BGH,
Urt. v. 5.4.2007 - 4 StR 5/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 5/07
vom
5.4.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5.4.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Prof. Dr. Kuckein,
Richterinnen am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Paderborn vom 5. September 2006 im gesamten
Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges und wegen
Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in neun Fällen, davon
in zwei Fällen tateinheitlich begangen mit Beihilfe zum
versuchten Betrug, unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil
des Landgerichts Paderborn vom 17. Mai 2004 und Auflösung der
darin gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur
Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil wendet sich die
Staatsanwaltschaft mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch
beschränkten Revision, mit der sie die Verletzung sachlichen
Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
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1. Hintergrund der jetzt abgeurteilten Straftaten sind
"Unregelmäßigkeiten" des Angeklagten bei seiner
beruflichen Tätigkeit als Prüfingenieur bei der
Technischen Prüf und Überwachungsgesellschaft mbH
(TPÜ), die Gegenstand
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der Verurteilung durch das Landgericht Paderborn vom 17. Mai 2004 sind,
aus der das Landgericht im nunmehr angefochtenen Urteil die
Einzelstrafen gemäß § 55 Abs. 1 StGB
einbezogen hat. Nach den dazu mitgeteilten Feststellungen behielt der
Angeklagte im Zeitraum von Dezember 1999 bis Ende September 2001 von
ihm für Fahrzeuguntersuchungen nach § 29 StVZO
eingenommene Beträge teilweise pflichtwidrig für
sich, woraus sich ein Schaden für die TPÜ in
Höhe von mindestens 95.214,50 DM ergab. Im November 2002
erging deshalb gegen ihn wegen Untreue ein Strafbefehl, gegen den der
Angeklagte aber Einspruch einlegte. Darüber hinaus wurde der
Angeklagte von der TPÜ vor dem Arbeitsgericht Paderborn auf
Ersatz des Schadens in Anspruch genommen. Um den Beweis seiner
Pflichtwidrigkeiten zu vereiteln, ließ der Angeklagte
Unterlagen aus dem Firmengebäude entwenden, wobei die von ihm
instruierten Täter auch noch Geld mitnahmen. Das Amtsgericht
Paderborn verurteilte den Angeklagten deshalb wegen Untreue und wegen
Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei
Monaten. Auf die Berufungen sowohl der Staatsanwaltschaft als auch des
Angeklagten verurteilte das Landgericht Paderborn den Angeklagten - wie
erwähnt - am 17. Mai 2004 unter Verwerfung der weiter gehenden
Berufungen wegen Untreue in 22 Fällen und wegen
gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer nicht zur Bewährung
ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten,
wobei es an Einzelstrafen neben drei Geldstrafen (zwischen 60 und 120
Tagessätzen) auf 20 Freiheitsstrafen von insgesamt sieben
Jahren und einem Monat (fünfmal drei Monate, neunmal vier
Monate, dreimal fünf Monate, zweimal sechs Monate und einmal
sieben Monate) erkannte.
Gegenstand des nunmehr angefochtenen Urteils ist das Verhalten des
Angeklagten im Rahmen des von der TPÜ gegen ihn angestrengten
arbeitsgerichtlichen Verfahrens und des vorerwähnten
Strafverfahrens. In dem Arbeits-
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rechtsstreit schloss der Angeklagte im Januar 2002 mit der TPÜ
einen Ver-gleich, in dem er sich zur Zahlung von etwas mehr als 48.000
Euro verpflichtete. Später entschloss er sich jedoch, den
Vergleich anzufechten, um sich zu Unrecht von seiner Zahlungspflicht zu
befreien. Hierzu veranlasste er zwei Zeugen, im Termin vor dem
Arbeitsgericht am 4. Juni 2003 wahrheitswidrig zu behaupten, der
Angeklagte sei durch den Handlungsbevollmächtigten der
TPÜ, Dr. B. , zum Abschluss des Vergleichs unter massiver
Bedrohung mit Gefahr für Leib und Leben für sich und
seine Familie genötigt worden. Das Arbeitsgericht glaubte den
beiden Zeugen nicht und stellte die wirksame Beendigung des Verfahrens
durch den Vergleich mit Urteil vom selben Tage fest. Die Berufung des
Angeklagten wies das Landesarbeitsgericht durch
Versäumnisurteil zurück. In dem Strafverfahren wegen
Untreue wiederholten die beiden Zeugen auf Veranlassung des Angeklagten
ihre bereits vor dem Arbeitsgericht gemachten wahrheitswidrigen
Aussagen. Des Weiteren benannte der Angeklagte im Berufungsverfahren
vor dem Landgericht fünf weitere Zeugen aus seinem Verwandten-
und Freundeskreis, die auf seine Veranlassung der Wahrheit zuwider
aussagten, die Manipulationen bei der Abrechnung seien auf Veranlassung
und in Absprache mit dem Firmenchef der TPÜ geschehen. Das
Landgericht schenkte den Zeugen keinen Glauben und verurteilte den
Angeklagten deshalb am 17. Mai 2004 wie angegeben.
2. Die Überprüfung des Strafausspruchs aufgrund der
erhobenen Sachrüge weist durchgreifende Rechtsfehler zu
Gunsten des Angeklagten auf, die zur Aufhebung des gesamten
Rechtsfolgenausspruchs zwingen.
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Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des
Tatrichters und ein Eingriff des Revisionsgerichts nur
möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich
fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte
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Strafzwecke verstößt oder wenn sich die
verhängte Strafe nach oben oder nach unten von ihrer
Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dagegen
ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st.
Rspr.; BGHSt 34, 345, 349).
Aber auch unter Zugrundelegung dieses eingeschränkten
Prüfungsmaßstabes halten weder die
Einzelfreiheitsstrafaussprüche (sechs Monate für den
versuchten Betrug, jeweils neun Monate für die beiden
Anstiftungen zur uneidlichen Falschaussage, tateinheitlich begangen mit
Beihilfe zum versuchten Betrug, und jeweils sechs Monate für
die sieben Anstiftungen zur uneidlichen Falschaussage) noch der
Gesamtstrafenausspruch von zwei Jahren der rechtlichen
Nachprüfung stand. Schon für sich gesehen sind sowohl
die Einzelstrafen als auch die Gesamtstrafe angesichts der
Hartnäckigkeit, mit der der Angeklagte auch dann noch sein
kriminelles Tun fortgesetzt hat, als seine
„Unregelmäßigkeiten“ bei der
TPÜ bereits aufgedeckt waren und er deshalb auch schon sowohl
zivil- als auch strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen worden war -
ungewöhnlich milde. Die Strafbemessung wird dem Tatunrecht
ungeachtet der dem Angeklagten vom Landgericht zugute gehaltenen
Umstände nicht gerecht.
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Davon abgesehen, erweisen sich die Strafzumessungserwägungen
im angefochtenen Urteil zu Gunsten des Angeklagten auch als
lücken- und deshalb als rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat
zwar ganz allgemein den „beachtlichen Aufwand“, mit
dem der Angeklagte in krimineller Weise tätig geworden ist und
sein „erhebliches kriminelles Potential“, welches
er an den Tag gelegt hat, zu seinen Lasten gewertet. Zu Recht
beanstandet die Beschwerdeführerin jedoch, dass das
Landgericht im Rahmen der Strafzumessungserwägungen
völlig außer Acht gelassen hat, dass der Angeklagte
den Zeugen Dr. B. über mehrere Jahre hinweg in Bezug auf das
Zustandekommen des arbeitsgerichtlichen
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Vergleichs in massiver Weise bewußt fälschlich eines
auch strafrechtlich relevanten, besonders verwerflichen Vorgehens
bezichtigt hat. Auch wenn der Tatrichter nicht gehalten ist,
sämtliche Strafzumessungsgründe in den
Urteilsgründen anzugeben (vgl. Meyer-Goßner StPO 49.
Aufl. § 267 Rdn. 18), durfte die Strafkammer diesen fraglos
„bestimmenden“ (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO)
Gesichtspunkt nicht außer Betracht lassen.
Angesichts der auffallend milden Einzelstrafen und der Gesamtstrafe ist
zudem zu besorgen, dass der Tatrichter Gesichtspunkte der
Strafzumessung im Sinne der Findung einer schuldangemessenen Strafe mit
solchen der Strafaussetzung zur Bewährung vermengt und die
Bemessung der Strafen so vorgenommen hat, dass die Vollstreckung noch
zur Bewährung ausgesetzt werden konnte (vgl. BGHSt 29, 319,
321; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29).
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3. Über den Strafausspruch ist deshalb insgesamt neu zu
verhandeln und zu entscheiden.
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Soweit die Beschwerdeführerin die strafmildernde Bewertung des
Geständnisses des Angeklagten mit der Behauptung angreift,
dieses sei erst erfolgt, nachdem das Landgericht dem Angeklagten in
Aussicht gestellt habe, im Falle eines Geständnisses im
Höchstmaß eine Freiheitsstrafe mit
Bewährung zu verhängen, ist dies urteilsfremd und
kann daher im Revisionsverfahren keine Beachtung finden. Eine
Verfahrensrüge - etwa im Rahmen eines Ablehnungsgesuchs - hat
die Staatsanwaltschaft nicht erhoben.
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4. Mit der Aufhebung des Urteils im Strafausspruch und der
Zurückverweisung der Sache an das Landgericht ist die
sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Kosten- und
Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils gegenstandslos. Davon
abgesehen, zeigt die Beschwerdeführerin auch nicht auf,
inwieweit diese Entscheidung fehlerhaft sein könnte.
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Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible |