BGH,
Urt. v. 7.6.2000 - 2 StR 135/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 135/00
vom
7. Juni 2000
in der Strafsache gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Juni
2000, an der teilgenommen haben: Vizepräsident des
Bundesgerichtshofs Dr. Jähnke als Vorsitzender, die Richter am
Bundesgerichtshof Detter, Dr. Bode, die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten, der Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß als
beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger, der Angeklagte in Person,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. November 1999, soweit es den
Angeklagten G. betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten und den insoweit
rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten L. wegen
Freiheitsberaubung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren (Einzelstrafen: Geldstrafe von 60
Tagessätzen sowie Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf
Monaten) verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur
Bewährung ausgesetzt. Gegen diese Entscheidung richtet sich
die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der
Staatsanwaltschaft, die der Generalbundesanwalt vertritt.
I.
Nach den Feststellungen sollte der Zeuge W. , der sich von der
Schwester des Mitangeklagten L. im Streit getrennt hatte, eine
"Abreibung" bekommen. Da sich L. und sein Bruder dem
körperlich überlegenen Zeugen nicht gewachsen
fühlten, überredeten sie den Angeklagten, ihnen dabei
zu helfen. Am 11. Mai 1998 gegen 0.30 Uhr fuhren dann die
Gebrüder L. , die einen Elektroschocker, eine Gaspistole und
eine Videokamera mit sich führten, mit dem Angeklagten zur
Wohnung der Freundin des W. , den sie dort zufällig am
Hauseingang trafen. Auf ihre Aufforderung ging er, der ahnte,
daß eine tätliche Auseinandersetzung bevorstand, zum
Auto mit. In dieses wurde er dann gegen seinen Willen gezerrt und in
eine einsame Gegend verbracht. Unterwegs gelang es ihm zwar
zunächst zu fliehen, der Angeklagte und die Gebrüder
L. holten ihn aber wieder ein und zerrten ihn erneut ins Auto. Am Ziel
wurde er dann mit Fäusten und mit herumliegenden
Ästen geschlagen, auf ihn wurde auch mit
Füßen eingetreten. Er mußte sich
vollständig ausziehen, wurde anschließend mit Bier
überschüttet und mit dem Elektroschocker
mißhandelt. Der Zeuge erlitt Schürfwunden und
Prellungen am gesamten Körper und verlor zwei
Schneidezähne. In diesem Zustand wurde er dann
zurückgelassen und später von einer Polizeistreife
aufgegriffen und in ein Krankenhaus verbracht.
Nach Ansicht des Landgerichts konnte beim Angeklagten, der bereits um
die Mittagszeit des 10. Mai 1998 begonnen hatte, Alkohol zu trinken,
nicht ausgeschlossen werden, daß "die Einsichts- und
Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit vermindert war (§ 21
StGB)", da bei ihm zu Beginn der Tat eine Blutalkoholkonzentration von
maximal 3 %o und mindestens 0,8 %o vorgelegen habe. Es hat deshalb bei
der Strafzumessung von der Milderungsmöglichkeit der
§§ 21, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht.
Vor allem dagegen und gegen die Aussetzung der verhängten
Strafe zur Bewährung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit
ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Die vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1
i.V.m. § 21 StGB ist rechtsfehlerhaft. Eine
Strafrahmenverschiebung scheidet schon deshalb aus, weil der Angeklagte
zum Zeitpunkt des Tatentschlusses noch voll schuldfähig war.
Nach den Feststellungen hatte er seine Beteiligung an der "geplanten
Prügelei" bereits am Mittag des 10. Mai 1998 zugesagt (UA S.
8/9). Zu diesem Zeitpunkt hatte er nur 2 Bier a 0,5 l getrunken und
stand nicht erheblich unter Alkoholeinfluß. Den
größten Teil des Alkohols, den das Landgericht der
Berechnung der Blutalkoholkonzentration zugrundelegte, hat er erst ab
dem "frühen Abend" zu sich genommen (UA S. 11). Bereits am
Mittag war aber das gegen den Zeugen W. beabsichtigte Vorgehen so genau
geplant, daß der Tatentschluß des Angeklagten alle
Merkmale der später verwirklichten Taten umfaßte und
nicht nur eine allgemeine Tatbereitschaft vorlag (vgl. dazu BGH StGB
§ 21 Strafrahmenverschiebung 22 und 28; Beschluß des
Senats vom 30. November 1988 - 2 StR 401/88 = NStE Nr. 24 zu §
20 StGB). Bei dieser Sachlage mußte die Strafkammer davon
ausgehen, daß die möglicherweise zur Tatzeit
gegebene Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nach
den Grundsätzen der actio libera in causa ohne Bedeutung war
(vgl. dazu BGHSt 34, 29, 33). Die Entscheidung des 4. Strafsenats des
Bundesgerichtshofes (BGHSt 42, 235 ff.) betrifft nur Vergehen der
Straßenverkehrsgefährdung und des Fahrens ohne
Fahrerlaubnis. Jedenfalls eine weitergehende Einschränkung des
Anwendungsbereichs der Grundsätze der actio libera in causa
ist nicht anzuerkennen (vgl. BGHR StGB § 20 actio libera in
causa 2; BGH NStZ 1999, 448, 449; BGH, Urteil vom 8. Februar 2000 - 5
StR 421/99; vgl auch Beschluß des 4. Strafsenats vom 15.
April 1999 - 4 StR 93/99 - insoweit nicht in BGH NStZ 1999, 501 f.
abgedruckt).
Der Strafausspruch kann deshalb keinen Bestand haben. Da die
Feststellungen von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt
werden, können diese bestehen bleiben.
Falls die neu erkennende Strafkammer wiederum auf Freiheitsstrafe und
Geldstrafe erkennen sollte, wird sie die Höhe des Tagessatzes
der Geldstrafe zu bestimmen (BGHSt 30, 93, 96; BGHR StGB § 54
Abs. 3 Tagessatzhöhe 1) und möglicherweise §
53 Abs. 2 Satz 2 StGB (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2
Einbeziehung, nachteilige 1-5; BGH NJW 1999, 3132, 3133) zu
erörtern haben.
Jähnke Detter Bode
Otten Rothfuß |