BGH,
Urt. v. 7.12.2005 - 1 StR 391/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 391/05
vom 7.12.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
7.12.2005, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wahl,
Dr. Kolz, die Richterin am Bundesgerichtshof Elf, der Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Graf, Bundesanwalt - in der Verhandlung -,
Bundesanwalt - in der Verkündung - als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, der Angeklagte
persönlich, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
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Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das
Urteil des Landgerichts Regensburg vom 11. März 2005 werden
verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem
Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt
die Staatskasse. Von Rechts wegen Gründe: I. Durch Urteil des
Landgerichts vom 18. Februar 2002 war der Angeklagte, ein Arzt, wegen
zahlreicher Verstöße gegen das Transfusionsgesetz
(TFG) sowie wegen fahrlässiger Tötung einer Patientin
zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von
einem Jahr verurteilt worden. Auf seine Revision hatte der Senat das
Verfahren wegen der Verstöße gegen das TFG
gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig
eingestellt und die weiter gehende Revision des Angeklagten verworfen.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hatte der Senat das genannte
Urteil unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum
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ren Tatgeschehen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen
fahrlässiger Tötung verurteilt worden war (Urteil vom
26. Juni 2003 - 1 StR 269/02). Auf der Grundlage der damit bindend
gewordenen Feststellungen und der ergänzend von ihm
vorgenommenen Beweisaufnahme hat das Landgericht nunmehr festgestellt:
Bei einer vom Angeklagten in seiner Klinik in S. vorgenommenen,
medizinisch nicht gebotenen Operation, trat bei der zuvor nicht
ordnungsgemäß aufgeklärten Patientin eine
zwar seltene, aber doch voraussehbare Komplikation auf. Aus
sachwidrigen Gründen, die in jahrelangen Streitigkeiten mit
einer anderen Klinik in S. und dem Rettungsdienst des Roten Kreuzes in
S. wurzeln, sorgte der Angeklagte nicht für die schnellst- und
bestmögliche Hilfe für die Patientin, die
hätte geleistet werden können, wenn die Patientin
alsbald, etwa von dem hierfür ausgerüsteten
Rettungsdienst S. , in die andere Klinik in S. verbracht worden
wäre. Der Angeklagte hatte demgegenüber erst nach
Stunden veranlasst, dass die Patientin von einem von ihm in dem etwa 50
km von S. entfernt liegenden R. angeforderten Sanitätswagen in
eine Klinik nach R. verlegt wurde. Dass als Konsequenz dieses
Verhaltens tödliche Folgen für die Patientin
eintreten könnten, hatte der Angeklagte dabei billigend in
Kauf genommen. Tatsächlich konnte der Patientin in R. nicht
mehr geholfen werden, sodass sie dort am nächsten Morgen
verstarb. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte
nunmehr wegen Körperverletzung mit Todesfolge (Vornahme einer
medizinisch nicht gebotenen Operation nach unzulänglicher
Aufklärung) in Tateinheit mit Totschlag
(unzulängliche Rettungsbemühungen) bei Annahme eines
minder schweren Falles (§ 227 Abs. 2 StGB, § 213
StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Außerdem wurde ein Berufsverbot für die Dauer von
fünf Jahren ausge
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II. Gegen dieses Urteil richten sich die uneingeschränkt
eingelegte Revision des Angeklagten und die auf den Strafausspruch
beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Beide
Rechtsmittel, die beide auf die näher ausgeführte
Sachrüge gestützt sind, bleiben erfolglos. 1. Die
Revision des Angeklagten: Das Revisionsvorbringen erschöpft
sich im Wesentlichen darin, die Feststellungen in dem Urteil vom 18.
Februar 2002, insbesondere soweit sie aufgehoben wurden, den jetzt
getroffenen Feststellungen gegenüber zu stellen und die
jetzigen (sorgfältig und eingehend begründeten)
tatrichterlichen Feststellungen unter Zugrundelegung eigener
Erwägungen z.B. als
„unschlüssig“, „keinesfalls
ausreichend“, „unzulässig“,
„keinesfalls tragfähig“ zu bezeichnen und
zu bewerten. Weder damit noch mit ihrem sonstigen Vorbringen ist die
Möglichkeit eines den Angeklagten beschwerenden revisiblen
Rechtsfehlers aufgezeigt. Auch im Übrigen hat die auf Grund
der Sachrüge umfassende Überprüfung des
Urteils keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. All
dies hat auch der Generalbundesanwalt, ebenso wie schon in seinem
schriftlichen Antrag vom 20. September 2005 im 2. Auch die auf die
Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft
bleibt erfolglos. Soweit geltend gemacht wird, die Strafkammer
hätte strafzumessungserhebliche Erkenntnisse gewonnen, wenn
sie nicht nur den Tenor, sondern auch die von der Revision nicht
mitgeteilten Gründe eines Bescheids der Regierung von
Niederbayern zum Ruhen der Approbation des Angeklagten verlesen
hätte,
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handelt es sich der Sache nach um eine nicht den Anforderungen von
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende unzulänglich
vorgetragene Verfahrensrüge. Im Übrigen wird mit dem
gesamten Vorbringen - etwa: gegen die von der Strafkammer angenommene
langjährige „aufopferungsvolle“
ärztliche Tätigkeit des Angeklagten spreche, dass er
in nicht unerheblichem Umfang „Strafanzeigen, Eingaben,
Petitionen und Dienstaufsichtsbeschwerden“ im Zusammenhang
mit der Tätigkeit des genannten Nachbarkrankenhauses
angebracht habe; von Rechts wegen hätte die Strafkammer nur
berücksichtigen dürfen, dass er seinen Beruf bis zur
Tat „lege artis“ ausgeübt habe; - oder: es
hätten z. B. das Alter des (1938 geborenen) Angeklagten, die
Dauer des Verfahrens und die sozialen Folgen der Verurteilung
einschließlich des Berufsverbots entweder gar nicht oder
jedenfalls nur in einem geringeren Maße als geschehen
berücksichtigt werden dürfen, weder die
Möglichkeit eines Rechtsfehlers bei der Strafrahmenwahl, noch
bei der Strafzumessung im Übrigen verdeutlicht. Die
ergänzenden Erwägungen des Generalbundesanwalts
führen zu keinem anderen Ergebnis: Die Strafkammer
erwägt, dass dem Angeklagten „ein hohes
Maß“ an Pflichtwidrigkeit zur Last liegt. Der Senat
teilt nicht die Besorgnis, sie könne wegen dieser
sachgerechten Zusammenfassung bei der Strafzumessung die von ihr im
Einzelnen festgestellten und minutiös aufgeführten
Pflichtverletzungen des Angeklagten außer Betracht gelassen
haben. Die Strafkammer hat die (nahe liegenden) Feststellungen
getroffen,
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- dass der Angeklagte ursprünglich in
„Heilungsabsicht“ gehandelt hat und - dass er im
späteren Verlauf im Hinblick auf für ihn vorrangige
Gesichtspunkte den Tod der Patientin zwar billigend in Kauf genommen
hat, ihm diese Folge seines Handelns als solche aber gleichwohl
unerwünscht war. Unter diesen Umständen vermag der
Senat schließlich auch nicht zu erkennen, warum es ein
Rechtsfehler sein könnte, dass die Strafkammer nicht
ausdrücklich erwogen hat, „dass das Opfer
für das Verhalten des Angeklagten nicht den geringsten Anlass
gab“. Auch im Übrigen hat die Strafkammer die
Grenzen tatrichterlicher Strafzumessung eingehalten. Nack Wahl Kolz Elf
Graf |