BGH,
Urt. v. 5.12.2000 - 1 StR 411/00
BGHSt: ja jeweils zu II.
Veröffentlichtung: ja
OWiG § 30
Löst eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit einer
natürlichen Person die Haftung einer juristischen Person nach
§ 30 OWiG aus, so gelten im Verfahren gegen die juristische
Person die für die Tat der natürlichen Person
maßgeblichen Vorschriften über die
Verjährung.
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2000 - 1 StR 411/00 - LG München I
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 411/00
vom
5. Dezember 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Betruges und Ordnungswidrigkeiten
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5.
Dezember 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Schäfer und die Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Wahl, Dr. Boetticher, Schluckebier, Hebenstreit,
Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als
Verteidiger des Angeklagten und der Nebenbeteiligten, Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht
erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts München I vom 6. April 2000 wird verworfen,
soweit es den Angeklagten S. betrifft.
Die Kosten dieses Rechtmittels und die dem Angeklagten im
Revisionsverfahren hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen
trägt die Staatskasse.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das oben genannte
Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit das Verfahren gegen
die S. GmbH eingestellt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Betruges in 21
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie zu
einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 1.400 DM
verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur
Bewährung ausgesetzt. Das Verfahren gegen die S. GmbH als
Nebenbeteiligte zur Auferlegung einer Geldbuße wurde wegen
Verjährung eingestellt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten
und der Nebenbeteiligten eingelegten Revision erstrebt die
Staatsanwaltschaft eine höhere Bestrafung des Angeklagten S.
und eine Verurteilung der Nebenbeteiligten. Das Rechtsmittel, das der
Generalbundesanwalt hinsichtlich der Höhe der
Gesamtfreiheitsstrafe und hinsichtlich der Verfahrenseinstellung gegen
die Nebenbeteiligte vertritt, hat Erfolg, soweit es die Nebenbeteiligte
betrifft; im übrigen ist es unbegründet.
I.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten S. ist
auf den Strafausspruch beschränkt. Zwar greift die
Beschwerdeführerin mit ihrem Revisionsantrag das gesamte
Urteil an. Dieser steht aber im Widerspruch zur
Revisionsbegründung, die lediglich Ausführungen zur
Bemessung der Einzelstrafen und zur Gesamtstrafe enthält. In
einem solchen Fall bedarf es der Auslegung des Antrags nach dem
wirklichen Willen der Beschwerdeführerin, wie er aus der
Revisionsrechtfertigungsschrift im ganzen zu entnehmen ist (BGH NJW
1997, 3322 m.w.Nachw.).
1. Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Verfahrensrügen
sind aus den Gründen, die der Generalbundesanwalt in seiner
Zuschrift angeführt hat, unbegründet.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die von der
Beschwerdeführerin erhobene Sachrüge hat im Ergebnis
keinen den Angeklagten zu Unrecht begünstigenden Vorteil
ergeben.
Zum Umfang des Schadens, der im wesentlichen durch Absprachen im
Bereich der Gas- und Wasserversorgung der Landeshauptstadt
München entstanden ist, hat die Strafkammer festgestellt: Die
Stadt vergab sogenannte "Jahresverträge" als
Rahmenverträge für eine Vielzahl kleinerer
Aufträge. Diese "Jahresverträge" wurden
spätestens alle drei Jahre neu ausgeschrieben. Es handelte
sich dabei um eine beschränkte Ausschreibung, bei der nur
bestimmte, ausgesuchte Firmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden,
zu denen auch die Firma S. GmbH des Angeklagten gehörte.
Zwischen den Neuausschreibungen erfolgten jährlich sogenannte
"Verlängerungen" der Verträge ohne Ausschreibung auf
der Grundlage der bestehenden Jahresverträge.
Unter den beteiligten Firmen bildete sich ein Kartell mit
festgefügten Organisationsstrukturen, das die Angebote
absprach und dadurch jeweils einen Preis erzielte, der zwischen
fünf und zehn Prozent über demjenigen lag, der im
freien Wettbewerb zu erzielen gewesen wäre. Die Absprachen
führten bei den betroffenen Gebietskörperschaften zu
einem Gesamtschaden von über 45 Millionen DM. Dem Angeklagten
und seiner Firma kamen daraus in den zwölf Fällen, in
denen seine Firma "herausgestellt" wurde und einen Auftrag erhielt,
insgesamt 5,8 Millionen DM direkt zugute. In neun Fällen
fungierte er lediglich als "Schutzgeber", indem er zur Absicherung
anderer herausgestellter Firmen abgesprochene Angebote abgab.
a) Die Einzelstrafen greift die Beschwerdeführerin nur
allgemein als zu niedrig an. Insoweit sind Rechtsfehler nicht
ersichtlich.
b) Die Staatsanwaltschaft beanstandet auch wesentlich die Höhe
der Gesamtfreiheitsstrafe als zu niedrig. Sie rügt, neben
dieser Freiheitsstrafe habe nicht zusätzlich eine
Gesamtgeldstrafe verhängt werden dürfen, die zur
Folge habe, daß die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe
zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Die Beanstandung ist
nicht begründet. Zwar darf das Bestreben, dem Angeklagten
Strafaussetzung zur Bewährung zu bewilligen, nicht dazu
führen, daß die schuldangemessene Strafe
unterschritten wird. Das hindert den Tatrichter jedoch nicht,
pflichtgemäß zu prüfen, ob eine
Freiheitsstrafe, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden
kann, in Verbindung mit einer anderen Sanktion, insbesondere einer
Geldstrafe oder Vermögensstrafe, noch schuldangemessen ist
(BGH NStZ 1990, 488). Der Tatrichter darf dabei Geldstrafe und
Freiheitsstrafe so miteinander verbinden, daß die
Freiheitsstrafe und die Geldstrafe zusammen das Maß des
Schuldangemessenen erreichen. Das gilt auch dann, wenn ohne die
zusätzliche Geldstrafe eine nicht mehr aussetzbare
Freiheitsstrafe erforderlich würde (BGHR StGB § 46
Abs. 1 Schuld-ausgleich 34). Das Vorgehen wäre nur dann
fehlerhaft, wenn die Gesamtsanktion aus Freiheitsstrafe und Geldstrafe
nicht mehr geeignet wäre, den Angeklagten und die
Rechtsgemeinschaft zu beeindrucken. Das ist nicht der Fall.
Nach den Urteilsgründen war für die Entscheidung des
Landgerichts
über die Ahndung der festgestellten Straftaten das Gewicht der
Gesamtsanktion maßgeblich. Dazu zählen die
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und die Geldstrafe von 360
Tagessätzen, die einer Freiheitsstrafe von einem Jahr
entspricht. Hinzu kommt die Geldbuße in Höhe von
500.000 DM, die der Angeklagte als Geldauflage im Rahmen des
Bewährungsbeschlusses zu erbringen hat. Schließlich
hat die Strafkammer im Rahmen der Gesamtsanktion auch
berücksichtigt, daß der Angeklagte den angerichteten
Schaden wiedergutmachen will und dafür einen Betrag von 1,75
Millionen DM bereitgestellt hat. Diese Strafzumessung des Tatrichters
läßt Rechtsfehler, die allein ein Eingreifen des
Revisionsgerichts rechtfertigen könnten, nicht erkennen. Eine
darüber hinausgehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen
(BGHSt - GS - 34, 345, 349).
c) Schließlich hält auch die - allerdings nicht
näher begründete - Entscheidung der Strafkammer, die
Verteidigung der Rechtsordnung gebiete die Vollstreckung der Strafe
nicht, rechtlicher Prüfung stand. Eine Strafaussetzung zur
Bewährung muß nach § 56 Abs. 3 StGB versagt
werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des
Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden
unverständlich erscheinen müßte und dadurch
das Vertrauen der Bevölkerung in die
Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden
könnte (vgl. BGHSt 24, 40, 46; BGH NStZ 1987, 21). Mit
Rücksicht auf die vom Landgericht angeführten
Milderungsgründe, insbesondere des Gewichts der dem
Angeklagten auferlegten Gesamtsanktion und der von ihm eingeleiteten
Wiedergutmachung, ist auszuschließen, daß die
Rechtstreue der Bevölkerung ernsthaft beeinträchtigt
und es von der Allgemeinheit bei Kenntnis der Sachlage als
ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität
angesehen wird, daß die Vollstreckung der Strafe im
vorliegenden Fall zur Bewährung ausgesetzt wurde (vgl. BGHR
StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9).
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit die Beschwerdeführerin
beanstandet, das Landgericht habe zu Unrecht das Verfahren zur
Verhängung einer Geldbuße gegen die S. GmbH wegen
Verjährung eingestellt. Die Strafkammer hat eine
Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen, so daß
spätere Unterbrechungshandlungen gegen den Beschuldigten die
Verjährung nicht mehr unterbrechen konnten, und dies aus
§ 31 OWiG hergeleitet. Damit hat die Strafkammer das Wesen der
verhängten Geldbuße und die sich daraus ergebende
Folge für die Frage der Verfolgungsverjährung der
Sanktion betreffend die juristische Person verkannt. Löst eine
Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit einer natürlichen Person
die Haftung einer juristischen Person nach § 30
OWiG aus, so gelten im Verfahren gegen die juristische Person die
für die Tat der natürlichen Person
maßgeblichen Vorschriften über die
Verjährung. Im vorliegenden Fall verjährten die
Organtaten gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB in
fünf Jahren. Daher betrug auch die Verjährungsfrist
für die Festsetzung der Geldbuße gegen die
Nebenbeteiligte fünf Jahre. Da gegen die Nebenbeteiligte kein
selbständiges Verfahren geführt wurde, wirkten die
verjährungsunterbrechenden Handlungen gegen den Angeklagten S.
auch ihr gegenüber verjährungsunterbrechend (BGH
NStZ-RR 1996, 147), so daß im Blick auf die Festsetzung einer
Geldbuße ebenso wie hinsichtlich der Straftaten des
Angeklagten S. zum Zeitpunkt des Urteils keine
Verfolgungsverjährung eingetreten war.
1. Bis zum Inkrafttreten des zweiten Gesetzes zur Bekämpfung
der Wirtschaftskriminalität vom 15. Mai 1986 (2. WiKG)
bezeichnete § 30 OWiG die Festsetzung der Geldbuße
als Nebenfolge der Organtat, die sich als Ordnungswidrigkeit oder als
Straftat darstellen konnte. Der Gesetzgeber sah darin eine Geldsanktion
gegen juristische Personen und Personenvereinigungen in Form einer
Geldbuße. Der juristischen Person sollte die Straftat oder
Ordnungswidrigkeit ihres Organs als Grundlage für eine
Rechtsfolge zugerechnet werden. Um dogmatische Bedenken gegen die
Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen und
Personenvereinigungen zu beseitigen, sollte sie nur als Nebenfolge der
Tat des Organs verstanden werden (BTDrucks. V/1269, S. 58 f., 61). Nur
in Ausnahmefällen hielt der Gesetzgeber ein eigenes,
gesondertes Verfahren wegen der Rechtsfolge für
zulässig, weil er darin einen Widerspruch mit der
Verfahrensordnung sah (BTDrucks. aaO S. 61). Über diese
Bestimmungen hinaus traf der Gesetzgeber keine eindeutige Festlegung
zur Rechtsnatur der Sanktion (näher dazu: Pohl-Sichtermann,
Geldbuße gegen Verbände, Bochum 1974, S. 46 ff.; E.
Müller, Die Stellung der juristischen Person im
Ordnungswidrigkeitenrecht, Köln 1985, S. 44 ff.; Brender, Die
Neuregelung der Verbandstäterschaft im
Ordnungswidrigkeitenrecht, Rheinfelden unter anderem 1989, S. 86 ff.;
Ehrhardt, Unternehmensdelinquenz und Unternehmensstrafe, Berlin 1994,
S. 75 ff.). Eigene Verjährungsvorschriften waren für
die Sanktion nicht vorgesehen. Für den Fall, daß es
sich bei der Organtat um eine Ordnungswidrigkeit handelte, bestimmte
§ 31 Abs. 1 S. 1 OWiG jedoch ausdrücklich,
daß mit der Verjährung der Ordnungswidrigkeit auch
die Anordnung von Nebenfolgen ausgeschlossen wird. Das Strafgesetzbuch
regelte dagegen die Verjährung der Nebenfolgen von Straftaten
nicht, was dem Gesetzgeber auch bewußt war (BTDrucks. V/1269,
S. 63). Die §§ 78 ff. StGB beziehen
ausdrücklich nur Maßnahmen nach § 11 Abs. 1
Nr. 8 StGB ein, zu denen die im Ordnungswidrigkeitenrecht geregelte
Nebenfolge der Geldbuße gegen juristische Personen nicht
gehört. Aufgrund der gesetzlichen Konstruktion einer
Nebenfolge, mit der gegen eine juristische Person eine Rechtsfolge
wegen einer Tat verhängt werden sollte, die ein anderer
begangen hatte, und der engen verfahrensrechtlichen
Verknüpfung, wie sie in § 30 Abs. 4 OWiG und
§ 444 StPO zum Ausdruck kam, gingen Rechtsprechung und
Literatur von der Akzessorietät der Verjährung
zwischen Organtat und Festsetzung der Geldbuße aus (E.
Müller, aaO S. 96; Pohl-Sichtermann, aaO S. 198; Brender, aaO
S. 150; Göhler, NJW 1979, 1436). Handelte es sich bei der
Organtat um eine Straftat, sollte die Festsetzung der
Geldbuße in der Frist verjähren, die für
die Straftat galt. Mit Ausnahme des selbständigen Verfahrens
sollten verjährungsunterbrechende Handlungen im Verfahren
gegen das Organ auch gegen die juristische Person wirken.
2. Mit dem 2. WiKG hat der Gesetzgeber in § 30 OWiG die
Bezeichnung der Geldbuße als Nebenfolge gestrichen. Wie sich
aus der amtlichen Begründung ergibt (BTDrucks. 10/318, S. 41),
stand dahinter die Absicht, die Ausgestaltung der Sanktion als
Nebenfolge einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu "lockern", um die
bereits bestehenden Möglichkeiten, die Geldbuße in
einem selbständigen Verfahren festzusetzen, zu erweitern. Der
Gesetzgeber unterließ es in diesem Zusammenhang jedoch, die
Sanktion dogmatisch neu einzuordnen oder ihre Rechtsnatur
näher zu bestimmen (Brender, aaO S. 91 ff.). In § 33
Abs. 1 Satz 2 OWiG und in der Überschrift des achten
Abschnittes, in dessen § 88 OWiG das Verfahren für
den Fall geregelt wird, daß die Organtat eine
Ordnungswidrigkeit darstellt, blieb auch die Bezeichnung als Nebenfolge
weiter bestehen. Es ist daher umstritten, ob durch die Streichung
materiell eine Änderung eingetreten ist, wenn man von den
ausdrücklich im Gesetz angeführten Erweiterungen des
selbständigen Verfahrens in § 30 Abs. 4 OWiG und
§ 33 Abs. 1 Satz 2 OWiG absieht (befürwortend:
Göhler,
OWiG 8. Aufl. vor § 29a Rdn. 14; Schroth, wistra 1986, 162;
Tiedemann, NJW 1988, 1171; Brender aaO S. 91; ablehnend: Boujong in KK
4. Aufl. § 444 StPO Rdn. 1; Cramer in KK-OWiG 1. Aufl.
§ 30 OWiG Rdn. 146; zweifelnd
Achenbach, Jus 1990, 605).
3. Das Einunddreißigste Strafrechtsänderungsgesetz -
Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität
- (31. StrÄndG - 2. UKG) vom 27. Juni 1994 ergänzte
§ 33 Abs. 1 Satz 2 OWiG dahin, daß die Festsetzung
einer Geldbuße gegen eine juristische Person oder
Personenvereinigung in den Begriff der Nebenfolge nicht mehr einbezogen
wurde, sondern ausdrücklich daneben genannt wurde. Zur
Begründung wurde angeführt, daß bereits mit
dem 2. WiKG die Bezeichnung der Geldbuße als Nebenfolge
aufgegeben und die Ergänzung in § 33 Abs. 1 Satz 2
OWiG erforderlich sei, um auch im Wortlaut dieser Vorschrift
klarzustellen, daß sich die Verbandsgeldbuße als
selbständige Sanktion darstelle (BTDrucks. 12/192, S. 33). Die
Überschrift des achten Abschnittes vor § 88 OWiG
blieb jedoch unverändert. Auch die Vorschriften über
das Verfahren, § 444 StPO bei einer Straftat und § 88
OWiG bei einer Ordnungswidrigkeit des Organs, wurden nicht
geändert. Im Verfahren hat die juristische Person daher
weiterhin nicht die Stellung eines Betroffenen oder Beschuldigten,
sondern ihre Stellung bleibt der eines Nebenbeteiligten
angenähert.
4. Damit hat der Gesetzgeber zwar die Bezeichnung als Nebenfolge
weitgehend aufgegeben, um die Möglichkeiten für ein
selbständiges Verfahren gegen die juristische Person zu
erweitern, die materiellen Voraussetzungen für die
Verhängung der Geldbuße und damit die Konstruktion
der Sanktion blieben jedoch unverändert. Nach wie vor
umschreibt § 30 OWiG keinen eigenen
Ordnungswidrigkeitentatbestand, sondern knüpft an eine
Straftat oder Ordnungswidrigkeit des Organs einer juristischen Person
für diese die Folge einer Geldbuße an. Daß
der Gesetzgeber an der damit verbundenen akzessorischen
Verjährung nichts ändern wollte (so auch
Göhler 8. Aufl. vor § 29a Rdn. 14; Korte, NStZ 1997,
518), zeigt sich insbesondere auch an der mit dem 2. WiKG
eingeführten Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 2 OWiG.
Durch die Vorschrift sollte die zuvor in Rechtsprechung und Lehre
umstrittene Frage geklärt werden, ob die Verjährung
auch durch Handlungen im selbständigen Verfahren unterbrochen
werden kann, wenn diese sich nicht auf die Verfolgung einer bestimmten
(natürlichen) Person beziehen (BTDrucks. 10/318 S. 42). Die
bereits bestehenden Unterbrechungsmöglichkeiten sollten
erweitert und insoweit eine eigene Verfolgungsverjährung
begründet werden. Dabei lag es nicht in der Absicht des
Gesetzgebers, sämtliche vor Einleitung des
selbständigen Verfahrens
erfolgten Unterbrechungshandlungen gegen die natürliche Person
für bedeutungslos im Hinblick auf die juristische Person zu
erklären (BGH NStZ-RR 1996, 147; a.A. noch OLG Karlsruhe
wistra 1987, 115).
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