BGH,
Urt. v. 5.3.2008 - 2 StR 626/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 626/07
vom
5.3.2008
Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja
StPO § 395 Abs. 2 Nr. 1
Die Nebenklagebefugnis gemäß § 395 Abs. 2
Nr. 1 StPO und damit auch die Rechtsmittelbefugnis eines nahen
Angehörigen des Verletzten erfasst auch durch einen
Todeserfolg qualifizierte Delikte.
StGB § 221 Abs. 1 Nr. 1 und 2
Die Tathandlungen des Versetzens in eine hilflose Lage und auch des im
Stich Lassens in einer solchen Lage (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 und 2
StGB i.d.F. durch das 6. StrRG) setzen für die
Tatbestandserfüllung keine Ortsveränderung des Opfers
oder des Täters voraus.
BGH, Urteil vom 5.3.2008 - 2 StR 626/07 - LG Kassel
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in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5.3.2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 1.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten zu 2.,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 4 -
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des
Landgerichts Kassel vom 29. Juni 2007, soweit es die beiden Angeklagten
H. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als
Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten W. H. wegen gefährlicher
Körperverletzung und wegen versuchten Mordes zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten und die
Angeklagte M. H. wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von
vier Jahren verurteilt. Gegen den Mitangeklagten E. hat es wegen
Beihilfe zum versuchten Mord eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren
verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt wurde. Gegen die Verurteilung der Angeklagten W. und M. H.
wendet sich die Revision der Nebenklägerin mit der
Sachrüge. Sie erstrebt bei beiden Angeklagten eine
Verurteilung wegen vollendeten Mordes. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1
I.
Das Landgericht hat festgestellt:
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Der am 8. Juli 1973 geborene, geistig leicht behinderte F. lebte seit
Ende 2002 bei den Angeklagten, die seine Sozialleistungen
vereinnahmten. Er wurde vor allem vom Angeklagten W. H. , aber auch von
der Angeklagten M. H. , deren Kindern und Bekannten der Familie
angeschrien, gedemütigt und geschlagen. Spätestens
Anfang Juli 2003 verschlechterte sich sein körperlicher
Zustand, er magerte zusehends ab und hatte zahlreiche offene Wunden an
Armen und Beinen sowie am rechten Ohr, außerdem eine
äußerlich dunkel gefärbte, ballonartig nach
vorn gewölbte Beule von der Stirn bis zur Mitte des Hauptes.
Am Abend des 6. Juli 2003 kam es zu einem Streit zwischen dem
Angeklagten W. H. und der Angeklagten M. H. und deren Kindern. Der
Angeklagte fragte F. , der sich wie meist im Hausflur aufhielt,
„warum er so blöd glotze“, riss ihn von
dem Holzschemel, auf dem er saß und stieß ihn vier
bis fünf Mal mit voller Wucht gegen die Wand. Als sich F.
wieder auf den Schemel setzte, trat der Angeklagte so heftig gegen den
Schemel, dass F. zu Boden fiel. Nun trat und schlug der Angeklagte
zunächst mit Fäusten und später sechs oder
sieben Mal mit dem Schemel auf den Oberkörper, die
Gliedmaßen und den Kopf des Geschädigten F. ein, um
diesen zu verletzen, bis ein Bein des Schemels abbrach. F. erlitt
zahlreiche Hämatome am Oberkörper, eine ovale
Impressionsfraktur im Bereich des linken Oberkiefers mit
Bruchausläufer zum Boden der linken Augenhöhle und
eine Fraktur am Boden der rechten Augenhöhle.
Außerdem platzte die Beule an der Stirn, und Blut und Eiter
liefen heraus. Die beiden Angeklagten und der anwesende B. brachten F.
, der sich vor Schmerzen krümmte, stöhnte und nicht
mehr selbständig aufstehen konnte, ins Obergeschoss auf eine
Schlafcouch. Obwohl F. in der Folgezeit zu schwach war, um aufzustehen
und kaum reden konnte und die beiden Angeklagten dies erkannten,
ließen sie ihn dort liegen, ohne einen Arzt zu
verständigen (UA S. 27/28).
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Am Abend des 7. Juli 2003 wies F. am gesamten Oberkörper in
mehreren Farben schillernde Hämatome auf. Aus der Beule an der
Stirn trat eine gelbliche, übelriechende Flüssigkeit
aus. Das rechte Ohr war fast vollständig vom Kopf abgetrennt.
Er konnte nicht schlucken und kaum artikulieren. Gegen 22.00 Uhr
beschlossen die Angeklagten, die zwischenzeitlich erkannt hatten, dass
F. ohne ärztliche Hilfe innerhalb der nächsten
Stunden versterben würde, dass dieser aus dem Haus
müsse, damit sie wegen der sichtbaren und offensichtlich auf
Schlägen beruhenden Verletzungen keine Schwierigkeiten
bekämen. Mit Hilfe des Mitangeklagten E. und der gesondert
Verfolgten K. brachten die beiden Angeklagten F. in ihren VW-Bus, um
ihn irgendwo in Thüringen abzusetzen. Alle vier fuhren
zusammen mit F. bis in den Bereich von Eisenach. Am 8. Juli 2003 gegen
0.45 Uhr stellte K. fest, dass F. verstorben war. Die Angeklagten
legten seine Leiche in einem Waldstück etwa 20 Meter von der
Bundesstraße B 7 entfernt in einem Gebüsch ab, wo
sie am 18. Juli 2003 in stark verwestem und teilskelettiertem Zustand
aufgefunden wurde.
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Das Landgericht hat die Schläge des Angeklagten W. H. am 6.
Juli 2003 als gefährliche Körperverletzung nach
§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gewürdigt; an einer
Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts
oder wegen Körperverletzung mit Todesfolge hat es sich aus
tatsächlichen Gründen gehindert gesehen. Für
einen Tötungsvorsatz des Angeklagten W. H. hätten
sich keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben. Angesichts der
fortgeschrittenen Verwesung habe eine Todesursache
pathologisch-anatomisch nicht mehr festgestellt werden können.
Als wahrscheinliche Todesursachen kämen nach den
Ausführungen der gerichtsmedizinischen
Sachverständigen Prof. Dr. M. in Betracht eine Hirnblutung mit
progredienter Eintrübung, eine Darmverletzung mit
nachfolgender Entzündung oder innere Verletzungen der
Bauchorgane mit entweder verzögertem Verbluten oder
zweizeitger Blutung, die durch
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die Schläge des Angeklagten am 7. Juli 2003 verursacht worden
wären, aber auch eine allgemeine Infektion im Sinne einer
Sepsis angesichts der flukturierenden Beule und der blutigeitrigen
Verletzung am Ohr sowie weiterer offener Wunden, die auf
frühere, nicht angeklagte Verletzungshandlungen
zurückzuführen seien.
Die Vorgänge vom 7. Juli 2003 hat das Landgericht hinsichtlich
beider Angeklagter als versuchten Verdeckungsmord durch Unterlassen
gewürdigt, weil F. am Abend des 7. Juli 2003 auch bei
sofortiger ärztlicher Hilfe nicht mehr hätte gerettet
werden können.
6
II.
Die Verurteilung des Angeklagten W. H. lässt mehrere
Rechtsfehler zu seinem Vorteil erkennen.
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1. Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht die
Ursächlichkeit der Schläge vom 6. Juli 2003
für den Tod des F. und einen Tötungsvorsatz verneint
hat, enthält Lücken und ist deshalb rechtsfehlerhaft.
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a) Soweit das Landgericht gemeint hat, nicht ausschließen zu
können, dass früher zugefügte Verletzungen
und der zunehmend schlechte Allgemeinzustand aufgrund mangelnder
Ernährung und einer Sepsis letztendlich
todesursächlich waren (UA S. 46), ist diese
Beweiswürdigung schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil die
Annahme einer Sepsis als Todesursache sich als bloße fern
liegende hypothetische Möglichkeit darstellt, für die
nach den Feststellungen und dem mitgeteilten Inhalt der
rechtsmedizinischen Gutachten nichts spricht (vgl. BGHR StGB vor
§ 1/Kausalität Beweiswürdigung 3). Es
hätte im Urteil zumindest näherer Feststellungen dazu
bedurft, ob es Anzeichen für eine Sepsis gab oder geben
musste. Als der Mitangeklagte E. am Nachmittag des
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5. oder 6. Juli 2003 mit F. sprach, klagte dieser zwar über
seine Schwäche (UA S. 26/27), wies aber offenbar keine
äußeren Anzeichen einer Infektion wie beispielsweise
hohes Fieber auf. Das Landgericht hätte sich deshalb dazu
äußern müssen, ob eine Sepsis zu dem
Zeitpunkt ohne äußere Anzeichen hätte
vorhanden sein können oder nach dem Gespräch mit E.
hätte eintreten und binnen zwei Tagen zum Tode führen
können und mit welcher Wahrscheinlichkeit ein solcher
Krankheitsverlauf eintritt. Darüber hinaus hat das Landgericht
nicht geprüft, ob die Schläge und Tritte vom 6. Juli
2003 nicht möglicherweise zum Tod des Tatopfers beigetragen
haben. Es hätte aufklären müssen, ob nicht
die Schläge vom 6. Juli 2007, die zum fast
vollständigen Abreißen des Ohres und zum Platzen der
Beule sowie zur weiteren Schwächung des Tatopfers
geführt hatten, gegebenenfalls den Ausbruch einer Infektion
mitverursacht haben. Es lag hier nach den festgestellten
äußeren Umständen nahe, dass die F. am 6.
Juli 2003 zugefügten Verletzungen auch zu dem keine zwei Tage
später eingetretenen Tod beigetragen und den Todeseintritt
zumindest durch weitere Schwächung des Körpers und
fehlende Flüssigkeitsaufnahme begünstigt,
möglicherweise sogar beschleunigt (vgl. BGH NStZ 2001, 29, 30
f; StV 1986, 200) haben können. Eine
Mitursächlichkeit in diesem Sinne genügt für
die haftungsbegründende Kausalität des
Täterhandelns (vgl. BGHSt 39, 195, 197 f; BGH NStZ 2001, 29,
30).
b) Auch die Begründung, mit welcher der
Tötungsvorsatz im angefochtenen Urteil verneint worden ist,
hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das
Landgericht hat einen Tötungsvorsatz trotz der
Massivität und Vielzahl der Schläge und Tritte allein
aufgrund des Umstands verneint, dass es bereits früher zu
massiven körperlichen Übergriffen gekommen sei (UA S.
44 f.). Es hat dabei ersichtlich nicht bedacht, dass F. zum
Tatzeitpunkt gerade aufgrund der früheren
körperlichen Übergriffe und unzureichender
Nahrungsaufnahme bereits körperlich geschwächt war
(UA S. 26/27), er mithin erneute
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Verletzungen nicht so ohne weiteres verkraften würde wie bei
früheren Gelegenheiten. Angesichts der „nicht
unerhebliche Gewalteinwirkung“ (UA S. 43) erfordernden
Schläge mit dem Schemel in das Gesicht des
Geschädigten, die zu einer Impressionsfraktur mit Eindringen
eines Knochenstücks in die Kieferhöhle und der
Faustschläge, die zu Frakturen beider Augenböden
geführt haben, hätte das Landgericht näher
darlegen müssen, weshalb der Angeklagte hierbei den Tod des F.
nicht zumindest billigend in Kauf genommen hat. Dass diese schweren
Verletzungen, die dazu führten, dass F. sich nicht mehr
selbständig bewegen und nicht einmal Flüssigkeit
schlucken konnte, lebensgefährdend waren, versteht sich
entgegen der Ansicht des Landgerichts (UA S. 45) von selbst.
c) Sollte das neue Tatgericht zur Annahme eines
Tötungsvorsatzes gelangen, so wird es Gelegenheit haben, das
Vorliegen von Mordmerkmalen, namentlich niedriger Beweggründe
(vgl. hierzu BGHSt 47, 128, 130 f.; BGH NStZ-RR 2004, 332), zu
prüfen. Abhängig von den neuen Feststellungen zum
Tötungsvorsatz und zur Kausalität wird es auch die
Konkurrenzen neu zu beurteilen haben. Je nach Fallgestaltung
könnte etwa ein einheitlicher Mord, ein Totschlag in
Tateinheit mit versuchtem Mord oder eine Körperverletzung mit
Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Mord und Aussetzung mit
Todesfolge (siehe dazu unten) vorliegen.
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2. Das Landgericht hätte angesichts der Verneinung einer
vorsätzlichen Tötung zudem die Tatbestände
der §§ 221 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 225 Abs. 1 Nr. 2 StGB
prüfen müssen. Dieser Rechtsfehler führt
hier auch auf die Revision der Nebenklägerin zur Aufhebung,
weil die Verwirklichung der Qualifikationstatbestände des
§ 221 Abs. 3 StGB bzw. des § 227 StGB, der die
Körperverletzungstatbestände der §§
223 bis 226 StGB und damit auch die hier in Betracht kommende
Misshandlung Schutzbefohlener (§ 225 StGB) in Bezug nimmt, im
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Raum steht. Für die Nebenklagebefugnis eines nahen
Angehörigen - hier der Mutter des Tatopfers - aus §
395 Abs. 2 Nr. 1 StPO und damit die Rechtsmittelbefugnis
gemäß § 395 Abs. 4 Satz 2, § 401
Abs. 1 Satz 1 StPO genügt auch ein durch den Todeserfolg
qualifiziertes Delikt (vgl. BGH NStZ 1998, 476; BGH Urteil vom 10.
Januar 2008 - 3 StR 463/07; Hilger in LR StPO 25. Aufl. § 395
Rdn. 6).
a) Nach den bisherigen Feststellungen könnte sich der
Angeklagte der Misshandlung Schutzbefohlener (§ 225 Abs. 1 Nr.
2 StGB) schuldig gemacht haben. F. gehörte dem Hausstand des
Angeklagten an und war durch Nahrungsmangel und vorangegangene
Verletzungen so geschwächt, dass er selbst am 5. oder 6. Juli
2003 glaubte, seinen Geburtstag am 8. Juli 2003 nicht mehr zu erleben.
Es liegt nahe, dass er aufgrund dieses Zustands wehrlos war, so dass
insoweit die Voraussetzungen des § 225 Abs. 1 Nr. 2 StGB
erfüllt wären. Die Tätlichkeiten des
Angeklagten am Abend des 6. Juli 2003 stellten eine rohe Misshandlung
dar; in der sich anschließenden Untätigkeit des
Angeklagten könnten ein Quälen durch Unterlassen
(vgl. BGH NStZ-RR 1996, 197; NStZ 1991, 234; Urteil vom 1. April 1969 -
1 StR 561/68; Fischer StGB 55. Aufl. § 225 Rdn. 8 a am Ende)
und eine böswillige Vernachlässigung der
Fürsorgepflicht liegen.
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b) Es kommt aber auch eine Strafbarkeit wegen Aussetzung
gemäß § 221 StGB in Betracht. In der
Fassung des 6. Strafrechtsreformgesetzes kann das Versetzen in eine
hilflose Lage (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 StGB) auch in anderer Form
geschehen als durch eine Ortsveränderung des Opfers
(Jähnke in LK StGB 11. Aufl. § 221 Rdn. 12 f.;
Fischer a.a.O. § 221 Rdn. 6; Lackner/Kühl StGB 26.
Aufl. § 221 Rdn. 3; Hardtung in MüKo StGB §
221 Rdn. 11; Küper ZStW 111 [1999] 30, 41 ff.). Der Angeklagte
hat nach den Feststellungen F. durch die Stöße,
Tritte, Faustschläge und Schläge mit dem Holzsche-
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mel am 6. Juli 2003 sowie die anschließende Verbringung in
das Obergeschoss, wo er sich selbst überlassen blieb, in eine
hilflose Lage versetzt; F. konnte danach nicht mehr
selbständig aufstehen, keine Flüssigkeit zu sich
nehmen und kaum reden, war mithin nicht in der Lage, für sich
selbst zu sorgen oder selbst ärztliche Hilfe zu rufen. Da ihm
weder zur Rettung geeignete Hilfsmittel noch hilfsfähige und
-willige Personen zur Verfügung standen, befand er sich in
einer hilflosen Lage (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 - 3 StR
463/07). Hierdurch kann er nahe liegend in Todesgefahr oder in die
Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung versetzt worden
sein, weil er selbst keine Schritte zur Behandlung der ihm am 6. Juli
2003 zugefügten schweren Verletzungen mehr unternehmen konnte.
Zwar sollen nach einer Ansicht in der Literatur die Fälle vom
Tatbestand nicht erfasst werden, in denen der Täter allein
durch eine gefahrerzeugende Einwirkung auf Leib oder Leben des Opfers
dessen Hilfsbedürftigkeit steigert oder dessen
Hilfsmöglichkeiten reduziert, etwa durch heftiges Einschlagen
auf das Opfer die Gefahr eines Verblutens herbeiführt
(Hardtung a.a.O. Rdn. 12 m. w. N.). Dem würde der Senat nicht
folgen wollen. Dem Wortlaut der geltenden Gesetzesfassung
lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen,
auch die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 34 f.) sind zu
dieser Frage unergiebig. Darauf kommt es hier letztlich aber nicht an,
da die Hilflosigkeit des Tatopfers dadurch noch gesteigert wurde, dass
es im Obergeschoss des Hauses sich selbst überlassen blieb,
während bei seinem gewöhnlichen Aufenthalt im Flur
des Erdgeschosses immerhin die Möglichkeit bestanden
hätte, dass sich Besucher der Familie des Angeklagten seiner
erbarmt und für Hilfe gesorgt hätten.
Die Entscheidung des 1. Strafsenats vom 24. Oktober 1995 - 1 StR 465/95
(NStZ-RR 1996, 131 = JR 1999, 294 mit Anm. Stein) steht der Auslegung
des Senats nicht entgegen, denn in jenem Fall war ein
Tötungsvorsatz
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gerade nicht zweifelsfrei ausgeschlossen worden, im Übrigen
ist diese Entscheidung zu § 221 Abs. 1 StGB in der alten
Gesetzesfassung ergangen.
Durch das Versetzen in diese hilflose Lage kann sich im vorliegenden
Fall aber auch eine bereits zuvor gegebene Gefahr des Todes oder einer
schweren Gesundheitsschädigung verstärkt haben, indem
F. außer Standes gesetzt wurde, der Gefährdung durch
die schon vor dem 6. Juli 2003 bestehende Schwächung und den
infizierten Verletzungen wirksam zu begegnen, etwa durch Aufsuchen
eines Arztes oder des Sozialamts.
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c) Zu prüfen gewesen wäre aber auch die
Tatmodalität des § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB. F. war nach
den Feststellungen aufgrund der Misshandlungen vom 6. Juli 2007
hilflos. Eine Obhutspflicht ihm gegenüber ergab sich
für den Angeklagten bereits daraus, dass er den geistig leicht
behinderten Mann in seinen Hausstand aufgenommen hatte. Als
Tatbestandshandlung reicht es aus, dass der Angeklagte nicht
für die notwendige Hilfeleistung sorgte. Auch § 221
Abs. 1 Nr. 2 StGB in der Fassung des 6. Strafrechtsreformgesetzes setzt
keine Ortsveränderung - hier des Täters - mehr voraus
(Jähnke aaO Rdn. 23; Fischer a.a.O. Rdn. 8; Hardtung a.a.O.
Rdn. 17).
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d) Sowohl nach § 221 Abs. 1 StGB als auch nach § 225
Abs. 1 Nr. 2 StGB hätte es dem Angeklagten mithin oblegen,
sofort einen Arzt zu rufen. Hätte F. bei sofortiger
ärztlicher Hilfe am 6. Juli 2003 noch gerettet werden
können, wozu das Urteil keine Feststellungen enthält,
käme es für die Erfüllung der
Qualifikationstatbestände der §§ 221 Abs. 3,
227 StGB nicht darauf an, ob er an den Folgen der Schläge vom
6. Juli 2003 oder aufgrund einer allgemeinen Sepsis als Folge
früherer Misshandlungen verstorben ist.
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III.
Auch die Verurteilung der Angeklagten M. H. allein wegen versuchten
Mordes hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, das Verhalten auch
dieser Angeklagten unmittelbar nach den Schlägen am 6. Juli
2003 bis zum Abend des 7. Juli 2003, welches die Tatbestände
des § 221 Abs. 1 Nr. 2 und des § 225 Abs. 1 Nr. 2
StGB erfüllen könnte, in seine Betrachtung
einzubeziehen. Zur Nebenklagebefugnis hinsichtlich dieser
Tatbestände gelten die Ausführungen oben unter II. 2.
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a) Die Angeklagte könnte sich dadurch, dass sie F. gemeinsam
mit dem Angeklagten W. H. auf die Schlafcouch im Obergeschoss brachte
und dort ohne ärztliche Versorgung liegen ließ,
ebenfalls der Aussetzung gemäß § 221 Abs. 1
Nr. 2 StGB schuldig gemacht haben (siehe dazu oben unter II. 2. c und
unten unter b).
20
b) Es liegt nach dem festgestellten Sachverhalt außerdem
nahe, dass die Angeklagte M. H. den Tatbestand der Misshandlung von
Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 2
StGB erfüllt hat. Sie war ebenso wie der Angeklagte W. H.
Haushaltsvorstand (Hirsch in LK StGB, 11. Aufl. § 225 Rdn. 8).
Bei einem Ehepaar obliegt beiden Ehegatten gemeinsam die Verantwortung
für den Hausstand, die Haushaltsführung haben sie
einvernehmlich zu regeln (§ 1356 Abs. 1 Satz 1 BGB). Da F. in
den Hausstand beider Angeklagter aufgenommen worden war, hätte
der Angeklagten M. H. bereits unmittelbar nach den Schlägen
vom 6. Juli 2003 eine Hilfeleistung oblegen. Dass die Angeklagte keinen
Arzt herbeirief, hätte deshalb unter den rechtlichen
Gesichtspunkten des Quälens durch Unterlassen (vgl. BGH
NStZ-RR 1996, 197; NStZ 1991, 234; Urteil vom 1. April 1969 - 1 StR
561/68; Fischer
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a.a.O. § 225 Rdn. 8 a am Ende) und der böswilligen
Vernachlässigung geprüft werden müssen.
c) Auch hinsichtlich der Angeklagten M. H. erweist sich das Urteil
somit als lückenhaft. Hätte F. bei sofortiger
ärztlicher Hilfe am 6. Juli 2003 noch hätte gerettet
werden können, wären die
Qualifikationstatbestände der §§ 221 Abs. 3,
227 StGB erfüllt, ohne dass es auf eine
Ursächlichkeit der Schläge vom 6. Juli 2003
für den Todeseintritt ankäme.
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Rissing-van Saan Rothfuß Fischer
Roggenbuck Schmitt |