BGH,
Urt. v. 5.4.2000 - 2 StR 500/99
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 500/99
vom
5. April 2000
in der Strafsache gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5.
April 2000, an der teilgenommen haben: Vizepräsident des
Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke als Vorsitzender, die Richter
am Bundesgerichtshof Niemöller, Dr. Bode, die Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Otten, der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter
der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Kassel vom 28. Juni 1999 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht eine Verfallanordnung
abgelehnt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
Erwerb von Betäubungsmitteln in 13 Fällen zu der
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, eine
Verfallanordnung jedoch abgelehnt. Mit ihrer Revision rügt die
Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts und
beanstandet die Ablehnung des beantragten Verfalls von 75.000 DM. Das
wirksam auf die Frage des Verfalls beschränkte Rechtsmittel
wird vom Generalbundesanwalt vertreten.
II.
Das Rechsmittel hat Erfolg, die Ablehnung der Verfallanordnung
hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.
Das Landgericht hat die Voraussetzungen, unter denen nach § 73
c Abs. 1 Satz 2 StGB von dem Verfall abgesehen werden kann, zu Unrecht
für gegeben erachtet.
1. Der Angeklagte hat für insgesamt 280.700 DM Haschisch
eingekauft. Zur Höhe der Verkaufserlöse konnte das
Landgericht keine genauen Feststellungen treffen. Seinen Gewinn hat der
Angeklagte überschlägig mit 56.300 DM errechnet,
davon 24.750 DM uneinbringliche Außenstände bei
einem Abnehmer. Bei der Festnahme des Angeklagten wurden 20.720 DM
sichergestellt, auf deren Rückgabe er verzichtet hat. Das
Landgericht konnte nicht feststellen, daß der Angeklagte
aufwendig gelebt, Schulden getilgt oder Anschaffungen gemacht
hätte, die aus Drogenerlösen bezahlt worden
wären.
2. a) Zutreffend ist das Landgericht zunächst davon
ausgegangen, daß aufgrund des nach § 73 Abs. 1 StGB
geltenden Bruttoprinzips der gesamte Verkaufserlös, ohne Abzug
von Einkaufspreis, Transportkosten, Kurierlohn usw. für
verfallen zu erklären ist (vgl. BGH NStZ 1994, 123). Dem steht
nicht entgegen, daß die Verkaufserlöse nicht genau
festgestellt werden konnten; denn sie können notfalls
geschätzt werden (§ 73 b StGB).
Der Auffassung der Verteidigung, dem Verfall unterlägen nur
die nicht für die Beschaffung weiterer
Betäubungsmittel reinvestierten Geldmittel, vermag der Senat
nicht zu folgen; denn dies liefe auf eine Umgehung des vom Gesetzgeber
gewollten Bruttoprinzips hinaus.
Abzuziehen waren von dem Verfallbetrag hier lediglich die
uneinbringlichen Außenstände von 24.750 DM und der
Betrag, auf dessen Rückgabe der Angeklagte verzichtet hat. Da
die Verkaufserlöse - mit Ausnahme des sichergestellten
Betrages - bei dem Angeklagten nicht mehr vorhanden waren, kam in
Betracht, den Verfall eines entsprechenden Geldbetrags (Verfall von
Wertersatz) anzuordnen (§ 73 a StGB).
b) Zu Unrecht hat das Landgericht jedoch angenommen, die Anordnung
könne hier nach der Härteklausel des § 73 c
Abs. 1 Satz 2 StGB unterbleiben, weil der Wert des durch die Straftaten
Erlangten zur Zeit der Anordnung in dem Vermögen des
Angeklagten nicht mehr vorhanden gewesen sei. Diese Beurteilung ist
rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht bei der
Vermögensbewertung nur solche Vermögenswerte
berücksichtigen wollte, für deren Anschaffung
Drogengelder verwendet wurden, und deshalb den Nettowert (Verkehrswert
abzüglich Belastungen) des Mehrfamilienhauses des Angeklagten
außer Betracht gelassen hat. Die Revision macht mit Recht
geltend, daß eine Ermessensentscheidung ausscheidet, solange
und soweit der Angeklagte über Vermögen
verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem
anzuordnenden Verfallbetrag zurückbleibt. In diesen
Fällen liegt es nahe, daß der Wert des Erlangten in
seinem Vermögen noch vorhanden ist. Dabei kommt es nicht
darauf an, ob das noch vorhandene Vermögen einen konkreten
oder unmittelbaren Bezug zu den Straftaten hat. Der Verfall
hängt nicht davon ab, ob der Angeklagte die vorhandenen
Vermögenswerte unmittelbar mit Drogengeldern erworben hat oder
ob er mit Drogengeldern andere Aufwendungen bestritten und erst mit den
so eingesparten Mitteln das noch vorhandene Vermögen gebildet
hat. Eine solche Abgrenzung würde zu kaum lösbaren
Beweisschwierigkeiten führen und die gebotene Wirksamkeit der
Verfallvorschriften nachhaltig beeinträchtigen. Auch aus dem
Wortlaut der Verfallvorschriften läßt sich die
Notwendigkeit einer solchen Eingrenzung nicht herleiten. Allerdings
muß der "Wert" als solcher zur Zeit der Verfallanordnung
bestehen und darf sich - wie im Fall der Schuldentilgung - nicht nur
aus einem Vergleich der früheren mit der jetzigen
Vermögenslage im Bereich der Passiva ergeben. Daher bleibt
Geld, das zur allgemeinen Schuldentilgung verwendet wird,
wertmäßig im Vermögen ebensowenig erhalten,
wie solches, das für verbrauchbare Sachen ausgegeben wurde.
Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das aus den Straftaten erlangte
Geld zur Entschuldung eines noch vorhandenen Grundstücks
verwendet wurde (vgl. BGHSt 38, 23, 25 = NJW 1991, 2714).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der
Nettowert des Mehrfamilienhauses des Angeklagten hätte
festgestellt und als vorhandenes Vermögen
berücksichtigt werden müssen. Hierfür
genügte nicht die allgemeine Einschätzung, die
Werthaltigkeit des Hauses könne "nicht
außergewöhnlich hoch sein". Vielmehr hätte
die Strafkammer - auch ohne vorherige Ermittlungen oder
Beweisanträge der Staatsanwaltschaft - von Amts wegen
(§ 244 Abs. 2 StPO) den Verkehrswert des Hauses und nicht nur
die vorhandenen Belastungen feststellen müssen. Nur soweit der
Verfallbetrag nicht durch vorhandenes Vermögen gedeckt und der
Wert des Erlangten nicht mehr vorhanden war, war eine
Ermessensentscheidung nach § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB
eröffnet. Andernfalls ist eine Verfallanordnung nur
ausgeschlossen, soweit sie für den Angeklagten eine unbillige
Härte wäre (§ 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB; vgl.
BGH StV 1995, 635). Diese tatrichterliche Bewertung, bei der an die
Annahme einer unbilligen Härte hohe Anforderungen zu stellen
sind (BGH NStZ 1995, 495), hat das Landgericht bisher nicht
vorgenommen. Insbesondere können die Ausführungen zur
Begründung des billigen Ermessens nach § 73 c Abs. 1
Satz 2 StGB diese Bewertung nicht ersetzen.
3. Auf die Verfahrensrüge kommt es danach nicht mehr an, weil
bereits die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
führt.
Jähnke Niemöller Bode
Otten Rothfuß |