BGH,
Urt. v. 5.9.2007 - 2 StR 306/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 306/07
vom
5.9.2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Totschlags
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
5.9.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. Ka. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. Ka. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Z. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Der Staatsanwaltschaft wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand, gegen die Versäumung der Frist zur
Begründung ihrer Revision gegen das Urteil des Landgerichts
Kassel vom 29. September 2006 gewährt.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des
Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 29.
September 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Totschlags verurteilt und
gegen die Angeklagten H. und K. Ka. eine Freiheitsstrafe von jeweils
acht Jahren und sechs Monaten, gegen den Angeklagten O. Z. eine
Jugendstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verhängt.
Dagegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des
Nebenklägers mit der Sachrüge, mit denen eine
Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes erstrebt
1
- 4 -
wird; die Nebenklagerevision wendet sich auch gegen die Annahme von
Jugendrecht bei dem Angeklagten O. Z. .
I.
1. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da die Frist zur
Begründung der Revision abgelaufen ist.
Gemäß § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO beginnt die
Revisionsbegründungsfrist mit der Zustellung des schriftlichen
Urteils. Das zu den Akten gelangte schriftliche Urteil wurde am 19.
Januar 2007 an den Verteidiger des Angeklagten Z. , am 24. Januar 2007
an die Verteidiger der Angeklagten H. und K. Ka. und den Vertreter des
Nebenklägers sowie am 30. Januar 2007 an die
Staatsanwaltschaft zugestellt.
2
Diese Zustellung war wirksam. Zwar fehlte sowohl in der
Urteilsurschrift als auch in den Ausfertigungen die verkündete
Urteilsformel, dies steht der Wirksamkeit der Zustellung jedoch nicht
entgegen, da Urteilsurschrift und Ausfertigungen
übereinstimmten (vgl. BGHSt 46, 204 f.; BGH NStZ 1989, 584 und
1994, 471 ff.). Bedenken gegen eine wirksame Zustellung bestehen auch
nicht deshalb, weil die Urteilsformel in der Urteilsurkunde
gänzlich fehlte. Die Urteilsformel ist nach § 268
Abs. 2 Satz 1 StPO bei der Verkündung zu verlesen und nach
§ 273 Abs. 1 StPO in die Sitzungsschrift aufzunehmen. Die
maßgebliche Information über den Inhalt der
Urteilsformel ergibt sich aus der protokollierten Verkündung
(§§ 268 Abs. 2 Satz 1, 273 Abs. 1, 274 StPO; vgl.
BGHSt 8, 41; BGH NJW 1999, 800). Die fehlende Wiedergabe der
Urteilsformel in der Urteilsurkunde beruht auf einem offensichtlichen
Versehen, das sowohl für die Staatsanwaltschaft und den
Nebenklägervertreter als auch die Angeklagten und ihre
Verteidiger, die sämtlich bei der Urteilsverkündung
zugegen waren, offenkundig war. Damit war zwar der
Berichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 13. Februar 2007
zulässig. Seiner Zustellung bedurfte es im vorliegenden Fall
3
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zur Ingangsetzung der Revisionsbegründungsfrist entgegen der
Auffassung des Landgerichts jedoch nicht (BGH NStZ 1989, 584; NJW 1999,
80; vgl. zum anders gelagerten Fall der Berichtigung der
Gründe eines der Revision unterliegenden Urteils BGHSt 12,
374).
2. Der Staatsanwaltschaft, die ihre fristgemäß
eingelegte Revision erst am 13. März 2007, und damit nach
Ablauf der Revisionsbegründungsfrist begründet hat,
war von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur
Begründung der Revisionen zu gewähren, da eine
Fallkonstellation wie vorliegend durch die höchstrichterliche
Rechtsprechung noch nicht entschieden war. Die Rechtslage war zuvor
nicht eindeutig. Nicht nur das Landgericht, sondern auch die
Bundesanwaltschaft haben die Auffassung vertreten, erst durch die
Zustellung des zulässigen Berichtigungsbeschlusses werde die
Revisionsbegründungsfrist in Gang gesetzt; für diese
Ansicht konnten sie sich jedenfalls auf eine Entscheidung des OLG
Düsseldorf (MDR 1994, 87; vgl. auch Gollwitzer in
Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 268 Rn. 49, 54)
berufen; damit lagen die Voraussetzungen des § 44 Satz 1 StPO
auch für die Staatsanwaltschaft vor.
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3. Die Revision des Nebenklägers ist - auch hinsichtlich des
Angeklagten O. Z. - zulässig. Allerdings folgt der Senat der
Ansicht des Generalbundesanwalts, wonach allein infolge der
Änderung von § 80 Abs. 3 JGG durch das 2.
Justizmodernisierungsgesetz vom 22. Dezember 2006 das bis dahin
unstatthafte Rechtsmittel des Nebenklägers zulässig
geworden sei, nicht. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob der
Nebenkläger während des Laufs der
Revisionseinlegungsfrist befugt war, ein Rechtsmittel einzulegen. Dies
setzt einen wirksamen Anschluss als Nebenkläger zu diesem
Zeitpunkt voraus. Ein solcher lag vor.
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Die Nebenklage wurde mit Beschluss der Jugendkammer des Landgerichts
vom 16. Juni 2004 zugelassen. Im weiteren Verlauf nahm die
Staatsanwaltschaft die Anklage bei der Jugendkammer zurück und
erhob nunmehr Anklage bei der Schwurgerichtskammer des Landgerichts, da
sie davon ausging, der Angeklagte O. Z. sei am 4. März 1982
geboren und damit zur Tatzeit Erwachsener. Die Schwurgerichtskammer
erklärte sich dagegen mit Beschluss vom 10. Dezember 2004
für unzuständig, da sie nach einer im
Zwischenverfahren durchgeführten Zeugenvernehmung nicht
zweifelsfrei ausschließen konnte, dass der Angeklagte Z. noch
Heranwachsender war. Mit Beschluss vom 24. Februar 2004
eröffnete die Jugendkammer des Landgerichts das Verfahren
gleichwohl bei der Schwurgerichtskammer. Im Rahmen der dortigen
Beweisaufnahme holte die Schwurgerichtskammer ein
Sachverständigengutachten über das Alter des
Angeklagten Z. ein. Nach diesem war der Angeklagte Z. zum Tatzeitpunkt
mindestens 17 und höchstens 25 Jahre alt. Daraufhin setzte die
Schwurgerichtskammer die Hauptverhandlung aus, erklärte sich
für sachlich unzuständig und verwies die Sache erneut
an die Jugendkammer des Landgerichts, da nicht sicher ausgeschlossen
werden könne, dass der Angeklagte Z. zum Zeitpunkt der Tat
noch Heranwachsender gewesen sei. In dem angefochtenen Urteil ist die
Jugendkammer bei der Strafzumessung lediglich zu Gunsten des
Angeklagten Z. davon ausgegangen, dass er zum Tatzeitpunkt noch
Jugendlicher war und hat deshalb Jugendrecht angewendet.
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Dem wirksamen Anschluss des Nebenklägers steht nicht entgegen,
dass das Urteil zu Gunsten des Angeklagten annimmt, er sei zur Tatzeit
noch Jugendlicher gewesen. Die Anwendung des Zweifelssatzes im Bereich
der Strafzumessung gebietet es nicht, auch bezüglich der
Anschlussberechtigung des Nebenklägers und der Statthaftigkeit
des von ihm eingelegten Rechtsmittels dasselbe zu unterstellen.
Vielmehr bleibt dem Nebenkläger das Recht, seine Auffassung,
der Angeklagte sei nicht Jugendlicher oder Heranwachsender, eine
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- 7 -
Anschlussberechtigung mithin gegeben, weiterzuverfolgen. Steht daher
nicht fest, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt tatsächlich
Jugendlicher war, sind der Anschluss des Nebenklägers und sein
Rechtsmittel gegen das Jugendrecht anwendende Urteil statthaft (vgl.
zum ähnlich gelagerten Fall einer zu Unrecht erfolgten
Nichtzulassung BGH, NStZ 1997, 97; vgl. für die
zivilprozessualen Fallgestaltungen, in denen die Partei- bzw.
Prozessfähigkeit einer Partei umstritten ist BGHZ 24, 91, 94;
74, 212, 215 zur Parteifähigkeit und BGHZ 18, 184, 190; 35, 1,
6 zur Prozessfähigkeit).
II.
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft
hat ebenso wie die des Nebenklägers Erfolg, soweit das
Landgericht § 211 StGB nicht als erfüllt angesehen
hat.
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In der Sache hat das Landgericht folgendes festgestellt:
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Die Angeklagten und das Tatopfer gehören einer afghanischen
Großfamilie an. Wie auch weitere Familienangehörige
leben sie seit mehreren Jahren in Deutschland. Die Angeklagten H. und
K. Ka. entstammen neben weiteren acht Kindern der ersten Ehe der Zeugin
D. M. . Der Angeklagte O. Z. ist ein Neffe der Angeklagten H. und K.
Ka. . Die Zeugin D. M. hat nach dem Tod ihres ersten Mannes den Zeugen
N. M. geheiratet. Aus dieser Ehe sind zwei Söhne
hervorgegangen. Der später getötete E. M. war der
jüngste Sohn aus dieser Ehe. In der Familie kam es
häufig zu Streitigkeiten, so forderte seit 2003 der Angeklagte
K. Ka. von seiner Mutter die Übertragung ihres Erbanteils an
dem Erbe ihres ersten Mannes an sich, den Mitangeklagten H. Ka. und
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- 8 -
einen weiteren Bruder. Als sie sich seinem Drängen
widersetzte, drohte er ihr, bei weiterer Weigerung einen ihrer beiden
Söhne aus der zweiten Ehe umzubringen. Wegen dieser Forderung
des Angeklagten K. Ka. kam es bereits am 26. Dezember 2003 zu einer
Auseinandersetzung zwischen K. Ka. und N. M. sowie dem
späteren Tatopfer, als der K. Ka. zusammen mit seinem Bruder
A. Ka. die Wohnung der Zeugen D. und N. M. trotz Hausverbots
für K. Ka. aufsuchten. In deren Verlauf hatte K. Ka. die
Tür zum Schlafzimmer der Wohnung eingetreten, in das sich N.
und E. M. geflüchtet hatten. N. M. stach K. Ka. sodann mit
einem dort befindlichen Dekorationsdolch in den Rücken und
verletzte diesen erheblich. K. Ka. musste bis zum 6. Januar 2004
stationär behandelt werden, auch N. M. erlitt Verletzungen.
Am Entlassungstag aus dem Krankenhaus trafen sich die Angeklagten K.
und H. Ka. in der Wohnung des K. Ka. . und nahmen zusammen mit ihrem
älteren Bruder A. , dem Vater des Angeklagten O. Z. ,
erheblich Alkohol zu sich. Dabei wurden die Auseinandersetzung am 26.
Dezember 2003 und die Verletzung des K. Ka. , die dieser als
tiefgreifende Ehrverletzung empfand, besprochen und
schließlich beschlossen, ein Familienmitglied der Familie M.
zu verletzen. Der Angeklagte O. Z. wurde aufgefordert, sich anstelle
seines betrunkenen Vaters zu beteiligen. Die drei Angeklagten begaben
sich mit Messern bewaffnet in die Nähe der Wohnung der Familie
M. , wo sich O. Z. hinter einem Strauch versteckte. Den Angeklagten war
nicht bekannt, auf welches Mitglied der Familie M. sie treffen
würden. Als E. M. vor der Wohnung ankam und aus seinem Pkw
ausstieg, begaben sich K. und H. Ka. zu dem Tatopfer; als dieses die
Situation erkannte, flüchtete es, wurde aber von dem ihm
folgenden O. Z. in einem Hof gestellt. In Tötungsabsicht
versetzte
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O. Z. ihm mehrere Stiche in den Hals und das Gesicht und
schließlich in den Bauch. Als die Angeklagten K. und H. Ka.
hinzukamen, stach K. Ka. - nunmehr ebenfalls in Tötungsabsicht
- auf den erkennbar schwer verletzten E. M. ein, während H.
Ka. - mit bedingtem Tötungsvorsatz - und O. Z. weiterhin mit
Tötungsabsicht auf diesen einschlugen und - als E. M.
zusammenbrach - auf ihn eintraten. E. M. verstarb ca. eine Stunde
später durch Verbluten als Folge der Schnitt- und
Stichverletzungen.
Das Landgericht hat dieses Geschehen als in Mittäterschaft
begangenen Totschlag gewertet. Hinsichtlich der subjektiven
Vorstellungen der Angeklagten, die in der Hauptverhandlung geschwiegen
haben, ist es von einem bei dem Angriff auf E. M. spontan gefassten
Tötungsvorsatz ausgegangen, wobei bei dem Angeklagten O. Z.
zunächst ein Exzess gegenüber dem verabredeten
Tatplan vorgelegen habe. Bei den beiden Mitangeklagten sei von
sukzessiver Mittäterschaft auszugehen. Ein Mordmerkmal sei bei
keinem der Angeklagten festzustellen. Habgier scheide aus. Die
erbrechtliche Auseinandersetzung sei nicht bestimmend für die
Tötung des E. M. gewesen. Den Angeklagten K. Ka. und H. Ka.
sei es "um die Streitigkeiten im Vorfeld der Tat" gegangen. Der
erbrechtliche Disput sei zumindest nicht das tatbeherrschende und
bewusstseinsdominante Motiv für die Tat gewesen. K. Ka. habe
aus Rache und Wut für die ihm seiner Ansicht nach am 26.
Dezember 2003 zugefügte Schmähung gehandelt. Bei dem
Angeklagten H. Ka. bleibe das Motiv unklar und bei dem Angeklagten O.
Z. seien verschiedene Motive denkbar. Es sei möglich, dass er
habe beweisen wollen, kein Angsthase zu sein oder dass er sich zum
Gehorsam verpflichtet gefühlt habe, um eine seinem Vater
angeblich zugefügte Ehrverletzung zu rächen.
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III.
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1. Die Auffassung des Landgerichts, die Angeklagten hätten ein
Mitglied der Familie M. lediglich verletzen, nicht aber töten
wollen und den Tötungsvorsatz spontan erst bei dem
unmittelbaren Angriff auf das Tatopfer gefasst, es handle sich mithin
um eine Spontantat, hält rechtlicher Nachprüfung
nicht stand. Sie beruht auf einer lückenhaften
Beweiswürdigung. Auf diesem Beweiswürdigungsfehler
kann das Urteil - zum Vorteil der Angeklagten - auch beruhen, da die
Frage, ob eine vorher geplante Tötung oder eine Spontantat
vorliegt, bei der Bewertung des Motivs der Angeklagten zu
berücksichtigen ist.
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Das Landgericht stützt seine Auffassung entscheidend auf
Telefonate des Angeklagten H. Ka. mit einer Schwester und einem Bruder
nach der Tat, bei denen er jeweils betont hatte, dass keiner gewollt
habe, dass jemand umgebracht werde. Insbesondere gegenüber
seinem Bruder habe für diesen Angeklagten keine Veranlassung
bestanden, das Vorhandensein eines im Tatvorfeld geschlossenen
Tatplanes zur Tötung des E. M. in Abrede zu stellen. Dabei
lässt es wesentliche Indizien, die für einen
früher gefassten Tötungsvorsatz sprechen
könnten, unerörtert:
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Schon der Umstand, dass von den Angeklagten mehrere Messer zur
Tatausführung, deren Einsatz auch ersichtlich geplant war,
mitgenommen wurden, drängt die Erörterung auf, ob die
Angeklagten nicht zumindest damit rechneten, dass die Konfrontation mit
einem Mitglied der Familie M. eskalieren und ein Messereinsatz zu
tödlichen Verletzungen führen könnte. Eine
solche Erörterung fehlt in dem Urteil.
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Ferner hatte O. Z. . angegeben, die Mitangeklagten hätten ihm
während der Fahrt auf der Suche nach einem Mitglied der
Familie M. ein Messer gegeben und erklärt, dass sie denen
"Löcher in den Bauch" machen
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wollen (Bl. 15 UA). Da Messerstiche in den Bauch - was Allgemeinwissen
darstellt - als generell lebensgefährlich anzusehen sind,
hätte diese vom Landgericht ersichtlich als glaubhaft
angesehene Äußerung im Rahmen der
Gesamtwürdigung ebenfalls erörtert werden
müssen.
Nach den Feststellungen hatte sich der Angeklagte O. Z. nur auf
Drängen seiner mitangeklagten Onkel, denen er sich nicht zu
widersetzen wagte, an dem Vorhaben beteiligt. Unter diesen
Umständen hätte es näherer
Auseinandersetzung mit der Feststellung bedurft, dass der Angeklagte O.
Z. das Tatopfer dann sofort entgegen dem angeblichen Tatplan seiner
Onkel zu töten versuchte. Die Annahme, es handele sich um
einen Exzess des Angeklagten O. Z. , entbehrt jeglicher
Tatsachengrundlage. Umstände, die einen plötzlichen
Sinneswandel plausibel machen könnten, sind nicht festgestellt.
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Die Würdigung des Landgerichts, die Aussage des O. Z. bei
seiner polizeilichen Vernehmung am 27. Februar 2004, es sei von den
Mitangeklagten sogar geplant gewesen, beide Söhne aus zweiter
Ehe umzubringen, sei unglaubhaft, ist nicht nachvollziehbar. Das
Landgericht unterlässt es, diese Aussage in ihrem Zusammenhang
wiederzugeben und die Tatsachen darzulegen, auf die es seine Wertung
stützt. Dass die Zeugin J. angegeben hat, die Aussage des
Angeklagten O. Z. bei dieser Vernehmung sei in großen Teilen
unwahr, ohne dass diese Unwahrheiten dargelegt werden, reicht
hierfür nicht aus.
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Soweit das Landgericht sich schließlich wesentlich auf das
Telefonat des Angeklagten H. Ka. mit seinem Bruder nach der Tat
stützt, weil der Angeklagte keinen Grund gehabt habe, diesem
gegenüber die Unwahrheit zu sagen, hat es verkannt, dass schon
die Äußerung, keiner habe das Tatopfer umbringen
wollen, den festgestellten Sachverhalt nicht zutreffend wiedergibt, da
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sie nicht nur einen vorher gefassten Tötungsvorsatz, sondern
überhaupt einen Tötungsvorsatz in Abrede stellt.
2. Unter diesen Beweiswürdigungsfehlern leiden die
Ausführungen des Landgerichts auch insoweit, als es
für alle drei Angeklagte das Mordmerkmal niedrige
Beweggründe unter anderem deshalb verneint hat, weil es sich
um eine Spontantat gehandelt habe. Da nicht rechtsfehlerfrei
festgestellt worden ist, dass die Tötung des E. M. spontan
erfolgte, kann auch die von dem Landgericht vorgenommene Feststellung
und Bewertung der Motive für den Tötungsentschluss
der Angeklagten schon aus diesem Grunde keinen Bestand haben. Im
Übrigen verkennt das Landgericht, dass auch bei einer
spontanen Tötung die Annahme sonstiger niedriger
Beweggründe nicht von vornherein ausgeschlossen ist (BGH NStZ
2006, 166 f.; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 211
Rdn. 9b m.w.N.).
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3. Selbst wenn aber von einem spontanen Tötungsentschluss
auszugehen wäre, hält die Begründung, mit
der das Landgericht eine Tötung aus sonstigen niedrigen
Beweggründen abgelehnt hat, rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein
Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher
Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders
verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer
Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die
Lebensverhältnisse des Täters und seine
Persönlichkeit einschließt. Bei einer
Tötung aus Wut oder Verärgerung kommt es darauf an,
ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung
beruhen. Beruhen diese tatauslösenden und tatbestimmenden
Gefühlsregungen auf dem (berechtigten)
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Gefühl, schweres Unrecht erlitten zu haben, spricht dies gegen
eine Bewertung als "niedrig" im Sinne der Mordqualifikation (BGH NStZ
2006, 286 f. m.w.N.).
a) Für den Angeklagten K. Ka. nimmt das Landgericht an, dass
er aus Rache und Wut für die ihm seiner Ansicht nach am 26.
Dezember 2003 zugefügte Schmähung E. M.
getötet hat (Bl. 72 UA).
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Unklar ist nach den Urteilsausführungen schon, ob das
Landgericht bereits objektiv das Vorliegen eines niedrigen Beweggrundes
verneinen wollte, weil der Angeklagte aus einem anderen Kulturkreis
stammt, in dem der Stellenwert der Ehre in besonderem Maße
betont wird; ein solcher Umstand ist jedoch im Rahmen der objektiven
Bewertung regelmäßig nicht zu
berücksichtigen. Der Maßstab für die
Bewertung der Beweggründe ist - worauf die Revisionen zu Recht
hinweisen - den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik
Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe,
die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft
nicht anerkennt (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige
Beweggründe 41; BGH NStZ 2006, 286, 287, 288; BGH NStZ 2004,
332 m.w.N.). In diesem Zusammenhang war zudem von Belang, dass der
Angeklagte K. Ka. am 26. Dezember 2003 der Aggressor gegenüber
N. M. war, so dass die von ihm als Ehrverletzung empfundene Verletzung
selbst verschuldet war. Das Tatopfer E. M. selbst war zudem gegen ihn -
soweit ersichtlich - zu keinem Zeitpunkt tätlich geworden.
Selbst wenn es - was nicht festgestellt ist - im Vorfeld der Tat zu
verbalen Beleidigungen gekommen sein sollte, stünde die
Tötung als Reaktion auf eine etwaige schon zwei Wochen
zurückliegende Beleidigung in einem unerträglichen
Missverhältnis zum Anlass. Entgegen der Auffassung des
Landgerichts liegt es - selbst wenn von einem spontanen
Tötungsentschluss ausgegangen wird - zudem nahe, dass es dem
Angeklagten darauf ankam, E. M. zu töten, um sich an seiner
Mutter und seinem Stiefvater zu
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- 14 -
rächen. Die Erwägung des Landgerichts, für
die Angeklagten seien die Eheleute N. M. nur alte Leute gewesen, denen
die Angeklagten bei Ausübung der Rache keine Bedeutung
beigemessen haben, erklärt zwar, dass die Angeklagten nicht D.
und N. M. selbst körperlich verletzen wollten. Sie
berücksichtigt jedoch nicht, dass es gerade N. M. war, der den
Angeklagten K. verletzt hatte, dem also in erster Linie das
Rachebestreben des K. Ka. gelten musste, und lässt zudem
außer Acht, dass die Weigerung der D. M. , auf die
Erbschaftsforderungen des Angeklagten einzugehen, der Grund
für die Auseinandersetzung vom 26. Dezember 2003 war. Dass der
Tod eines der Söhne für die Eltern besonders
schmerzlich ist, muss nicht weiter ausgeführt werden. Mit
diesen Aspekten hätte sich das Landgericht daher
auseinandersetzen müssen. Ein Beweggrund, bei dem das Tatopfer
zum Objekt der Rache an einem Dritten für eine zudem vom
Täter selbst verschuldete Situation gemacht wird, muss als auf
sittlich niedrigster Stufe stehend angesehen werden.
Soweit das Landgericht als weiteres Motiv für möglich
hält, dass der Angeklagte K. Ka. sich einer "sozialen
Erwartungshaltung" insbesondere gegenüber seinem Neffen
ausgesetzt sah, weil gerade er Rache gefordert hatte, sollte damit
ersichtlich nicht das erste Motiv als tatbeherrschend in Frage gestellt
werden. Im Übrigen kann dies dahinstehen, weil auch die
Tötung des Halbbruders, der für die Verletzung des
Angeklagten nicht unmittelbar verantwortlich war, nur um sich vor
seinem Neffen und den anderen Familienangehörigen nicht
bloßzustellen, als besonders verachtenswertes Motiv anzusehen
wäre.
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Soweit das Landgericht die subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals
der niedrigen Beweggründe für den Angeklagten K. Ka.
verneint hat, bleibt unklar, ob das Landgericht schon die Kenntnis des
Angeklagten
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von den tatsächlichen Umständen, die sein Handeln als
besonders verwerflich erscheinen lassen, verneinen wollte. Dass der
Angeklagte von seinem kulturellen Hintergrund geprägt von
einer ihm zugefügten schwerwiegenden Ehrverletzung ausging und
sein eigenes schuldhaftes Verhalten bei der Auseinandersetzung am 26.
Dezember 2003 "so nicht empfunden" hat, würde eine solche
Wertung nicht tragen. Denn für die Kenntnis der
tatsächlichen Umstände, die ein Motiv zu einem
niedrigen Beweggrund im Sinne von § 211 StGB machen, kommt es
nicht darauf an, ob der Angeklagte selbst seinen Beweggrund als niedrig
bewertet; er muss dazu nur fähig sein (BGHR StGB §
211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 39; BGH NStZ 2004, 332 f.).
Bei einem ausländischen, noch intensiv den Wertvorstellungen
seiner Heimat verhafteten Täter kann allerdings die
Fähigkeit fehlen, die in Deutschland gültigen
abweichenden sozialethischen Bewertungen seiner Motive zu erfassen.
Dass diese Voraussetzungen bei dem seit 1993 in Deutschland lebenden,
hier eingebürgerten Angeklagten vorlägen,
hätte näherer Ausführungen bedurft.
Das Landgericht verneint das Mordmerkmal der niedrigen
Beweggründe aber wohl vor allem deshalb, weil der in seiner
Steuerungsfähigkeit erheblich verminderte Angeklagte in der
Tatnacht auf Grund seiner Alkoholisierung und vorangegangener, ihn
affektiv belastender Vorfälle mit seinem ältesten
Bruder von "heftiger Gemütsbewegung gleichsam
überrollt" worden sei. Zwar kann dem Angeklagten ein niedriger
Beweggrund nur angelastet werden, wenn er seine
gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen,
die als Handlungsantrieb in Betracht kommen, gedanklich beherrschen und
mit seinem Willen steuern kann (BGH, NStZ 2004, 332 f.). Insoweit hat
das Landgericht zwar zutreffend die erhebliche Alkoholisierung des
Angeklagten, seine narzisstischen Persönlichkeitsmerkmale und
die ihn beherrschenden Rachegedanken berücksichtigt. Insoweit
hätte es aber einer Auseinandersetzung damit bedurft, dass der
Angeklagte sich in der konkreten Tatsituation nicht einer
plötzlichen unerwarteten
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Konfrontation ausgesetzt sah, sondern gedanklich auf eine
Auseinandersetzung vorbereitet und zumindest mit Verletzungsvorsatz und
mit einem Messer bewaffnet dem Tatopfer aufgelauert hatte.
b) Für den Angeklagten H. Ka. hat das Landgericht lediglich
äu-ßerst knapp festgestellt, dass das
Tötungsmotiv unklar sei. Es hat allerdings im Rahmen seiner
Beweiswürdigung nach den insoweit als glaubhaft bewerteten
Äußerungen des Angeklagten O. Z. bei seiner
polizeilichen Vernehmung ausgeführt, dass der Angeklagte H.
Ka. geäußert haben soll, man werde Rache nehmen,
sobald K. Ka. aus dem Krankenhaus entlassen sei (Bl. 60 UA). Danach
liegt es nahe, dass der Angeklagte aus familiärer
Verbundenheit gehandelt hat. Mit dieser sich aufdrängenden
Möglichkeit hätte sich das Landgericht
auseinandersetzen müssen. Daran fehlt es.
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c) Für den Angeklagten O. Z. hält das Landgericht es
für denkbar, dass der Angeklagte seinen Onkeln beweisen
wollte, kein "Angsthase" zu sein; möglich sei aber auch, dass
er meinte, aus Gründen des Gehorsams so handeln zu
müssen. Schon das Motiv, nicht als "Angsthase" gelten zu
wollen, kann einen niedrigen Beweggrund im Sinne des § 211
StGB darstellen. Nicht in seine Erwägungen einbezogen hat das
Landgericht zudem, dass dieser Angeklagte gerade von dem von den
Mitangeklagten entwickelten Plan eigenmächtig abgewichen ist.
Auch hat der Angeklagte O. Z. nach den getroffenen Feststellungen das
Tatopfer vor den Angriffen mit dem Messer wegen einer Beleidigung
seines Vaters zur Rede gestellt und dessen Angebot, sich bei dem Vater
des Angeklagten zu entschuldigen, nicht akzeptiert. Mit keinem der vom
Landgericht für möglich gehaltenen Motive sind diese
Umstände ohne Weiteres zu vereinbaren. Insgesamt fehlt es
daher auch hier an einer umfassenden Würdigung.
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IV.
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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass
die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts hinsichtlich
der Angeklagten O. Z. und K. Ka. nicht rechtsbedenkenfrei sind. So ist
die strafmildernde Berücksichtigung der Untersuchungshaft bei
dem Angeklagten K. Ka. wegen seiner familiären Situation nicht
ohne Weiteres nachvollziehbar, da sie, soweit aus den Feststellungen
ersichtlich, keine Besonderheiten aufweist. Soweit auf teilweise
erschwerte Haftbedingungen verwiesen wird, fehlt es an Feststellungen
über den Grund und die Dauer etwaiger Erschwernisse. Dass die
bei dem Angeklagten O. Z. zu seinen Gunsten berücksichtigte
durch die Mitangeklagten geschaffene Zwangslage angesichts des
Tatablaufs näher hätte hinterfragt werden
müssen, ist bereits mehrfach ausgeführt worden.
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Rissing-van Saan Ri'inBGH Dr. Otten ist Rothfuß
erkrankt und deshalb an
der Unterschrift gehindert.
Rissing-van Saan
Roggenbuck Appl |