BGH,
Urt. v. 6.2.2008 - 2 StR 561/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 561/07
vom
6.2.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
6.2.2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Darmstadt vom 29. Juni 2007 im Strafausspruch hinsichtlich
Fall II. 1 der Urteilsgründe und im Ausspruch über
die Gesamtstrafe jeweils mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen
Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich
mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision gegen den
Strafausspruch im Fall II. 1 der Urteilsgründe und gegen den
Gesamtstrafenausspruch. Das wirksam beschränkte Rechtsmittel
hat Erfolg.
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I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der
Angeklagte am 15. Juli 2006 gegen 6.00 Uhr morgens eine Joggerin in der
Absicht, dieser ihren Walkman gewaltsam abzunehmen. Als er sie von
hinten um den Hals fasste,
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fragte die Geschädigte in Todesangst, ob er sie vergewaltigen
wolle. Erst jetzt entschloss sich der Angeklagte, die Frau zu
vergewaltigen. Den Arm immer noch um ihren Hals gelegt,
drückte er sie in einen Waldweg und forderte sie in
aggressivem Ton auf, sich vor ihm hinzuknien. In ihrer Todesangst
versuchte die psychologisch geschulte Frau den Angeklagten in ein
Gespräch zu verwickeln und ihn mit den Worten "Du bist ganz
schön geil" zu beruhigen. Nach dem 1-2 Minuten dauernden
ungeschützten Geschlechtsverkehr ohne Samenerguss, bei dem die
Geschädigte keinen Widerstand leistete, fragte sie den
Angeklagten, ob er noch einmal wolle, was dieser verneinte.
Am 24. September 2006 gegen 19.50 Uhr ergriff der Angeklagte an
gleicher Stelle eine andere Joggerin, lediglich in der Absicht diese zu
erschrecken, von hinten am Hals, nahm sie in den Würgegriff
und versuchte sie in einen Waldweg zu schleifen, was am heftigen
Widerstand der Frau scheiterte. Die Geschädigte erlitt dabei
Schmerzen und Rötungen im Hals- und Kehlkopfbereich.
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2. Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten
im ersten Fall wegen Vergewaltigung verurteilt, die Einsatzstrafe von
drei Jahren dem nach §§ 46 a, 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB
gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen und
zum Täter-Opfer-Ausgleich Folgendes festgestellt:
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"Der Angeklagte hat der geschädigten Zeugin E. einen
Täter-Opfer-Ausgleich in Form einer Geldzahlung als
Schadensersatz in Höhe von 3.000 Euro angeboten und sich
über seinen Verteidiger schriftlich bei der Zeugin
entschuldigt. Die Zeugin erklärte sich einverstanden,
woraufhin dieser Geldbetrag, der dem Angeklagten von seinen Eltern und
seinen Brüdern zur Verfügung gestellt wurde, an die
Zeugin E. überwiesen worden ist."
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Hinsichtlich der zweiten Tat hat das Landgericht, das sich von einer
Vergewaltigungsabsicht nicht überzeugen konnte, den
Angeklagten wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe
von sechs Monaten verurteilt.
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II.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die von der
Revision mit der Sachrüge beanstandete Annahme eines
Täter-Opfer-Ausgleichs und die deshalb erfolgte
Strafrahmenverschiebung gemäß §§
46 a Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB halten rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
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1. Der Tatrichter hat in wertender Betrachtung und
schließlich nach Ermessensgesichtspunkten zu entscheiden, ob
er die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs annimmt und
danach von der so eröffneten Milderungsmöglichkeit
Gebrauch macht. Hier hat das Landgericht, das nicht einmal erkennen
lässt, welche Alternative des § 46 a StGB es anwenden
will, die Voraussetzungen eines stattgefundenen
Täter-Opfer-Ausgleichs nicht in einem die Nachprüfung
durch den Senat ermöglichenden Umfang dargelegt:
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Zwar hat der Angeklagte nach den Urteilsgründen ein
umfassendes Geständnis abgelegt. Damit hat er die unabdingbare
Voraussetzung geschaffen, um die friedensstiftende Wirkung der
Schadenswiedergutmachung zu entfalten (BGHSt 48, 134 ff.; NStZ-RR 2006,
373; Fischer StGB 55. Aufl. § 46 a Rdn. 10 b). Ob er der
Geschädigten damit eine weitere psychische Belastung erspart
hat oder ob diese - was nicht ohne Weiteres ausgeschlossen werden kann
- zur Verarbeitung des Erlebten in der Hauptverhandlung hätte
aussagen wollen, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
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Auch die von dem zuletzt arbeitslosen, nunmehr inhaftierten Angeklagten
geleistete Zahlung von lediglich 3.000 Euro, die er sich von Verwandten
hat be-
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sorgen müssen, hindert die Annahme eines
Täter-Opfer-Ausgleichs nicht von vornherein, da die
vollständige Erfüllung von Ersatzansprüchen
nicht zwingende Voraussetzung ist. Strafrechtliche Wiedergutmachung
darf dem zivilrechtlichen Anspruch nicht gleichgesetzt werden (BGHR
StGB § 46 a Wiedergutmachung 5). So lässt §
46 a Nr. 1 StGB in Ausnahmefällen sogar schon das ernsthafte
Bemühen um umfassenden Ausgleich ausreichen.
Allerdings setzt ein Täter-Opfer-Ausgleich nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen
kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der
auf einen umfassenden friedensstiftenden Ausgleich der durch die
Straftat verursachten Folgen angelegt sein muss. Wenngleich ein
"Wiedergutmachungserfolg" nicht zwingende Voraussetzung ist, so muss
sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich
bereit finden und sich auf ihn einlassen (BGH NStZ 2006, 275). Bei
einem schwerwiegenden Sexualdelikt, wie es hier vorliegt, wird eine
entsprechende, zumindest annähernd gelungene
Konfliktlösung in der Regel aus tatsächlichen
Gründen nur schwer erreichbar sein (BGH NStZ 2002, 646).
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Darauf bezogene Feststellungen lässt das angefochtene Urteil
vermissen. Insbesondere fehlen Ausführungen dazu, wie sich das
Opfer zu den ebenfalls nicht näher geschilderten
Bemühungen des Täters gestellt hat und wann und aus
welchen Gründen es die ihm durch den Verteidiger angebotene
Zahlung angenommen hat. So setzt sich das Landgericht nicht mit den
nahe liegenden Möglichkeiten auseinander, dass die anwaltlich
nicht vertretene, durch die Tat schwer traumatisierte
Geschädigte das ihr unterbreitete Angebot nur deshalb
akzeptiert hat, um in der Hauptverhandlung nicht aussagen zu
müssen oder weil sie etwa befürchtete, ansonsten
keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten. Bei einer
solchen Motivlage würde es aber an dem
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erforderlichen Willen des Opfers zur Versöhnung und an einer
erzielten Genugtuung fehlen (BGH NStZ 2003, 365).
2. Die Anwendung des § 46 a StGB bedarf danach erneuter,
intensiverer Prüfung. Die Aufhebung der für den Fall
II. 1 verhängten Strafe bedingt auch die Aufhebung des
Gesamtstrafenausspruchs.
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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass
die erforderliche Aufklärung der Motivlage der
Geschädigten nicht zwingend deren zeugenschaftliche Vernehmung
voraussetzt. In Betracht kommt zum einen, den stattgefundenen
Schriftwechsel näher mitzuteilen und bezogen auf die
Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 StGB zu bewerten; zum anderen
bietet sich - wie bereits in der ersten Hauptverhandlung geschehen -
eine Vernehmung des Ehemanns der Geschädigten an.
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Rissing-van Saan Rothfuß Fischer
Roggenbuck Appl |