BGH,
Urt. v. 5.7.2007 - 4 StR 540/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 540/06
vom
5.7.2007
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5.7.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kuckein, Richterin am
Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der
Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin Beate G. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken vom 7. Februar 2006 wird als unbegründet
verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin klargestellt, dass der
Angeklagte der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung schuldig ist.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung"
(§§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 a,
223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 52 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von
sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der
Beschwerdeführer mit seiner auf die Verletzung formellen und
materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist
unbegründet.
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1. Den Verfahrensrügen bleibt insgesamt der Erfolg versagt.
Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
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a) Die Rüge, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die
Beweisanträge auf Einholung eines "medizinisch-psychiatrischen
bzw. psychologisch-psychotherapeutischen
Glaubwürdigkeitsgutachtens" bezüglich der
Geschädigten mit der Begründung abgelehnt, dass es
selbst über die erforderliche Sach-
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kunde verfüge, hat - entgegen der Ansicht des
Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift - keinen Erfolg.
Soweit die Revision eine Begutachtung deswegen für
erforderlich hält, weil die Geschädigte in ihren
polizeilichen Vernehmungen Widersprüchliches angegeben habe,
ist die Rüge unzulässig erhoben, weil die
Verteidigung es unterlassen hat, die fraglichen Vernehmungen wenigstens
ihrem wesentlichen Inhalt nach mitzuteilen; ein Verweis auf die bei den
Akten befindlichen Vernehmungsprotokolle reicht nicht aus.
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Die Rüge ist zudem auch unbegründet. Die Beurteilung
der Glaubwürdigkeit eines Zeugen ist grundsätzlich
die Aufgabe des Tatrichters. Der Hinzuziehung eines
Sachverständigen bedarf es nur, wenn die Eigenart und
besondere Gestaltung des Einzelfalles eine Sachkunde erfordern, die ein
Richter normalerweise nicht hat. Hier liegen ausweislich der
Urteilsgründe keine derart erheblichen
Beeinträchtigungen in der Person der Geschädigten
vor, dass die Inanspruchnahme der Sachkunde eines
Sachverständigen geboten gewesen wäre.
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Zwar behauptet die Revision, dass die Geschädigte an einer
Borderline-Persönlichkeitsstörung leide. Das zur
Begründung dieser Behauptung mitgeteilte Attest
bestätigt das aber nicht. Die ärztliche Bescheinigung
belegt eine etwa acht Monate nach der Tat erfolgte stationäre
Behandlung der Geschädigten in der Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie in Homburg/Saar und gibt als Diagnose
nach ICD 10 "F 43.21" an, mithin eine Anpassungsstörung in
Form einer längeren depressiven Reaktion. Diese
Störung wird als leichter depressiver Zustand beschrieben, der
als Reaktion auf eine länger anhaltende Belastungssituation
auftritt und nicht länger als zwei Jahre dauert. Diese
Diagnose musste das Landgericht nicht veranlassen, ein
Glaubwürdigkeitsgutachten einzuholen.
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Die weitere Behauptung der Revision, die Geschädigte habe sich
nach der Tat einer erinnerungsverändernden Hypnosetherapie
unterzogen, trägt schon deshalb nicht, weil die
Geschädigte ausweislich der Feststellungen bereits unmittelbar
nach der Tat und damit vor Aufnahme einer psychotherapeutischen
Behandlung in mehreren polizeilichen Vernehmungen das Tatgeschehen wie
von der Strafkammer festgestellt geschildert hat. Bei dieser Sachlage
gebot auch der Umstand, dass die Geschädigte bei der Tat
erheblich alkoholisiert war und in der Hauptverhandlung
Erinnerungslücken geltend machte, die Einholung eines
Glaubwürdigkeitsgutachtens nicht.
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Im Übrigen treten bei der Frage, ob der Tatrichter die eigene
Sachkunde zur Glaubwürdigkeitsbeurteilung zu Recht annehmen
konnte, Besonderheiten des Falles und in der Person des Zeugen in ihrer
Bedeutung zurück, wenn dessen Aussage in anderen
Umständen erhebliche Unterstützung findet (BGHR StPO
§ 244 Abs. 4 Satz 1 Sachkunde 4). Hier wird die Aussage der
Geschädigten durch die frischen Blutspuren des Angeklagten am
Tatort objektiv erhärtet.
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b) Die auf die Behauptung des absoluten Revisionsgrundes nach
§ 338 Nr. 3 StPO gestützte Verfahrensrüge
dringt ebenfalls nicht durch. Der Angeklagte hatte den Vorsitzenden der
Strafkammer im Hauptverhandlungstermin vom 3. Februar 2006 erfolglos
wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil dieser dem Antrag
der Verteidigerin, die Hauptverhandlung für zwei Tage zu
unterbrechen, um ihr Gelegenheit zur Vorbereitung ihres Schlussvortrags
zu geben, nicht entsprochen hatte. Bereits die Zulässigkeit
der Rüge begegnet erheblichen Bedenken, weil die Revision
unterlässt, den tatsächlichen Ablauf der
Hauptverhandlung vom 3. Februar 2006 vollständig mitzuteilen
(Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 258 Rdn. 33). Die
Rüge erweist sich jedenfalls als unbegründet. Die
Entscheidung des Vorsitzenden, den Unterbrechungsan-
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trag abzulehnen, kann nicht als willkürlich angesehen werden,
da der Vorsitzende bereits vor einer längeren Unterbrechung
der Hauptverhandlung am 13. Januar 2006 angekündigt hatte,
dass am nächsten Verhandlungstag, dem 3. Februar 2006, die
Schlussvorträge gehalten werden sollen (vgl. BGH, Urteil vom
14. Juni 2000 - 3 StR 26/00, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 46,
81). Vor diesem prozessualen Hintergrund ist auch die
Äußerung des Vorsitzenden, gegebenenfalls ohne
Schlussvortrag der Verteidigung das Verfahren zu beenden, noch
hinzunehmen (vgl. BGH bei Pfeiffer NStZ 1981, 295; BGHR StPO §
142 Abs. 1 Auswahl 1 und § 145 Abs. 1 Weigerung 1).
c) Die Revision rügt ferner, der Beweisantrag auf Einholung
eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür,
dass der Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten wegen deren
Verletzungen zwangsläufig zu Blutspuren beim Angeklagten in
Hüfthöhe geführt haben würde, sei
rechtsfehlerhaft mit der Begründung abgelehnt worden, das
angegebene Beweismittel sei völlig ungeeignet. Diese
Rüge ist deswegen unzulässig, weil die Tatsachen, die
die Fehlerhaftigkeit des Ablehnungsbeschlusses ergeben, nicht
bezeichnet werden (vgl. Meyer-Goßner aaO § 344 Rdn.
22 m.w.N.). Die Verteidigung hat es unterlassen, die Verletzungen der
Geschädigten, die zu entsprechenden Blutanhaftungen beim
Angeklagten geführt haben müssten, durch Vorlage von
in der Akte befindlichen Lichtbildern oder zumindest durch genauere
Beschreibung darzustellen.
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d) Den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens
zum Beweis dafür, dass die am Tatabend bei dem Angeklagten
festgestellten Verletzungen nicht ausreichten, um die dem Angeklagten
anhand seiner DNA zuzuordnenden Blutspuren am Tatort zu
erklären, hat das Landgericht mit zutreffender
Begründung wegen völliger Ungeeignetheit des
Beweismittels zurück-
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gewiesen. Es hat darauf abgestellt, dass der Angeklagte bei seiner
Festnahme nicht umfassend, sondern nur oberflächlich
über der Kleidung untersucht worden ist, so dass es an den
erforderlichen Anknüpfungstatsachen für die
beantragte Gutachtenerstattung fehle. Die insoweit erhobene
Verfahrensrüge ist unbegründet.
e) Ebenfalls unbegründet ist die Rüge, der Antrag auf
Durchführung einer Tatrekonstruktion, hilfsweise auf Einholung
eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dessen, dass der
Angeklagte unter anderem in Folge seiner Alkoholisierung nicht in der
Lage gewesen sei, innerhalb von 25 Minuten die ihm zur Last liegenden
Tathandlungen zu begehen, sei vom Landgericht rechtsfehlerhaft wegen
völliger Ungeeignetheit des Beweismittels abgelehnt worden.
Der Antrag stellt sich nicht als Beweisantrag, sondern lediglich als
eine nach Aufklärungsgesichtspunkten zu beurteilende
Beweisanregung dar (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1957, 142; NJW 1961,
1486, 1487; Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 26; Herdegen
in KK 5. Aufl. § 244 Rdn. 16). Die Zurückweisung des
Begehrens wäre nur dann rechtsfehlerhaft, wenn das Tatgericht
dadurch seine Aufklärungspflicht verletzt hätte; dass
die Zurückweisung in Form der Bescheidung eines Beweisantrags
erfolgte, ändert daran nichts (BGH StV 1996, 581). Die
Aufklärungspflicht gebot es hier nicht, dem Begehren der
Verteidigung zu entsprechen, da die Auswirkungen der festgestellten
Alkoholisierung auf die Leistungsfähigkeit des Angeklagten in
der konkreten Tatsituation nicht rekonstruiert werden können
(vgl. BGH NJW 1961, 1486, 1487; BGH bei Holtz MDR 1977, 108). Die
Überlegung der Revision, "… ein
gerichtsmedizinischer Sachverständiger hätte
… die alkoholbedingte Beeinträchtigung des
Angeklagten … berücksichtigen können,
welche von einem entsprechend geschulten (Laien-)Schauspieler ohne
weiteres hätte simuliert werden können",
verfängt deshalb nicht.
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f) Auch die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines
Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die
sichergestellten Blutspuren, die anhand der DNA dem Angeklagten
zuzuordnen sind, nicht vom Tatabend stammen, sondern mindestens zehn
Stunden älter seien, greift die Revision erfolglos an. Das
hinsichtlich der Altersbestimmung von Blutspuren
sachverständig beratene Landgericht hat den Beweisantrag
rechtsfehlerfrei wegen Ungeeignetheit des Beweismittels abgelehnt, weil
nach den Ausführungen des Sachverständigen eine
derartige zeitliche Eingrenzung nicht möglich sei.
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g) Soweit die Revision schließlich das Gebot des fairen
Verfahrens als verletzt ansieht, weil der zur Beurteilung der
Schuldfähigkeit hinzugezogene Sachverständige den
Angeklagten auch in einem zeitgleich durchgeführten
Berufungsverfahren begutachtet habe und daher voreingenommen gewesen
sei, ist die diesbezügliche Rüge unzulässig.
Die Verteidigung, der die weitere Begutachtung bekannt war, hat es
unterlassen, im Namen des Angeklagten den Sachverständigen
nach § 74 StPO wegen der Besorgnis der Befangenheit
abzulehnen. Nur die hierauf ergangene Gerichtsentscheidung
hätte als verfahrensfehlerhaft beanstandet werden
können (vgl. Senge in KK aaO § 74 Rdn. 17). Im
Übrigen wäre allein die Mitwirkung des
Sachverständigen in einem anderen Strafverfahren kein
Ablehnungsgrund wegen der Besorgnis der Befangenheit.
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2. Die Sachrüge hat ebenfalls keinen Erfolg. Die
Nachprüfung des Urteils hat weder zum Schuldspruch noch zum
Strafausspruch einen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler erkennen
lassen. Insbesondere mussten sich - entgegen der Ansicht der Revision
und des Generalbundesanwalts - dem Landgericht Zweifel an der
Zuverlässigkeit der Angaben der Geschädigten auch
nicht angesichts der Tatsache aufdrängen, dass sich sowohl im
Abstrich von der
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Bisswunde in der linken Brust des Opfers als auch im entsprechenden
Bereich seines Bademantels nur DNA-Spuren der Geschädigten
nachweisen ließen. Aus dem Urteil ergibt sich nicht, dass in
dem Abstrich Täter-DNA hätte nachweisbar sein
müssen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte bei seiner
Haftprüfung selbst eingeräumt hat, er habe am Tattage
anlässlich eines einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs "Frau G.
auch die Bisswunde an der Brust beigebracht". Angesichts des
übrigen Beweisergebnisses, insbesondere wegen der noch
während der notärztlichen Versorgung
gegenüber der Polizeikommissarin W. getätigten
konkreten Angaben der Geschädigten, Täter sei der
Angeklagte gewesen, war auch deren lediglich pauschal gehaltene
Äußerung gegenüber dem Notarzt, "es habe
eine Partnerschaftsstreitigkeit gegeben und sie habe
Fußtritte und Schläge erlitten", nicht weiter
erörterungsbedürftig.
Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte der Geschädigten
schwerwiegende Verletzungen, unter anderem einen zweifachen Beckenbruch
mit zum Teil andauernden Folgen zugefügt hat, indem er sie die
16-stufige Treppe hinunter stieß, mit schweren Arbeitsschuhen
auf sie eintrat und einen Wäschetrockner auf die am Boden
liegende Frau warf, ist die Höhe der erkannten Strafe trotz
der dem Angeklagten vom Landgericht zugebilligten
Milderungsgründe revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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3. Der Senat hat den Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der
Angeklagte der besonders schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung schuldig ist, da die
von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung
der Straftat eine Kennzeichnung der Qualifikation in der Urteilsformel
verlangt (BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4).
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Tepperwien RiBGH Prof. Dr. Kuckein Solin-Stojanović ist infolge Urlaubs
gehindert zu unterschreiben
Tepperwien
Ernemann Sost-Scheible |