BGH,
Urt. v. 5.2.2003 - 2 StR 321/02
2 StR 321/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 5. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 5.
Februar 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, die Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Otten, die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß, Prof. Dr. Fischer, die Richterin am
Bundesgerichtshof Roggenbuck, Staatsanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bad
Kreuznach vom 2. Mai 2002 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und Meineids zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt
und im übrigen das Verfahren nach § 154 StPO
eingestellt. Gegen die Verurteilung wendet sich die Revision des
Angeklagten mit der Sachrüge.
I.
Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Das Tatopfer K. W. war im November 1989 von L. nach K. in R. gezogen.
Im Februar oder März 1990 lernte sie den Angeklagten kennen,
den sie am 11. Oktober 1990 heiratete. Die Eheleute mieteten zum 1.
Dezember 1990 eine gemeinsame Wohnung. Die bisher von K. W. bewohnte
Wohnung war zum Monatsende Dezember 1990 gekündigt worden.
Ihre Sachen hatte der Angeklagte aus ihrer alten Wohnung in die
angemietete Ehewohnung geschafft, wo sie, soweit sie noch nicht
ausgepackt waren, in Umzugskartons lagerten. Am 28. November 1990 hatte
K. W. entweder allein, aber mit Kenntnis des Angeklagten, oder in
Anwesenheit des Angeklagten von dem gemeinsamen Girokonto und dem
gemeinsamen Sparbuch insgesamt 4.000 DM abgehoben. Am 7. Dezember 1990
erzählte K. W. vormittags einer Arbeitskollegin, daß
sie mit dem Angeklagten am Nachmittag Sitzmöbel ansehen wolle.
Gegen 15.00 Uhr verließ sie mit dem Angeklagten ihre
Arbeitsstelle. Danach ist K. W. nicht mehr lebend gesehen worden. Ihre
Leiche wurde am 1. April 1991 vergraben in einem Erdloch in einem Acker
entdeckt, das sich 250 km von K. entfernt in Frankreich befand. Die
Liegezeit der Leiche betrug bei ihrem Auffinden zwei bis vier Monate,
identifiziert als K. W. wurde sie erst 1994. Als wahrscheinliche
Todesursache wurde Ersticken mit einem weichen Textilgegenstand
festgestellt, nicht ausgeschlossen werden konnte aber auch eine
Vergiftung mit einem chemisch nicht nachweisbaren Gift. Spuren von
sonstiger Gewaltanwendung wurden nicht festgestellt. Die Kleidung des
Tatopfers war geordnet, der Ehering des Opfers war - im Gegensatz zu
zwei weiteren Ringen - verschwunden.
Das Landgericht geht davon aus, daß es am Nachmittag des 7.
Dezember 1990 zu einem Streit zwischen den Eheleuten kam, in dessen
Verlauf der Angeklagte seine Frau erstickte. Anschließend
vergrub er ihre Leiche - allein oder mit Hilfe anderer - am
späteren Fundort und beseitigte ihre Umzugskartons und
sonstigen persönlichen Sachen.
In der Folge betrieb er das Scheidungsverfahren. Vor dem
Familienrichter bekundete und beeidete er - als Partei vernommen - am
17. September 1991, daß seine Ehefrau ihn am 7. Dezember 1990
unter Mitnahme ihrer Sachen und von 4.000 DM aus den gemeinsamen
Guthaben verlassen habe.
Der Angeklagte hat seine Täterschaft bestritten. Nach seiner
Einlassung hat er am Nachmittag des 7. Dezember 1990 sich allein
Sitzmöbel angesehen, weil K. W. nicht mitkommen wollte. Bei
seiner Rückkehr seien sowohl seine Frau wie ihre Umzugskartons
und ihre persönliche Habe verschwunden gewesen. Am
nächsten Tag habe er festgestellt, daß seine Frau
vom Sparbuch und Girokonto am 28. November 1990 ohne sein Wissen
insgesamt 4.000 DM abgehoben hatte.
II.
Mit der Revision wendet sich der Angeklagte gegen die nach seiner
Auffassung lückenhafte und einer ausreichenden
Tatsachengrundlage entbehrenden Beweiswürdigung.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die tatrichterliche Beweiswürdigung ist nicht zu
beanstanden.
Allein dem Tatrichter ist die Aufgabe übertragen, ohne Bindung
an Beweisregeln eigenverantwortlich zu prüfen, ob er an sich
mögliche Zweifel überwinden und sich von einem
bestimmten Geschehen überzeugen kann (BGHSt 10, 208, 209).
Beachtet er dabei die ihm gezogenen Grenzen, so hat das
Revisionsgericht die gewonnene Überzeugung hinzunehmen. Dies
ist hier der Fall.
a) Zu Recht ist die Strafkammer davon ausgegangen, daß als
Alternative zu einer Tötung der K. W. durch den Angeklagten
allein in Betracht kommt, daß K. W. den Angeklagten unter
Mitnahme ihrer Besitztümer und der abgehobenen 4.000 DM ohne
vorherige Ankündigung - gegebenenfalls mit einem Dritten -
verlassen hat und danach von einem Dritten getötet worden ist.
Daß nur diese Alternative ernsthaft in Erwägung zu
ziehen ist, wird auch von der Revision nicht in Frage gestellt. Die
Überzeugung, daß eine "heimliche Flucht" nicht
vorgelegen hat, sondern der Angeklagte seine Ehefrau getötet
hat, hat die Strafkammer auf folgende Feststellungen gestützt:
- Die Leiche wurde mit Bekleidungsstücken gefunden, die auf
eine Tötung im geheizten Raum hindeuten.
- Sie trug Schmuck mit Ausnahme ihres Eherings, in dem der Name T.
eingraviert war.
- Weder die Eltern noch die Schwester des Tatopfers, zu denen eine enge
Beziehung bestand, aber auch nicht die Mutter des Angeklagten, der
Angeklagte selbst oder die Arbeitskollegen der K. W. hatten
Anhaltspunkte dafür, daß K. W. in ihrer Ehe
unglücklich war oder eine Beziehung zu einem anderen Mann
unterhielt.
- Eine frühere Beziehung war noch vor der
Eheschließung einvernehmlich beendet worden. Der
frühere Freund, der wieder in L. lebte, war eine enge
Beziehung zu einer anderen Frau eingegangen und auch zeitlich nicht in
der Lage gewesen, K. W. am Nachmittag des 7. Dezember 1990 abzuholen.
- K. W. hat am 4. Dezember 1990 mit ihrer Schwester telefoniert und am
gleichen Tag einen Brief an ihre Eltern geschrieben, in denen sie
über die in den nächsten Tagen und Wochen anstehenden
Ereignisse und Vorhaben berichtete, nämlich über eine
am 10. bis 14. Dezember 1990 anstehende Allergiebehandlung, den
Geburtstag ihres Ehemanns am 18. Dezember 1990 und das von ihr besorgte
Geschenk, den bevorstehenden Besuch gemeinsam mit ihrem Ehemann bei
ihren Verwandten in L. zu Weihnachten und die von ihr bereits besorgten
Geschenke für ihre Neffen und ihren Ehemann (ein Portemonnaie,
das sie im November im Beisein ihrer Kolleginnen gekauft hatte).
- Die Abhebung der 4.000 DM ist nicht unmittelbar, sondern bereits zehn
Tage vor dem Verschwinden K. W. s erfolgt.
- K. W., die ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern und ihrer
Schwester hatte, hat sich auch in der Folgezeit nicht gemeldet.
Auch aus dem Verhalten des Angeklagten nach dem 7. Dezember 1990 hat
das Landgericht zu Recht Indizien für seine
Täterschaft abgeleitet. So hat der Angeklagte keine
Vermißtenanzeige erstattet, gegenüber den
Angehörigen seiner Frau aber auf wiederholte Nachfragen
angegeben, daß er bei der Polizei gewesen sei und
Vermißtenanzeige erstattet habe. Ferner hat er 1991 auf
Fragen im Zusammenhang mit dem Verschwinden seiner Frau einer Freundin
erklärt, daß er ihr das, was wirklich mit K.
passiert sei, in 25 Jahren erzählen werde und diese
schließlich auch gefragt, ob sie glaube, daß er
seine Frau verbuddelt habe. Einer anderen Freundin hatte er 1991 zudem
gebrauchten Schmuck - eine Goldkette und Ohrringe mit einer Perle -
geschenkt. Solchen Schmuck hatte auch K. W. besessen.
Schließlich hat er die Verfügungsberechtigung K. W.
s über das Girokonto erst im Februar 1991 widerrufen, obwohl
seine Ehefrau nach seiner Einlassung die 4.000 DM ohne sein Wissen vor
ihrem Untertauchen abgehoben haben soll.
Diese Umstände stellen in ihrer Gesamtheit eine ausreichende
Tatsachengrundlage für die Überzeugung der Kammer
dar, daß der Angeklagte K. W. getötet hat. Mit der
Möglichkeit, daß K. W. ihren Ehemann am 7. Dezember
1990 verlassen haben kann, hat sich die Kammer ausführlich
auseinandergesetzt, sie aber aufgrund beanstandungsfreier
Würdigung ausgeschlossen.
b) Durchgreifende Rechtsfehler hat auch die Revision nicht aufgezeigt:
Daß es gelegentlich aufgrund eines dominanten und
eifersüchtigen Verhaltens des Angeklagten zu Spannungen in der
Ehe gekommen sein kann, hat die Kammer gesehen. Daß die Ehe
sich dennoch nach dem Eindruck dem
Ehepaar nahestehender Personen als glücklich und
ungetrübt darstellte, steht dazu nicht im Widerspruch.
Insbesondere konnte die Kammer aus den nur wenige Tage vor dem 7.
Dezember 1990 erfolgten Äußerungen des Tatopfers
gegenüber den Eltern und der Schwester schließen,
daß dieses nicht daran dachte, aus der Ehe auszubrechen.
Entgegen der Auffassung der Revision konnte die Kammer in diesem
Zusammenhang auch den Zeitpunkt der Abhebung der 4.000 DM - zehn Tage
vor einer etwaigen "Flucht" - als wesentliches gegen eine solche
"Flucht" sprechendes Indiz werten. Daß die Abhebung in dieser
Zeit hätte entdeckt werden können, lag angesichts des
Zeitraums
- Monatsende/Monatsanfang - nahe. Zudem bestand Geldbedarf, weil die
Eheleute ersichtlich größere Anschaffungen planten.
Fehlerfrei ist die Kammer auch davon ausgegangen, daß die
weiteren von ihr gewürdigten Indizien ihr Beweisergebnis
stützen. Daß sie sich jedenfalls teilweise - wie der
Revision zuzugeben ist - auch mit der Version der "heimlichen Flucht"
und Tötung durch einen Dritten vereinbaren lassen,
erschüttert die insgesamt recht breite Tatsachengrundlage
nicht. Soweit die Kammer einzelne Umstände nicht
ausdrücklich auch in dieser Richtung gewürdigt hat,
ist auszuschließen, daß sie dies bei ihrer
intensiven Auseinandersetzung gerade mit dieser Alternative
übersehen hat. Ihre Schlußfolgerungen sind
nachvollziehbar und möglich, zwingend müssen sie
nicht sein.
2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Prüfung
stand.
Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer einen minder schweren Fall nach
§ 213 1. Alt. StGB verneint. Zwar darf dem Täter kein
Nachteil daraus erwachsen, daß er die Tat bestreitet und
damit nicht in der Lage ist, Umstände vorzutragen, die sich
strafmildernd auswirken können. Deshalb ist in solchen
Fällen von der für den Angeklagten
günstigsten Möglichkeit auszugehen, die nach den
gesamten Umständen in Betracht kommt (vgl. BGHR StGB
§ 213 Beweiswürdigung 1 m.w.N.). Der Zweifelssatz
bedeutet jedoch nicht, daß das Gericht von der dem
Angeklagten jeweils (denkbar) günstigsten Fallgestaltung auch
dann ausgehen muß, wenn hierfür keine Anhaltspunkte
bestehen (st. Rspr.; BGH StV 2001, 666 f.). Solche Anhaltspunkte hat
die Strafkammer hier zu Recht nicht gesehen. Denn allein die Tatsache,
daß der Angeklagte sich im Verlauf eines Streites mit K. W.
zu einer derartigen Gewalttat hinreißen ließ, legt
für sich genommen noch nicht nahe, daß es zu einer
Tatprovokation durch das Tatopfer gekommen ist. Nichts anderes hat die
Strafkammer mit der allerdings mißverständlichen
Formulierung, daß ein solcher Streit nicht "zwingend
mit einer Mißhandlung ... oder Beleidigung durch das Opfer
verbunden gewesen sein" muß, zum Ausdruck bringen wollen.
Auch die übrigen Strafzumessungserwägungen sind im
Ergebnis nicht zu beanstanden.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß Fischer Roggenbuck |