.
September 2001, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof
Nack als Vorsitzender und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl,
Schluckebier, Dr. Kolz, Schaal als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwältin als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Regensburg vom 25. Januar 2001
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, daß
aa) die Verurteilungen wegen Bedrohung entfallen;
bb) sämtliche unter B. B. der Urteilsgründe
abgeurteilten Taten im Verhältnis von Tateinheit stehen;
b) im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung von
Sicherungsverwahrung abgesehen wurde, sowie im gesamten Strafausspruch.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an ein
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
1. Die Strafkammer hat festgestellt:
a) Am 2. März 2000 hatte der Angeklagte dem B. angeboten, mit
ihm und K. in seiner Wohnung über die Rückgabe
B. gehörender Möbel zu sprechen, die sich noch bei K.
befanden. Ohne daß B. hierfür einen
nachvollziehbaren Grund gegeben hätte, kündigte der
Angeklagte dort alsbald an, ihm den "Kopf weg(zu)pusten", und hinderte
B. mit Ohrfeigen und einem Faustschlag am Verlassen der Wohnung. In den
nächsten Stunden wurde B. von ihm vielfältig
mißhandelt, gequält und gedemütigt. Er
bedrohte ihn ständig mit dem Tod ("killen"; "häuten")
und gravierenden Verletzungen ("Eier abreißen"), "probierte"
Karateschläge an ihm aus und würgte ihn, bis er
seinen Geldbeutel herausgab, dem der Angeklagte einen Geldschein
entnahm, der dann verbrannt wurde. B. mußte die Schuhe von K.
küssen und er bekam vom Angeklagten seinen Ausweis in den Mund
geschoben.
b) Am 13. April 2000 hielt sich der Nebenkläger R. in der
Wohnung des Angeklagten auf, weil ihm dieser einen Arbeitsplatz
versprochen hatte. Als sich nichts ergab und R. wieder gehen wollte,
war die Tür verschlossen und der Angeklagte bedrohte R. mit
einer von diesem für echt gehaltenen Pistolenattrappe und
einem Messer, beschimpfte ihn und kündigte ihm an, "er sei
bald tot". Damit begann ein mehrtägiges, von der Strafkammer
im einzelnen geschildertes Martyrium R. s. In dessen Verlauf
mußte R. nicht nur Haus- und Küchenarbeiten
verrichten und nackt in eine Badewanne mit kaltem Wasser steigen,
sondern auch nackt herumkriechen, Schuhe und Fußboden
ablecken, Zigarettenkippen schlucken und den Urin des Angeklagten
trinken. Bei alledem wurde er nicht nur ständig mit dem Tod
bedroht, sondern auch körperlich schwer mißhandelt.
Der Angeklagte drückte unmittelbar über der Nase R. s
eine brennende Zigarette aus - nach etwa zehn Tagen war noch eine
gerötete Narbe festzustellen -, schlug auf den nackt
herumkriechenden R. mit Holzprügeln ein und schoß
jeweils aus der Nähe mit einem Luftgewehr in seinen rechten
Zeh und seine linke Hand und mit einem Gasrevolver in seine Genitalien.
2. Nach weitgehender Verfahrensbeschränkung hat die
Strafkammer das Geschehen zum Nachteil B. als Freiheitsberaubung in
Tateinheit mit Bedrohung und jeweils zwei Fällen der
Nötigung und der vorsätzlichen
Körperverletzung bewertet und hierfür eine
Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt.
Das Geschehen zum Nachteil R. hat die Strafkammer als
Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und Nötigung in
sieben Fällen angesehen sowie als gefährliche
Körperverletzung in fünf Fällen, die hierzu
jeweils in Tatmehrheit stehen, weil sie auf Spontanentschlüsse
zurückgingen. Für die Freiheitsberaubung und die
damit in Tateinheit stehenden Delikte hat sie vier Jahre
Freiheitsstrafe verhängt. Für die
gefährlichen Körperverletzungen wurden festgesetzt:
Zehn Monate wegen der Schläge mit den Holzprügeln,
ein Jahr und drei Monate für das Brennen mit der Zigarette,
ein Jahr und sechs Monate für den Schuß in den Zeh,
zwei Jahre für den Schuß in die Hand und drei Jahre
für den Schuß in die Genitalien.
Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben
Jahren gebildet. Von Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer abgesehen.
3. Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Sachrüge
gestützten Revisionen des Angeklagten und der
Staatsanwaltschaft. Die uneingeschränkt eingelegte Revision
des Angeklagten führt zu zwei Änderungen des
Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Revision der
Staatsanwaltschaft ist auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung
beschränkt und hat Erfolg. Zugleich führt sie zur
Aufhebung des Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten.
II.
Die Revision des Angeklagten:
1. Die Revision meint, eine brennende Zigarette sei "mangels Eignung
der Hervorrufung erheblicher Verletzungen" kein gefährliches
Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Sie verweist
auf die Auffassung des Oberlandesgerichts Köln, wonach die
Möglichkeit erheblicher Verletzungen nicht naheliegt, wenn mit
Zigarettenglut eine Brandverletzung auf der Wade herbeigeführt
wird (StV 1994, 244, 246; Zweifel hieran bei Tröndle/Fischer
StGB, 50. Aufl. § 224 Rdn. 9).
Diese Bewertung von Brandverletzungen widerspricht schon im Ansatz der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die gefährliche
Körperverletzung bei "Zufügung von Brandwunden durch
glimmende Zigaretten" ohne weiteres bejaht hat (Beschl. vom 25. April
2001 - 3 StR 7/01 [mitgeteilt in dem Urteil, das gegen einen an diesem
Tatkomplex nicht beteiligten Mittäter in jener Sache am selben
Tag ergangen ist]). Damit vergleichbar wurde gefährliche
Körperverletzung ebenfalls ohne weiteres in einem Fall bejaht,
in dem ein brennendes Feuerzeug einige Sekunden unter vier Finger der
Hand eines Kindes gehalten wurde, was zu schmerzhaften Verletzungen mit
Blasen und Narben führte (BGHR StGB § 170d [aF]
Fürsorgepflichtiger 1).
Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung
abzuweichen:
Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1
Nr. 2 StGB ist ein Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der
konkreten Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche
Verletzungen herbeizuführen (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH NStZ
1999, 616). Es kommt also nicht allein auf die letztlich eingetretene
Verletzung an, es genügt vielmehr schon die potentielle
Gefährlichkeit des Werkzeugs im konkreten Fall
(Tröndle/Fischer aaO).
Eine brennende Zigarette, die auf der Haut ausgedrückt wird,
führt regelmäßig zu schmerzhaften
Brandverletzungen, die vielfach mit Narbenbildung - hier war die Narbe
des Geschädigten nach zehn Tagen noch gerötet (I 1 b)
- verbunden sind; auch darüber noch hinausgehende
Komplikationen sind niemals auszuschließen. Im konkreten Fall
kommt im übrigen [zusätzlich] noch hinzu,
daß die Zigarette unmittelbar über der Nase
ausgedrückt wurde, so daß wegen der [nicht]
auszuschließenden Möglichkeit schmerzbedingt
unkontrollierter Bewegungen sogar die Gefahr einer Augenverletzung
bestand.
2. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt im einzelnen
ausgeführt haben, stehen sämtliche Taten zum Nachteil
R. in Tateinheit. Er befand sich auf Grund des Verhaltens des
Angeklagten in einer Zwangslage und konnte sich nicht frei bewegen, was
der Angeklagte bei den Verletzungshandlungen ausgenutzt hat. Auch wenn
diese Handlungen auf Spontanentschlüsse zurückgehen
sollten, ist daher das gesamte Geschehen tateinheitlich verbunden (vgl.
BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 16 m.w.Nachw.). Schon
weil auch die unverändert zugelassene Anklage von Tateinheit
zwischen allen Delikten (auch) in diesem Tatkomplex ausgegangen ist,
ändert der Senat den Schuldspruch selbst.
3. Im übrigen enthält der Schuldspruch nur noch
insoweit einen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler, als
Bedrohung (§ 241 StGB) hinter Nötigung (§
240 StGB) zurücktritt, da die Bedrohungen - jedenfalls auch -
Nötigungsmittel waren (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB
§ 240 Abs. 3 Konkurrenzen 2; w. Nachw. bei
Tröndle/Fischer aaO § 240 Rdn. 63). Auch insoweit war
der Schuldspruch daher zu ändern.
4. Zwar hat weder der Wegfall der Verurteilungen wegen Bedrohung hier
für den Strafausspruch Bedeutung, noch gefährdet eine
unzutreffende Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse bei - wie
hier - unverändertem Schuldumfang im Ergebnis ohne weiteres
den Strafausspruch (vgl. nur BGHSt 41, 368, 373 f.). Voraussetzung
hierfür ist jedoch, daß eine aus mehreren
Einzelstrafen gebildete Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben
kann. Dies ist hier nicht der Fall, weil aus der im Fall R. noch zu
bildenden Einzelstrafe und der Strafe im Fall B. eine Gesamtstrafe zu
bilden ist. Daher ist der Senat an einer Bestätigung des
Strafausspruchs gehindert (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1
Strafausspruch 7), so daß der Strafausspruch aufzuheben war,
wobei der Senat im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Taten auch
die Strafe im Fall B. aufgehoben hat (vgl. hierzu BGH wistra 1998, 106,
108 m.w.Nachw.).
III.
Die Revision der Staatsanwaltschaft:
Die Strafkammer hat die formellen und materiellen Voraussetzungen von
§ 66 Abs. 2 StGB bejaht, von Sicherungsverwahrung aber
gleichwohl abgesehen.
1. Der Angeklagte ist schon wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit
Nötigung und einem Waffendelikt, wegen schweren Raubes in
Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie
wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt worden:
a) Am 4. Oktober 1988 hatte er den H. ohne nachvollziehbaren Grund
schwer mißhandelt. Er hatte ihn vielfach mit einem
Baseballschläger und einem Schlagstock auf Arme und Beine
geschlagen, ihn etwa eine Viertelstunde in den Bauch getreten und ihm
mit einem Messer zwei Stichverletzungen an den Armen zugefügt,
wobei er dann in eine Wunde Salz gerieben hatte, um H. weitere
Schmerzen zu bereiten (Strafe: zwei Jahre und sechs Monate).
b) Am 7. Oktober 1988 hatte er den ihm bekannten Tankwart
S. ebenfalls aus nichtigem Anlaß im Kassenraum der Tankstelle
mit der Faust niedergeschlagen, ihn in sadistischer Weise ("Auge
ausstechen"; "Schwanz abschneiden") bedroht, ihn getreten und sich
schließlich auch noch den Kasseninhalt angeeignet (Strafe:
vier Jahre und sechs Monate).
c) Am 10. Oktober 1988 drang der Angeklagte nachts in die Wohnung
seines früheren Karateschülers Kö. ein,
bedrohte ihn mit einer Pistole und forderte Auskunft über
anonyme Anrufe im Zusammenhang mit seiner Karateschule. Als sich
Kö. weigerte, schoß er ihm in den Hals.
Anschließend quälte er ihn "über das Ziel
der Informationserlangung hinaus". Er schlug ihn etwa mit der Pistole
heftig in das Gesicht, trat ihm in die Genitalien und kündigte
ihm "zynisch" seinen nahen Tod an. Der lebensgefährlich
verletzte Kö. behielt Dauerschäden wie eine
Armlähmung und eine Stimmbehinderung wegen der
schußbedingten Kehlkopfverdrehung (Strafe: zwölf
Jahre).
Der Angeklagte war in dieser Sache vom 15. Oktober 1988 bis 1.
März 1998 inhaftiert; der Strafrest wurde zur
Bewährung ausgesetzt.
Damit liegen die formellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2
StGB vor, ohne daß sich daran durch die vom Senat
vorgenommene Schuldspruchänderung (II 2) etwas ändern
würde (vgl. hierzu im einzelnen Tröndle/Fischer aaO
§ 66 Rdn. 9, 10 m.w.Nachw.).
2. Darüber hinaus hat die Strafkammer auch die Voraussetzungen
von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nach sachverständiger
Beratung bejaht, da der Angeklagte einen Hang zu Straftaten hat, durch
die die Opfer körperlich und seelisch schwer
geschädigt werden und er daher für die Allgemeinheit
gefährlich ist. Im einzelnen ist ausgeführt,
daß Aggressivität für ihn etwas "Normales"
ist und daß er persönlichkeitsbedingt weder zu
Schuld- und Unrechtsbewußtsein in der Lage ist - die der
Vorverurteilung zu Grunde liegenden Taten hat er "bagatellisiert" -,
noch aus Erfahrungen lernen kann. Außerdem sind im einzelnen
näher beschriebene Persönlichkeitsmerkmale des
Angeklagten "Indikatoren" für einen kriminellen
Rückfall.
3. Die Strafkammer hält Sicherungsverwahrung für
"derzeit noch unverhältnismäßig im Sinne
des § 62 StGB". Unter Beachtung dieser Bestimmung sei
nämlich im Rahmen der Ermessensentscheidung
gemäß § 66 Abs. 2 StGB zu
berücksichtigen, daß der Angeklagte im Hinblick auf
den anstehenden Strafvollzug und den zu erwartenden
Bewährungswiderruf mehr als zehn Jahre von der Allgemeinheit
ferngehalten und voraussichtlich erst mit 55 Jahren wieder in Freiheit
gelangen werde. Da er auch während der früheren Haft
offenbar nicht nachteilig in Erscheinung getreten sei und bei
vollständiger Verbüßung der jetzt
verhängten Strafe unter Führungsaufsicht stehen werde
(§ 68f StGB), die ein "besonderes Augenmerk" auf ihn zu werfen
haben werde, sei es "noch vertretbar" ihm die Möglichkeit
eines straffreien Lebens jenseits der Lebensmitte einzuräumen.
4. Gegen diese Erwägungen wendet sich das auch vom
Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit
Recht.
a) Dabei versteht der Senat die allerdings nicht sehr klaren
Ausführungen zu § 62 StGB nicht dahin, daß
die Strafkammer der - offensichtlich hier auch nicht vertretbaren -
Auffassung wäre, schon wegen der Bedeutung der vom Angeklagten
begangenen und zu erwartenden Taten sowie des Grades der von ihm
ausgehenden Gefahr komme Sicherungsverwahrung nicht in Betracht.
Vielmehr stützt die Strafkammer ihre Entscheidung im
wesentlichen auf die Dauer der anstehenden Freiheitsentziehung und das
Lebensalter zum Zeitpunkt der voraussichtlichen Haftentlassung.
b) Bei einer Ermessensentscheidung gemäß §
66 Abs. 2 StGB können allerdings die Wirkungen eines
langjährigen Strafvollzugs und die mit dem Fortschreiten des
Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden
Haltungsänderungen Gewicht gewinnen (st. Rspr., vgl. nur BGH
NStZ-RR 1999, 301 m.w.Nachw.). Es kommt dabei jedoch nicht auf die
(mutmaßliche) Dauer des Strafvollzugs als solche an.
Entscheidend ist vielmehr, ob zu erwarten ist, daß sie eine
präventive Warnwirkung auf den Angeklagten haben und damit zu
einer Haltungsänderung bei ihm führen wird (BGHR StGB
§ 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3, 5, 6 m.w.Nachw.). Diese
Annahme ist jedoch schon im Hinblick auf die früheren Taten
und die deswegen vollzogene langjährige Strafhaft -
unbeschadet des Verhaltens des Angeklagten in dieser Zeit - sehr
fernliegend und darüber hinaus mit der ausdrücklich
festgestellten Unfähigkeit des Angeklagten, aus Erfahrungen zu
lernen, unvereinbar.
Das mutmaßliche Lebensalter des Angeklagten zum Zeitpunkt
seiner Haftentlassung kann an alledem nichts ändern. Anders
wäre es nur, wenn unter Berücksichtigung der Art der
in Frage stehenden Delikte für diesen Zeitpunkt eine positive
Prognose gestellt werden könnte (BGHR StGB § 66 Abs.
2 Ermessensentscheidung 3). Wie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang
mit der damit vergleichbaren Frage der
Gefährlichkeitsbeurteilung gemäß §
66 Abs. 1 Nr. 3 StGB wiederholt ausgesprochen hat, ist allein ein Alter
von etwa 55 Jahren bei der Haftentlassung als solches dabei nicht
aussagekräftig (Urt. vom 7. November 2000 - 1 StR 377/00; BGHR
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3 Gefährlichkeit 5). Auch im
Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß §
66 Abs. 2 StGB kann insoweit nichts anderes gelten.
Gründe, die speziell beim Angeklagten eine andere Bewertung
dieses Alters rechtfertigen könnten, sind schon im Hinblick
auf seine Unfähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen, nicht
ersichtlich. Auch die Art der in Rede stehenden Delikte spricht nicht
für eine andere Beurteilung. "In grausamer und sadistischer
Weise" vorgenommenen Mißhandlungen steht auch ein Alter
"jenseits der Lebensmitte" nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. vom 30.
August 1994 - 1 StR 271/94).
Schon deshalb, weil der Angeklagte die hier abgeurteilten Taten unter
Bewährungsbruch begangen hat, obwohl er einem
Bewährungshelfer unterstanden ist - für eine Ausnahme
vom Grundsatz des § 57 Abs. 3 Satz 2 StGB ist nichts
ersichtlich - können schließlich auch die
Erwägungen der Strafkammer zur Führungsaufsicht kein
Gewicht gewinnen.
c) Nach alledem muß über die Anordnung von
Sicherungsverwahrung daher neu befunden werden.
5. Die Aufhebung eines Urteils wegen unterbliebener
Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall auch zur Aufhebung des
Strafausspruchs zugunsten des Angeklagten führen, wenn
möglicherweise die Strafe bei Androhung von
Sicherungsverwahrung niedriger ausgefallen wäre (BGH StV 2000,
615, 617 m.w.Nachw.). Da die Strafkammer hier ausdrücklich
einen Bezug zwischen der Höhe der Strafe und der
Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hergestellt hat, hebt der Senat
den Strafausspruch auf.
Nack Wahl Schluckebier Kolz Schaal
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