BGH,
Urt. v. 7.2.2006 - 1 StR 384/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 384/05
vom 7.2.2006
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
7.02.2006, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Wahl als Vorsitzender und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz,
Hebenstreit, die Richterin am Bundesgerichtshof Elf, der Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Graf, Staatsanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
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Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Regensburg vom 25. April 2005 wird verworfen. Die Kosten des
Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Von
Rechts wegen Gründe: Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, jeweils in
Tateinheit mit der Begehung exhibitionistischer Handlungen, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. 1
Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision wendet sich
die Staatsanwaltschaft dagegen, dass der Tatrichter keine Anordnung der
Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach
§ 63 StGB oder zumindest in einer Entziehungsanstalt nach
§ 64 StGB getroffen hat. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
2 I.
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Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: 3 Nachdem er
jeweils ein bis zwei Halbe Bier getrunken hatte, fuhr der Angeklagte am
14. und 15. Juli 2004 mit einem Damen-Fahrrad im Stadtgebiet von R.
umher, um sich bei passender Gelegenheit im Vorbeifahren und in einem
Abstand von ein bis zwei Metern vor Kindern zu
entblößen. Am 14. Juli 2004 gegen 18.00 Uhr hielt er
für zwei zwölfjährige Mädchen bei
geöffneter Hose deutlich sichtbar seinen Penis in der Hand. Er
wiederholte diese Handlung am 15. Juli 2004 um die Mittagszeit
gegenüber drei sieben und acht Jahre alten Mädchen
sowie nochmals an diesem Tag um 13.35 Uhr gegenüber einem
neunjährigen Mädchen. In keinem der Fälle
versuchte er, die Kinder anzusprechen oder anzufassen. Dem Angeklagten
kam es jeweils nur darauf an, dass die Kinder sein
entblößtes Geschlechtsteil wahrnehmen, um zu sehen,
wie sie hierauf reagieren, und um sich sexuell zu erregen. 4 In dem
Zeitraum von 1998 bis zu der Begehung der vorgenannten Taten ist der
Angeklagte neben zwei Verkehrsstraftaten wegen mehrerer Fälle
der Beleidigung sowie Bedrohung, des Erschleichens von Leistungen, des
Computerbetrugs und mehrfachen Diebstahls sowie wegen
Körperverletzung und versuchter gefährlicher
Körperverletzung verurteilt worden. Hinsichtlich des
Computerbetrugs, der Diebstahls- und Körperverletzungstaten
wurde unter Einbeziehung einer anderen Vorstrafe eine
nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr einem Monat
ausgesprochen, welche der Angeklagte auch vollständig
verbüßte; die anderen Taten wurden jeweils mit
Geldstrafen zwischen 30 und 80 Tagessätzen bzw. einem Monat
Freiheitsstrafe geahndet. 5 Außerdem wurde der Angeklagte am
29. Januar 2004 durch das Amtsgericht Regensburg wegen Erregung
öffentlichen Ärgernisses zu einer Geldstrafe von 30
Tagessätzen zu je zehn Euro Geldstrafe verurteilt. Dem lag 6
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zugrunde, dass er am 29. Dezember 2003 an einem zum Hofbereich
gelegenen Fenster eines Hotelzimmers in R. stehend und unbekleidet an
seinem Glied manipulierte, was durch eine Passantin auf dem Weg zu
ihrer Arbeitsstelle wahrgenommen wurde und wodurch sich diese
belästigt fühlte. II. Die Revision der
Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg, weil nach den Feststellungen,
welche der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, beim Angeklagten
zwar ein hohes Rückfallrisiko für exhibitionistische
Handlungen besteht; jedoch rechtfertigen in Anbetracht der Schwere des
Eingriffs in die persönliche Freiheit nur schwere
Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in den Bereich der
mittleren Kriminalität hineinragen, eine Unterbringung
gemäß § 63 StGB (BVerfGE 70, 297, 312; BGH
NStZ 1995, 228 m. w. N.). Die Taten des Angeklagten sind zwar
keinesfalls hinzunehmen, jedoch handelt es sich in deren konkreter
Begehungsform auch nicht um solche, die in den Bereich der mittleren
Kriminalität reichen (vgl. ausführlich BGH aaO zu
einem gleichartigen Sachverhalt). Auch die zahlreichen Vorstrafen
ändern hieran nichts, zumal hiervon nur eine am 29. Dezember
2003 begangene Tat einschlägig ist, welche als Erregung
öffentlichen Ärgernisses mit 30 Tagessätzen
zu je 10 Euro Geldstrafe geahndet wurde. Die Revision der
Staatsanwaltschaft erschöpft sich in dem Versuch, die vom
Tatrichter zutreffend vorgenommene Bewertung der Taten durch eigene zu
ersetzen, indem sie eine vom Angeklagten im August 2001 begangene
Körperverletzung anders gewichtet. Da die
sachverständig beratene Strafkammer jedoch insoweit kein
Rückfallrisiko für schwerere Straftaten feststellen
konnte, kann sich hierauf auch keine Unterbringungsanordnung
stützen. 7
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Schließlich rechtfertigt sich auch aus der Höhe der
vom Landgericht gegen den Angeklagten ausgesprochenen
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten allein keine
Unterbringungsanordnung. Die Strafzumessung wird unabhängig
vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 63 StGB durch das
Vorhandensein zahlreicher, auch nicht einschlägiger Vorstrafen
mitbestimmt, ohne dass aus der konkreten Strafhöhe darauf
geschlossen werden kann, dass der Tatrichter den Anlasstaten ein so
erhebliches Gewicht beigemessen hätte, dass daraus zwingend
eine Anordnung nach § 63 StGB in Zusammenhang mit der
vorhandenen Wiederholungsgefahr erfolgen müsste. 8 Soweit die
Staatsanwaltschaft mit der Revision zumindest die Anordnung der
Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach
§ 64 StGB erreichen möchte, bleibt das Rechtsmittel
ebenfalls ohne Erfolg, nachdem eine zurückliegende
Alkoholtherapie an der fehlenden Therapiebereitschaft des Angeklagten
gescheitert (UA S. 34) und deswegen mit Beschluss der
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg vom 19. Oktober
2004 von einem Widerruf der Aussetzung der Unterbringungsanordnung
abgesehen worden ist (UA S. 12). Auch unter Berücksichtigung
des Revisionsvorbringens deutet nichts darauf hin, dass sich
zwischenzeitlich die Einstellung des Angeklagten geändert
hätte (vgl. § 64 Abs. 2 StGB). Im Übrigen
hat die 9
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Revisionsführerin, obgleich sie die mangelnde
Überprüfung der Therapiebereitschaft durch die
Strafkammer beanstandet, keine entsprechende
Aufklärungsrüge erhoben. Wahl Kolz Hebenstreit Elf
Graf |