BGH,
Urt. v. 5.5.2004 - 5 StR 548/03
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
AO § 393 Abs. 2 Satz 1
Zu den Grenzen des Verwendungsverbots nach
§ 393 Abs. 2 Satz 1 AO.
BGH, Urteil vom 5.05.2004 - 5 StR 548/03
LG Nürnberg-Fürth -
5 StR 548/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 5.05.2004
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Steuerhinterziehung u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5.05.2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Oberregierungsrat
als Vertreter des Finanzamts Nürnberg-Süd
als Nebenbeteiligter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 -
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 2. Juni 2003
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte
der Urkundenfälschung in vier Fällen, davon einmal in
Tateinheit mit versuchter Steuerhinterziehung schuldig
ist,
b) im Strafausspruch zu den Fällen II. 3 a und b der
Urteilsgründe
(Firma I ) sowie im Ausspruch über die
Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in
vier Fällen, davon in drei Fällen jeweils in
Tateinheit mit versuchter Steuerhinterziehung
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Mo-
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naten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte
Revision des Angeklagten
hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im
übrigen ist sie
unbegründet.
I.
Der Angeklagte reichte für die Firma D
(im folgenden: D ) beim Finanzamt Nürnberg-Süd sowie
für die
Firmen 3D (im folgenden: 3D) und I
(im folgenden: I ) beim Finanzamt Frankfurt am Main inhaltlich
unrichtige
Umsatzsteuervoranmeldungen ein, um unberechtigt Vorsteuererstattungen
in Höhe von insgesamt 3,3 Mio. DM zu erhalten. Wegen der
einschlägigen
Vorstrafe des Angeklagte traten die gesondert Verfolgten Sc
(Firmen D und 3D) und R (Firma I ) als Inhaber der
ausschließlich
für diesen Zweck errichteten Scheinfirmen auf.
1. Im einzelnen hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
Am 9. Mai 2001 gingen beim Finanzamt Nürnberg-Süd
für die Firma
D und beim Finanzamt Frankfurt am Main für die Firma 3D die
Umsatzsteuervoranmeldungen
für März und April 2001 jeweils gemeinsam ein.
Die Umsatzsteuervoranmeldung der Firma I für März
2001 ging beim Finanzamt
Frankfurt am Main am 3. Mai 2001 ein, die Voranmeldung für
April 2001 am 10. Mai 2001. Zu einer Auszahlung der zu Unrecht
beantragten
Vorsteuererstattungen kam es in keinem der Fälle.
Den Umsatzsteuervoranmeldungen waren jeweils eine frei erfundene
Eröffnungsbilanz sowie Fotokopien von fingierten Rechnungen
beigefügt.
Diese hatten der Angeklagte und seine Mittäter erstellt, indem
sie Werbeschreiben
anderer Unternehmen so abklebten, daß nur noch die Firmendaten
sichtbar waren; sodann fertigten sie daraus Blankobriefbögen.
Die eigentlichen
Rechnungsteile erstellte der Angeklagte mit Hilfe eines Computers
- 5 -
und setzte sie in die Blankovorlagen ein. Anschließend wurden
die Scheinfirmen
als Empfänger eingetragen und die Rechnungen von den
anderweitig
Verfolgten Sc , R und K - zum Teil unter Nachahmung der
auf den ursprünglichen Schreiben enthaltenen Namenszeichen -
unterschrieben
sowie mit Stempelaufdrucken „bezahlt“,
„gebucht“ und „Kopie“ versehen.
Diese falschen Rechnungen wurden wiederum kopiert und die Fotokopien
den einzelnen Umsatzsteuervoranmeldungen beigefügt.
2. Da die beantragten Vorsteuerbeträge nicht so schnell wie
erhofft erstattet
wurden, erkundigte sich der Angeklagte - jeweils unter dem Namen
des Inhabers der betroffenen Scheinfirma - bei den
Finanzämtern wiederholt
telefonisch nach dem Stand der Bearbeitung. Als er bei einem solchen
Telefonat
mit einem Sachbearbeiter des Finanzamts Frankfurt am Main erfuhr,
daß hinsichtlich der Firma I eine
Umsatzsteuersonderprüfung beabsichtigt
sei, verfaßte er unter dem Absender „M R
“ ein Schreiben, welches
er von diesem unterzeichnen ließ und spätestens am
21. Mai 2001 absandte.
Darin wird dem Finanzamt mitgeteilt, daß Selbstanzeige
gemäß
§ 371 AO erstattet werde, da die in den
Umsatzsteuervoranmeldungen für
März und April 2001 behaupteten Umsätze frei erfunden
und unwahr seien.
Die beigefügten Unterlagen seien mit Hilfe eines Computers in
einem Internetcafe
unter Abänderung der Originalunterlagen der jeweiligen Firmen
erstellt
worden; die Originalunterlagen sowie weitere Ausdrucke seien vernichtet
worden.
3. Die beim Finanzamt Nürnberg-Süd betreffend die
Firma D
eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen für März und
April 2001 erweckten
dort den Verdacht einer versuchten Steuerhinterziehung. Deshalb
kam es am 30. Mai 2001 zu Durchsuchungen der Wohnung des Sc in
Dresden und der angeblichen Geschäftsadresse der Firma D in
Nürnberg,
ohne daß Geschäftsunterlagen oder ein Computer
aufgefunden wurden.
Da die Ermittlungsbeamten erfahren hatten, daß sich am 28.
Mai 2001
eine Person unter dem Namen Sc nach dem Fortgang des Er-
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stattungsverfahrens erkundigt hatte und dieser Anruf dem
Telefonanschluß
eines H St in Ottendorf-Okrilla zuzuordnen war, befragten sie Sc
, der im übrigen keine Angaben machte, ob sich der Computer,
auf dem
die gefälschten Belege erstellt worden waren, etwa dort
befinde. Sc bejahte
diese Frage. Daraufhin fuhren weitere Steuerfahnder nach Ottendorf-
Okrilla, die dort den Angeklagten antrafen. Nach Mitteilung des
Sachverhaltes
verwies der Angeklagte sogleich freiwillig auf den im ersten Stock
befindlichen
Computer, offenbarte das notwendige Paßwort und zeigte den
Beamten
die die Firma D betreffenden Dateien, von denen einige auch ausgedruckt
wurden. Beim Überprüfen der Verzeichnisstruktur fiel
den Ermittlern
auf, daß weitere Verzeichnisse mit vergleichbaren
Firmenbezeichnungen
vorhanden waren. Auf Nachfrage, ob entsprechende Straftaten unter
anderen
Firmen geplant oder durchgeführt worden seien, räumte
der Angeklagte
dies ein und zeigte den Beamten weitere Dateien am Bildschirm. Er
überspielte
die aufgefundenen Daten auf Diskette, um eine Beschlagnahme des
Computers abzuwenden. Schließlich gestand er ein, die
Dokumente erstellt,
allerdings auf Anweisung der anderen gehandelt zu haben. Dem Angeklagten
wurde sodann die Einleitung des Steuerstrafverfahrens im Hinblick auf
die Firmen D und I bekanntgegeben; anschließend wurde er
vorläufig
festgenommen.
4. Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß der Angeklagte
hinsichtlich
der Firma 3D eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO
erstattet hat, indem er den Ermittlungsbeamten bei der Durchsuchung die
Daten auf dem Computer offenbarte. Bezüglich der beiden
anderen Unternehmen
hat es eine wirksame Selbstanzeige verneint, da diese Taten zum
Zeitpunkt der Durchsuchung bereits zum Teil entdeckt gewesen seien
(§ 371
Abs. 2 Nr. 2 AO). Der schriftlichen Selbstanzeige betreffend die Firma I
hat die Strafkammer nur strafbefreiende Wirkung für den
gesondert Verfolgten
M R zuerkannt, nicht jedoch für den Angeklagten, da dieser
unrichtige Angaben, insbesondere hinsichtlich der an der versuchten
Steuerhinterziehung
beteiligten Personen gemacht habe. Nach Auffassung des
- 7 -
Landgerichts steht der Verurteilung des Angeklagten wegen
Urkundenfälschung
nicht das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 AO entgegen.
II.
Die Revision des Angeklagten ist teilweise begründet.
1. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß
Fälle, in denen die
Existenz eines Unternehmens nur vorgetäuscht wird,
für das sodann ohne
Bezug auf reale Vorgänge fingierte Umsätze angemeldet
und Vorsteuererstattungen
begehrt werden, nicht als Betrug, sondern als Steuerhinterziehung
zu beurteilen sind (BGHSt 40, 109; 36, 100).
2. Betreffend die Firmen 3D und I ist der Angeklagte nicht wegen
Steuerhinterziehung zu bestrafen, da er eine strafbefreiende
Selbstanzeige
gemäß § 371 Abs. 1 AO erstattet hat.
Hinsichtlich der Firma D stand
einer strafbefreienden Selbstanzeige der Ausschlußgrund des
§ 371 Abs. 2
Nr. 2 AO entgegen.
a) Eine wirksame Selbstanzeige im Sinne des § 371 Abs. 1 AO
setzt
voraus, daß die bisher unrichtigen, unvollständigen
oder ganz unterbliebenen
Angaben wahrheitsgemäß nachgeholt werden. Das
Finanzamt muß durch
die nunmehrige Mitteilung der steuerlich erheblichen Tatsachen in die
Lage
versetzt werden, auf ihrer Grundlage ohne langwierige Nachforschungen
den
Sachverhalt vollends aufzuklären und die Steuer richtig
festzusetzen (vgl.
BGH NJW 2003, 2996, 3000 m.w.N.). Straffreiheit tritt nicht ein, wenn
zum
Zeitpunkt der Berichtigung einer der Ausschlußgründe
des § 371 Abs. 2 AO
vorliegt oder wenn die verkürzten Steuern nicht innerhalb
angemessener
Frist nachgezahlt werden (§ 371 Abs. 3 AO).
aa) Die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige im
Steuerrecht
beruht vor allem auf fiskalischen Erwägungen (vgl. BGHSt 35,
36, 37; BGHR
- 8 -
AO § 371 Abs. 1 Unvollständigkeit 2). Der Staat will
dadurch, daß er bei einer
Selbstanzeige Straffreiheit in Aussicht stellt, sowohl Hinweise auf
bisher verschlossene
Steuerquellen erlangen, um in den Besitz aller ihm geschuldeten
Steuern zu kommen, als auch Hinweise auf unberechtigt geltend gemachte
Steuererstattungen erhalten, um im Besitz der Steuern zu bleiben, damit
er
seine Aufgaben erfüllen kann (vgl. BGHSt 29, 37, 40; 12, 100
f.). Die Selbstanzeige
nach § 371 AO schließt die Anwendung der
Vorschriften des Allgemeinen
Teils des Strafgesetzbuches über den Rücktritt vom
Versuch nicht
aus (BGHSt 37, 340, 345 f.).
bb) Die Selbstanzeige, für die eine bestimmte Form nicht
eingehalten
werden muß, ist ein persönlicher
Strafaufhebungsgrund (vgl. BGHR AO
§ 371 Selbstanzeige 6). Demzufolge erlangt Straffreiheit nur,
wer als Täter
oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung die Selbstanzeige
persönlich erstattet
(vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 5. Aufl.
§ 371
Rdn. 79). Dies schließt jedoch nicht aus, daß die
Selbstanzeige durch einen
- zuvor bevollmächtigten - Vertreter erstattet wird. Dabei ist
auch eine verdeckte
Stellvertretung zulässig (vgl. Joecks aaO Rdn. 82;
Rüping in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 371 Rdn. 43).
Entscheidend ist, daß der
Täter die Mitteilung veranlaßt hat (vgl. BGH wistra
1990, 308) und sie ihm
deshalb zuzurechnen ist (vgl. Rüping aaO Rdn. 40). Es ist
jedoch regelmäßig
erforderlich, daß durch die Mitteilung die Person des
Vertretenen den Finanzbehörden
bekannt wird. Denn nur so ist es möglich, dem Täter
oder
Teilnehmer einer Steuerhinterziehung, bei der bereits eine
Steuerverkürzung
eingetreten ist oder Steuervorteile bereits erlangt wurden, eine Frist
gemäß
§ 371 Abs. 3 AO zu setzen (vgl. BGH ZfZ 1995, 218; Joecks aaO
Rdn. 83;
Rüping aaO Rdn. 43). Der Täter oder Teilnehmer einer
(versuchten) Steuerhinterziehung
muß in der Selbstanzeige also grundsätzlich neben
den Besteuerungsgrundlagen
auch seinen eigenen Tatbeitrag offenlegen (vgl. BGH
NJW 2003, 2996, 3000). Dies erfährt jedoch eine Ausnahme, wenn
eine
Fristsetzung und Zahlung von hinterzogenen Steuern nicht in Betracht
kommt, das heißt jedenfalls dann, wenn durch die Angaben in
der Selbstan-
9 -
zeige ohne weiteres feststeht, daß ein
Steuererstattungsanspruch nicht besteht.
In diesen Fällen besteht keine durch § 371 AO
gebotene Notwendigkeit,
daß die Täter oder Teilnehmer der (versuchten)
Steuerhinterziehung
den Finanzbehörden namentlich bekannt werden; eine (weitere)
Gefährdung
des Steueraufkommens ist ausgeschlossen.
cc) Eine strafbefreiende Selbstanzeige kommt nicht in Betracht, wenn
ein Ausschlußgrund des § 371 Abs. 2 AO vorliegt. Das
ist dann der Fall,
wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ein
Amtsträger zur
steuerlichen Prüfung erschienen ist (§ 371 Abs. 2 Nr.
1 lit. a AO), wenn ein
Steuerstrafverfahren bereits eingeleitet wurde und dem Täter
oder seinem
Vertreter dies bekannt gegeben worden ist (§ 371 Abs. 2 Nr. 1
lit. b AO) oder
wenn die Tat ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der
Täter dies
wußte oder damit rechnen mußte (§ 371 Abs.
2 Nr. 2 AO).
Einer Selbstanzeige steht die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 1
Nr. 1 lit. a AO allerdings dann nicht entgegen, wenn zum Zeitpunkt, in
dem
ein Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen
ist, der von einer
späteren Selbstanzeige umfaßte Sachverhalt weder vom
Ermittlungswillen
des Amtsträgers erfaßt war noch mit dem bisherigen
Ermittlungsgegenstand
in engem sachlichen Zusammenhang stand (vgl. BGHR AO § 371
Abs. 2 Nr. 1 Sperrwirkung 3). Für die Annahme einer
Tatentdeckung im Sinne
des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO reicht nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs
ein bloßer Anfangsverdacht nicht aus. Erforderlich ist mehr
als
die Kenntnis von Anhaltspunkten, auch wenn die Wahrscheinlichkeit
späterer
Aufklärung gegeben ist. Der Tatverdacht muß sich
vielmehr soweit konkretisiert
haben, daß bei vorläufiger Tatbewertung die
Wahrscheinlichkeit eines
verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist (vgl. BGHR AO § 371
Abs. 2 Nr. 2
Tatentdeckung 3).
- 10 -
b) Danach gilt hier folgendes:
aa) Betreffend die Firma 3D geht das Landgericht rechtsfehlerfrei davon
aus, daß der Angeklagte eine strafbefreiende Selbstanzeige
erstattet
hat. Indem er bei der Durchsuchung den Steuerfahndungsbeamten
unbeschränkten
Zugriff auf den Computer, insbesondere auch auf die Dateien
hinsichtlich der bis dahin unbekannten Scheinfirma 3D,
ermöglichte, wurde
das Finanzamt in die Lage versetzt ohne weiteres zu erkennen,
daß ein
Steuererstattungsanspruch nicht bestand. Der Selbstanzeige stand auch
die
Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 AO nicht entgegen. Ein
Strafverfahren gegen
den Angeklagten war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeleitet.
Darüber
hinaus waren die Steuerfahndungsbeamten im Strafverfahren gegen Sc
wegen der versuchten Umsatzsteuerhinterziehung betreffend die Firma D
erschienen. Von einer Beteiligung des Angeklagten war bei der
Durchsuchung
ebensowenig bekannt, wie von den versuchten Steuerhinterziehungen
mittels weiterer Scheinfirmen. Auch die Annahme des Landgerichts, es
bestehe zwischen den versuchten Steuerhinterziehungen unter den
verschiedenen
Scheinfirmen kein so enger sachlicher Zusammenhang, daß eine
Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 Nr. 1 lit. a AO hinsichtlich
der Firma 3D eingetreten
ist, da es sich um jeweils unterschiedliche Steuerpflichtige handelt,
die bei verschienenen Finanzämtern veranlagt werden, ist nicht
zu beanstanden.
bb) Im Fall der Firma D ist das Landgericht zutreffend davon
ausgegangen, daß die Tat bereits entdeckt war im Sinne des
§ 371 Abs. 2
Nr. 2 AO, als der Angeklagte den zur Durchsuchung erschienenen
Steuerfahndungsbeamten
den Inhalt der auf dem Computer gespeicherten Dateien
zeigte und diese kopierte.
(1) Nach den Urteilsfeststellungen lagen zum Zeitpunkt der Durchsuchung
beim Angeklagten genügend Anhaltspunkte vor, die eine
Verurteilung
wegen versuchter Steuerhinterziehung ausreichend wahrscheinlich erschei-
11 -
nen ließen. Die Vorermittlungen der Steuerfahndung hatten
schon erste Anhaltspunkte
dafür ergeben, daß es sich bei der Firma D um eine
nur
für den „Umsatzsteuerbetrug“ errichtete
Scheinfirma handelte. Dieser Verdacht
erhärtete sich, als bei den eingeleiteten
Durchsuchungsmaßnahmen
festgestellt wurde, daß weder am Wohnsitz des Strohmanns Sc
noch
am vermeintlichen Geschäftssitz der Firma D irgendeine
Geschäftsausstattung
vorhanden war. Mit der bestätigenden Antwort des Sc auf
die Frage, ob sich der Computer, auf dem die Rechnungsunterlagen
gefertigt
worden seien, im Anwesen in Ottendorf-Okrilla befinde, hatte sich der
bisher
bestehende Verdacht als zutreffend bestätigt. Damit war die
Tat entdeckt im
Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO. Denn es war bekannt,
daß den geltend
gemachten Vorsteuererstattungsansprüchen kein reales Geschehen
zugrunde
lag, und es war offenkundig, daß die eingereichten Unterlagen
auf Fälschungen
beruhten.
Die Tatsache, daß bei Tatentdeckung noch nicht bekannt war,
daß der
Angeklagte an der Tat beteiligt war, führt hier zu keiner
anderen Beurteilung.
Aus dem objektiv vorliegenden Sachverhalt konnte ohne weiteres der
Schluß
gezogen werden, daß die an der versuchten Steuerhinterziehung
Beteiligten
vorsätzlich handelten. Eine Kenntnis von der Mitwirkung des
Angeklagten
war auch nicht im Hinblick auf § 71 AO erforderlich. Eine
Rückforderung unberechtigt
erlangter Steuervorteile vom Angeklagten als zusätzlichem
Haftungsschuldner
kam hier nicht in Betracht.
(2) Da die Beamten, die zur Durchsuchung auf dem Anwesen in Ottendorf-
Okrilla erschienen waren, dem Angeklagten den zugrundeliegenden
Sachverhalt mitteilten, bevor er die Computerdaten offenbarte,
wußte er auch
vor der Abgabe der Selbstanzeige, daß die Tat entdeckt war.
(3) Bei dem vorliegend vom Landgericht festgestellten Sachverhalt
bedurfte es keiner ausdrücklichen Auseinandersetzung mit der
Frage eines
Rücktritts gemäß § 24 StGB. Die
versuchte Steuerhinterziehung war fehlge-
12 -
schlagen, da es nach den durchgeführten Ermittlungen der
Steuerfahndung
nicht mehr zur Vollendung kommen konnte. Zudem fehlte es offensichtlich
an
der Freiwilligkeit der Tataufgabe, nachdem die Fahndungsbeamten zur
Durchsuchung beim Angeklagten erschienen waren.
cc) Betreffend die Firma I können die Verurteilungen wegen
versuchter
Steuerhinterziehung allerdings keinen Bestand haben. Denn entgegen
der Auffassung des Landgerichts hat der Angeklagte insoweit durch das
von ihm verfaßte Schreiben an das Finanzamt Frankfurt am Main
strafbefreiend
Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 1 AO
erstattet.
Indem der Angeklagte das Schreiben formulierte, es von R unterschreiben
ließ und es selbst an das Finanzamt absandte, hat er eine ihm
zurechenbare Selbstanzeige veranlaßt. In dem Schreiben wurde
den Finanzbehörden
offenbart, daß der Vorsteuererstattungsanspruch, der geltend
gemacht worden war, nicht besteht, sondern der gesamte Sachverhalt frei
erfunden war. Das Finanzamt wurde somit in die Lage versetzt, den
Erstattungsanspruch
sachlich richtig mit „Null“ festzusetzen. Da der
Angeklagte bis
dahin keinen Steuervorteil erlangt hatte, bedurfte es auch nicht der
Nachentrichtung
oder Rückzahlung von hinterzogenen Steuern
gemäß § 371
Abs. 3 AO, um Straffreiheit zu erlangen. Die unrichtigen Behauptungen
des
Angeklagten in der Selbstanzeige, die Belege seien in einem Internetcafe
erstellt und die Originalunterlagen seien vernichtet worden,
rechtfertigen keine
andere Beurteilung. Denn diese unwahren Angaben betreffen keine
steuerrelevanten
Tatsachen. Die Offenbarung des insoweit wahren Sachverhaltes
hätte zu keiner anderen steuerrechtlichen Beurteilung
geführt.
3. Durch die Selbstanzeige in den Fällen betreffend die Firmen
3D und
I erlangte der Angeklagte nur hinsichtlich der Steuervergehen
Straffreiheit
(vgl. BGHSt 12, 100 zur Vorgängerregelung § 410 AbgO;
Joecks aaO § 371
Rdn. 37 ff., 44; Klein, AO 8. Aufl. § 371 Rdn. 6; Kohlmann,
Steuerstrafrecht
26. Lfg. Oktober 1998 § 371 Rdn. 31 ff.; Rüping aaO
§ 371 Rdn. 34). Dies
- 13 -
folgt schon aus dem Wortlaut des § 371 AO
(„Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung“,
„in den Fällen des § 370“,
„wird insoweit straffrei“), als auch aus
dem fiskalischen Zweck der Regelung des § 371 AO (vgl. oben
II. 2. a) aa)).
Der Steuerpflichtige wird straflos, wenn er die Finanzbehörde
in die Lage
versetzt, ihn so zu veranlagen, als hätte er die
Steuererklärung von vornherein
ordnungsgemäß abgegeben. Die oben
angeführte Zweckbestimmung
und die entsprechende Ausgestaltung des § 371 AO begrenzen
notwendig
die Geltung auf solche Steuerverfehlungen, die durch unrichtige,
unvollständige
oder unterlassene Steuerangaben begangen sind. Im Hinblick auf alle
anderen Straftaten muß die Vergünstigung versagt
bleiben (vgl. BGHSt 12,
100, 102).
Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit § 24 StGB. Tritt
der
Täter unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen von einer
versuchten
Straftat zurück, wird er insoweit straffrei. Hat er jedoch
gleichzeitig eine weitere
(vollendete) Straftat begangen, verbleibt es bei der Strafbarkeit wegen
dieser (vgl. BGHSt 42, 43; 39, 128). Der Täter einer
Steuerstraftat ist gegenüber
anderen Straftätern bereits besser gestellt, weil er bei einer
versuchten
Steuerhinterziehung neben der Möglichkeit des
Rücktritts gemäß § 24 StGB
auch die Möglichkeit einer Selbstanzeige
gemäß § 371 AO hat, um straflos
zu werden (vgl. BGHSt 37, 340, 345 f.). Darüber hinaus ist die
Selbstanzeige
auch noch bei vollendeter Steuerhinterziehung möglich. Es ist
kein Grund
ersichtlich, den Umfang der Strafbefreiung bei der Selbstanzeige
gemäß
§ 371 AO weiter zu fassen als bei § 24 StGB und den
Steuerstraftäter noch
weitergehend zu bevorzugen.
4. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung ist
nicht zu beanstanden.
a) Es kann dahinstehen, ob das Revisionsvorbringen zur Verletzung
des Verwendungsverbots des § 393 Abs. 2 AO den Anforderungen
des
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt (vgl. BGHR AO
§ 393 Abs. 2 Anwen-
14 -
dungsbereich 1; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze
107. ErgLfg. AO § 393 Rdn. 11; Rogall in FS für
Kohlmann 2003 S. 465,
497). Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
b) Die Vorlage der Ablichtungen der angeblichen Rechungen bei den
Finanzämtern stellt das Gebrauchmachen von
gefälschten Urkunden zur
Täuschung im Rechtsverkehr im Sinne des § 267 Abs. 1
StGB dar.
Zwar wurden zunächst nur Collagen erstellt, indem von
Originalschreiben,
in denen große Teile des Textes abgedeckt waren, Kopien
angefertigt
wurden. Durch das Ausfüllen dieser so erlangten Blankoformulare
durch den Angeklagten und die Unterzeichnung durch seine
Mittäter - zum
Teil unter Nachahmung der Originalunterschriften - wurden diese Collagen
jedoch zu unechten Urkunden im Sinne des § 267 StGB (vgl. BGH
StV 1994,
18). Durch die Vorlage von Kopien der tatsächlich nicht
existierenden Rechnungen
bei der Geltendmachung der Vorsteuererstattungen wurden diese
Urkunden auch zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht (vgl.
BGHR
StGB § 267 Abs. 1 Gebrauchmachen 4; Tröndle/Fischer,
StGB 51. Aufl.
§ 267 Rdn. 12b und 24).
c) Das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO steht in
der
hier gegebenen Fallgestaltung einer Verurteilung wegen der
Urkundenfälschung
nicht entgegen.
aa) Der Steuerpflichtige ist im Besteuerungsverfahren verpflichtet, die
für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig
und wahrheitsgemäß
gegenüber den Finanzbehörden anzugeben, selbst dann,
wenn er dadurch
zugleich eigenes früheres strafbares Verhalten aufdecken
muß. Diese Pflicht
ist im Blick auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung
nach dem Leistungsvermögen
mit Zwangsmitteln (§ 328 AO) durchsetzbar; sie steht jedoch im
Spannungsverhältnis zu dem strafverfahrensrechtlichen
Grundsatz, daß
niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen oder gegen sich selbst
Zeug-
15 -
nis abzulegen (nemo tenetur se ipsum accusare). Das Gesetz
löst diesen
Konflikt, indem es in § 393 Abs. 1 AO den Einsatz von
Zwangsmitteln untersagt,
soweit der Steuerpflichtige Steuerstraftaten offenbaren
müßte (vgl.
BGHSt 47, 8, 12; BGHR AO § 393 Abs. 1
Erklärungspflicht 2 und 3), und ergänzt
diesen Schutz in § 30 AO durch ein begrenztes an
Amtsträger gerichtetes
Offenbarungs- und Weitergabeverbot sowie in § 393 Abs. 2 AO
durch
ein „begrenztes strafrechtliches Verwertungsverbot“
für andere Straftaten
(BVerfGE 56, 37, 47; vgl. zu § 393 Abs. 2 AO auch Senatsurteil
vom heutigen
Tag - 5 StR 139/03).
bb) Die Regelung des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO untersagt - soweit
es
um die Verfolgung einer Nichtsteuerstraftat geht - die Verwendung von
Tatsachen
oder Beweismitteln, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde
vor
Einleitung des Strafverfahrens oder in Unkenntnis der Einleitung des
Strafverfahrens
in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat.
In Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten handelt der
Steuerpflichtige,
wenn er Informationen aufgrund seiner Mitwirkungspflichten mitteilt. Ein
Steuerpflichtiger, der vorsätzlich falsche Angaben
gegenüber den Finanzbehörden
macht, um unberechtigte Vorsteuererstattungen zu erlangen,
erfüllt
keine steuerrechtlichen Erklärungs- und Mitwirkungspflichten.
Gleiches gilt
für die dabei erfolgte Vorlage gefälschter oder
verfälschter Urkunden (vgl.
BGH wistra 2003, 429).
Auch falsche Angaben zur Erlangung unberechtigter Vorsteuererstattungen
führen dazu, daß ein Steuerverfahren in Gang gesetzt
wird. Innerhalb
dieses Steuerverfahrens besteht zwar keine strafbewehrte oder mit
steuerrechtlichen
Zwangsmitteln (§ 328 AO) durchsetzbare Pflicht zu einer
Richtigstellung.
Der Steuerpflichtige erfüllt gleichwohl mit den
wahrheitsgemäßen
und vollständigen Angaben einer Selbstanzeige nunmehr seine
steuerrechtlichen
Erklärungs- und Mitwirkungspflichten und ermöglicht
dem Finanzamt so
eine zutreffende Steuerfestsetzung.
- 16 -
cc) Offenbart der Steuerpflichtige im Rahmen einer Selbstanzeige eine
allgemeine Straftat, die er zugleich mit der Steuerhinterziehung
begangen
hat - wie hier eine tateinheitlich begangene Urkundenfälschung
-, besteht
kein Verwendungsverbot gemäß § 393 Abs. 2
AO hinsichtlich eines solchen
Allgemeindelikts, mithin eines Delikts, das keine Steuerstraftat im
Sinne des
§ 369 Abs. 1 AO darstellt.
Diese einschränkende Auslegung des § 393 Abs. 2 AO
folgt aus der
ratio legis der gesetzlichen Vorschrift, die es dem Steuerpflichtigen
ermöglichen
soll, auch bemakelte Einkünfte anzugeben, ohne deswegen eine
Strafverfolgung
befürchten zu müssen. Denn der Staat will Kenntnis
von allen
- legalen wie illegalen - Einkünften erlangen, um sie einer
Besteuerung unterwerfen
zu können. Der Steuerstraftäter, der im Rahmen einer
Selbstanzeige
ein mit der Steuerhinterziehung gleichzeitig begangenes Allgemeindelikt
aufdeckt, offenbart jedoch keine weitere Steuerquelle für den
Staat. Dies
gilt insbesondere dann, wenn der Täter - wie hier der
Angeklagte - einen
angeblichen Steuererstattungsanspruch geltend macht, der auf einen
völlig
frei erfundenen Sachverhalt gestützt wird, und dazu
gefälschte Urkunden
vorlegt.
Die Regelung des § 393 Abs. 2 AO soll zudem das
Spannungsverhältnis
ausgleichen zwischen der Erzwingbarkeit der Steuererklärung
einerseits
und dem berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen andererseits, sich
in Erfüllung seiner steuerrechtlichen Mitwirkungs- und
Offenbarungspflichten
nicht der Strafverfolgung wegen möglicherweise zu
offenbarendem strafbaren
Verhaltens auszusetzen. Der innere Grund für das in §
393 Abs. 2 AO
normierte Verwendungsverbot ist demnach die Erzwingbarkeit der
Pflichterfüllung.
Die Erfüllung der Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten ist
jedoch
dann nicht mehr mit den Zwangsmitteln des Steuerrechts (§ 328
AO) durchsetzbar,
wenn der Steuerpflichtige genötigt wäre, sich wegen
einer von ihm
begangenen Steuerstraftat selbst zu belasten (§ 393 Abs. 1
AO). Der Täter
einer Steuerhinterziehung kann nicht zur Abgabe einer Selbstanzeige ge-
17 -
zwungen werden. Dies macht deutlich, daß in dieser Situation,
in welcher der
Steuerpflichtige aufgrund seiner vorherigen Steuerstraftat nicht mehr
mit
Zwangsmitteln zur Erfüllung seiner steuerrechtlichen Pflichten
veranlaßt werden
kann (§ 393 Abs. 1 AO) und er als Beschuldigter in einem
Strafverfahren
keine Angaben machen müßte, er auch nicht des
Schutzes des Beweisverwendungsverbots
nach § 393 Abs. 2 AO bedarf.
III.
Soweit die Revision Erfolg hat, führt dies zum Wegfall der die
Firma
I betreffenden Verurteilungen wegen versuchter Steuerhinterziehung,
mithin
zur Änderung des Schuldspruchs. Ein Freispruch kommt insoweit
nicht in
Betracht, da die Verurteilung wegen der tateinheitlich begangenen
Urkundenfälschung
Bestand hat (vgl. Schoreit in KK 5. Aufl. § 260 Rdn. 20). Der
verminderte Schuldumfang in den Fällen II. 3 a und b (Firma I
) hat die
Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen wie auch die
Aufhebung
der Gesamtstrafe zur Folge. Die übrigen Einzelstrafen
können bestehen bleiben.
Es ist auszuschließen, daß sie von der
Strafzumessung im Fall der Firma
I beeinflußt worden sind.
Harms Häger Raum
Brause Schaal |