BGH,
Urt. v. 6.6.2007 - 2 StR 105/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 105/07
vom
6.6.2007
gegen
wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
6.06.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Nebenklägervertreterin für den
Nebenkläger ,
gesetzlich vertreten durch das Jugendamt ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision des Nebenklägers wird das Urteil des
Landgerichts Gera vom 26. Oktober 2006
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der
Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung und der
fahrlässigen Körperverletzung schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall V 1 der
Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Misshandlung von
Schutzbefohlenen in Tatmehrheit mit fahrlässiger
Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung
ausgesetzt wurde; darüber hinaus hat es den Angeklagten im
Adhäsionsverfah-
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ren zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt sowie eine
Grundentscheidung zur Leistung von Schadensersatz getroffen. Die
Revision des Nebenklägers führt mit der
Sachrüge zur Aufhebung der Verurteilung wegen Misshandlung von
Schutzbefohlenen und zur Aufhebung der Gesamtstrafe; im
Übrigen ist sie unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts geriet der Angeklagte,
nachdem er von seiner Ehefrau für ca. 7 bis 10 Minuten mit
seinem zum Tatzeitpunkt neun Wochen alten Sohn - dem
Nebenkläger - in der Familienwohnung allein gelassen worden
war, in einen "Zustand der Überforderung". Er versetzte dem
weinenden Kind in einer plötzlichen Aufwallung von Aggression
zwei wuchtige Faustschläge gegen die linke sowie einen
wuchtigen Schlag gegen die rechte Kopfseite. Hierdurch erlitt das Kind
mehrere Hämatome. Zeitlich vor oder nach diesen
Schlägen ließ der Angeklagte das Kind
überdies aus einer Höhe von ca. einem Meter auf den
Boden fallen, wo es mit dem Kopf aufschlug. Hierdurch kam es zu zwei
Brüchen des Schädelknochens. Das Landgericht hat
nicht festzustellen vermocht, dass der Angeklagte beim Fallenlassen des
Kindes vorsätzlich handelte. Das geschädigte Kind
wurde längere Zeit intensivmedizinisch behandelt. Konkrete
Lebensgefahr bestand nicht. Die Verletzungen sind derzeit folgenlos
ausgeheilt; Spätfolgen sind nicht auszuschließen.
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Das Landgericht hat wegen der ersten Tat eine Einzelfreiheitsstrafe von
einem Jahr und neun Monaten und wegen der zweiten Tat eine solche von
sechs Monaten verhängt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe
von zwei Jahren gebildet, deren Vollstreckung es
gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur
Bewährung ausgesetzt hat; als besondere Umstände hat
es die siebenmonatige Untersuchungshaft, die
Ausländereigenschaft des Angeklagten sowie den Umstand
angesehen, dass dieser bislang keine Freiheitsstrafe
verbüßt hat.
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2. Soweit sich die Revision des Nebenklägers gegen die
Beweiswürdigung, namentlich zum Vorsatz bei dem
Sturzgeschehen, richtet, ist sie unbegründet; das Landgericht
hat insoweit einen Tatvorsatz des Angeklagten mit im Ergebnis noch
tragfähiger Begründung nicht festzustellen vermocht.
Die Schlussfolgerungen des Tatrichters weisen die von der Revision
gerügten Verstöße gegen Denkgesetze nicht
auf. Sie sind jedenfalls noch möglich und insoweit
rechtsfehlerfrei; zwingend müssen sie nicht sein.
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3. Dagegen hält die Verurteilung (nur) wegen Misshandlung
Schutzbefohlener im ersten Tatkomplex der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat sich mit der
Frage, ob die "wuchtigen" Faustschläge gegen den Kopf des neun
Wochen alten Kindes eine lebensgefährliche Behandlung im Sinne
von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB darstellten, nicht erkennbar
auseinandergesetzt. Nach den festgestellten Umständen war die
Qualifikation aber gegeben. Der Verurteilung (auch) wegen
qualifizierter Körperverletzung steht der Umstand nicht
entgegen, dass eine konkrete Lebensgefahr letztlich nicht eingetreten
ist (vgl. BGH NJW 2002, 3264; NStZ 2004, 618; 2005, 156, 157;
Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 224 Rdn. 12 f.
m.w.N.). Anders als der Grundtatbestand des § 223 Abs. 1 StGB
wird die Qualifikation nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB auch nicht
durch die Misshandlungs-Variante des § 225 Abs. 1
verdrängt (BGH NJW 1999, 72; Tröndle/Fischer aaO
§ 224 Rdn. 16; § 225 Rdn. 21).
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Der Senat hat insoweit den Schuldspruch selbst geändert.
§ 265 StPO stand dem nicht entgegen, denn der Angeklagte
hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen
können.
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4. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung
des Einzelstrafausspruchs im Fall 1 der Urteilsgründe und des
Gesamtstrafenausspruchs. Die
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rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen
bleiben; ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter
sind zulässig.
Rissing-van Saan Otten Fischer
Roggenbuck Appl |