BGH,
Urt. v. 7.12.2005 - 1 StR 287/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 287/05
vom 7.12.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
7.12.2005, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl,
Dr. Kolz, die Richterin am Bundesgerichtshof Elf, der Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Graf, Bundesanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Konstanz vom 30. März 2005 im Strafausspruch in
den Fällen II.1. und II.3. sowie im Gesamtstrafenausspruch mit
den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der
Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des
Landgerichts Freiburg zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
Vergewaltigung, wegen sexueller Nötigung sowie wegen
vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung
der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Des
Weiteren hat das Landgericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis
entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist
für die Wiedererteilung einer neuen Fahrerlaubnis
ausgesprochen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf
die Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.1. und
II.3. und den Gesamtstrafenausspruch beschränkten Revision
greift die Staatsanwaltschaft mit der Sachbeschwerde die Bemessung der
Freiheitsstrafen an. Sie wendet sich dabei gegen die jeweils mit einem
Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB
begründete Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1
StGB. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
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I. Das Landgericht hat unter anderem folgende Feststellungen getroffen:
1. (Fall II.1.): Am 9. März 2003 saß der Angeklagte
als Beifahrer in dem von C. gesteuerten Pkw - auf der Rückbank
saß die zur Tatzeit 15 Jahre alte G. , als dieser den Wagen
auf dem Hinterhof eines Autohauses in V. parkte. Nachdem C. das
Fahrzeug in der Absicht verlassen hatte, sich in einem nahe gelegenen
Fastfood-Restaurant etwas zum Essen zu kaufen, stieg der Angeklagte vom
Beifahrersitz auf die Rückbank zu der Geschädigten G.
. Er verriegelte den Pkw von innen, legte sodann seinen Arm um G. und
griff ihr entgegen deren körperlichen Widerstand über
der Kleidung an die Brust und ebenfalls über der Kleidung
zwischen die Beine in Richtung Geschlechtsteil. Er versuchte sodann,
der Geschädigten G. die Hose zu öffnen, um weitere
sexuelle Handlungen an ihrem Geschlechtsteil vorzunehmen. Jedoch gelang
es dieser, dem Angeklagten einen Ellenbogen ins Gesicht zu schlagen,
worauf er kurz von ihr abließ. Die Geschädigte G.
nutzte diese Gelegenheit, um das Fahrzeug zu öffnen und zu
entfliehen. 2. (Fall II. 3.): Am selben Abend des 8. Juni 2004 fuhr der
Angeklagte in einem Pkw Opel in S. umher und bemerkte die zur Tatzeit
17 Jahre neun Monate alte Geschädigte F. , die zusammen mit
ihrem Bekannten St. zu Fuß unterwegs war. Er sprach die
beiden, ihm bis dahin unbekannten Personen, an. Er fragte sie dann, ob
sie "ein paar Stadtrunden" mit ihm drehen würden, worauf diese
in den Pkw einstiegen. Nachdem man an einer Tankstelle Bier eingekauft
hatte, parkte der Angeklagte das Fahrzeug auf dem Parkplatz eines
Lebensmittelmarktes. Als der Bekannte der Geschädigten F. das
Fahrzeug verlassen hatte, um in der Nähe Kaugummi
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zu kaufen, fuhr der Angeklagte mit dem Fahrzeug und der
Geschädigten weg unter dem Vorwand, mit ihr "reden zu wollen".
Er hielt in der Folge auf einem anderen Parkplatz an, fasste der
Geschädigten an den Schenkel und kurbelte sodann den
Beifahrersitz des Fahrzeugs, auf dem die Geschädigte Platz
genommen hatte, nach hinten. Mit einer Hand hielt er beide
Hände der Geschädigten über deren Kopf fest
und schob dann gegen ihren Widerstand den Stoffrock nach oben, dann zog
er den Slip der Geschädigten aus und führte den
ungeschützten Geschlechtsverkehr bis kurz vor dem Samenerguss
durch. Bei diesem Geschehen weinte die Geschädigte und bat den
Angeklagten aufzuhören. Dies hielt ihn jedoch nicht ab. Kurz
vor dem Samenerguss zog er sein Glied aus der Scheide und ejakulierte
auf den Unterleib und den Rock. In der Folge brachte er die
Geschädigte zu dem Parkplatz zurück, auf welchem der
Bekannte St. wartete. 3. Zur Anwendung des § 46a StGB in
beiden vorgenannten Fällen hat die Strafkammer folgendes
ausgeführt: Vor der Hauptverhandlung hat die Kammer auf
Anregung des Verteidigers des Angeklagten mit diesem und der
Staatsanwaltschaft ein Gespräch geführt, "wie alle
Beteiligten die Sachlage vorläufig einordneten". Die Kammer
teilte hierbei allen Beteiligten mit, "dass, für den Fall,
dass ein umfassendes Geständnis des Angeklagten in Bezug auf
alle drei Anklagepunkte erfolge und sich in der Hauptverhandlung
ergäbe, dass die Voraussetzungen eines
Täter-Opfer-Ausgleiches vorliegen," … "durchaus
noch die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren in Betracht komme". Nachdem die Staatsanwaltschaft bei diesem
Gespräch zunächst keine Entscheidung über
ihr Einverständnis mit einem solchen Procedere getroffen
hatte, teilte sie in der Hauptverhandlung noch vor Vernehmung des
Angeklagten zur Person und zur Sache mit, dass sie mit einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren oder darunter
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nicht einverstanden sei. Des Weiteren hat der Verteidiger in der
Hauptverhandlung mitgeteilt, dass der Angeklagte an ihn zu Gunsten der
Geschädigten G. 2.500 € sowie zu Gunsten der
Geschädigten F. 4.000 € überwiesen habe,
verbunden mit dem Auftrag zur Weiterleitung der Geldbeträge an
die Geschädigten. Allerdings seien diese
Überweisungen aus seinem, des Verteidigers Verschulden,
bislang versäumt worden; sie würden jedoch nun
unverzüglich vorgenommen werden. Der Angeklagte legte in der
Hauptverhandlung mittels einer vom Verteidiger verlesenen
Erklärung ein Geständnis zu den ihm vorgeworfenen
Taten ab und teilte mit, dass er die Taten bereue. Von einer
schriftlichen Entschuldigung vor der Hauptverhandlung habe er auf
Anraten seines Anwaltes abgesehen, weil dieser befürchtet
habe, dass die Geschädigten bei Erhalt eines
Entschuldigungsbriefes erneut leiden müssten.
Äußerungen der beiden Geschädigten hierzu
und deren Auffassung über eine Wiedergutmachung - entweder
direkt oder über Bezugspersonen eingeholt - finden sich in den
Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht. II. Die Revision
der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die Bejahung der
Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs des hier in erster
Linie in Betracht kommenden § 46a Nr. 1 StGB durch das
Landgericht begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. 1.
§ 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter im
Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat
"ganz oder zum überwiegenden Teil" wieder gutgemacht hat,
wobei es aber auch ausreichend sein kann, dass der Täter
dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt dies grundsätzlich
ein Bemühen des Täters um einen
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kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der
auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die
Straftat verursachten Folgen angelegt sein muss. Das einseitige
Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers
genügt dazu nicht (BGH NStZ 1995, 492; NJW 2001, 2557; NStZ
2002, 29; BGH, Urt. vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02). Wenngleich ein
"Wiedergutmachungserfolg" nicht zwingende Voraussetzung ist, so muss
sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich
bereit finden und sich auf ihn einlassen. Dabei reicht aber allein die
Erfüllung von Schadensersatzansprüchen nicht aus;
insbesondere kann dadurch nicht das Erfordernis eines kommunikativen
Prozesses zwischen Täter und Opfer ersetzt werden. Aus der
Sicht des Opfers ist es für die verlangte Kommunikation
unabdingbar, dass es in den Dialog mit dem Täter über
die zur Wiedergutmachung erforderlichen Leistungen einbezogen wird. Ein
erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des §
46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, dass das Opfer die
Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich
akzeptiert (BGH, Urt. vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02 -, NStZ 2002, 646;
Urt. vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02). Dies ergibt sich schon
daraus, dass überhaupt nur angemessene und nachhaltige
Leistungen die erlittenen Schädigungen ausgleichen und zu
einer Genugtuung für das Opfer führen
können. Lässt sich das Tatopfer - etwa weil das
Delikt oder Art und Umfang der Schädigungen ihm einen
Ausgleich unmöglich machen - auf einen kommunikativen Prozess
nicht ein, so ist das Verfahren für die Durchführung
eines Täter-Opfer-Ausgleichs nicht geeignet (vgl. BTDrucks.
14/1928 S. 8; BGH aaO). In gleicher Weise fehlt es an einem
kommunikativen Prozess und damit an den Voraussetzungen eines
Täter-Opfer-Ausgleichs, wenn das Opfer überhaupt
nicht - sei es persönlich oder durch einen Vertreter bzw.
Vermittler - beteiligt ist. Dass dem Opfer eine solche Beteiligung
möglich gemacht wird, liegt nach der Intention der gesetzli-
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chen Regelung im Wesentlichen im Verantwortungsbereich des
Täters, das heißt, seine Bemühungen
müssen naturgemäß zumindest den Versuch der
Einbeziehung des Opfers in den kommunikativen Prozess enthalten.
Regelmäßig sind daher tatrichterliche Feststellungen
dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des
Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer
etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen
diese Verpflichtung für den Täter haben wird (BGH
NStZ 2002, 29; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2002 - 1 StR 500/01).
Darüber hinaus kann der Tatrichter nur dann die Angemessenheit
einer etwaigen Schmerzensgeldverpflichtung beurteilen, wenn er
ausreichende Feststellungen dazu trifft, welche Schäden das
Opfer durch die Tat erlitten hat und gegebenenfalls welche Folgen
fortbestehen. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung
der weiteren Umstände hat der Tatrichter in "wertender
Betrachtung" und schließlich nach Ermessensgesichtspunkten zu
entscheiden, ob er die Voraussetzungen des
Täter-Opfer-Ausgleichs annimmt und danach von der so
eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch macht. 2.
Das Landgericht hat diese Maßstäbe nicht ausreichend
beachtet. Die Urteilsgründe belegen die Voraussetzungen eines
erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs nicht. a) Schon ein
ernsthaftes, auf einen Ausgleich mit der Geschädigten
gerichtetes Bemühen des Angeklagten nach § 46a Nr. 1
StGB ist den Urteilsgründen nicht sicher zu entnehmen. Die
Strafkammer hat bei der Unterredung mit Staatsanwaltschaft und
Verteidigung vor der Hauptverhandlung bereits auf einen
Täter-Opfer-Ausgleich hingewirkt. Dennoch hat der Angeklagte
keine Bemühungen entfaltet, um entweder direkt oder
über vermittelnde Dritte, gegebenenfalls auch seinen
Verteidiger, mit dem Opfer in Kontakt zu treten und einen
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Ausgleich zu versuchen. Hierbei kann ihn seine Erklärung nicht
entlasten, er habe auf Anraten seines Verteidigers von einer
schriftlichen Entschuldigung abgesehen; denn die behauptete
Befürchtung, die Opfer müssten bei Erhalt des Briefes
"erneut leiden", müsste in allen Fällen von
Sexualdelikten gelten und würde damit einen
Täter-Opfer-Ausgleich bei solchen Taten grundsätzlich
ausschließen. Spätestens im zeitlichen Zusammenhang
mit dem Beginn der Hauptverhandlung, zu welcher die
Geschädigten zunächst geladen waren und diese sich
damit ohnehin gedanklich mit dem jeweiligen Geschehen auseinandersetzen
mussten, wäre eine Kontaktaufnahme in der beschriebenen Form
erforderlich und möglich gewesen. Allein die
Erklärung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, dass er die
Taten bereue und sich bei den Geschädigten entschuldigen
wolle, reicht nicht hin, zumal diese nicht bei dieser
Erklärung anwesend waren. b) Auch genügen die vom
Verteidiger zugesagten Zahlungen von Schmerzensgeld in Höhe
von 2.500 € zugunsten der Geschädigten G. bzw. von
4.000 € zugunsten der Geschädigten F. den
Anforderungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht. Die
Urteilsgründe teilen lediglich mit, der Angeklagte habe diese
Beträge als Schmerzensgeld zur Verfügung gestellt und
der Verteidiger habe zugesagt, sie den Geschädigten zu
übermitteln. Wie der Angeklagte das Geld aufgebracht hat und
ob diese Zahlungen tatsächlich seinen finanziellen
Möglichkeiten entsprechen, hat die Strafkammer ebenso wenig
dargelegt wie die für die Angemessenheit der Zahlungen
eventuell verbliebenen Tatfolgen sowie die für die Beurteilung
der Genugtuungsfunktion als wesentlich anzusehende Akzeptanz durch die
Tatopfer. c) Schließlich ergibt sich aus den
Urteilsgründen kein Anhalt dafür, dass die
Geschädigten den Täter-Opfer-Ausgleich "ernsthaft
mitgetragen" und diesen als friedensstiftende Konfliktregelung
"innerlich akzeptiert" haben. Vielmehr
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können die Zahlungen an die Geschädigten ohne jede
vorherige Einbeziehung in einen kommunikativen Prozess allein zur
Vermeidung einer längeren Freiheitsstrafe für den
Angeklagten erbracht erscheinen, was für einen
Täter-Opfer-Ausgleich nicht genügen würde.
3. Der Senat hat mit Blick auf UA S. 7 von der Möglichkeit
gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 I. Halbs. StPO
Gebrauch gemacht und die Sache an das Landgericht Freiburg verwiesen
(vgl. hierzu auch KK-StPO Kuckein § 354 Rdn. 37). Nack Wahl
Kolz Elf Graf |