BGH,
Urt. v. 6.2.2002 - 1 StR 513/01
StGB § 246
§ 246 StGB ist nicht nur gegenüber Zueignungsdelikten
subsidiär (im Anschluß an BGHSt 43, 237).
BGH, Urt. vom 6. Februar 2002 - 1 StR 513/01 - LG Heidelberg
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 513/01
vom
6. Februar 2002
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 6.
Februar 2002, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Schäfer und die Richter am
Bundesgerichtshof Nack, Dr. Wahl, Schluckebier, Dr. Kolz, Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt und
Rechtsanwältin als Verteidiger, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Heidelberg vom 5. Juli 2001 wird mit der Maßgabe verworfen,
daß der Angeklagte wegen Totschlags zu zwölf Jahren
Freiheitsstrafe verurteilt ist.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere
Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Der Angeklagte wurde wegen Totschlags in Tatmehrheit mit Unterschlagung
zu zwölf Jahren und einem Monat Gesamtfreiheitsstrafe
verurteilt.
Hiergegen wenden sich die Revisionen des Angeklagten und der
Staatsanwaltschaft jeweils mit der Sachrüge.
Die nicht näher ausgeführte Revision des Angeklagten
hat nur hinsichtlich der Verurteilung wegen Unterschlagung Erfolg. Die
Revision der Staatsanwaltschaft ist darauf beschränkt,
daß der Angeklagte nicht wegen Mordes, sondern nur wegen
Totschlags verurteilt wurde. Sie führt zur Aufhebung des
Urteils insgesamt.
A.
Zur Revision des Angeklagten.
1. Der Angeklagte hat am 8. September 2000 einen Landsmann erstochen
und anschließend dessen Mobiltelefon und dessen Geldbeutel an
sich genommen. Unter Anwendung des Zweifelssatzes ist die Strafkammer
davon ausgegangen, daß er sich erst zur Wegnahme entschlossen
hat, als er sein Opfer erstochen hatte. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes liegt bei dieser Fallgestaltung Tateinheit zwischen
dem Tötungsdelikt und dem Vermögensdelikt vor; der
Zweifelssatz, der zur Verneinung von Mord aus Habgier führte,
ist bei der Beurteilung der Konkurrenzen nochmals heranzuziehen (BGH b.
Holtz MDR 1990, 676; BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 4
m. w. N.).
2. Ein Schuldspruch wegen Totschlags in Tateinheit mit Unterschlagung
kommt dennoch nicht in Betracht.
Eine Verurteilung wegen Unterschlagung setzt nach der durch das 6.
StrRG in § 246 StGB eingefügten
Subsidiaritätsklausel voraus, daß die Tat nicht in
anderen Vorschriften mit höherer Strafe bedroht ist. Eine
("die") Tat in diesem Sinne liegt bei Tateinheit (§ 52 StGB)
regelmäßig vor (vgl. Noak, Drittzueignung und 6.
StrRG S. 109). Daß die Annahme von Tateinheit hier auf der
Anwendung des Zweifelssatzes beruht, ist dabei ohne Belang.
Der Senat hat erwogen, ob die Subsidiaritätsklausel hier
deshalb nicht anwendbar ist, weil es sich bei der Vorschrift mit
höherer Strafandrohung um Totschlag und nicht um ein
Zueignungsdelikt handelt (hierfür etwa Tröndle/
Fischer StGB 50. Aufl. § 246 Rdn. 29; Eser in
Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 246 Rdn.
32 jew. m. w. N.; in vergleichbarem Sinne auch Rudolphi in JZ 1998,
471, 472).
Unbeschadet der Frage, ob ein derartiges Ergebnis
zweckmäßig sein könnte, ist dies zu
verneinen.
a) Eine solche Einschränkung der
Subsidiaritätsklausel wäre mit dem Wortlaut des
Gesetzes, dessen möglicher Wortsinn die
äußerste Grenze der Auslegung strafrechtlicher
Bestimmungen zum Nachteil des Angeklagten markiert (BGHSt 43, 237, 238
m. w. N. zur identischen Subsidiaritätsklausel des §
125 StGB), unvereinbar. Daher gilt die Subsidiaritätsklausel
des § 246 StGB für alle Delikte mit höherer
Strafdrohung (ebenso Laufhütte/Kuschel in LK 11. Aufl.
<Nachtrag, 38. Lieferung> § 246 Rdnr. 9;
Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 246 Rdn. 14;
Sander/Hohmann NStZ 1998, 273, 276; Noak, aaO S. 110; Wagner in
Festschrift für Grünwald, S. 797, 800 ff; vgl. auch
Otto, Jura 1998, 550, 551).
b) Eine Gegenüberstellung der Subsidiaritätsklauseln,
die durch das 6. StrRG in § 246 StGB und in § 265
StGB eingefügt worden sind, bestätigt dieses Ergebnis:
§ 265 StGB enthält jetzt eine spezielle
Subsidiaritätsklausel ("wenn die Tat nicht in § 263
mit Strafe bedroht ist"), deren Wortlaut demjenigen spezieller
Subsidiaritätsklauseln anderer Strafbestimmungen
(§§ 145, 145d, 202, 218c, 316 StGB) angeglichen ist.
Die gleichzeitig in § 246 StGB eingefügte allgemeine
Subsidiaritätsklausel kann danach nur so verstanden werden,
daß sie auch allgemein gilt, Unterschlagung also hinter
sämtlichen Vorschriften mit höherer Strafdrohung
zurücktritt (Wagner aaO S. 800). 31
c) Der Senat verkennt bei alledem nicht, daß § 246
StGB nach den Materialien zum 6. StrRG alle Formen der rechtswidrigen
Zueignung erfassen soll, die nicht einen mit schwererer Strafe
bedrohten eigenständigen Straftatbestand erfüllen;
beispielhaft sind Diebstahl, Raub, Erpressung und Hehlerei
angeführt (BTDrucks. 13/8587, 43 f; hierzu im einzelnen Wagner
aaO S. 797 f, 800). Danach läge die Annahme nahe,
daß § 246 StGB nur hinter mit schwererer Strafe
bedrohten Zueignungsdelikten subsidiär sein soll. Da ein
solcher Wille des Gesetzgebers im Wortlaut des Gesetzes aber nicht zum
Ausdruck gebracht ist (Kritik an der Gesetzesfassung etwa bei Otto aaO
und Wagner aaO S. 810), kann er nicht Grundlage einer mit dem Wortlaut
des Gesetzes unvereinbaren Auslegung des Gesetzes zum Nachteil des
Angeklagten sein (vgl. BGHSt 42, 291, 293).
3. Der Senat ändert daher den Schuldspruch, der im
übrigen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
enthält, dahin ab, daß die Verurteilung wegen
Unterschlagung entfällt, und erkennt auf die ebenfalls ohne
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten festgesetzte Einzelstrafe
wegen Totschlags (vgl. BGH b. Holtz MDR 1990, 676).
4. Der geringe Teilerfolg der Revision des Angeklagten hat auf die
Kostenentscheidung keinen Einfluß (§ 473 Abs. 4
StPO).
B.
Zur Revision der Staatsanwaltschaft.
Das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
Die Mordmerkmale Habgier und niedrige Beweggründe sind nicht
mit rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung verneint.
I.
1. Zu den Hintergründen der Tat, ihrem Ablauf sowie dem
übrigen Geschehen am Tattag hat die Strafkammer folgendes
festgestellt:
Der Angeklagte, ein gebürtiger Vietnamese, hatte von sich aus
seine Arbeit im Betrieb seines Bruders in K. aufgegeben und hielt sich
statt dessen vor allem in Spielhallen auf, wurde aber zumindest
zeitweilig noch von seiner Familie finanziell unterstützt. Ein
Freund der Familie, der an den Rollstuhl gefesselte Wissenschaftler H.
, hatte dem Angeklagten 10.000 DM geliehen, damit er sich am Kauf eines
Pkws durch die Familie beteiligen konnte. Außerdem hatte er
ihm eine Lehrstelle an der Universität He. vermittelt. Der
Angeklagte trat sie jedoch nicht an und behauptete sowohl
gegenüber H. als auch gegenüber seiner Familie, er
habe in Düsseldorf eine Lehre begonnen. Tatsächlich
hielt er sich weiterhin vor allem in Spielhallen auf, bekam daher
finanzielle Probleme und verbrauchte das Darlehen. Als H. von einer
Schwester des Angeklagten erfuhr, daß dieser sich nicht an
den Kosten des Pkws beteiligt hatte, forderte er vom Angeklagten
über die Schwester wenigstens einen Teil des Darlehens
zurück. Der Angeklagte konnte nicht zahlen und
beschloß, H. in dessen Wohnung in N. aufzusuchen. Da er zwar
Auto fahren kann, aber keinen Führerschein hat, forderte der
Angeklagte seinen Bekannten L. auf, ihn zu begleiten. Als Grund der
Reise gab er wahrheitswidrig an, er wolle einen Computer abholen. Der
Angeklagte fuhr daher am Tattag in Begleitung L. s in einem seiner
Familie gehörenden Pkw in Richtung N. . Nachdem man unterwegs
in eine Polizeikontrolle geraten war, übergab der Angeklagte
anschließend das Steuer an L. . In N. veranlaßte er
ihn mit der bewußt falschen Behauptung, näher am
Wohnhaus des H. könne man nicht parken, den Pkw in einiger
Entfernung abzustellen und auf ihn zu warten.
In der Hoffnung, H. werde ihm einen Ausweg zeigen, legte der Angeklagte
diesem in der Wohnung sein Lügengebäude offen. Als H.
ihm jedoch Vorhalte machte, befürchtete er, daß nun
auch gegenüber seiner Familie seine Lügen offenbar
würden. Dies hätte nach seiner Vorstellung sowohl
für ihn als auch für seine Familie große
Schande bedeutet. Hierüber geriet er in völlige
Verzweiflung, ergriff spontan ein H. gehörendes Messer und
tötete ihn mit zahlreichen Stichen. Anschließend kam
ihm die Idee, Geldbeutel und Mobiltelefon an sich zu nehmen.
Außerdem reinigte er sich und beseitigte das Tatmesser, das
seither nicht aufgefunden werden konnte. Äußerlich
ruhig begab er sich zum Pkw, wo er L. eingehend erklärte,
warum er jetzt doch keinen Computer mitbrächte. Auf der
anschließenden Rückfahrt entledigte er sich des
Mobiltelefons; dessen Besitz war ihm verräterisch erschienen,
nachdem es geklingelt hatte. Nach einem Zwischenaufenthalt in F. , wo
man nach einem Sexshop suchte, waren der Angeklagte und L. am
nächsten Morgen wieder zu Hause.
2. Der Angeklagte hat bestritten, H. getötet zu haben.
Zunächst hatte er sich um ein falsches Alibi bemüht.
Später hat er seine Angaben dem jeweiligen Ermittlungsstand
angepaßt. Zuletzt hat er angegeben, zur Tatzeit bei H.
gewesen zu sein und ihm seine Lügengeschichten offenbart zu
haben. Dieser sei von ihm enttäuscht gewesen und habe ihn
aufgefordert zu gehen. Dies habe er getan. Wie und warum er Geldbeutel
und Mobiltelefon mitgenommen habe, wisse er nicht. Als er es bemerkt
habe, habe er sich gesorgt, daß er seinen Freund "schon
wieder ... enttäuscht habe".
Die Strafkammer, die sich weder hinsichtlich des genauen
Geschehensablaufs in der Wohnung noch hinsichtlich des Tatmotivs auf
Zeugenaussagen stützen konnte, hat sich mit rechtsfehlerfreien
Erwägungen davon überzeugt, daß der
Angeklagte H. getötet hat. Ein Motiv, das zur Annahme von Mord
führen würde, konnte sie dagegen nicht feststellen.
Hätte der Angeklagte H. getötet, um das Darlehen
nicht zurückzahlen zu müssen, läge aus
Habgier begangener Mord vor (vgl. BGH NJW 1993, 1664, 1665 m. w. N.),
wäre es (auch) um die Wertgegenstände von H.
gegangen, in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge (vgl. BGHSt 39, 100).
Niedrige Beweggründe im Sinne des § 211 StGB
kämen in Betracht, wenn der Angeklagte eigenes, zwar nicht
strafbares, aber ehrenrühriges Verhalten hätte
verdecken wollen (vgl. BGH NStZ 1987, 81).
Von alledem geht auch die Strafkammer aus. Sie konnte jedoch nicht
ausschließen, daß der Angeklagte H. nur aufgesucht
hat, um eine Aussprache herbeizuführen und sich erst in deren
Verlauf voller Verzweiflung über die drohende große
Schande zur Tötung entschlossen hat. Dementsprechend scheide
Habgier aus, weil es ihm nicht um Bereicherung gegangen sei; bei der
Furcht vor Schande handle es sich jedenfalls im Hinblick auf den hohen
Grad seiner seelischen Erregung nicht um einen niedrigen Beweggrund.
3. Kann der Tatrichter tatsächliche Zweifel nicht
überwinden und zieht die danach gebotene Konsequenz (hier:
Verurteilung wegen Totschlags statt wegen Mordes), so hat dies das
Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die
Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; es kommt nicht
darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders
gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte.
Demgegenüber kann ein Urteil keinen Bestand haben, wenn die
Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist etwa der Fall,
wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, nicht alle
wesentlichen Feststellungen in die Erwägungen einbezieht oder
naheliegende Möglichkeiten unerörtert
läßt (st. Rspr., vgl. nur BGH Urteil vom 12. Juni
2001 - 1 StR 190/01; wistra 1999, 338, 339 m. w. N.).
Ist eine Vielzahl einzelner Erkenntnisse angefallen, so ist eine
Gesamtwürdigung vorzunehmen. Ein auf einen feststehenden Kern
gestütztes Beweisanzeichen, dessen Bedeutung für sich
genommen unklar bleibt, kann nicht vorab isoliert nach dem Zweifelssatz
beurteilt werden. Beweisanzeichen können nämlich in
einer Gesamtschau wegen ihrer Häufung und gegenseitigen
Durchdringung die Überzeugung von der Richtigkeit eines
Vorwurfs begründen (vgl. nur BGHR StPO § 261
Beweiswürdigung 24; BGH Urteil vom 15. Juli 1998 - 1 StR
243/98 jew. m. w. N.). Hat der Angeklagte Angaben gemacht, für
deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine (ausreichenden) Beweise
gibt, sind diese in die Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses
einzubeziehen und nicht ohne weiteres als unwiderlegt dem Urteil zu
Grunde zu legen. Ihre Zurückweisung erfordert nicht,
daß sich das Gegenteil der Behauptung positiv feststellen
ließe (vgl. nur BGHR StPO § 261 Einlassung 5, 6;
Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 28 jew. m. w. N.). Auch
im übrigen gebietet es der Zweifelssatz nicht, zugunsten des
Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen
das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte
erbracht hat (vgl. BGH NJW 1995, 2300; Urteil vom 12. Dezember 2001 - 3
StR 303/01 m. w. N.).
An alledem gemessen, enthält die Beweiswürdigung der
Strafkammer den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler.
II.
1. Die Strafkammer geht zutreffend davon aus, daß es gegen
eine spontane und für eine geplante Tat spreche, wenn der
Angeklagte das - nicht mehr auffindbare - Tatmesser zum Tatort
mitgebracht hätte.
Dies konnte sie jedoch nicht feststellen.
a) Sie führt aus, gegen ein Mitbringen des Messers spreche
schon, daß dieses Messer bei der polizeilichen Kontrolle auf
der Hinfahrt nicht bemerkt werden konnte. Demgegenüber sei bei
dieser Gelegenheit in der Aktentasche des Angeklagten ein
Metallhandschuh gefunden worden, dessen Bedeutung (Handschutz beim
Zuschneiden) der Angeklagte den kontrollierenden Beamten auf deren
Nachfrage im einzelnen erläutert habe. Die Strafkammer folgert
daraus, daß bei dieser Kontrolle auch ein im Pkw befindliches
Messer gefunden worden wäre und Anlaß zu
Erörterungen gegeben hätte.
Diese Erwägungen sind im Ansatz nicht zu beanstanden.
Im einzelnen ergeben die Ausführungen der Strafkammer jedoch
von ihr nicht erörterte Gesichtspunkte, die dagegen sprechen,
daß der Pkw überhaupt kontrolliert wurde. Selbst
wenn man der Strafkammer aber insoweit folgt, sind die Feststellungen
zu dem Metallhandschuh widersprüchlich und unklar.
aa) Die Strafkammer hat festgestellt, daß am Tattag auf der
vom Angeklagten und dem Zeugen L. benutzten Bundesautobahn zahlreiche
Kraftfahrzeuge im Rahmen einer Drogenfahndung kontrolliert wurden.
Schriftliche Unterlagen darüber, daß auch das hier
in Rede stehende Fahrzeug kontrolliert wurde, gibt es nicht; jedoch
hätten der Angeklagte und der Zeuge L. die Kontrolle und ihren
Ablauf weitgehend übereinstimmend geschildert. Eine Differenz
in den Schilderungen gäbe es allerdings insofern, als nur L.
behauptet habe, daß auch die Führerscheine
kontrolliert worden seien.
Zum Zeitpunkt der Kontrolle steuerte der Angeklagte das Fahrzeug. Er
hat keinen Führerschein. Hätte es, wie L. behauptet,
eine Führerscheinkontrolle gegeben, läge zumindest
nahe, daß dies festgestellt worden wäre. Ebenso nahe
liegt, daß es dann schriftliche Unterlagen über die
Kontrolle dieses Fahrzeugs gäbe.
Es erscheint aber auch fernliegend und hätte daher
näherer Begründung bedurft, daß, wie der
Angeklagte behauptet, Polizeibeamte ein Fahrzeug intensiv und
zeitaufwendig durchsuchen, mit dem Fahrer dabei über einen in
einer Aktentasche aufgefundenen Metallhandschuh debattieren und bei
alledem nicht überprüfen, ob der Fahrer eine
Fahrerlaubnis hat.
bb) Die Angaben des Angeklagten und die von L. zum Ablauf der Kontrolle
differierten nur hinsichtlich der Führerscheinkontrolle.
Danach haben beide das Auffinden des Metallhandschuhs
übereinstimmend geschildert. Damit unvereinbar ist jedoch,
daß der Metallhandschuh "nach Einlassung des Angeklagten" zu
Nachfragen führte, während L. "hiervon" nichts
berichtet hat. Beruhten die Feststellungen zum Auffinden des
Metallhandschuhs nur auf den sonst durch nichts bestätigten
Angaben des Angeklagten, wären sie aber, zumal unter
Berücksichtigung seines übrigen Aussageverhaltens,
nicht ohne weiteres als unwiderlegt den Feststellungen zu Grunde zu
legen.
b) Diesen Maßstab hat die Strafkammer (auch) an die
Erklärung des Angeklagten angelegt, er habe seine Aktentasche
allein deshalb mit in die Wohnung von H. mitgenommen, weil sich darin
(wohl zusätzlich zu dem Metallhandschuh) Hochzeitsbilder
befunden hätten, die er ihm habe zeigen wollen. Die
Strafkammer sieht diese Einlassung zwar als "wenig glaubhaft" an, sie
sei aber "letztlich nicht zu widerlegen". Die Strafkammer brauchte sich
jedoch nicht, wie sie es getan hat, durch eine sonst nicht belegte,
wenig glaubhafte Einlassung des Angeklagten daran gehindert zu sehen,
aus einem als solchen feststehenden Beweisanzeichen (der Angeklagte
führte eine Aktentasche mit sich) einen Schluß zum
Nachteil des Angeklagten (in der Aktentasche, die er ohne sonst
erkennbaren Grund mit in die Wohnung nahm, befand sich ein Messer) zu
ziehen.
2. Die Strafkammer hat auch die Lüge des Angeklagten zu den
fehlenden Parkmöglichkeiten am Wohnhaus des H. nur isoliert
und auch sonst nicht rechtsfehlerfrei bewertet. Sie verkennt zwar
nicht, daß dieses Verhalten des Angeklagten, mit dem er
verhindert hat, daß der auf ihn hindeutende Pkw in der
Nähe des Tatorts gesehen werden konnte, für einen
vorgefaßten Tatplan sprechen könnte. Sie meint aber,
der Angeklagte habe möglicherweise einen lautstarken Streit
mit H. vorausgesehen und befürchtet, L. könne diesen
Streit mitbekommen, wenn der Pkw in unmittelbarer Nähe des
Hauses parken würde. Konkrete tatsächliche
Anhaltspunkte für diese Variante sind jedoch nicht
ersichtlich; darüber hinaus ist auch nicht erörtert,
wie sie mit einer durch Vorwürfe H. s ausgelösten
Spontantat vereinbar ist.
3. Schließlich sind auch Gesichtspunkte, die gegen die
Annahme einer ungewöhnlichen Verzweiflung wegen der drohenden
großen Schande sprechen können, nicht erkennbar
erörtert.
a) Der Angeklagte hatte die Arbeit bei seinem Bruder aufgegeben und
sich statt dessen hauptsächlich in Spielhallen aufgehalten.
Dies war der Familie bekannt, die ihn gleichwohl finanziell zumindest
zeitweilig weiter unterstützte. Die Angehörigen
wußten auch, daß der Angeklagte das Darlehen von H.
absprachewidrig nicht dazu verwendet hatte, sich an den Kosten des
neuen Pkws zu beteiligen. Es ist nicht ersichtlich, daß all
dies zu einem besonderen Ehrverlust des Angeklagten gegenüber
seiner Familie geführt hätte, oder daß gar
die Familie deshalb in Schande geraten sei. Unter diesen
Umständen verdeutlichen die Hinweise auf Herkunft und enge
familiäre Bindung des Angeklagten nicht, warum er
demgegenüber schwere Schande befürchtete, wenn (auch)
offenbar würde, daß seine Behauptung über
seine angebliche Tätigkeit in D. eine Lüge war.
b) Nach der Tat hat der Angeklagte Spuren beseitigt,
Wertgegenstände seines Opfers an sich gebracht, dem Zeugen L.
genau erklärt, warum er jetzt doch keinen Computer dabei hatte
und sich an der Suche nach einem Sexshop beteiligt. Dieses Verhalten
erscheint insgesamt zielgerichtet, überlegt und
unauffällig. Es wäre daher zu erörtern
gewesen, wie dies mit der Annahme vereinbar ist, der Angeklagte habe
kurz zuvor aus spontan entstandener großer Verzweiflung
seinen Freund erstochen.
III.
1. Nach alledem sind die tatsächlichen Grundlagen zur
Verneinung von Habgier und niedrigen Beweggründen nicht
rechtsfehlerfrei festgestellt. Da die Sache deshalb neuer Verhandlung
und Entscheidung bedarf, können die in der
Revisionsbegründung der Beschwerdeführerin vom 2.
November 2001 und im Antrag des Generalbundesanwalts vom 28. November
2001 im einzelnen vorgetragenen weiteren Bedenken gegen die Verneinung
niedriger Beweggründe auf sich beruhen.
2. Die Urteilsaufhebung umfaßt das gesamte Urteil. Da die
Wegnahme von Geld und Mobiltelefon nicht in Tatmehrheit zu dem
Tötungsdelikt steht, geht die Revisionsbeschränkung
der Staatsanwaltschaft auf das Tötungsdelikt ins Leere (vgl.
BGH b. Kusch NStZ-RR 1998, 257, 262 f m. w. N.).
Schäfer Nack Wahl
Schluckebier Kolz
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