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BGH, Urteil vom 6. März 2008 - 3 StR 538/07


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 6.3.2008 - 3 StR 538/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 538/07
vom
6.3.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6.3.2008, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Becker
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt in der Verhandlung.
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 2. Juli 2007 im Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass von der verhängten Freiheitsstrafe zwei Jahre und sechs Monate vor der Maßregel zu vollziehen sind. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft beanstandet die Verletzung materiellen Rechts und wendet sich insbesondere gegen die Strafzumessung sowie die Anordnung der Maßregel; die Beschwerdeführerin erstrebt eine höhere Einzelstrafe für den abgeurteilten Totschlag und eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe. Der Angeklagte erhebt gegen seine Verurteilung die allgemeine Sachrüge. Beide Revisionen haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.
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I. Revision der Staatsanwaltschaft
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1. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf, auch die Strafzumessung ist frei von Rechtsfehlern zugunsten des Angeklagten. Bei den von der Revision vermissten Erwägungen handelt es sich jeweils um keine bestimmenden Strafzumessungsgründe im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO, die das Landgericht in den Urteilsgründen zwingend hätte erörtern müssen. Die zwar sehr milde Einzelstrafe wegen Totschlags löst sich hier noch nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein. Das Landgericht hat auch nicht rechtsfehlerhaft die Anordnung der Maßregel strafmildernd berücksichtigt. Die in diesem Zusammenhang beanstandete Formulierung ist lediglich so zu verstehen, dass das Landgericht bei der Strafzumessung die (gleichzeitige) Anordnung der Maßregel nicht aus dem Blick verloren hat (vgl. dazu auch BGHSt 38, 362, 365).
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2. Auch die Anordnung der Maßregel ist frei von Rechtsfehlern. Die Strafkammer hat in noch ausreichender Weise dargelegt, dass - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen - jedenfalls eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und vor der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen (§ 64 Satz 2 2. Alt. StGB).
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Allerdings ist nach der Entscheidung des Landgerichts das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBI I 1327) in Kraft getreten; die geänderte Rechtslage ist vom Revisionsgericht zu beachten (vgl. § 2 Abs. 6 StGB; § 354 a StPO). Aber auch bei Anwendung des neuen Rechts weist das landgerichtliche Urteil keinen Rechtsfehler auf. Zwar setzt nach der Umwand-
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lung des § 64 StGB von einer Muss- in eine Sollvorschrift die Prüfung der Anordnung der Maßregel eine revisionsrechtlich nachprüfbare Ermessensausübung durch den Tatrichter voraus (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 73 f.); von der Anordnung darf nach dem Willen des Gesetzgebers aber nur in Ausnahmefällen abgesehen werden (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl. § 64 Rdn. 22 ff.). Die Urteilsgründe belegen jedoch, dass ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt und daher ein auf Ermessungserwägungen gestütztes Absehen von der Unterbringungsanordnung hier nicht in Betracht gekommen wäre.
3. Keinen Bestand haben kann jedoch unter Berücksichtigung der neuen Rechtslage der Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe. Nach § 67 Abs. 2 StGB nF soll das Gericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist; dabei ist dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist. Bei der ausgeurteilten Freiheitsstrafe von sechs Jahren ist der Halbstrafenzeitpunkt nach drei Jahren erreicht. Dieser Zeitpunkt würde bei der vom Landgericht nicht näher eingegrenzten voraussichtlichen Therapiedauer, die nach den getroffenen Feststellungen aber wohl deutlich länger als sechs Monate dauern müsste, naheliegend überschritten, wenn zuvor zwei Jahre und sechs Monate der Freiheitsstrafe vollstreckt würden. Die Dauer des angeordneten Vorwegvollzuges würde sich dann für den Angeklagten wie ein zusätzliches Strafübel auswirken (vgl. BGH NStZ 2007, 30; § 301 StPO).
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II. Revision des Angeklagten
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Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch und Strafausspruch sowie zur Anordnung der Maßregel keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hat das Rechtsmittel hinsichtlich des Ausspruchs über die Dauer des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe aus den unter I. 3. dargelegten Gründen Erfolg.
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Becker Miebach Pfister
Hubert Schäfer



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