BGH,
Urt. v. 6.9.2006 - 5 StR 64/06
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
StGB § 352
Zum Anwendungsbereich des § 352 StGB bei Honorarvereinbarungen.
BGH, Urteil vom
6.9.2006 - 5 StR 64/06
LG Leipzig -
5 StR 64/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 6.09.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der
Hauptverhandlung vom 5. und 6.09.2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richterin Elf,
Richter Dr. Jäger
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 -
am 6.09.2006 für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Leipzig vom 30. März 2005 wie folgt abgeändert:
1. Der Angeklagte wird auch hinsichtlich der nachstehend unter A. I (2)
(Fall Abschnitt A II Ziffer 2.2 der Urteilsgründe) und A. I
(3) (Fall Abschnitt A II Ziffer 2.3 der Urteilsgründe)
genannten Tatvorwürfe auf Kosten der Staatskasse
freigesprochen. Seine insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden
der Staatskasse auferlegt.
2. Soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, wird das Urteil im
Übrigen mit den Feststellungen aufgehoben. Ausgenommen sind
die Feststellungen zu den einzelnen Honorarvereinbarungen und ihrer
Vorgeschichte (Abschnitt A II der Urteilsgründe), die
aufrechterhalten bleiben. Insoweit wird die weitergehende Revision des
Angeklagten verworfen.
II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil
mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf
der Untreue freigesprochen worden ist (Abschnitt C der
Urteilsgründe).
- 4 -
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die verbliebenen Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
Gebührenüberhebung in Tatmehrheit mit vier
tateinheitlichen Vergehen der Gebührenüberhebung,
diese in Tateinheit mit Betrug und versuchtem Betrug, zu einer
Gesamtgeldstrafe von 170 Tagessätzen zu je 100 Euro
verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.
Der Angeklagte greift seine Verurteilung mit seiner auf
sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision an. Die
Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem Rechtsmittel, das die
Bundesanwaltschaft vertritt, insoweit gegen den Teilfreispruch des
Angeklagten, als dieser nicht wegen Untreue zu Lasten von Alexander H.
verurteilt worden ist. Im Übrigen ist die Revision
zurückgenommen worden. Die Rechtsmittel haben den aus dem
Urteilstenor ersichtlichen Erfolg.
1
A. Revision des Angeklagten
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts vertrat der Angeklagte, der in
Torgau eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt, die von Sozialhilfe lebende
Angela H. . Angela H. , eine alleinerziehende Mutter dreier Kinder, war
sorgeberechtigt für ihren 2 ½-jährigen
Sohn Alexander H. , der bei einem Treppensturz schwerste Verletzungen
erlitten hatte, in deren Folge
2
- 5 -
er später verstorben ist. Im Zusammenhang mit diesem Unfall,
der im Haushalt seiner Pflegemutter stattgefunden hatte, entwickelte
sich eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten, in denen der Angeklagte auch
Alexander H. vertrat. In diesem Zusammenhang wusste der Angeklagte ab
April 2001, dass aus einer Unfallversicherung eine erhebliche Summe zu
erwarten war. Tatsächlich überwies die Debeka am
17.09.2001 einen Betrag in Höhe von etwa 330.000 DM auf das
Konto des Angeklagten, der von Angela H. namens ihres Sohnes Alexander
H. mandatiert war. Der Angeklagte schloss mit Angela H. , teilweise als
Vertreterin ihres Sohnes Alexander, in folgenden Fällen
Honorarvereinbarungen, in denen er sich höhere als die
gesetzlich geschuldeten Gebühren zusichern ließ:
(1) Für eine Strafanzeige, die der Angeklagte für
Angela H. gegen L. wegen Beleidigung stellen sollte, vereinbarte der
Angeklagte am 21. Mai 2001 eine Gebühr in Höhe von
1.500 DM, obwohl nach Auffassung des Landgerichts hier nur eine
Gebühr von 315 DM (netto) geschuldet gewesen wäre.
(2) Im Widerspruchsverfahren vor dem Versorgungsamt Leipzig
ließ sich der Angeklagte von Angela H. , die insoweit als
Vertreterin für ihren Sohn Alexander handelte, am 1.06.2001
eine Gebühr in Höhe von 1.500 DM zusichern, obwohl
die gesetzliche Gebühr nur 630 DM betragen hätte.
(3) Für die Erstattung einer Strafanzeige gegen St. , die als
Verantwortliche für den Unfall des Alexander H. bezeichnet
wurde, und die sich hieran anschließende Nebenklagevertretung
vereinbarte der Angeklagte am 9.08.2000 eine Gebühr in
Höhe von 2.500 DM bei einer Erledigung des Vorgangs ohne und
eine Gebühr in Höhe von 3.000 DM bei einer Erledigung
mit Hauptverhandlung. Die gesetzliche Gebühr für das
später ohne Hauptverhandlung nach § 153a StPO
erledigte Strafverfahren ge-
- 6 -
gen St. betrug nach Auffassung des Landgerichts 315 DM.
(4) Der Angeklagte, der nach einer Überleitungsanzeige durch
die Sozialbehörde für das
Überleitungsverfahren nach § 90 BSHG wegen erbrachter
Sozialhilfeleistungen mandatiert wurde, schloss für dieses
Verfahren am 25.07.2001 eine Honorarvereinbarung über 2.000 DM
ab. Mit der Bezifferung des übergeleiteten Antragsanspruchs
auf nunmehr etwa 2.000 DM durch die Sozialbehörde legte der
Angeklagte einen neuen Vorgang an und traf mit Angela H. am 18.09.2001
eine weitere Gebührenvereinbarung über 500 DM, obwohl
es sich - wie er auch wusste - um eine identische Angelegenheit
handelte und deshalb kein neuer Gebührenanspruch entstehen
konnte.
(5) Der Angeklagte hatte am 23.08.2000 eine Strafanzeige im Auftrag von
Angela H. gegen Mitarbeiter des Jugendamtes Torgau gefertigt.
Hierfür schloss er am 25.09.2001 eine Honorarvereinbarung
über 2.000 DM mit Angela H. ab. Die gesetzliche
Gebühr hätte nur etwa 300 DM betragen.
(6) Im Hinblick auf die Vertretung von Angela H. in einem vor dem
Amtsgericht in Torgau anhängigen Sorgerechtsverfahren
vereinbarte der Angeklagte am 18.10.2001 mit Angela H. ein Honorar in
Höhe von 2.000 DM. Tatsächlich hätte sich
die gesetzliche Gebühr nur auf ca. 870 DM belaufen.
(7) Angela H. beauftragte den Angeklagten mit der Durchsetzung von
Ersatzansprüchen gegen den Landkreis Torgau, weil diesen bei
der Bestellung der Pflegemutter ein Auswahlverschulden getroffen habe.
Das hierfür vereinbarte Honorar betrug 10.000 DM netto.
Nachdem der Landkreis die Angelegenheit an den „Kom-
- 7 -
munalen Schadenausgleich“ weitergeleitet hatte, legte der
Angeklagte einen neuen Vorgang an und spiegelte so Angela H. vor, dass
es sich um eine neue Sache handele. Im Vertrauen hierauf schloss Angela
H. am 26.10.2001 mit dem Angeklagten eine erneute
Gebührenvereinbarung über 2.000 DM ab. Zu einer
Zahlung dieser Gebühr kam es im Folgenden jedoch nicht mehr.
Mit Ausnahme des letztgenannten Falles wurden sämtliche
Forderungen aus den Honorarvereinbarungen beglichen. Dies erfolgte in
der Regel durch Verrechnungen oder auch durch Überweisungen
von Angela H. .
3
Das Landgericht hat in fünf der vorgenannten Fälle
eine Gebührenüberhebung im Sinne des § 352
StGB gesehen. Hinsichtlich der Fälle (4) und (7) hat es einen
Betrug nach § 263 StGB darin erblickt, dass der Angeklagte
durch Anlage eines gesonderten Vorgangs der Zeugin H. wahrheitswidrig
vorgespiegelt habe, es handele sich jeweils um einen neuen Vorgang, der
einen gesonderten Honoraranspruch auslöse. Im Fall (7) sei es
beim Versuch geblieben, weil eine Auszahlung des Honorars nicht mehr
erfolgt sei. Den Tatbestand des Wuchers nach § 291 StGB hat
das Landgericht verneint, weil die hierfür notwendige
besondere Lage des Opfers nicht vorgelegen hätte. Mit Ausnahme
der unter (3) genannten Honorarvereinbarung, die längere Zeit
davor abgeschlossen worden sei, habe der Angeklagte ab dem 24. April
2001 mit einheitlichem Vorsatz gehandelt, weil er nach Kenntnis von der
zu erwartenden Auszahlung der Debeka den einheitlichen Vorsatz gefasst
habe, Gebührenüberhebungen oder Betrugstaten zu
Lasten des Vermögens des Alexander H. zu begehen. Insoweit
geht das Landgericht von einer tateinheitlichen Verwirklichung dieser
Tatbestände aus.
4
II.
- 8 -
Die Revision des Angeklagten hat weitgehend Erfolg.
5
- 9 -
1. Die Verurteilungen wegen Gebührenüberhebung
(§ 352 StGB) halten rechtlicher Überprüfung
nicht stand.
6
a) Das Landgericht begründet die Strafbarkeit des Angeklagten
nach § 352 StGB mit der Erwägung, dass bei
unwirksamen Honorarvereinbarungen der Rechtsanwalt nur auf der
Grundlage der Gebührenordnung hätte abrechnen
dürfen. In den Verurteilungsfällen seien die
Gebührenvereinbarungen sittenwidrig im Sinne des §
138 BGB, weil sowohl Angela H. als auch - bis zur Auszahlung der
Versicherungssumme - Alexander H. Anspruch auf Sozialhilfe gehabt
hätten. Solche die gesetzlichen Gebühren
übersteigenden Honorarvereinbarungen, die mit
Sozialhilfeempfängern geschlossen würden,
verstießen gegen § 138 Abs. 1 BGB. Da der Angeklagte
sich Honorare habe zusichern lassen, die mindestens das Doppelte der
gesetzlichen Gebühr betrügen, habe er sich nach
§ 352 StGB strafbar gemacht, zumal er die Sittenwidrigkeit
erkannt habe.
7
b) Diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen
Bedenken. Der Senat vermag dem Landgericht schon im Ausgangspunkt nicht
zu folgen. Rechnet der Rechtsanwalt, dem ein
Vergütungsanspruch zusteht, diese auf Grund einer
Honorarvereinbarung und nicht nach der Gebührenordnung (BRAGO,
jetzt RVG) ab, fällt sein Verhalten grundsätzlich
nicht unter den Tatbestand des § 352 StGB. Dies gilt
allerdings nur dann, wenn sich aus der anzuwendenden
Vergütungsordnung jedenfalls dem Grunde nach ein Anspruch
ergibt (vgl. dagegen die Fälle I. (4) und I. (7), unten 2 d).
Schließt der Rechtsanwalt dann hierüber eine
Honorarvereinbarung und macht er aus dieser seine
Vergütungsansprüche geltend, erfüllt dies
nicht den Tatbestand der Gebührenüberhebung nach
§ 352 StGB, unabhängig davon, ob die
Honorarvereinbarung wirksam zustande gekommen ist oder nicht. Diese
Auslegung ergibt sich aus dem Wortlaut wie auch aus dem Zweck der
Vorschrift.
8
- 10 -
aa) Nach § 352 StGB wird ein Rechtsanwalt wegen
Gebührenüberhebung bestraft, wenn er
Vergütungen erhebt, von denen er weiß, dass der
Zahlende sie überhaupt nicht oder nur in geringerem
Maße schuldet. Die Bestimmung grenzt den Täterkreis
auf solche Personen ein, die Vergütungen zu ihrem Vorteil
„zu erheben haben“. Vergütungen im Sinne
dieser Vorschrift sind nur solche Ansprüche, die dem Grunde
und dem Betrag nach gesetzlich festgelegt sind und die der Rechtsanwalt
nach den Gebührenordnungen, Taxen oder sonstigen Vorschriften
selbst zu berechnen hat (BGHSt 4, 233, 235). Nur soweit der
Rechtsanwalt nach den gesetzlichen Gebühren abrechnet, kann er
sie in den vereinfachten Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG
(früher § 19 BRAGO) festsetzen lassen und so einen
vollstreckbaren Titel erlangen (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt,
RVG 17. Aufl. § 11 Rdn. 41 ff.). Die Strafandrohung will
sicherstellen, dass er sich bei dieser ihm überlassenen
Berechnung seines Anspruchs in den Schranken hält, die ihm die
Gebührenordnungen auferlegen (BGHSt aaO). Der Schutzzweck
dieser Strafnorm besteht danach nicht nur darin, das Publikum vor
überhöhten Vergütungsforderungen des
Rechtsanwalts zu bewahren, sondern es vor allem vor dem Missbrauch
seiner Befugnis zu schützen, gesetzliche Gebühren
erheben zu dürfen (Träger in LK 11. Aufl. §
352 Rdn. 1; Kuhlen in NK-StGB 2. Aufl. § 352 Rdn. 3). Das
spezifische Unrecht der Gebührenüberhebung besteht
gerade darin, dass der Täter für seine Forderungen zu
Unrecht die Autorität einer gesetzlichen
Gebührenregelung in Anspruch nimmt.
9
bb) Rechnet der Rechtsanwalt auf der Grundlage einer
Honorarvereinbarung ab, dann „erhebt“ er keine
Vergütung im Sinne des § 352 StGB. Seinen
Vergütungsanspruch leitet er in diesem Falle allein aus der
vertraglichen Vereinbarung her. Dies ist für den Fall der die
gesetzlichen Gebühren übersteigenden Honorarforderung
auch unstreitig (vgl. Kuhlen aaO Rdn. 17; Träger aaO Rdn. 12;
jeweils m.w.N.). Gleiches gilt aber auch, wenn der Rechtsanwalt auf der
Grundlage einer unwirksamen Honorarvereinbarung seinen Anspruch
beziffert (Kuhlen aaO Rdn. 17; Cramer/Sternberg-Lieben in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 352 Rdn.
9a; OLG Braun-
10
- 11 -
schweig NJW 2004, 2606 für den Fall der formunwirksamen
Honorarvereinbarung; a. A. Träger aaO Rdn. 12;
Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 352 Rdn. 6; BayObLG
NJW 1989, 2901, 2902). Insoweit bezieht er sich gerade nicht auf die
gesetzlich festgelegte Vergütungsordnung, sondern die Basis
seiner Honorarberechnung bleibt die vertragliche Vereinbarung. Er
„erhebt“ deshalb in diesen Fällen keine
Vergütung, weil er den Vergütungsanspruch nicht nach
den gesetzlichen Vergütungsordnungen bestimmt. Dies ist im
Übrigen auch seinem Mandanten als dem Adressaten seiner
Abrechnung deutlich. Dieser erhält eine Abrechnung, die sich
ausdrücklich nicht auf die gesetzliche
Vergütungsordnung stützt, sondern auf eine mit ihm
getroffene Honorarvereinbarung. Demnach besteht kein Vertrauen des
Mandanten, dass der Rechtsanwalt seine Befugnis, nach einer
gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen zu dürfen,
nicht missbraucht hat.
Der Schutzzweck des § 352 StGB ist nicht berührt,
soweit der Rechtsanwalt auf der Grundlage einer vertraglichen
Honorarvereinbarung abrechnet. Dies trifft gleichermaßen zu,
wenn die Honorarvereinbarung unwirksam ist. Auch dann nimmt der
Rechtsanwalt nicht die Autorität der gesetzlichen
Gebührenordnung in Anspruch. Beruht die Unwirksamkeit der
Honorarvereinbarung auf allgemeinen zivilrechtlichen
Grundsätzen (hier nach Auffassung des Landgerichts auf
§ 138 Abs. 1 BGB), die in gleicher Weise auch für
andere Rechtsgeschäfte gelten, ist aus rechtssystematischen
Überlegungen kein Grund ersichtlich, solche
Vergütungsvereinbarungen strafrechtlich anders zu behandeln
als sonstige unwirksame Vergütungsvereinbarungen. Für
die Anwendung des speziellen Tatbestands des § 352 StGB, der
auf die übervorteilende Abrechnung auf der Grundlage einer
gesetzlichen Gebührenordnung zugeschnitten ist, besteht
deshalb in Fällen der unwirksamen Honorarvereinbarung keine
sachliche Berechtigung.
11
cc) Dieser Auslegung steht nicht die Rechtsprechung anderer Senate des
Bundesgerichtshofs entgegen. Zwar haben der 2. Strafsenat (Ur-
12
- 12 -
teil vom 2. Februar 1954 - 2 StR 10/53) und der 4. Strafsenat (wistra
1982, 66, 67) unter Bezugnahme auf reichsgerichtliche Rechtsprechung
(RG DR 1943, 758) ausgeführt, dass es für die
Anwendung des § 352 StGB gleichgültig sei, ob der
Betrag als gesetzliche Gebühr oder aufgrund einer angeblichen
Vereinbarung gefordert werde. Diese ohne nähere
Begründung geäu-ßerte Rechtsauffassung
betrifft jedoch jeweils andere Fallkonstellationen, die im
Übrigen auch nach der hier vertretenen Rechtsauffassung zu
einer Strafbarkeit wegen Gebührenüberhebung
führen würden.
In der vom 2. Strafsenat entschiedenen Fallkonstellation hat der
Rechtsanwalt entgegen dem damaligen § 93 RAGebO (vgl.
§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 1
BRAGO; § 4 Abs. 5 Satz 1 RVG) als im Wege der
Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt gegenüber dem
eigenen Mandanten abgerechnet, wobei der Senat offen gelassen hat, ob
die Abrechnung auf Grund einer vom Angeklagten behaupteten
Honorarvereinbarung erfolgt ist. Der aufgrund einer gerichtlichen
Anordnung beigeordnete Rechtsanwalt hat einen gesetzlichen
Gebührenanspruch gegen die Staatskasse. Gegenüber der
von ihm vertretenen Partei darf er keine weiteren Honorarforderungen
stellen. Deshalb war das Fordern eines von der
Vergütungsordnung ausgeschlossenen Gebührenanspruchs
bereits eine Gebührenüberhebung im Sinne des
§ 352 StGB, und zwar unabhängig davon, ob letztlich
eine Honorarvereinbarung geschlossen wurde.
13
Der Entscheidung des 4. Strafsenats (wistra 1982, 66, 67) lag die
Fallgestaltung zugrunde, dass ein Rechtsanwalt Gebühren
berechnet hatte, obwohl er vorher auf Gebühren verzichtet
hatte. Da der dort wegen Gebührenüberhebung
verurteilte Rechtsanwalt sich auf eine Gebührenordnung bezogen
hatte, unterscheidet sich dieser Fall schon deshalb von der hier zu
beurteilenden Sachverhaltskonstellation.
14
2. Die Verurteilungen wegen Betruges und versuchten Betruges halten
gleichfalls rechtlicher Überprüfung nicht stand.
15
- 13 -
- 14 -
a) Das Landgericht hat in den Fällen, in denen der Angeklagte
nach Bezifferung des Überleitungsanspruchs (I. (4)) bzw. nach
Weiterleitung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche an
den Kommunalen Schadenausgleich (I. (7)) jeweils zusätzliche
Honorarvereinbarungen abgeschlossen hatte, Betrugshandlungen
angenommen. Im Falle der Abgabe der Ansprüche an den
Kommunalen Schadenausgleich ist das Landgericht nur von einem Versuch
ausgegangen, weil keine Zahlung auf die Honorarvereinbarung mehr
folgte. Die Täuschungshandlung hat das Landgericht darin
gesehen, dass der Angeklagte Angela H. vorgespiegelt habe, dass es sich
jeweils um neue Mandate handele. Deshalb habe der Angeklagte auch jedes
Mal einen neuen Vorgang angelegt.
16
b) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass jeweils keine
Neumandatierungen vorlagen. In beiden Fällen handelte es sich
jeweils um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs. 1
BRAGO (vgl. jetzt §§ 16 ff. RVG). Die Weiterleitung
der Akten des Anspruchsgegners an den Kommunalen Schadenausgleich
berührt im Innenverhältnis nur die Prüfung
durch die Stelle, die - ähnlich einem Versicherer - letztlich
den Schaden zu begleichen hätte. Entgegen dem Einwand der
Verteidigung ist damit im Außenverhältnis kein neuer
Anspruchsgegner aufgetreten. Vielmehr hat der Kommunale
Schadenausgleich lediglich nach außen die Interessen der in
Anspruch genommenen öffentlich-rechtlichen
Körperschaft wahrgenommen. Bei der Bezifferung des
Überleitungsanspruchs nach § 90 BSHG ist gleichfalls
dieselbe Angelegenheit gegeben, weil von vornherein offensichtlich war,
dass hinsichtlich der erwarteten Zahlung nur erbrachte
Sozialhilfeleistungen bis zu einem gewissen Umfang anzurechnen waren.
Dies war ersichtlich der Gegenstand des Mandatsverhältnisses.
Hieran ändert sich - entgegen der Auffassung der Verteidigung
- auch nichts dadurch, dass mehrmals die Überleitung angezeigt
wurde.
17
c) Eine Verurteilung wegen Betruges käme indes nur dann in
Betracht, wenn das Verhalten des Angeklagten insoweit nicht als
Gebühren-
18
- 15 -
überhebung im Sinne des § 352 zu qualifizieren
wäre. Anders als das Landgericht ersichtlich meint, wird
§ 352 StGB durch den Betrugstatbestand nicht
verdrängt. Vielmehr ist der Tatbestand des § 352 StGB
ein - freilich rechtspolitisch aus heutiger Sicht bedenklicher und
überholter (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl.
§ 352 Rdn. 2; Kuhlen in NK-StGB 2. Aufl. § 352 Rdn. 4
f.) - spezialgesetzlicher Privilegierungstatbestand, der dem Betrug
vorgeht. Aufgrund seines Privilegierungscharakters kann neben
§ 352 StGB tateinheitlich ein Betrug nur dann in Betracht
kommen, wenn zu der Täuschungshandlung, die notwendig zu der
Gebührenüberhebung gehört, eine weitere
Täuschung hinzukommt (BGHSt 2, 35).
d) Hier liegt in beiden Fällen eine
Gebührenüberhebung vor. Auch wenn sich dabei jeweils
der geltend gemachte bzw. beigetriebene Gebührenanspruch aus
einer Honorarvereinbarung ergeben hat, ist bei der vom Landgericht
rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhaltskonstellation eine
Gebührenüberhebung (§ 352 StGB) gegeben.
Entscheidend ist nämlich darauf abzustellen, dass der
Angeklagte eine (neuerliche) Vergütung gefordert hatte, obwohl
es sich nach den danach maßgeblichen gesetzlichen
Bestimmungen um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs.
1 BRAGO gehandelt hat und gerade kein neuer Gebührentatbestand
entstanden ist. Hierin liegt auch die im Sinne des § 352 StGB
bedeutsame Täuschungshandlung. Der Angeklagte forderte ein
weiteres Honorar, ohne hierzu nach den gesetzlichen Bestimmungen
berechtigt zu sein. Dass diese Honorarforderung dann in eine
Honorarvereinbarung eingeflossen ist, ändert an seiner
Strafbarkeit nach § 352 StGB nichts. Das unterscheidet diese
Fallgestaltung von den unter 1. genannten Fällen. Dort war
eine Honorarforderung entstanden, die der Angeklagte absichtlich nicht
nach den gesetzlichen Vergütungsregelungen abrechnen wollte.
Vielmehr hatte er einvernehmlich mit dem Mandanten eine
übersteigende Gebühr festgelegt und aus dieser
vereinbarten höheren Vergütung auch liquidiert.
Soweit es in dem unter I. (7) genannten Fall nicht zu einer Auszahlung
gekommen ist, liegt eine versuchte Gebührenüberhebung
vor (§ 352 Abs. 2 StGB).
19
- 16 -
Die von der Verteidigung vorgebrachten und - wie oben
ausgeführt - erfolglosen Einwendungen zu den
Betrugsverurteilungen, die sich allein auf die vom Landgericht
verneinte Entstehung eines weiteren Gebührenanspruchs
beziehen, vermögen in beiden Fällen eine Strafbarkeit
wegen Gebührenüberhebung bzw. versuchter
Gebührenüberhebung nicht in Frage zu stellen.
20
3. Das Landgericht hat in den Verurteilungsfällen nicht
erörtert, ob sich der Angeklagte zugleich wegen Untreue
strafbar gemacht hat. Dies hätte jedoch nahe gelegen, weil der
treupflichtige Rechtsanwalt entweder durch die Verrechnung mit ihm
nicht zustehenden Ansprüchen oder aufgrund der vorher
getroffenen Abrede einer Zahlung aus der Unfallversicherungsleistung,
die Alexander H. zustand, das von ihm zu betreuende Vermögen
geschädigt hatte. Da der Tatbestand der
Gebührenüberhebung erst durch die Bezahlung der
unberechtigten Vergütung vollendet wird (Träger in LK
11. Aufl. § 352 Rdn. 17 f.) und dies - auch in Gestalt der
Verrechnung - bei der Untreue ebenfalls die Tathandlung ist,
läge insoweit Tateinheit (§ 52 StGB) vor (BGH NJW
1957, 596, 597). Die richterliche Kognitionspflicht hätte sich
hierauf erstrecken müssen.
21
Mögliche im Zusammenhang mit den Honorarvereinbarungen
stehende Untreuehandlungen wären im Übrigen auch
unter dem im Abschnitt C der Urteilsgründe geschilderten
Anklagevorwurf zu prüfen gewesen. Insoweit lag dem Angeklagten
zur Last, das Vermögen des Alexander H. geschädigt zu
haben, indem er einen möglichst großen Teil der
Unfallversicherungsleistung für sich vereinnahmt habe. Da aus
diesem Vermögen zugleich die Honorarvereinbarungen beglichen
wurden, wären hierin liegende Untreuehandlungen zugleich
Tathandlungen nach dem Abschnitt C gewesen und hätten auch
dort Gegenstand richterlicher Prüfung sein müssen.
22
a) Soweit im Fall I. (4) - wie unten ausgeführt - eine
Gebührenüberhebung darin zu sehen ist, dass der
Angeklagte nach der Bezifferung
23
- 17 -
des Überleitungsanspruchs eine Honorarvereinbarung abschloss,
kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue in Betracht, weil der Angeklagte
hierfür aus der Zahlung der Unfallversicherungsleistung an
seinen Mandanten bezahlt wurde, ohne dass ihm ein Anspruch zustand.
Bezüglich des Falles I. (7) ist die Forderung aus der weiteren
Honorarvereinbarung nach der Abgabe an den Kommunalen Schadenausgleich
nicht beglichen worden. Da die versuchte Untreue nicht strafbewehrt
ist, läge eine Strafbarkeit nach § 266 StGB nur vor,
wenn allein die Honorarvereinbarung bereits eine schadensgleiche
Vermögensgefährdung im Sinne des § 266 Abs.
1 StGB darstellen würde.
b) Eine Untreue liegt weiter in den Fällen nahe, in denen
Angela H. in ihren eigenen Angelegenheiten mit dem Angeklagten eine
Honorarvereinbarung getroffen hat (Fälle I. (1), (5) und (6))
unter der Abrede, dass diese Zahlungen aus der Versicherungsleistung
erbracht werden. Insoweit wurde das Vermögen des Alexander H.
geschädigt. Dass eine entsprechende Vereinbarung zu Lasten
Alexander H. s als Vertrag zu Lasten Dritter unwirksam ist, bedarf -
unabhängig von der Höhe der ausbedungenen
Vergütung - keiner näheren Darlegung.
24
c) In den übrigen Fällen kommt eine Strafbarkeit
wegen Untreue oder auch wegen Betruges nicht in Betracht. Entgegen der
Auffassung des Landgerichts sind die Honorarvereinbarungen, die
Alexander H. , vertreten durch seine Mutter Angela H. , mit dem
Angeklagten geschlossen hat, nicht sittenwidrig. Abgesehen davon, dass
Alexander H. im Blick auf die als sicher zugesagte erhebliche
Versicherungssumme, schon nicht generell einem mittellosen
Sozialhilfeempfänger gleichgestellt werden kann, sind
Honorarvereinbarungen mit Sozialhilfeempfängern nicht
grundsätzlich sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1
BGB. Die Sittenwidrigkeit ist aufgrund einer umfassenden
Gesamtbetrachtung zu bestimmen (BGHZ 107, 92, 97; 86, 82, 88). Die
wirtschaftliche Leistungskraft des Mandanten kann dabei nur ein
Gesichtspunkt unter mehreren sein. Da es auch wirtschaftlich Schwachen
grundsätzlich freisteht, sich eine kostengünstigere
Rechtsbesorgung zu or-
25
- 18 -
ganisieren, braucht der Rechtsanwalt nicht ausschließlich auf
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mandanten Bedacht
zu nehmen. Dies gilt erst recht dann, wenn Dritte bereit sind,
für ihn eventuelle Zahlungen zu erbringen. Im vorliegenden
Fall sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die eine Sittenwidrigkeit der
Vereinbarung begründen könnten. Die
Überschreitungen der gesetzlichen Gebühren sind
durchweg nicht so außergewöhnlich, dass unter diesem
Gesichtspunkt ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB in
Betracht kommen könnte.
Nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs kann
ein Honorar, das den gesetzlichen Vergütungsanspruch um mehr
als das fünffache übersteigt, sittenwidrig
gemäß § 138 Abs. 1 BGB sein, wenn das
Verfahren nicht durch besonderen Aufwand gekennzeichnet ist (BGHZ 144,
343, 346; BGH AnwBl. 2004, 61). Der Senat braucht hier nicht zu
entscheiden, ob der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats in jedem Fall zu
folgen wäre. Die Grenze des fünffachen Satzes
hätte nach den im Übrigen nachvollziehbaren
Gebührenberechnungen des Landgerichts nur im Fall der
Strafanzeige gegen St. Bedeutung. Insoweit ging das Landgericht von
einer 7,9-fachen Überhöhung der gesetzlichen
Gebühren aus. Hinsichtlich dieses Falles trifft jedoch die
Gebührenberechnung des Landgerichts nicht zu. Das
Strafverfahren gegen St. hatte ganz erhebliche Bedeutung, weil es dort
um die Schuldfrage bei dem Unfall ging, durch den die erheblichen
Verletzungen von Alexander H. verursacht wurden. Neben seiner
immateriellen Relevanz hatte es auch deshalb erhebliches Gewicht, weil
es präjudiziell für das nachfolgende
Entschädigungsverfahren sein konnte. Da insoweit nach der
Bedeutung der Angelegenheit eher ein Ansatz am oberen Rand des
Gebührenrahmens angemessen wäre, ist auch
hinsichtlich dieses Verfahrens der fünffache Satz nicht
erreicht.
26
4. Die Behandlung der Konkurrenzverhältnisse durch das
Landgericht ist rechtsfehlerhaft. Mit Ausnahme der Tat I. (3), der
Erstattung der Strafanzeige gegen St. , hat das Landgericht eine
einheitliche Tat
27
- 19 -
angenommen. Maßgeblich war hierfür die
Erwägung, dass der Angeklagte nach Kenntniserlangung von der
bevorstehenden Zahlung der Versicherungsleistung an Alexander H. den
einheitlichen Vorsatz gefasst habe, durch
Gebührenüberhebungen oder Betrugshandlungen das
Vermögen des Alexander H. s zu schädigen, um sich zu
bereichern. Ein derartiger „Gesamtvorsatz“ wird
jedoch von der Rechtsprechung seit der Entscheidung des
Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 40, 138) nicht
mehr anerkannt. Die einzelnen Honorarvereinbarungen, die jeweils auf
den einzelnen Fall bezogen waren, stellen vielmehr
selbständige Handlungen dar, die aufgrund eines jeweils neuen
Tatentschlusses erfolgt sind. Dies gilt selbst dann, wenn der
Angeklagte die Taten nach Bekanntwerden der bevorstehenden Auszahlung
der Versicherungsleistung schon geplant haben sollte.
Denkbar ist eine tateinheitliche Begehung allenfalls dann, wenn zu der
Gebührenüberhebung eine Untreue hinzutritt,
darüber hinaus wenn mehrere Untreuehandlungen in einer
Handlung zusammenfallen. Dies kann dann der Fall sein, wenn der
Angeklagte durch einen einheitlichen Verrechnungsvorgang das
Vermögen des Alexander H. geschädigt oder Angela H.
durch einen einheitlichen Auszahlungsvorgang zu Lasten des
Vermögens ihres Sohnes im Einvernehmen mit dem Angeklagten
verfügt haben sollte. Nur unter dieser Voraussetzung
könnte die Nachteilszufügung im Sinne des §
266 Abs. 1 StGB in einer einheitlichen Handlung zusammenfallen. Hierzu
fehlen jedoch Feststellungen des Landgerichts. Daraus ergeben sich
für die Fassung des Schuldspruchs folgende Konsequenzen:
28
a) Freizusprechen ist der Angeklagte hinsichtlich der Fälle I.
(2) - Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz - und I. (3) -
Strafanzeige gegen St. . In beiden Fällen liegt weder ein
Gebührenüberhebung nach § 352 StGB vor, noch
kommt ein Betrug oder eine Untreue in Betracht.
29
b) In den übrigen Fällen ist der Schuldspruch
aufzuheben. Soweit auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen in
den Fällen I. (4) und
30
- 20 -
(7) - siehe unter II. 2 - ein Schuldspruch wegen
Gebührenüberhebung bzw. versuchter
Gebührenüberhebung erfolgen könnte, ist der
Senat hieran gehindert, weil möglicherweise eine
tateinheitliche Verurteilung wegen Untreue in Betracht kommt (vgl.
Kuckein in KK, 5. Aufl. § 353 Rdn. 12 m.w.N.). Hinsichtlich
des Vorwurfs der Untreue verbietet sich ein Durchentscheiden im
Schuldspruch, weil sich der Angeklagte noch nicht im Hinblick auf
diesen Vorwurf verteidigen konnte. Es kann nicht ausgeschlossen werden,
dass hierzu für den Angeklagten günstige
Feststellungen getroffen werden können.
c) Da es sich um Fehler in der rechtlichen Würdigung handelt,
die auf Revision des Angeklagten eine Aufhebung der Sache notwendig
machen, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
zu den einzelnen Mandatsverhältnissen einschließlich
der Vorgeschichte der Tat aufrechterhalten bleiben. Insoweit greift die
Revision des Angeklagten nicht durch. Der neue Tatrichter ist nicht
gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, soweit diese
den nunmehr rechtskräftigen Feststellungen nicht widersprechen.
31
B. Revision der Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft greift, nach Rücknahme ihrer Revisionen
gegen die Verurteilungsfälle und den Teilfreispruch
hinsichtlich Abschnitt D der Urteilsgründe, nur noch den
Freispruch vom Vorwurf der Untreue zu Lasten von Alexander H. an
(Abschnitt C der Urteilsgründe). In diesem Umfang wird das
Rechtsmittel auch von der Bundesanwaltschaft vertreten. Insoweit liegt
dem Angeklagten zur Last, aus der Versicherungsleistung an seinen
Mandanten Alexander H. durch Verschleiern der Geldgeschäfte
einen größtmöglichen Teil für sich
behalten zu haben. Wegen der bereits näher dargelegten
Verwobenheit dieses Tatvorwurfs mit dem Komplex der
32
- 21 -
Honorarvereinbarungen könnten auch diese unter dem
Gesichtspunkt der Untreue von diesem Tatvorwurf erfasst sein.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts erfolgte - in engem
Zusammenhang mit den umfangreichen Mandatierungen (hierzu oben A) - im
Zeitraum zwischen August 2001 und März 2002 eine Vielzahl von
Geldbewegungen zwischen dem Angeklagten und Angela H. . Hierzu
zählten u. a. neben Vorauszahlungen des Angeklagten in
Höhe von knapp 50.000 DM an Angela H. , diverse
Barauszahlungen an sie in Höhe von über 250.000 DM
nach Eingang der Versicherungssumme sowie umgekehrt die
Gewährung eines zinslosen Darlehens durch Angela H. in
Höhe von 200.000 DM an den Angeklagten und damit
zusammenhängende Geldrückflüsse. Insgesamt
hat das Landgericht Geldflüsse in Höhe von etwa
580.000 DM an den Angeklagten und nur in Höhe von etwa 574.000
DM an Angela H. oder auf Konten ihres Sohnes Alexander festgestellt.
Das Landgericht hat sich davon überzeugt, dass - entgegen dem
Anklagevorwurf - die quittierten Barauszahlungen tatsächlich
an Angela H. geflossen sind. Hinsichtlich des
überschießenden Differenzbetrages in Höhe
von etwa 6.000 DM ließ sich nach Auffassung des Landgerichts
insoweit nicht ausschließen, dass der Angeklagte nur
„schlampig“ gearbeitet habe.
33
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
34
1. Ein Rechtsfehler ist allerdings nicht schon darin zu erblicken, dass
die Strafkammer hinsichtlich des Differenzbetrages von 6.000 DM nicht
von einer bewussten Unterschlagungshandlung des Angeklagten ausgegangen
ist, sondern insoweit ein fahrlässiges Verhalten nicht
ausschließen
35
- 22 -
konnte. Diese Wertung ist angesichts der Vielzahl der Geldbewegungen
jedenfalls vertretbar.
- 23 -
2. Durchgreifenden Bedenken begegnet es allerdings, dass das
Landgericht nicht das Gesamtsystem der zwischen dem Angeklagten und
Angela H. erfolgten Transferleistungen unter dem Gesichtspunkt der
Untreue gewürdigt hat. Dies hätte sich aber nach der
gegebenen Sachlage aufdrängen müssen.
36
a) Zu den Pflichten des Anwalts aus dem Mandatsverhältnis
zählt, dass er die für seinen Mandanten vereinnahmten
Gelder ordnungsgemäß an diesen weiterleitet. Er darf
an den gesetzlichen Vertreter nur auszahlen, wenn die gesetzlichen
Regeln für den Umgang mit dem Vermögen des
Geschäftsunfähigen eingehalten sind. Eine Auszahlung
an die Eltern eines Kindes darf nur dann erfolgen, wenn diese das Geld
ihrer Kinder nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen
Vermögensverwaltung anlegen (§ 1642 BGB) und
Schenkungen aus dem Vermögen des Kindes grundsätzlich
ausgeschlossen sind (§ 1641 BGB). Zu einer
ordnungsgemäßen Anlageform gehört dabei
auch, dass eine eindeutige Zuordnung des Vermögenswertes zu
dem Vermögen des Kindes ohne weiteres möglich ist
(vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1
Vermögensbetreuungspflicht 24). Bei einem
geschäftsunfähigen Mandanten muss der Rechtsanwalt
Sorge tragen, dass das Geld gesichert die
Vermögenssphäre des
Geschäftsunfähigen erreicht. Diese aus dem
anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag folgende
Leistungssicherungspflicht ist zugleich eine Treuepflicht im Sinne des
§ 266 Abs. 1 StGB.
37
b) Zwar wird der Rechtsanwalt, der einen
Geschäftsunfähigen vertritt, im Regelfall seine
anwaltliche Pflicht dadurch erfüllen, dass er die Gelder an
dessen Vertreter weiterleitet. Insoweit darf er - ohne eigene
Nachforschungen anstellen zu müssen - darauf vertrauen, dass
die gesetzlichen Vertreter mit den ihnen ausgezahlten Geldern
ordnungsgemäß umgehen werden. Anderes gilt aber
dann, wenn er voraussieht, dass der gesetzliche Vertreter mit den
zugewandten Geldern in einer die Vermögensinteressen des
Geschäftsunfähigen verletzenden Art und Weise
verfährt oder wenn er es sogar hierauf anlegt.
38
- 24 -
Dies hätte das Landgericht bei der gegebenen Sachlage
prüfen müssen. Es liegt nahe, dass der Angeklagte
gegen diese Pflicht versto-ßen hat. Aus dem gesamten
Geschehen im Vorfeld der Auszahlung musste es sich für ihn
aufdrängen, dass Angela H. die vereinnahmten Gelder aus der
Versicherungsleistung jedenfalls zum Teil für sich verwenden
wollte. Dies hätte er schon deshalb erkennen können,
weil Angela H. die von ihr persönlich geschuldeten Honorare
auch aus der Versicherungsleistung erbringen wollte. Ebenfalls war die
nach Auszahlung der Versicherungsleistung ungewöhnliche Form
der Zahlungsabwicklung ein gewichtiges Indiz dafür, dass die
Gelder nicht, jedenfalls nicht vollständig für
Alexander H. verwandt werden sollten.
39
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts kommt in Betracht, dass
durch die Pflichtverletzung ein Nachteil gemäß
§ 266 Abs. 1 StGB entstanden ist. Dies hätte der
Erörterung bedurft. Ein Nachteil im Sinne des
Untreuetatbestands entfällt nämlich nicht allein
deshalb, weil letztlich von einer Auszahlung der Gelder an Angela H.
auszugehen war. Vielmehr hätte in den Blick genommen werden
müssen, inwiefern das Vermögen von Alexander H.
geschädigt sein konnte. Da es für die Annahme eines
Nachteils im Sinne dieser Bestimmung regelmäßig
ausreicht, dass eine schadensgleiche Gefährdung des
Vermögens vorliegt (BGHSt 44, 376, 384 ff. m.w.N.),
hätte das Maß der
Vermögensgefährdung bestimmt werden müssen.
40
Der neue Tatrichter wird deshalb zu prüfen haben, ob die
Behandlung der Versicherungsleistung durch den Angeklagten und Angela
H. für Alexander H. eine Vermögensschädigung
darstellen konnte. Dabei ist der Grad der Gefährdung zu
bewerten, der sich auch darin ausdrückt, wie schwierig sich
für einen Dritten (z. B. Sozialhilfeverwaltung oder einen
Erben) die Feststellung des Alexander H. zugeordneten
Vermögens gestaltet (vgl. BGHSt 47, 8, 10 f.). Neben der
Transparenz der Zahlungsflüsse wird
41
- 25 -
weiterhin zu beurteilen sein, inwieweit die Rückzahlung des
dem Angeklagten gewährten Darlehens gesichert war.
- 26 -
Im Verurteilungsfall hinsichtlich des Tatkomplexes C der
Urteilsgründe ist angesichts der dargelegten Verwobenheit mit
den Vorwürfen aus dem Tatkomplex A der Urteilsgründe
auch die Annahme von Idealkonkurrenz nicht ausgeschlossen. Dies wird
dann in Betracht kommen, wenn der Angeklagte das Vermögen des
Alexander H. ganz oder in Teilen in schadensgleicher Weise
gefährdet haben sollte und aus diesem
Vermögensbestand auch die Honorare beglichen worden sein
sollten.
42
Der Senat weist darauf hin, dass die - nicht gesondert angefochtene -
Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil (Kostenquote bei
Teilfreispruch) zwar falsch ist, sie jedoch im Umfang der Aufhebung
ohnehin obsolet geworden ist. Es verbleiben lediglich
rechtskräftige Freisprüche des Angeklagten,
hinsichtlich derer die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die
hierauf entfallenden notwendigen Auslagen des Angeklagten
trägt. Im Übrigen bedarf es einer umfassenden
Neuentscheidung über die Verfahrenskosten durch das neue
Tatgericht.
43
Basdorf Raum Brause
Elf Jäger |