BGH,
Urt. v. 6.3.2003 - 4 StR 493/02
4 StR 493/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
vom
6. März 2003
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 6.
März 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, Richter am Bundesgerichtshof Maatz,
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Ernemann, Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible als beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt für den Angeklagten V. ,
Rechtsanwalt für den Angeklagten R. , Rechtsanwalt
für den Angeklagten F. als Verteidiger, Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht
erkannt:
I. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten R. und
F. wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 13.
März 2002, soweit es diese Angeklagten betrifft, mit den
Feststellungen - ausgenommen denjenigen zum äußeren
Sachverhalt - aufgehoben.
Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete
Urteil, soweit es den Angeklagten V. betrifft, und die Revision des
Angeklagten V. werden verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der
Staatsanwaltschaft und die dadurch dem Angeklagten V. entstandenen
notwendigen Auslagen. Es wird davon abgesehen, diesem Angeklagten
Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§
109 i.V.m. § 74 JGG).
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die drei Angeklagten jeweils des Mordes und der
gefährlichen Körperverletzung für schuldig
befunden und den Angeklagten V. zu einer Jugendstrafe von neun Jahren,
den Angeklagten R. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren sowie
den Angeklagten F. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich
die Staatsanwaltschaft und die drei Angeklagten mit ihren Revisionen.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet hinsichtlich des Angeklagten V. die
Anwendung von Jugendrecht und erstrebt hinsichtlich der Angeklagten R.
und F. deren Verurteilung wegen durch positives Tun anstatt durch
Unterlassen begangenen Mordes. Die - vom Generalbundesanwalt
vertretenen - Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben hinsichtlich
der Angeklagten R. und F. ebenso wie die sowohl auf
Verfahrensbeschwerden als auch auf die Rüge der Verletzung
materiellen Rechts gestützten Revisionen dieser Angeklagten
jeweils mit der Sachrüge Erfolg. Dagegen haben die den
Angeklagten V. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft und die
allein auf die Sachrüge gestützte Revision dieses
Angeklagten keinen Erfolg.
A.
Nach den Feststellungen trafen die drei Angeklagten, in deren
Begleitung sich auch der inzwischen verstorbene Andreas Vo. befand, in
der Tatnacht am 22. April 2001 gegen 1.45 Uhr an einer Tankstelle in G.
auf den 31jährigen algerischen Asylbewerber Mohamed B. , mit
dem die Angeklagten V. und F. ein Geschäft über ein
halbes Kilogramm Haschisch vereinbarten, das im Asylbewerberheim in Z.
lagern sollte. Auf der gemeinsamen Fahrt mit B. dorthin im Pkw des
Angeklagten F. gewannen die Angeklagten den Eindruck, B. wolle sie nur
ins Asylbewerberheim locken und ihnen dort das Kaufgeld abnehmen. Der
Angeklagte F. hielt deshalb auf Aufforderung der anderen
zunächst in J. an einer einsamen Stelle, wo die anderen B.
"eine Lektion verpassen" wollten. B. wurde dort von den anderen
geschlagen und getreten, während der Angeklagte F. ihm
lediglich einen Stoß mit dem Knie in den Magen versetzte. Als
sich B. anschließend entfernte und um Hilfe zu rufen begann,
äußerte der Angeklagte V. - möglicherweise
schon zu diesem Zeitpunkt zur Tötung entschlossen - B.
müsse "ganz weg", um eine Anzeige wegen der vorangegangenen
Körperverletzung zu verhindern, während der
Angeklagte F. vergeblich darauf hinzuwirken suchte, B. laufen zu
lassen. Sie veranlaßten B. , wieder in den Pkw des
Angeklagten F. einzusteigen. Auf Vorschlag des Angeklagten R. fuhren
sie sodann in den W. Wald, wo B. noch "gequält" werden sollte.
Dort angekommen, ging der Angeklagte V. mit einem Fäustel auf
B. zu, um ihn zu töten, was der Angeklagte F. allerdings
verhindern konnte. Schließlich machte der Angeklagte R. -
möglicherweise auch er zu diesem Zeitpunkt schon in der
Absicht, B. zu töten, um eine Anzeige wegen der begangenen
Körperverletzung zu verhindern - den Vorschlag, B. im
Ölhafen von G. ins Wasser zu werfen. Sie fuhren mit B. auch
dorthin, sahen sich aber durch ein Fahrzeug des Bundesgrenzschutzes
gehindert, ihr Vorhaben dort auszuführen. Stattdessen fuhren
sie auf Vorschlag des Angeklagten V. zum K. bei Z. , wobei V.
während der Fahrt wieder äußerte,
daß "der Algerier ganz weg" müsse. An einer
Tankstelle in G. - inzwischen war es 3.25 Uhr - hielt der Angeklagte F.
an, kaufte dort Alkohol und gab B. eine Flasche Korn in der
Erwägung, wenn der Algerier völlig betrunken sei,
glaube ihm keiner mehr. Nachdem sie nach der Weiterfahrt,
während der B. die Flasche Korn leer trank, am K. bei Z.
angelangt waren, zog der Angeklagte F. B. gewaltsam aus dem Fahrzeug.
Sodann schlugen Vo., R. und V. den Geschädigten zu Boden.
Danach entschlossen sie sich, B. "zum Wasser zu bringen", und
schleiften ihn - nunmehr alle gemeinsam - über eine Strecke
von ca. 80 m bis an die Kante eines 10 m hohen Abhangs am Ufer und
stießen ihn den Abhang hinunter. Als der Geschädigte
auf halber Höhe am Hang liegen blieb, kletterte der Angeklagte
F. ihm nach und stieß ihn den Abhang vollends hinunter, so
daß er an der Wasserkante liegen blieb. Auf Aufforderung des
Angeklagten V. ging B. taumelnd in das Wasser. Während Vo., R.
und F. sich schon entfernten, warf V. dem Opfer in direkter
Tötungsabsicht einen großen Stein mitten ins
Gesicht, worauf B. - was alle Angeklagten sahen - nach vorn und
seitlich in das flache Wasser sank. Allein der Kopf des
Geschädigten lag außerhalb des Wasserbereiches, der
Mund unmittelbar an der Wasserkante. In dieser Lage ließen
die Angeklagten das Tatopfer zurück, das der Angeklagte F. -
anders als der Angeklagte R. - zunächst für tot
hielt. Sie fuhren sodann in Richtung G. , bis allenfalls zehn Minuten
nach der Tat der Pkw wegen Benzinmangels stehen blieb. Während
V.
- inzwischen war es kurz vor 6.00 Uhr - Benzin holte, konnte der
Angeklagte R. den Angeklagten F. davon überzeugen,
daß B. noch lebe und ihm möglicherweise geholfen
werden könnte. Beide überlegten, ob man zum K.
zurückfahren sollte, um nachzusehen, ob der
Geschädigte noch lebe oder ob sie telefonisch Hilfe holen
sollten. Letztlich verwarfen sie diese Ideen, um nicht als
Täter ermittelt zu werden. Auch "der Angeklagte F. nahm nun
bei der Entscheidung, nichts zu tun, den als möglich
vorgestellten Tod des Geschädigten billigend in Kauf, damit er
oder seine Mittäter nicht als Täter ermittelt werden
konnten". Tatsächlich lebte B. zu diesem Zeitpunkt noch. Sein
Tod trat maximal zwei Stunden später durch
Unterkühlung und späteres Ertrinken ein, weil er sich
wegen der Wirkung der Mißhandlungen und wegen des ihm
verabreichten Alkohols geraume Zeit nach der Tat nicht mehr gegen die
Wellen wehren konnte. Weiter heißt es in dem angefochtenen
Urteil: "Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen,
daß, wenn sich R. und F. entschieden hätten, zum K.
zurückzufahren und den Geschädigten aus dem Wasser zu
ziehen, oder wenn sie Hilfe geholt hätten, das Opfer
überlebt hätte".
B.
I. Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Betreffend den Angeklagten V.
Die hinsichtlich des Angeklagten V. auf den Rechtsfolgenausspruch
beschränkte Revision hat keinen Erfolg.
Die Begründung, mit der die Jugendkammer auf den Angeklagten
V. entgegen dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen
D. gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG
Jugendstrafrecht angewandt hat, hält im Ergebnis der
rechtlichen Prüfung stand. Soweit die
Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang die Rüge
der Verletzung des § 261 StPO erhebt und beanstandet, die
Jugendkammer habe sich im Urteil nicht mit den Angaben der in der
Hauptverhandlung gehörten Mutter des Angeklagten V. zu dessen
persönlicher Entwicklung auseinandergesetzt, ist die
Rüge nicht zulässig ausgeführt (§
344 Abs. 2 Satz 2 StPO); im übrigen deckt sie auch keinen
Verfahrensverstoß auf. Auch sachlich-rechtlich ist die
Entscheidung der Jugendkammer nicht zu beanstanden.
Ob ein Heranwachsender bei der Tat im Sinne des § 105 Abs. 1
Nr. 1 JGG noch einem Jugendlichen gleich stand, ist im wesentlichen
Tatfrage, wobei dem Jugendrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum
eingeräumt ist (vgl. BGHSt 36, 37, 38 m.w.N.; BGH, Urteil vom
5. Dezember 2002 - 3 StR 297/02). Einem Jugendlichen gleichzustellen
ist der noch ungefestigte, in der Entwicklung stehende, noch
prägbare Heranwachsende, bei dem Entwicklungskräfte
noch in größerem Umfang wirksam sind; hat der
Täter dagegen bereits die einen jungen Erwachsenen
kennzeichnende Ausformung erfahren, dann ist er nicht mehr einem
Jugendlichen gleichzustellen und auf ihn ist das allgemeine Strafrecht
anzuwenden. Dabei steht die Anwendung von Jugend- oder
Erwachsenenstrafrecht nicht im Verhältnis von Regel und
Ausnahme; § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG stellt keine Vermutung
für die grundsätzliche Anwendung des einen oder
anderen Rechts auf. Nur wenn der Tatrichter nach Ausschöpfung
aller Möglichkeiten Zweifel nicht beheben kann, muß
er die Sanktionen dem Jugendstrafrecht entnehmen (BGHSt aaO 40; BGH NJW
2002, 73, 75).
Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht verkannt.
Allerdings beanstandet die Beschwerdeführerin zu Recht,
daß es im Urteil an der grundsätzlich gebotenen
Darlegung zu den Ausführungen des Sachverständigen
(vgl. BGHR StPO § 261 Sachverständiger 1, 2, 5; BGH
NStZ 2000, 550, 551) fehlt, der sich abweichend von der Auffassung der
Jugendkammer für die Anwendung von allgemeinem Strafrecht auf
den Angeklagten ausgesprochen hat. Darauf beruht das Urteil aber nicht.
Denn die Jugendkammer hat sich nicht auf den Hinweis
beschränkt, "die Einschätzung (des
Sachverständigen(, daß ein sozial, beruflich und
schulisch gescheiterter, knapp [gemeint: knapp über]
18jähriger Mensch, der zudem ein massives, frühzeitig
einsetzendes Drogen- und Alkoholproblem hat, gleichwohl die Reife eines
Erwachsenen haben soll, (vermöge) die Kammer nicht
nachzuvollziehen". Vielmehr hat der Tatrichter seine Wertung, die
persönliche Situation des Angeklagten sei "nicht Ausdruck von
erreichter Reife, sondern letztlich von ungehindert wirkenden
Entwicklungskräften", ausführlich unter ins einzelne
gehender Darlegung der für die Beurteilung
maßgebenden Umstände begründet, der
gegenüber durchgreifende Einwendungen auch von der Revision
nicht geltend gemacht werden. Hinzukommt, daß eine Prognose
völliger Entwicklungsunfähigkeit bereits in der
Lebensphase zwischen dem 18. und dem 21. Lebensjahr ohnehin nur
ausnahmsweise mit Sicherheit zu stellen sein wird (BGH NJW 2002, 73,
76, Abgrenzung zu BGHSt 22, 41).
2. Betreffend die Angeklagten R. und F.
Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung
nicht stand, soweit die Jugendkammer die Angeklagten R. und F.
lediglich des Mordes durch Unterlassen für schuldig befunden
hat. Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils begegnet
insoweit durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Die Jugendkammer hat eine Beteiligung der Angeklagten R. und F. an der
Tötungshandlung durch aktives Tun mit der Begründung
verneint, daß erst der Steinwurf das Opfer unfähig
gemacht habe, sich der Kälte und dem Wasser zu entziehen, was
letztlich zu dessen Tod geführt habe; der Steinwurf sei jedoch
als Exzeß des Mitangeklagten V. zu werten, der den
Angeklagten R. und F. nicht zugerechnet werden könne. Diese
Wertung des Landgerichts wäre nur hinzunehmen, wenn es mit
tragfähiger Begründung ausgeschlossen hätte,
daß die Angeklagten R. und F. schon zuvor mit zumindest
bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt haben, und sich deshalb der
Steinwurf des Angeklagten V. als eine wesentliche Abweichung des von
ihnen vorgestellten Tatverlaufs darstellte. So verhält es sich
hier aber nicht.
Daß der Steinwurf nicht abgesprochen war, genügte
für sich nicht. Vielmehr beanstandet die
Beschwerdeführerin die Beweiswürdigung zum
Tötungsvorsatz zu Recht als widersprüchlich,
jedenfalls aber als in den Anforderungen an die
Überzeugungsbildung überspannt, und deshalb als
rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat einerseits gemeint, den
Angeklagten R. und F. den Willen, das Opfer irgendwo laufen zu lassen,
nicht widerlegen zu können. Andererseits hat es bei ihnen
für ihre Beteiligung am Tatgeschehen vor dem Steinwurf als
naheliegend erachtet, daß ihr Handeln von Mordabsicht
getragen war; ein anderer Grund, warum die Angeklagten nach der
eigentlich nur mit Tötungsabsicht erklärlichen
gemeinsamen Entscheidung, B. in das Hafenbecken in G. zu werfen und ihn
schließlich in gleicher Absicht an den Abhang zum K. bei Z.
zu bringen, sei "nicht ersichtlich". Zumal nachdem der Angeklagte V. in
Tötungsabsicht mit dem Fäustel auf B. einschlagen
wollte und zumindest zweimal in der Tatnacht
geäußert hatte, der Geschädigte
müsse "ganz weg", der Angeklagte R. vorgeschlagen hatte, ihn
ins Wasser zu werfen, und auch Vo. noch auf der Weiterfahrt zum K.
ausgerufen hatte: "Ich schlag den tot", ohne daß sich einer
der Angeklagten davon distanziert hatte, erweist sich die Annahme der
Jugendkammer, die Angeklagten R. und F. hätten das Opfer
"irgendwo laufen lassen" wollen, als bloß
abstrakttheoretische Möglichkeit ohne tatsächliche
Anhaltspunkte (vgl. BGHR StPO § 61 Beweiswürdigung
5). Zudem setzt sich das Landgericht nicht damit auseinander,
daß die Angeklagten den Geschädigten nicht etwa am
Abhang zum K. liegen ließen, sondern ihn den Abhang hinunter
stießen und der Angeklagte F. ihn nochmals weiter
stieß, als B. "auf halber Höhe" liegen geblieben
war. Bei diesem Angeklagten kommt insoweit jedenfalls die Beihilfe zum
Mord in Betracht.
Die zum äußeren Sachverhalt getroffenen
Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht berührt und
können deshalb bestehen bleiben. Im übrigen hat das
Urteil, soweit es die Angeklagten R. und F. betrifft, aber insgesamt
keinen Bestand. Denn der vom Landgericht als selbständige
Handlungen der gefährlichen Körperverletzung
gewertete Teil des Tatgeschehens kann zugleich der Beginn der
Ausführung eines - wie es die Staatsanwaltschaft mit ihrer
Revision verfolgt - durch aktives Tun begangenen
Tötungsdelikts sein, dem gegenüber das weitere von
diesen Angeklagten durch Unterlassen verwirklichte Geschehen nur ein
rechtlich unselbständiger Teil wäre (vgl.
Senatsurteil vom 12. Dezember 2002 - 4 StR 297/02).
Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft gemäß
§ 301 StPO auch zu Gunsten der Angeklagten R. und F. wirkt,
weil nach den getroffenen Feststellungen bei diesen Angeklagten die
Annahme vollendeten Mordes durch Unterlassen nicht begründet
ist, ist dies auf die Revision dieser Angeklagten zu
berücksichtigen (s.u. II. 2.; vgl. BGHR StGB § 211
Abs. 2 Heimtücke 9 a.E.).
II. Revisionen der Angeklagten
1. Der Angeklagte V.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen
Sachrüge hat keinen den Angeklagten V. beschwerenden
Rechtsfehler ergeben. Das gilt auch hinsichtlich des
Konkurrenzverhältnisses zwischen der gefährlichen
Körperverletzung und dem Mord. Zwar trägt allein der
Wechsel vom Körperverletzungs- zum Tötungsvorsatz die
Annahme von Tatmehrheit (§ 53 StGB) nicht (vgl.
Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 26 a m.N.).
Schon mit Blick auf die Unterbrechung des Geschehens in J. , wo sich
der Geschädigte, dem bis dahin nur eine "Lektion" erteilt
werden sollte, zunächst entfernen konnte, bevor der Angeklagte
entschied, daß B. "ganz weg" müsse, hält
sich die Wertung des Landgerichts, eine natürliche
Handlungseinheit sei nicht anzunehmen, noch im Rahmen des insoweit dem
Tatrichter eröffneten Bewertungsspielraums (vgl. BGH NStZ-RR
1998, 68 f.).
2. Die Angeklagten R. und F.
Die Verfahrensbeschwerden der Angeklagten R. und F. dringen nicht
durch. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden
Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
vom 9. Dezember 2002.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Revisionsrechtfertigungen hat für sich genommen auch keinen
die Angeklagten beschwerenden sachlich-rechtlichen Rechtsfehler
ergeben, soweit das Landgericht diese Angeklagten wegen
gefährlicher Körperverletzung verurteilt hat. Dagegen
hält das Urteil der rechtlichen Nachprüfung nicht
stand, soweit das Landgericht die beiden Angeklagten jeweils des
vollendeten - in Verdeckungsabsicht begangenen - Mordes durch
Unterlassen für schuldig befunden hat.
Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, die Angeklagten
R. und F. hätten hinsichtlich des Todeseintritts bei B. eine
strafbewehrte Erfolgsabwendungspflicht aufgrund ihres Vorverhaltens
(Ingerenz) gehabt. Denn nach der Rechtsprechung begründet auch
die Beteiligung an für sich gesehen noch nicht
lebensgefährlichen Mißhandlungen jedenfalls dann
eine Verpflichtung im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB, die
anschließende Tötung des Tatopfers durch einen
anderen Beteiligten zu verhindern, wenn das vorausgegangene gemeinsame
Verhalten eine Gefahrerhöhung für das Opfer dadurch
bewirkte, daß der Täter in seinem zu dessen Tod
führenden Vorgehen bestärkt wurde (BGHR StGB
§ 13 Abs. 1 Garantenstellung 7 m.w.N.). Davon ist das
Landgericht zu Recht ausgegangen (vgl. BGH NJW 1999, 69, 72, insoweit
in BGHSt 44, 196 nicht abgedr.; BGH NStZ 2000, 583;
Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 13 Rdn. 11).
Gleichwohl hat der Schuldspruch keinen Bestand. Denn ausgehend von den
vom Landgericht getroffenen Feststellungen, denen zufolge die
Angeklagten R. und F. für den Tod des Tatopfers nur deshalb
einzustehen haben, weil sie vorsätzlich die ihnen
mögliche Einleitung von Rettungsmaßnahmen
unterlassen haben, könnte ihnen vollendeter Mord nur dann
angelastet werden, wenn ihr pflichtwidriges Unterlassen für
den Tod zumindest mitursächlich geworden wäre (vgl.
BGH NStZ 2000, 583; BGHR StGB § 13 Abs. 1
Ursächlichkeit 2). Das ist indes nicht belegt. Vielmehr hat
das sachverständig beratene Landgericht gerade "nicht sicher"
festzustellen vermocht, sondern lediglich mit "großer
Wahrscheinlichkeit" angenommen, daß das Tatopfer,
hätten die Angeklagten R. und F. Hilfe geholt, noch zu retten
gewesen wäre und überlebt hätte. Die
bloße, wenn auch große Wahrscheinlichkeit
genügt für die für eine vollendete Tat
vorausgesetzte Ursächlichkeit des Unterlassens jedoch nicht.
Wegen des inneren Zusammenhangs zwischen Körperverletzungs-
und Tötungsgeschehen bedarf die Sache deshalb auch auf die
Revisionen der Angeklagten R. und F. insgesamt neuer Prüfung
und Entscheidung. Die Feststellungen zum äußeren
Sachverhalt bleiben hiervon unberührt. Dies schließt
ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter, die zu
den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus.
3. Der Senat verweist die Sache im Umfang der Aufhebung
gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO an
eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurück, nachdem sich das weitere Verfahren nur noch gegen die
erwachsenen Angeklagten R. und F. richtet (BGHSt 35, 267).
Tepperwien Maatz Solin-Stojanovic Ernemann Sost-Scheible |