BGH,
Urt. v. 7.8.2001 - 1 StR 470/00
StGB § 52 Abs. 1, §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2
Nrn. 1, 2, § 303
1. Gesetzeseinheit zwischen Diebstahl - im besonders schweren Fall nach
§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1, 2 StGB - und
Sachbeschädigung scheidet jedenfalls dann aus, wenn die
Sachbeschädigung bei konkreter Betrachtung von dem
regelmäßigen Verlauf eines Diebstahls im besonders
schweren Fall (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1, 2 StGB) abweicht,
von einem eigenständigen, nicht aufgezehrten Unrechtsgehalt
geprägt ist und sich deshalb nicht als sog. typische
Begleittat erweist.
2. Der Senat neigt überdies aus grundsätzlichen
Erwägungen der Auffassung zu, daß das Vorliegen des
Regelbeispiels eines besonders schweren Falles des Diebstahls (hier
nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn.1, 2 StGB) beim rechtlichen
Zusammentreffen des Diebstahls mit einer Sachbeschädigung
schon von vornherein nicht zur Konsumtion des Unrechts der
Sachbeschädigung und damit zur Annahme von Gesetzeseinheit
führen kann. Vielmehr besteht Tateinheit.
BGH, Urteil vom 7. August 2001 - 1 StR 470/00 - LG Stuttgart
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 470/00
vom
7. August 2001
in der Strafsache gegen
wegen Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7.
August 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Schäfer und die Richter am
Bundesgerichtshof Nack, Dr. Wahl, Schluckebier, Schaal, Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart vom 9. Mai 2000 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in drei
Fällen, wegen Diebstahls in zwei Fällen, davon in
einem Falle in Tateinheit mit Sachbeschädigung, wegen
versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung und
wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte unter Einbeziehung einer Strafe aus einem anderen
Urteil zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten
verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet
und eine Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis
festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die
Verletzung sachlichen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts litt der Angeklagte zu den
Tatzeiten unter einer Abhängigkeit von Suchtstoffen
(Polytoxikomanie). Aufgrund langen Drogenmißbrauchs hatte er
den Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu
nehmen. Um sich die finanziellen Mittel zur Befriedigung der
Drogensucht zu beschaffen, beging der Angeklagte jeweils mit einem
ebenso disponierten Mittäter zwischen dem 11. Juli und 8.
August 1998 sowie zwischen dem 10. September und 17. September 1999
mehrere Straftaten, bei denen es sich mit einer Ausnahme um sogenannte
Beschaffungsdelikte handelte. So entwendete er aus einem
Pizzageschäft eine Geldkassette mit einem Inhalt von ca. 350
DM (Fall 1 der Urteilsgründe), stemmte einen Tankautomaten auf
(Fall 2), überfiel Tankstellen und eine Lottoannahmestelle
(Fälle 3, 4 und 7), versuchte in ein Geschäft
für Mobiltelefone einzubrechen (Fall 6) und griff nach einer
Polizeikontrolle einen Polizeibeamten an, der Prellungen sowie einen
Einriß der Nasenscheidewand erlitt (Fall 5).
Im Falle 2 (Aufstemmen eines Tankautomaten) hat das Landgericht den
Angeklagten wegen Diebstahls in Tateinheit mit
Sachbeschädigung schuldig gesprochen (§§
242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, §§ 303, 52 StGB). Der
Angeklagte und sein Mittäter erbeuteten 8.000 DM; der
Sachschaden am Tankautomaten belief sich auf etwa 20.000 DM. Im Fall 6
hat das Landgericht versuchten Diebstahl in Tateinheit mit
Sachbeschädigung angenommen (§§ 242, 243
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, §§ 22, 303, 52 StGB). Der
Angeklagte und sein Mittäter hatten den Einbruch in einen
Laden für Mobiltelefone aus Furcht vor Entdeckung aufgegeben,
dabei aber einen Sachschaden in Höhe von etwa 500 DM
verursacht.
Das Landgericht hat das Hemmungsvermögen des Angeklagten zu
den Tatzeiten aufgrund seiner Drogendisposition zwar für
herabgesetzt erachtet, jedoch eine erhebliche Verminderung seiner
Schuldfähigkeit bei allen Taten für ausgeschlossen
gehalten. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten.
II.
Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung
stand.
1. Gegen den Schuldspruch ist aus sachlich-rechtlichen Gründen
nichts zu erinnern. Das Landgericht hat namentlich das
Konkurrenzverhältnis zwischen dem vollendeten Diebstahl im
Falle 2 und dem versuchten Diebstahl im Falle 6 einerseits sowie der
damit jeweils einhergehenden Sachbeschädigung rechtlich
zutreffend dahin beurteilt, daß jeweils Tateinheit vorliegt
(§ 52 Abs. 1 StGB). Der Senat neigt aus
grundsätzlichen Erwägungen der Auffassung zu,
daß das Vorliegen eines Regelbeispiels für den
besonders schweren Fall, hier nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1,
2 StGB, beim rechtlichen Zusammentreffen von Diebstahl und
Sachbeschädigung nicht zur Annahme von Gesetzeseinheit in der
Form der sog. Konsumtion führen kann. In den hier in Rede
stehenden Fällen scheidet Gesetzeseinheit (Konsumtion)
allerdings schon deshalb aus, weil die Sachbeschädigung in
ihrer konkreten Gestalt von dem regelmäßigen Verlauf
eines Diebstahls im besonders schweren Fall (nach § 243 Abs. 1
Satz 2 Nrn. 1, 2 StGB) abweichen, von einem eigenständigen,
nicht aufgezehrten Unrechtsgehalt geprägt sind und sich
deshalb nicht als sog. typische Begleittat des Diebstahls erweisen.
a) Nach einer in der Literatur verbreiteten Auffassung soll die
Sachbeschädigung von einer Verurteilung wegen Diebstahls - im
besonders schweren Fall - wegen der Verwirklichung des Regelbeispiels
nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB (sog. Einbruch-,
Einsteige- oder Nachschlüsseldiebstahl) oder nach §
243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (Überwindung von Schutzvorrichtungen)
als typische Begleittat konsumiert werden; danach soll Gesetzeseinheit
jedenfalls dann bestehen, wenn der Tatrichter die Strafe dem §
243 Abs. 1 StGB entnimmt und nicht etwa wegen Entfallens der
Regelwirkung den Strafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB anwendet
(vgl. nur Ruß in LK 11. Aufl. § 243 Rdn. 43;
Rissing-van Saan aaO vor § 52 ff. Rdn. 118; Hoyer in SK-StGB
§ 243 Rdn. 58; Eser in Schönke/Schröder,
StGB 26. Aufl. § 243 Rdn. 59; Lackner/Kühl, StGB 23.
Aufl. § 243 Rdn. 24 und § 46 Rdn. 19;
Dölling JuS 1986, 688, 693; nicht tragend für den
Fall der Zerstörung des Behältnisses oder der
Schutzvorrichtung auch noch BGH, Beschl. v. 5. Februar 1982 - 3 StR
33/82; siehe auch KG JR 1979, 249, 250 mit zustimmender Anm. Geerds aaO
S. 250 ff.; referierend Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl.
§ 243 Rdn. 30). Der Bundesgerichtshof hat die
Sachbeschädigung als mitbestrafte (straflose) Nachtat dann
beurteilt, wenn - anders als im vorliegenden Falle - der Dieb
später die gestohlene Sache beschädigt oder
zerstört (BGH, Beschl. v. 17. Juni 1998 - 4 StR 137/98 =
NStZ-RR 1998, 294).
Die in der Literatur überwiegend vertretene Ansicht ist auf
Widerspruch gestoßen: Nur Tatbestände
könnten miteinander konkurrieren, nicht aber ein Tatbestand
mit dem Regelbeispiel einer anderen Strafvorschrift (Rudolf Schmitt in
Festschrift für Tröndle, S. 313, 316; Gössel
in Festschrift für Tröndle S. 363, 366; ebenso
Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT Teilb. 1, 8. Aufl. §
33 Rdn. 109 = S. 353). Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
für die ähnlich gelagerte Fragestellung im
Verhältnis des Regelbeispiels nach § 370 Abs. 3 Satz
2 Nr. 2 AO zum Untreuetatbestand hervorgehoben, auch wenn das
Regelbeispiel typischerweise den Unrechtsgehalt des anderen
Tatbestandes erfasse, habe das trotz der Anlehnung der Regelbeispiele
an Tatbestandsmerkmale keine Auswirkungen auf die Frage der
Konkurrenzen, da eben lediglich eine Strafzumessungsregel in Rede
stehe. Soweit das teilweise für das Verhältnis der
§§ 243, 303 StGB abweichend beurteilt werde,
könne daraus kein allgemeiner Grundsatz hergeleitet werden
(BGH NStZ 1998, 91, 92). Der 4. Strafsenat hat für das
Verhältnis der besonders schweren Brandstiftung (nach
§ 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB, um "eine andere Straftat zu
ermöglichen") zum besonders schweren Fall des Betruges nach
§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB Gesetzeseinheit
verneint mit dem Hinweis, daß § 263 Abs. 3 Satz 2
Nr. 2 StGB keinen "echten Straftatbestand", sondern nur eine
Strafzumessungsregel enthalte und der dort vorgesehene höhere
Strafrahmen auch nur für den Regelfall gelte (BGHSt 45, 211,
218/219). In anderem Zusammenhang - zum Deliktsversuch - hat der 3.
Strafsenat die Regelbeispiele der besonders schweren
Diebstahlsfälle als "tatbestandsähnlich" bezeichnet,
weil sie einen gegenüber dem Tatbestand erhöhten
Unrechts- und Schuldgehalt typisierten. Er hat hervorgehoben,
daß die Regelbeispiele für besonders schwere
Fälle sich im wesentlichen nicht tiefgreifend von
selbständigen Qualifikationstatbeständen
unterschieden und die Wahl des Gesetzgebers für die eine oder
andere Ausgestaltung einer Vorschrift mehr eine Frage der formalen
Gesetzestechnik sei (BGHSt 33, 370, 374).
b) Der Senat neigt für das Verhältnis besonders
schwerer Diebstahlsfälle nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr.
1, 2 StGB zu einer damit rechtlich zusammentreffenden
Sachbeschädigung (§ 303 StGB; hier die Fälle
2 und 6 der Urteilsgründe betreffend) der Auffassung zu,
daß die Verwirklichung eines Regelbeispiels für die
Frage der Konkurrenz außer Betracht zu bleiben hat.
Verletzt dieselbe Handlung mehrere Gesetze, liegt nach der
ausdrücklichen Regelung des § 52 Abs. 1 StGB
grundsätzlich Tateinheit vor. Anders kann es sich
ausnahmsweise in den Fällen einer sog. unechten Konkurrenz
(Gesetzeseinheit) verhalten. Diese kann hier in der Erscheinungsform
der Konsumtion in Betracht kommen. Sie setzt voraus, daß der
Unrechtsgehalt der strafbaren Handlung durch den einen der anwendbaren
Straftatbestände schon erschöpfend erfaßt
wird. Der Beurteilung sind die Rechtsgüter zugrunde zu legen,
die der Täter angegriffen hat, weiter die
Tatbestände, die der Gesetzgeber zu deren Schutz aufgestellt
hat (BGHSt 11, 15, 17; 28, 11, 15; Tröndle/Fischer, StGB 50.
Aufl. vor § 52 Rdn. 17).
aa) Die Regelbeispiele der Vorschrift über den besonders
schweren Fall des Diebstahls sind ihrer Natur nach nicht dazu angetan,
ein Konkurrenzverhältnis zu bestimmen. Sie sind zwar
tatbestandsähnlich ausgestaltet. Der Sache nach handelt es
sich aber um Strafzumessungsregeln, nicht um die tatbestandliche
Umschreibung des Unrechts, also der mit Strafe bedrohten Handlung im
Sinne des § 52 Abs. 1 StGB. Sie eröffnen dem
Tatrichter lediglich einen höheren Strafrahmen. Die von ihnen
ausgehende Regelwirkung für eine höhere Strafe kann
indessen trotz der Erfüllung eines Regelbeispiels entfallen.
So kann es sich verhalten, wenn mildernde Umstände in die
Würdigung einzubeziehen sind, die der Tat vorausgehen, ihr
nachfolgen oder in der Person des Täters gründen, die
jedoch unmittelbar mit der Tatbegehung und der Erfüllung des
Tatbestandes nichts zu tun haben (vgl. Tröndle/Fischer aaO
§ 46 Rdn. 85 f.). Wenn aber auch täterbezogene
Gesichtspunkte die Regelwirkung für die Annahme eines
besonders schweren Falles auszuräumen vermögen, dann
kann bei systemgerechtem Verständnis der Vorschrift des
§ 52 Abs. 1 StGB die Bejahung eines Regelbeispiels keinen
Einfluß auf die Frage der Konkurrenz von Gesetzesverletzungen
haben (vgl. auch BGHSt 45, 211, 218/219 zum Verhältnis von
§ 306b Abs. 2 Nr. 2 zu § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5
StGB; BGH NStZ 1998, 91, 92; für eine konsequente
Unterscheidung in anderem Zusammenhang auch der Senat in BGHSt 29, 359,
368).
bb) Gegen ein allgemeines Aufzehren des Unrechts einer
Sachbeschädigung durch eine Verurteilung wegen Diebstahls - im
besonders schweren Fall - spricht schließlich auch,
daß die geschützten Rechtsgüter und
Rechtsgutsträger verschieden sein können. Der Inhaber
des Gewahrsams an der weggenommenen Sache muß nicht zugleich
der Eigentümer der beschädigten Sache sein (vgl. zu
diesem Gesichtspunkt BGH NJW 2001, 1508).
cc) Hinzu kommt, daß der tatsächliche Ansatz
für die generelle Bewertung der Sachbeschädigung als
"typische Begleittat" heutzutage wegen der fortentwickelten
Verhältnisse nicht mehr als tragfähig erscheint. Bei
den verschiedenen, die Regelbeispiele ausfüllenden Merkmalen
des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 StGB wird keineswegs
regelmäßig auch eine Sache beschädigt.
Für den Einsteige- und den sog.
Nachschlüsseldiebstahl liegt das auf der Hand. Die
fortgeschrittene technische Entwicklung hat überdies dazu
geführt, daß zum Verschließen oder Sichern
von Sachen zunehmend auch elektronische Sicherungssysteme verwendet
werden, die sich mit Magnetstreifen- und Codekarten bedienen lassen.
Solche Systeme sind mitunter durch intelligentes Vorgehen des
Täters zu überwinden. Auch andere elektronische
Sicherungssysteme werden zunehmend durch den Einsatz manipulierter oder
nachgebildeter Öffnungsvorrichtungen und durch den Austausch
von Sicherungskomponenten außer Wirkung gesetzt. Das gilt
auch für Schutzvorrichtungen und verschlossene
Behältnisse i.S.d. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB.
Eine Sachbeschädigung ist selbst bei dem Regelbeispiel des
"Einbrechens" (Nr. 1) nicht zwingend. Türschlösser,
die etwa nur ins Schloß gezogen, nicht aber verschlossen
sind, lassen sich mit einfachen Mitteln so öffnen,
daß sie nicht beschädigt werden müssen.
Schon bisher konnte die für ein Einbrechen erforderliche
Beseitigung eines entgegenstehenden Hindernisses unter Aufwendung nicht
unerheblicher körperlicher Kraft auch ohne Substanzverletzung
geschehen (vgl. RGSt 13, 200, 206; 60, 378, 379 f.; BGH, Beschl. vom
22. Mai 1963 - 2 StR 144/63; siehe auch BGH NStZ 2000, 143 f.;
Tröndle/Fischer aaO § 243 Rdn. 5 ff.). Selbst wenn
man eine Begleittypik für die Fälle des
Einbruchdiebstahls gelten lassen wollte, so würde dies auf der
Grundlage der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht
zu dem ungereimten Ergebnis führen, daß innerhalb
ein und derselben Regelbeispielsgruppe bei Vorliegen unterschiedlicher
Merkmale die Konkurrenzfrage verschieden zu beurteilen wäre.
Darin läge ein systematischer Bruch.
dd) Die Annahme von Gesetzeseinheit anstatt von Tateinheit
würde darüber hinaus zu einem Wertungswiderspruch
führen: Wenn der Tatrichter die Regelwirkung für die
Annahme eines besonders schweren Falles (§ 243 Abs. 1 StGB) im
Einzelfall für nicht gegeben erachtet,
müßte er wegen Diebstahls in Tateinheit mit
Sachbeschädigung verurteilen (so KG JR 1979, 249, 250;
Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. vor §§ 52 ff. Rdn.
119 a.E.). In dem unrechtsgewichtigeren besonders schweren Fall - der
in der Urteilsformel lediglich als Diebstahl zu bezeichnen ist -
wäre hingegen die Sachbeschädigung wegen Konsumtion
nicht in den Schuldspruch aufzunehmen.
ee) Endlich ist zu bedenken, daß die Fragestellung nach einer
Konsumtion - hält man eine solche grundsätzlich und
generell bei der genannten Deliktskombination für
möglich - in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten
führt. Auch die Befürworter einer Konsumtion
anerkennen überwiegend, daß nicht Gesetzeseinheit,
sondern Tateinheit dann anzunehmen ist, wenn das Begleitdelikt im
konkreten Fall aus dem regelmäßigen Verlauf der
Haupttat herausfällt; dann behält die Begleittat
ihren eigenständigen Charakter (vgl. Rissing-van Saan aaO vor
§§ 52 ff. Rdn. 119; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT
5. Aufl. § 69 II 3 b; Jakobs, Strafrecht AT 2. Aufl. Abschn.
31 Rdn. 30; Fahl GA 1996, 476, 483). Deshalb ist nicht nur
zunächst darüber zu befinden, ob die sog. Begleittat
allgemein typisch für die Begehung der im Vordergrund
stehenden Tat ist, sondern anschließend auch die Frage zu
prüfen, ob konkret die in Rede stehende Begleittat mit ihrem
spezifischen Unrechtsgehalt aus dem regelmäßigen
Verlauf der anderen Tat herausfällt, die Begleittypik also
einzelfallbezogen wieder entfällt und deshalb doch Tateinheit
besteht. Diese erforderliche wertende Betrachtung birgt gerade im
Randbereich Unsicherheiten (vgl. Fahl GA 1996, 476, 483), die mit der
klaren Regel des § 52 Abs. 1 StGB nur schwer in Einklang zu
bringen sind.
ff) Dieser Betrachtung zu den Fällen besonders schwerer
Diebstähle (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 StGB) im
Zusammentreffen mit Sachbeschädigung steht nicht entgegen,
daß der Bundesgerichtshof in zurückliegender Zeit
zwischen jenen und einem damit rechtlich zusammentreffenden
Hausfriedensbruch Gesetzeseinheit angenommen hat (vgl. BGHSt 22, 127,
129). Damals war der Einsteige- oder Einbruchdiebstahl noch ein
Qualifikationstatbestand und nicht als Regelbeispiel
(Strafzumessungsregel) gefaßt (vgl. die Änderung
durch das 1. StrRG mit Wirkung vom 1. April 1970). Im übrigen
mag zwar die Regelmäßigkeit und Typizität
des Verlaufs beim (rechtlichen) Zusammentreffen eines Diebstahls im
besonders schweren Fall nach der Regelbeispielsgruppe des §
243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB mit einem Hausfriedensbruch durchaus
anders beurteilt werden können als beim Zusammentreffen mit
einer Sachbeschädigung. Das ändert aber nichts an den
übrigen Erwägungen, die der Annahme von Konsumtion
nach Ansicht des Senats in grundsätzlicher Hinsicht
entgegenstehen. Im Blick auf das Verhältnis zum
Hausfriedensbruch bedarf das jedoch hier keiner weiteren
Erörterung (vgl. auch zum Verhältnis des besonders
schweren Falls des Landfriedensbruchs nach § 125a Satz 2 Nr. 2
StGB zum Vergehen nach § 27 Abs. 1 VersammlG BGH,
Beschlüsse vom 2. Mai 1984 - 3 StR 126/84 -, vom 12. Juni 1984
- 3 StR 228/84 -, vom 8. August 1984 - 3 StR 302/84 - und vom 21.
September 1984 - 3 StR 395/84).
gg) Der hier aufgezeigten Ansicht des Senats steht
schließlich nicht entgegen, daß der 3. Strafsenat
für die Frage des Versuchs die Regelbeispiele als
tatbestandsähnlich charakterisiert hat und sie bei der
Bestimmung des für den Deliktsversuch anzuwendenden
Strafrahmens im Ergebnis wie Tatbestandsmerkmale behandelt wissen will
(BGHSt 33, 370, 374). Dort geht es um den Beginn des Versuchs; bei
diesem bestimmt sich der Strafrahmen grundsätzlich nach dem
Tatentschluß.
c) Im Ergebnis kann die Frage der Konkurrenz in
grundsätzlicher Hinsicht hier offen bleiben. Denn im
vorliegenden Verfahren handelt es sich in beiden Fällen
(Fälle 2 und 6) bei den Sachbeschädigungen jeweils um
Taten, die mit ihrem eigenen Unrechtsgehalt über das
hinausgehen, was sie lediglich als typische und deshalb konsumierte
Begleittaten besonders schwerer Diebstahlsfälle erscheinen
lassen könnte. Wie erwähnt, ist auch in der Literatur
anerkannt, daß nicht Gesetzeseinheit, sondern Tateinheit dann
anzunehmen ist, wenn das Begleitdelikt im konkreten Fall aus dem
regelmäßigen Verlauf der Haupttat
herausfällt; dann behält die Begleittat ihren
eigenständigen Charakter (vgl. Rissing-van Saan aaO vor
§§ 52 ff. Rdn. 119; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT
5. Aufl. § 69 II 3 b; Jakobs, Strafrecht AT 2. Aufl. Abschn.
31 Rdn. 30; Fahl GA 1996, 476, 483). Schon deshalb wird vorliegend das
Unrecht der Sachbeschädigungen durch eine bloße
Verurteilung wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls nicht
konsumiert.
Im Falle 6 war es beim Versuch des Diebstahls geblieben. Der Angeklagte
und sein Mittäter hatten das Geschäft aufbrechen
wollen, ihr Vorhaben wegen ihnen zu groß erscheinender
Entdeckungsgefahr abgebrochen und einen Sachschaden in Höhe
von etwa 500 DM verursacht. Beim Versuch des Diebstahls kann aber weder
bei allgemeiner noch bei konkreter Betrachtung davon ausgegangen
werden, die vollendete Sachbeschädigung sei typische
Begleittat. Ein geplanter Diebstahl kann nach dem unmittelbaren
Ansetzen zur Tat aus vielfältigen Gründen
fehlschlagen, ohne daß es bereits zu einer
Sachbeschädigung gekommen ist, die bei einer Vollendung der
geplanten Tat eingetreten wäre.
Auch das Tatgeschehen im Falle 2 verdeutlicht, daß allein
eine Verurteilung wegen Diebstahls den Unrechts- und Schuldgehalt der
zugleich begangenen Sachbeschädigung (sog. Begleittat) nicht
ausschöpfen würde. Der aus dem Tankautomaten
gestohlene Geldbetrag belief sich auf nur 8.000 DM, der Sachschaden an
der Anlage hingegen auf ca. 20.000 DM. Der Unrechtsgehalt des
Begleitdelikts fällt deshalb auch hier aus dem
regelmäßigen Verlauf einer Diebstahlstat (im
besonders schweren Fall) deutlich heraus. Er wird deshalb nur durch
eine Verurteilung wegen Diebstahls in Tateinheit mit
Sachbeschädigung vollständig erfaßt.
2. Der Rechtsfolgenausspruch läßt ebensowenig einen
rechtlichen Mangel zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Insbesondere
begegnet die Annahme des Landgerichts, die Schuldfähigkeit des
Angeklagten sei bei keiner der Taten erheblich vermindert gewesen
(§ 21 StGB), keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ihr
stand hier auch nicht entgegen, daß es bei dem Angeklagten
einen Hang bejaht hat, berauschende Mittel im
Übermaß zu sich zu nehmen, daß es diesen -
sachverständig beraten - als schwere seelische Abartigkeit
bewertet und den Angeklagten in einer Entziehungsanstalt untergebracht
hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
begründet die Abhängigkeit von
Betäubungsmitteln für sich allein noch nicht eine
erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Diese Folge
ist bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben,
zum Beispiel, wenn langjähriger
Betäubungsmittelkonsum zu schwersten
Persönlichkeitsveränderungen geführt hat
oder der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und
durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu
verschaffen; ferner unter Umständen dann, wenn er das Delikt
im Zustand eines akuten Rausches verübt. Derartige
Umstände haben den Urteilsfeststellungen zufolge beim
Angeklagten nicht vorgelegen.
Allerdings ist die Anwendung des § 21 StGB bei
Beschaffungsdelikten eines Rauschgiftabhängigen nicht in jedem
Falle davon abhängig, daß er zur Tatzeit unter
akuten körperlichen Entzugserscheinungen gelitten hat. Es ist
vielmehr nicht ausgeschlossen, daß die Angst des
Täters vor Entzugserscheinungen, die er schon als
äußerst unangenehm ("grausamst") erlebt hat und als
nahe bevorstehend einschätzt, sein Hemmungsvermögen
erheblich beeinträchtigt. Dies hat die Rechtsprechung
für Fälle der Abhängigkeit von Heroin
wiederholt angenommen (vgl. nur BGH StV 1997, 517; NStZ 2001, 83
jeweils m.w.N.). Ob eine entsprechende Beeinträchtigung der
Steuerungsfähigkeit erheblich ist, ist eine Rechtsfrage, die
der Tatrichter in eigener Verantwortung zu entscheiden hat (BGH NStZ
1997, 485; NStZ 2001, 83).
Dies hat das Landgericht bedacht. Es geht von einer herabgesetzten
Hemmschwelle aus, der es aber nicht das Maß einer erheblichen
Verminderung im Sinne des § 21 StGB beilegt. Dabei stellt es
mit dem Sachverständigen darauf ab, daß es zu keiner
massiven drogenbedingten Depravation des
Persönlichkeitsgefüges gekommen war, ein
körperlicher Abbau und Entgleisungen des Drogenkonsums mit
behandlungsbedürftiger Überdosierung nicht
aufgetreten und auch die sozialen Strukturen des Angeklagten erhalten
geblieben waren. Es sei ihm problemlos gelungen, während
längerer Auslandsaufenthalte keine Drogen einzunehmen. Damit
stellt es ersichtlich auf die Feststellung ab, daß der
Angeklagte früher Haschisch konsumierte, seit 1995/96 auch
Ecstasy und später Heroin und Kokain. Während seines
Militärdienstes in Jugoslawien und eines Aufenthaltes in
Griechenland vom Sommer 1996 bis Anfang 1998 konsumierte er keine
Drogen. Im Sommer 1998, also während der ersten Tatphase,
benötigte er täglich etwa 2 bis 2,5 g
"Straßenheroin", das er sich injizierte. Zusätzlich
nahm er Codeinsaft und Rohypnol bzw. Flunitrazepam, um dann von Ende
August 1998 bis Juni 1999 während eines erneuten
Auslandsaufenthaltes in Serbien wiederum keine Drogen zu sich zu
nehmen. Nach seiner Rückkehr, also in der zweiten Tatphase,
konsumierte er jedoch sofort wieder Rauschgift, wobei es zu einer
Verschiebung des Schwerpunktes von Heroin zu Kokain kam (UA S. 2/3).
Das Landgericht hat mit dem Sachverständigen ausgeschlossen,
daß die Taten im Zustand schwerer Intoxikation oder starker
Entzugserscheinungen oder aus Angst vor eben solchen begangen worden
sein könnten. Dabei hat es vornehmlich auf das vorgeplante
Tatgeschehen mit durchdachter Tatausführung abgehoben. Auch
die Tankstellenüberfälle seien vorbereitet und
kontrolliert durchgeführt worden. Der Angeklagte und sein
Mittäter hätten sich teilweise stundenlang Zeit
gelassen, um einen günstigen Zeitpunkt für den
Überfall abzuwarten; er sei überdies in der Lage
gewesen, ein Fahrzeug sicher zu führen. So sei vor dem
Überfall auf das Lottogeschäft eine zunächst
vorbereitete Aktion gegen ein anderes Geschäft aufgrund
aktueller Gefahreinschätzung umsichtig und
risikobewußt abgebrochen und ein neues Tatziel ins Auge
gefaßt worden. Die Tat sei durch vorheriges Deponieren von
Wechselkleidung vorbereitet und abgesichert worden.
Unter diesen Umständen ist es aus Rechtsgründen nicht
zu beanstanden, daß der Tatrichter unter Darstellung der
maßgeblichen Anknüpfungstatsachen
sachverständig beraten zu dem Ergebnis gelangt ist, die
Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens des
Angeklagten sei nicht im Sinne des § 21 StGB erheblich
gewesen. Daran ändert auch nichts, daß der
Angeklagte und sein Mittäter in den Fällen 2 und 3
vor den Taten bemerkt hatten, daß ihr Drogenvorrat zu Ende
ging und daß sie im Falle 4 "erste Entzugserscheinungen"
verspürten. Im Blick auf die im übrigen zur
Drogenkarriere des Angeklagten getroffenen Feststellungen war der
Tatrichter deshalb noch nicht gezwungen, eine erhebliche Verminderung
der Steuerungsfähigkeit anzunehmen.
Schäfer Nack Wahl
Schluckebier Schaal |