BGH,
Urt. v. 5.3.2009 - 4 StR 594/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 594/08
vom
5. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5.
März 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Athing, Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft - zu b) auch auf die
Revision des Angeklagten - wird das Urteil des Landgerichts Landau in
der Pfalz vom 21. Mai 2008
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall
II 2 b der Urteilsgründe der tätlichen Beleidigung
schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der
Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche
Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den
§§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft und des
Angeklagten werden verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen; die
Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten
hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die
Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im
Übrigen wegen Körperverletzung in Tateinheit mit
Beleidigung, wegen Beleidigung in vier Fällen, davon in einem
Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung, in einem weiteren
Fall in Tateinheit mit Verleumdung in zwei tateinheitlichen
Fällen und mit
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Verleumdung in drei tateinheitlichen Fällen, sowie wegen
Beleidigung in zwei Fällen, jeweils begangen in zwei
tateinheitlichen Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es eine
Maßregelanordnung nach §§ 69, 69 a StGB
getroffen.
Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision
rügt die Staatsanwaltschaft umfassend die Verletzung
materiellen Rechts. Insbesondere beanstandet sie, dass die Strafkammer
den Angeklagten im Fall II 2 b der Urteilsgründe nicht wegen
tätlicher Beleidigung, § 185 2. Alternative StGB,
verurteilt hat, und dass von einer nachträglichen
Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB
abgesehen wurde. Der Angeklagte rügt ebenfalls die Verletzung
materiellen Rechts; er wendet sich vor allem gegen die Verurteilung
wegen Körperverletzung und wegen Beleidigungen sowie gegen den
Strafausspruch.
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I.
Revision der Staatsanwaltschaft
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1. Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass die Strafkammer
den Angeklagten im Fall II 2 b der Urteilsgründe nicht wegen
tätlicher Beleidigung, § 185 2. Alternative StGB,
verurteilt hat.
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a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen zeigte der Angeklagte
dem Zeugen P. , einem Mitarbeiter des Ordnungsamtes, seine Missachtung
dadurch, dass er ein einem starken Ausatmen mit nahezu geschlossenem
Mund ähnliches Geräusch machte, wodurch zugleich, was
er zumindest billi-
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gend in Kauf nahm, Speichel in Form einer Art "Sprühregens"
aus etwa 20 cm Abstand im Gesicht des Zeugen auftraf.
Dieses Verhalten stellt eine unmittelbar spürbare
körperliche Einwirkung auf das Opfer dar, aus der sich
zugleich dessen Geringschätzung ergibt. Es erfüllt
daher den Tatbestand der tätlichen Beleidigung, § 185
2. Alternative StGB (vgl. OLG Zweibrücken NJW 1991, 240, 241;
vgl. auch Hilgendorf in LK-StGB 11. Aufl. § 185 Rdn. 15; Regge
in MünchKomm StGB § 185 Rdn. 38; Lenckner in
Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 185 Rdn.
18; Fischer StGB 56. Aufl. § 185 Rdn. 18).
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Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. §
265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den
geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen
hätte verteidigen können.
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b) Die Änderung des Schuldspruchs zwingt hier nicht zur
Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafe von einem Monat
Freiheitsstrafe. Der Senat kann ausschließen, dass das
Landgericht bei einer der Schuldspruchänderung entsprechenden
Subsumtion des Geschehens auf eine höhere Einzelstrafe erkannt
hätte, und zwar auch unter Berücksichtigung der
Tatsache, dass das Landgericht für die weiteren
Beleidigungstaten unter Zugrundelegung des Strafrahmens der ersten
Alternative des § 185 StGB ebenfalls Einzelstrafen von einem
Monat verhängt hat. Diese Taten weisen gegenüber dem
Fall II 2 b der Urteilsgründe erschwerende Umstände
auf: In den Fällen 4 und 7 hat sich der Angeklagte jeweils der
Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht;
der Fall 5 ist dadurch gekennzeichnet, dass die Beleidigung nicht wie
hier spontan, sondern im Rahmen einer schriftlich erstatteten
Strafanzeige begangen wurde.
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2. Mit Erfolg beanstandet die Staatsanwaltschaft ferner, dass das
Landgericht von einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung
abgesehen hat, weil es den Regelungsgehalt des § 55 Abs. 1
StGB verkannt hat.
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a) Nach dieser Vorschrift ist eine nachträgliche Gesamtstrafe
dann zu bilden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die
gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen
ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der
früheren Verurteilung begangen hat. Der Angeklagte ist vor der
Verurteilung im vorliegenden Verfahren bereits mehrfach verurteilt
worden, unter anderem durch die Urteile des Amtsgerichts Landau vom 29.
Juni 2005, 1. März 2006, 5. Juli 2006 und 29. November 2006
sowie das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen vom 28. März
2007. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe
ergibt, sind diese Verurteilungen noch nicht erledigt. Bis auf die
Taten vom 29. November 2005 und 16. März 2006 aus dem Urteil
des Amtsgerichts Landau vom 29. November 2006 wurden sämtliche
diesen Verfahren zu Grunde liegenden Taten vor der Verurteilung durch
das Urteil des Amtsgerichts Landau vom 29. Juni 2005 begangen und sind
daher mit den in jenem Urteil verhängten Strafen
gesamtstrafenfähig.
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Die für den Fall II 1 der Urteilsgründe
verhängte Einzelstrafe ist mit den für die beiden
vorgenannten Taten aus dem Urteil des Amtsgerichts Landau vom 29.
November 2006 erkannten Strafen gesamtstrafenfähig, da die Tat
am 6. August 2006 - also vor diesem Urteil - begangen worden ist. Aus
den übrigen sechs vom Landgericht Landau verhängten
Einzelstrafen ist eine weitere Gesamtstrafe zu bilden. Die Verurteilung
durch das Amtsgericht Ludwigshafen vom 28. März 2007 kann
deswegen keine Zäsurwirkung entfalten, weil die ihr zu Grunde
liegenden Taten vor dem Urteil des Amtsgerichts Landau vom 29. Juni
2005 begangen worden sind, sodass insofern eine Gesamtstrafe zu
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bilden ist. Einer Vorverurteilung kommt dann keine
Zäsurwirkung zu, wenn sämtliche in ihr abgeurteilten
Taten schon in eine frühere Vorverurteilung einzubeziehen sind
(BGH, Beschluss vom 20. September 2007 - 4 StR 431/07; vgl. auch
Fischer aaO § 55 Rdn. 12).
b) Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach
§ 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO zu verfahren. Die
nachträgliche Gesamtstrafenbildung obliegt somit dem nach
§ 462 a Abs. 3 Satz 1 StPO zuständigen Gericht.
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3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf
Grund der Revision der Staatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler
aufgedeckt.
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II.
Revision des Angeklagten
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Das Rechtsmittel hat zum Schuldspruch und zu den (Einzel-)
Strafaussprüchen keinen Erfolg. Soweit - wie vorstehend
dargestellt - eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung
unterblieben ist, stellt dies einen auch auf die Revision des
Angeklagten zu berücksichtigenden Rechtsfehler dar.
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III.
Angesichts des nur geringen Teilerfolgs der Revisionen kann der Senat
die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel nach
§ 473 Abs. 1, 2 und 4 StPO selbst treffen (vgl. BGHR StPO
§ 354 Abs. 1 b Satz 1 Entscheidung 2).
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Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Franke Mutzbauer |