BGH,
Urt. v. 6.2.2001 - 5 StR 579/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 579/00
URTEIL
vom 6. Februar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6.
Februar
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten
gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 5. Juli 2000
werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die
hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen
Auslagen trägt die Staatskasse. Der Angeklagte trägt
die
Kosten seines Rechtsmittels.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu vier
Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die jeweils mit der
Sachrüge begründeten
Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft - diese
beschränkt
auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs und
vom Generalbundesanwalt
vertreten - bleiben ohne Erfolg.
1. Der Angeklagte und sein Opfer, K , waren beide aus
Kasachstan stammende Aussiedler und „Trinkkumpane”.
Im wesentlichen
aufgrund der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten hat das
Schwurgericht
folgenden Tathergang festgestellt: Am Nachmittag des Tattages suchte
der bereits stark alkoholisierte Angeklagte den K in dessen
Wohnung auf. Für Reparaturarbeiten, die dann
tatsächlich nicht ausgeführt
wurden, hatte er einen schweren Zimmermannshammer mitgebracht. Nachdem
die Männer eine vom Angeklagten mitgebrachte Flasche Wein
geleert
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hatten, forderte K den Angeklagten auf, weiteren Alkohol zu
holen. Über dessen Weigerung kam es zum Streit. Als der
Angeklagte gehen
wollte, sprang K auf, griff nach der leeren Weinflasche
und holte zum Schlag aus. Dabei äußerte er, er werde
den Angeklagten abstechen
und umbringen. Der Angeklagte, der wegen der Drohung und einer
ihm bekannten erheblichen Vorbelastung des K wegen einer
Gewalttat um sein Leben fürchtete, ergriff den auf dem Tisch
liegenden
Hammer. Er versetzte K mit der spitzen Seite drei kräftige
Schläge gegen die Stirn, um den unmittelbar bevorstehen
Angriff abzuwehren.
K versuchte nunmehr, mit beiden Händen seinen Kopf zu
schützen.
Der Angeklagte schlug mit dem Hammer mindestens je einmal auf die
Hände seines Opfers. Er erkannte, daß von diesem
kein Angriff mehr ausging.
Dennoch schlug er nunmehr mit der stumpfen Seite des Hammers
wuchtig auf den Hinterkopf des K , der handlungsunfähig
zusammensackte
und mit dem Oberkörper auf eine Couch fiel. In dieser Stellung
schlug ihm der Angeklagte noch mindestens siebenmal heftig mit dem
Hammer auf den Hinterkopf. Er wollte ihn schwer verletzen, seinen Tod
nahm er jedenfalls billigend in Kauf. K starb alsbald an einer
Zertrümmerung des Hinterhauptknochens.
2. Der Schuldspruch enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des
Angeklagten.
Das Schwurgericht hat sich von der Schlagfolge und von dem Umstand,
daß der Angeklagte den unwiderlegt behaupteten Angriff des
Opfers
mit den ersten drei Schlägen gegen die Stirn erfolgreich
abgewehrt hatte,
aufgrund einer Auswertung der Verletzungsspuren im
Sachverständigengutachten
des Obduzenten überzeugt. Diese Beweiswürdigung
läßt keinen
Rechtsfehler erkennen. Damit sind die Einwände der Revision,
mit der auf
der abweichenden Tatsachengrundlage eines fortdauernden Angriffs
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Rechtfertigung wegen Notwehr, mindestens aber Entschuldigung wegen
intensiven
Notwehrexzesses nach § 33 StGB geltend gemacht wird,
offensichtlich
unbegründet. Da der Angeklagte den Erfolg seiner Abwehr durch
die ersten Hammerschläge nach den Feststellungen erkannt
hatte, ist auch
für eine Putativnotwehr oder einen
„Putativnotwehrexzeß” kein Raum.
Soweit auf den festgestellten Sachverhalt, bei dem der Angeklagte
nach erfolgreicher Verteidigung auf den Angreifer auch noch unmittelbar
nach Beendigung des zur Notwehr berechtigenden Angriffs weiter
einwirkte,
die Grundsätze des § 33 StGB, mindestens
entsprechend, anwendbar sein
sollten (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 25.
Aufl. § 33 Rdn. 7
m.w.N.), hat das Schwurgericht eine Entschuldigung rechtsfehlerfrei
verneint.
Angesichts der Tatsituation und des Gesamtverhaltens des Angeklagten
hatte dessen Angst den nach dieser Vorschrift
unerläßlich zu verlangenden
hohen Störungsgrad von Furcht und Schrecken nicht erreicht
(BGHR StGB § 33 - Furcht 2, 4).
3. Der Strafausspruch hält im Ergebnis rechtlicher
Überprüfung stand,
obgleich seine Begründung Rechtsfehler zum Vorteil und zum
Nachteil des
Angeklagten enthält.
a) Das Schwurgericht hat, sachverständig beraten,
festgestellt, daß
die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat
wegen seiner
Alkoholisierung und eines möglichen hirnorganischen
Psychosyndroms
erheblich vermindert, seine Einsichtsfähigkeit hingegen
„gegeben”, d.h. nicht
maßgeblich beeinträchtigt war; er habe die Situation
am Tatort sowie das
Vor- und Nachtatgeschehen ausreichend reflektieren können und
sich gedanklich
auch damit auseinandergesetzt. Vor diesem Hintergrund entbehrt
die Zubilligung eines vermeidbaren Verbotsirrtums der erforderlichen
tatsächlichen
Grundlage. Der Tatrichter erwägt, der Angeklagte habe
möglicherweise
geglaubt, „zur Überschreitung der erforderlichen
Abwehrhandlung
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berechtigt gewesen zu sein”; dabei hätte er
„mit nur geringer Überlegung”
„erkennen können, daß er trotz des
vorangegangenen Angriffs seitens des
Opfers nicht berechtigt war, nach der erfolgreichen Abwehr weiter
zuzuschlagen”.
Diese Erwägungen beruhen auf einer tatsächlichen
Unterstellung.
Auch der Umstand, daß sich der Angeklagte auf Notwehr berufen
hat,
ist hierfür keine tragfähige Grundlage. Damit wollte
sich der Angeklagte ersichtlich
auf einen von den Feststellungen abweichenden Tathergang berufen.
Zugleich gab er nämlich vor, sich an nähere
Umstände der Hammerschläge
nicht erinnern zu können. Danach entbehrt die für
einen Verbotsirrtum
erforderliche Annahme, der Angeklagte könne - trotz gegebener
Einsichtsfähigkeit
- geglaubt haben, er sei berechtigt, einen erfolgreich abgewehrten
Angreifer unmittelbar anschließend weiter schwer zu verletzen
oder
gar totzuschlagen, jeder tragfähigen tatsächlichen
Grundlage; das Gegenteil
ist offensichtlich.
Für eine Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2,
§ 49 Abs. 1
StGB fehlt es damit schon an den rechtlichen Voraussetzungen eines
überhaupt
vorhandenen Verbotsirrtums. Der von der Staatsanwaltschaft beanstandete
Ermessensfehlgebrauch bei der Strafrahmenverschiebung ist
demgegenüber
eine nachrangige Frage, für die gar kein Raum mehr ist.
b) Gleichwohl hat das Schwurgericht im Ergebnis zutreffend den nach
§ 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 213
StGB zugrunde gelegt.
(1) Es hat ohne jede Begründung eine
„Provokationslage im Sinne der
1. Alternative des § 213 StGB” verneint. Hierin
liegt ein Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten.
Auch ohne den Erfolg der beabsichtigten körperlichen
Beeinträchtigung
des Angeklagten stellte sich der den Feststellungen in
rechtsfehlerfreier
Anwendung des Zweifelssatzes zugrunde gelegte Angriff des Opfers mit
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der Flasche unter ausdrücklicher Todesdrohung, wenn nicht
bereits als Mißhandlung,
so doch jedenfalls als schwere Beleidigung dar (vgl. BGHR StGB
§ 213 1. Alternative - Mißhandlung 4 und 5).
Anhaltspunkte dafür, daß die
tatauslösende Spannungssituation auch dem Angeklagten
zuzurechnen gewesen
wäre, bestehen aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht;
damit
kam eine Ablehnung der Voraussetzungen des § 213 1.
Alternative StGB
wegen fehlender Schuldlosigkeit des Totschlägers (vgl. BGH
NStZ 1996, 33;
1998, 191, 192) nicht in Betracht. Auch der Umstand, daß der
Angeklagte
zunächst berechtigt Notwehr ausgeübt hatte, hindert
nicht die Anwendung
des § 213 1. Alternative StGB; unmittelbar
anschließend hat er das Opfer,
ersichtlich nicht nur aus fortwirkender Angst, sondern, wie die
Heftigkeit seines
Vorgehens belegt, auch aus spontanem Zorn über dessen Angriff,
totgeschlagen
(vgl. BGH, Beschluß vom 9. Oktober 1998 - 2 StR 442/98 - ).
Damit lagen die Voraussetzungen des § 213 1. Alternative StGB
entgegen
der tatrichterlichen Wertung aufgrund der getroffenen Feststellungen
eindeutig vor.
(2) Folglich benötigte das Schwurgericht den gegebenen
vertypten
Strafmilderungsgrund des § 21 StGB nicht zur Annahme eines
„sonst” minder
schweren Falles gemäß § 213 2. Alternative
StGB. Es war danach nicht
durch § 50 StGB an einer Strafrahmenverschiebung nach
§§ 21, 49 Abs. 1
StGB gehindert. Es lag auch sonst kein Grund vor, dem Angeklagten eine
solche Strafrahmenverschiebung hier zu versagen. Für einen
engen Zusammenhang
zwischen Provokationsreaktion und § 21 StGB, der dem
hätte
widerstreiten können (vgl. BGH NStZ 1986, 71), ist nichts
ersichtlich.
c) Der Senat schließt aus, daß das Schwurgericht
bei in beiderlei Hinsicht
zutreffender rechtlicher Würdigung aus demselben Strafrahmen
zu einer
anderen konkreten Strafe gelangt wäre. Sonstige durchgreifende
Rechtsfehler in der konkreten Strafzumessung liegen nicht vor. Sofern
das
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Schwurgericht bei der strafschärfenden
Berücksichtigung, daß der Angeklagte
„mit mehrfacher ungebremster Brutalität”
auf den Hinterkopf des Opfers
eingeschlagen habe, nicht bedacht haben sollte, daß die
Handlungsintensität
auch durch die erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit
bedingt
war und damit nur eingeschränkt strafschärfend
berücksichtigt werden durfte
(vgl. BGHR StGB § 21 - Strafzumessung 11 und 18 m.w.N.), ist
auszuschließen,
daß sich dies auf die Bemessung der bei dem gegebenen Tatbild
sehr milden Strafe ausgewirkt hat.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Brause |