BGH,
Urt. v. 6.3.2002 - 2 StR 533/01
2 StR 533/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
6. März 2002
in der Strafsache gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 6.
März 2002, an der teilgenommen haben: Vizepräsident
des Bundesgerichtshofes Dr. Jähnke als Vorsitzender, die
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten, die Richter am
Bundesgerichtshof Rothfuß, Prof. Dr. Fischer, die Richterin
am Bundesgerichtshof Elf als beisitzende Richter, Staatsanwalt als
Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Bonn vom 24. April 2001 mit den Feststellungen aufgehoben
und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in Tateinheit mit
Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
Dagegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der
Sachrüge. Sie erstrebt statt der Verurteilung wegen Diebstahls
(in Tateinheit mit Nötigung) eine Verurteilung wegen
Diebstahls mit Waffen nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB (in
Tateinheit mit Nötigung).
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte 1998 längere Zeit
mit der Zeugin L. zusammengelebt und während dieser Zeit ihren
Betäubungsmittelkonsum und teilweise auch ihren
Lebensunterhalt finanziert. Der Angeklagte machte deswegen und wegen
weiterer Sachverhalte Rückzahlungs- und
Schadensersatzansprüche gegen die Geschädigte in
Höhe von 10.000,- DM geltend. Im August/September 2000 hatte
er bereits einmal die Zeugin durch Wegnahme u. a. einer ihr
gehörigen Playstation genötigt, ihm 900,- DM zu
zahlen.
Am Tattag hatte der Angeklagte die Zeugin erneut in ihrer Wohnung
aufgesucht, um die (Rück-)Zahlung von Geld zu verlangen und
zur Unterstützung seines Vorhabens ein 25 cm langes
Küchenmesser eingesteckt. Nachdem die Zeugin angegeben hatte,
400,- DM in bar zu besitzen, durchsuchte er ihre Jacke nach dem Geld.
Dabei fand er ein Handy im Wert von ca. 600,- DM, das die Zeugin
geschenkt erhalten hatte. Er nahm es an sich, um es entweder zu
versetzen oder zu verkaufen. Um seiner subjektiv als berechtigt
empfundenen Forderung Nachdruck zu verleihen und die Zeugin zur
Übergabe der 400,- DM zu veranlassen, hielt er ihr
für einen kurzen Augenblick das mitgebrachte Messer vor. Die
Zeugin entnahm daraufhin ihrem Portemonnaie vier Hundertmarkscheine.
Davon konnte der Angeklagte zwei ergreifen. Anschließend
verließ er die Wohnung.
Das Landgericht hat die Wegnahme des Handys als Diebstahl und - in
Tateinheit dazu - die erzwungene Übergabe des Geldes als
Nötigung gewertet.
Das landgerichtliche Urteil hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
Das Landgericht ist zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen,
daß der Angeklagte das Handy der Zeugin, das er nicht
lediglich als Pfand nehmen, sondern verwerten wollte, weggenommen hat,
um es sich rechtswidrig zuzueignen. Dabei kommt es in diesem
Zusammenhang nicht darauf an, ob der Angeklagte berechtigte
Zahlungsansprüche gegen die Zeugin hatte oder mindestens
subjektiv davon überzeugt war. Die Revision beanstandet jedoch
zu recht, daß das Landgericht den Angeklagten lediglich wegen
Diebstahls nach § 242 StGB statt wegen Diebstahls mit Waffen -
hier in der Alternative "gefährliches Werkzeug" - nach
§ 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB verurteilt hat. Nach den
Feststellungen hatte der Angeklagte ein Messer griffbereit in der
Innentasche seiner Jacke und damit ein objektiv gefährliches
Werkzeug - wie hier nicht zweifelhaft ist - während der Tat
bei sich geführt. Der Schuldspruch kann danach keinen Bestand
haben.
Hinsichtlich des weiteren Tatgeschehens wird der neue Tatrichter
näher zu prüfen haben, von welchen Vorstellungen der
Angeklagten bei der Nötigung der Zeugin zur Herausgabe des
Geldes ausgegangen ist. Ein Erpressungs- oder ein Zueignungsvorsatz
(bei Wegnahme von Geld) kommt auch dann in Betracht, wenn der
Täter für möglich hält und
billigend in Kauf nimmt, daß die Forderung nicht oder nicht
im Umfang des Nötigungsziels besteht oder aber von der
Rechtsordnung nicht geschützt ist. Das Bewußtsein
einer rechtswidrigen Bereicherung (Zueignung) ist nur dann nicht
gegeben, wenn der Täter klare Vorstellungen über
Grund und Höhe des geltend gemachten - rechtlich
geschützten - Anspruchs hat; für die Annahme eines
Tatbestandsirrtums reichen vage Vorstellungen nicht aus (st. Rspr., BGH
JR 99, 338, 341; StV 2000, 79, 80). Bei der gewaltsamen Eintreibung von
Forderungen aus Betäubungsmittelgeschäften liegt ein
Erpressungs- oder Raubvorsatz danach auf der Hand. Aber auch
für Forderungen, die auf geleisteten Unterhalt für
die Zeugin während der Zeit des Zusammenlebens
gestützt werden, liegt - ohne Darlegung besonderer
Vereinbarungen - die Annahme eher fern, daß der Angeklagte
von einem rechtlich durchsetzbaren und fälligen Anspruch
ausgegangen sein könnte. Soweit der Angeklagte sich auf einen
Schadensersatzanspruch für einen - nach seiner Auffassung von
der Zeugin zu verantwortenden - Motorschaden an seinem Jeep beruft,
kann angesichts der geltend gemachten weiteren rechtlich nicht
geschützten Forderungen schon zweifelhaft sein, ob der
Angeklagte gerade die Befriedigung dieses Ersatzanspruchs anstrebte.
Jedenfalls werden die Umstände zum Eintritt und zur
Höhe des Schadens näher festzustellen sein. Denn auch
die Annahme eines möglichen Tatbestandsirrtums bedarf realer
Anknüpfungspunkte. Dabei wird zu berücksichtigen
sein, daß der Angeklagte schon vorher 900,- DM erhalten hatte
und durch die Wegnahme des Handys einen weiteren
Vermögensgegenstand an sich gebracht hatte.
Jähnke Otten Rothfuß
Fischer Elf |