BGH,
Urt. v. 7.5.2009 - 3 StR 122/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 122/09
vom
7. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Mai
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
der Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Krefeld vom 20. Oktober 2008 im Strafausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer
räuberischer Erpressung in Tateinheit mit
fahrlässiger Körperverletzung für schuldig
befunden, für diese Tat eine Freiheitsstrafe von drei Jahren
festgesetzt und ihn unter Einbeziehung der Einzelstrafen (dreimal sechs
Jahre und zweimal drei Jahre Freiheitsstrafe) aus dem Urteil des
Landgerichts Köln vom 22. Februar 2008 (rechtskräftig
seit dem 10. September 2008) unter Auflösung der dort
gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu
Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den
"Rechtsfolgenausspruch" beschränkten Revision, die vom
Generalbundesanwalt vertreten wird. Sie rügt die Verletzung
materiellen Rechts.
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Das Rechtsmittel hat Erfolg.
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1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist rechtswirksam auf den
Strafausspruch beschränkt. Das Rechtsmittel erfasst deshalb
nicht die im angefochtenen Urteil unterbliebene Erörterung der
Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung, obwohl unter
Berücksichtigung der einbezogenen Strafen und der ihnen
zugrunde liegenden Taten die formellen Voraussetzungen des §
66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB erfüllt waren (vgl. BGH NStZ
2002, 536, 537; 2007, 212; Rissing-van Saan/Peglau in LK 12. Aufl.
§ 66 Rdn. 84 und 107). Die Nichtanordnung der
Sicherungsverwahrung ist vielmehr vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
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a) Zwar hat die Staatsanwaltschaft eingangs ihrer
Revisionsbegründungsschrift eine Beschränkung auf den
"Rechtsfolgenausspruch" erklärt und am Ende ihrer
Ausführungen als Ziel ihres Rechtsmittels die Aufhebung des
Urteils im "Rechtsfolgenausspruch" und die Zurückverweisung
der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung
über die "Rechtsfolgen" benannt. Mit diesem den gesamten
Rechtsfolgenausspruch umfassenden Revisionsantrag steht jedoch der
übrige Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht
in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin
das Urteil nur deshalb für fehlerhaft hält, weil das
Landgericht der Bemessung der Einzelstrafe zu Unrecht den Strafrahmen
des minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB zugrunde
gelegt und sowohl die Einzel als auch die Gesamtfreiheitsstrafe
unangemessen milde bemessen habe. Dass das Landgericht, wie der
Generalbundesanwalt meint, es auch rechtsfehlerhaft unterlassen habe,
die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in der
Sicherungsverwahrung zu prüfen, beanstandet die
Beschwerdeführerin in ihrer Revisionsbegründung nicht.
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Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der
Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach
ständiger Rechtsprechung das An-
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griffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGHR
StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; BGH NStZ-RR 2004, 118; Hanack in
Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 10). Nach
dem insoweit maßgeblichen und hier eindeutigen Sinn der
Revisionsbegründung ist deshalb allein der Strafausspruch
angefochten und die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung vom
Rechtsmittelangriff ausgenommen. Der Senat bemerkt jedoch, dass, zumal
bei einer Revision der Staatsanwaltschaft, der Revisionsantrag
deckungsgleich mit dem Inhalt der Revisionsbegründung sein
sollte. Das Revisionsverfahren wird unnötig belastet, wenn der
Umfang der Anfechtung erst durch Auslegung ermittelt werden muss (vgl.
BGH NStZ-RR 2004, 118; Nr. 156 Abs. 2 RiStBV).
b) Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist
auch rechtswirksam.
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In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Aussprüche
über einzelne Rechtsfolgen selbständig angegriffen
werden können (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 244 Rdn.
12 m. w. N.). Voraussetzung ist jedoch, dass zwischen der angefochtenen
und den übrigen Rechtsfolgen keine Wechselwirkung besteht
(vgl. Kuckein aaO). So kann die Staatsanwaltschaft ihre Revision etwa
wirksam auf die Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung
beschränken, wenn davon auszugehen ist, dass die
Nichtanordnung der Maßregel die Strafe nicht beeinflusst hat,
diese also nicht niedriger ausgefallen wäre, wenn auf
Sicherungsverwahrung erkannt worden wäre (vgl. BGH NStZ 2007,
212; BGH, Urt. vom 28. Mai 1998 - 4 StR 17/98). Für den hier
vorliegenden umgekehrten Fall - Beschränkung der Revision der
Staatsanwaltschaft auf den Strafausspruch unter Ausnahme der
Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung vom Rechtsmittelangriff - gilt
nichts anderes, wenn eine Wechselwirkung zwischen Strafe und
unterbliebener Maßregelanordnung auszuschließen ist.
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So verhält es sich hier. Dem Urteil sind keine Anhaltspunkte
dafür zu entnehmen, dass zwischen einer unterbliebenen
Anordnung der Sicherungsverwahrung und der vom Landgericht
festgesetzten Einzel- und Gesamtstrafe ein innerer Zusammenhang besteht
und das Landgericht im Falle einer Maßregelanordnung die
Strafen anders als geschehen bemessen hätte.
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2. Der damit der revisionsrechtlichen Überprüfung
allein unterliegende Strafausspruch hat keinen Bestand.
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a) Nach den Feststellungen des Landgerichts erschlich sich der
Angeklagte in Raubabsicht den Zutritt in das Wohnhaus der zu dieser
Zeit allein anwesenden Zeugin P. . Er bedrohte die Zeugin sogleich mit
einer geladenen Gaswaffe und zwang sie zunächst zur
Übergabe der von ihr getragenen Schmuckstücke und zur
Herausgabe von 6.000 Euro Bargeld. Da der Angeklagte aufgrund des
Hinweises seines Tippgebers davon ausging, dass im Haus noch weitere
Wertgegenstände verwahrt wurden, fesselte er die Zeugin im
Schlafzimmer des 1. Obergeschosses mit Kabelbindern an Händen
und Füßen und begann, das Haus zu durchsuchen.
Währenddessen gelang es der Zeugin, die Hand, nicht aber die
Fußfesseln zu lösen. Sie hüpfte, in der
Absicht von dort zu fliehen, auf den Balkon. Durch Hilferufe der Zeugin
aufmerksam geworden, erkannte der Angeklagte die Fluchtabsicht der
Zeugin, die bereits die Balkonbrüstung überstiegen
hatte. Es kam zu einem Handgemenge zwischen der Zeugin und dem
Angeklagten, der versuchte, die Zeugin von einer Flucht abzuhalten. In
dessen Verlauf stürzte die Zeugin vom Balkon etwa drei Meter
in die Tiefe und verletzte sich dabei schwer. Der Angeklagte hatte
diese Gefahr erkannt, jedoch darauf vertraut, dass diese sich nicht
realisiert. Ihm gelang die Flucht mit der bereits erzielten Beute.
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b) Das Landgericht hat die Tat als einen minder schweren Fall im Sinne
des § 250 Abs. 3 StGB gewertet. Dies hält rechtlicher
Prüfung nicht stand.
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Für die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall angenommen
werden kann, ist nach ständiger Rechtsprechung
maßgebend, ob das gesamte Tatbild einschließlich
aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit
vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so
sehr abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten
erscheint (vgl. BGHSt 26, 97 ff.; BGH NStZ-RR 2004, 80).
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Umstände, die geeignet sind, diesen an das Vorliegen eines
minder schweren Falles zu stellenden Anforderungen zu genügen,
zeigt das Landgericht nicht auf. Vielmehr überwiegen die
strafschärfenden Faktoren in einer Weise, dass die Annahme
eines minder schweren Falles unvertretbar ist.
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Zu Lasten des Angeklagten hat das Landgericht die bei Begehung der Tat
zum Ausdruck gekommene erhebliche kriminelle Energie des Angeklagten
berücksichtigt. Er habe die Tat umfangreich geplant, sich mit
einer geladenen Gaswaffe und mit Fesselungswerkzeug ausgestattet und
sei davon ausgegangen, Bargeld in Höhe von 100.000 bis 150.000
Euro sowie gleichwertigen Schmuck im Hause des Tatopfers erbeuten zu
können. Er sei in die Privatsphäre des Opfers
eingedrungen und habe es nicht nur bedroht sondern auch gefesselt.
Zudem seien dem Angeklagten die schweren physischen (Bruch der
Wirbelsäule, Gefahr der Querschnittslähmung,
Notoperation, fünfmonatige Metallstabilisierung, anhaltende
starke Schmerzen) und psychischen Tatfolgen zuzurechnen, die das Opfer
erlitten habe. Diese vom Landgericht zu Recht strafschärfend
herangezogenen Umstände heben jedoch schon das Tatbild
deutlich vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden
Fälle einer (besonders) schweren räuberischen
Erpressung nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m.
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§§ 253, 255 StGB ab. Hinzu kommt, dass der Angeklagte
bereits erheblich vorbestraft ist und mehrere Jahre im Strafvollzug
verbrachte. Schließlich hat die Strafkammer straferschwerend
zutreffend darauf verwiesen (vgl. BGH NStZ 2006, 343; BGHR StGB vor
§ 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 2), dass
die verfahrensgegenständliche Tat Auftakt einer Serie von
fünf weiteren Überfällen war, die der
Angeklagte jeweils unter Einsatz einer scharfen Schusswaffe auf Banken
und einen Supermarkt beging.
Dieser großen Anzahl gewichtiger
Strafschärfungsgründe hat das Landgericht lediglich
das tataufklärende Geständnis, seine - allerdings nur
eingeschränkte - Aufklärungshilfe bei Ermittlung der
Tatbeteiligten, sowie die Entschuldigung gegenüber gestellt,
die der Angeklagte gegenüber dem Tatopfer in der
Hauptverhandlung zum Ausdruck brachte.
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In Anbetracht des Gewichts und des eindeutigen Überwiegens
strafschärfender Gesichtspunkte war für die Anwendung
eines minder schweren Falles hier kein Raum. Die fehlerhafte
Strafrahmenwahl führt zur Aufhebung der Einzelstrafe und damit
einhergehend zur Aufhebung des Ausspruchs über die
Gesamtstrafe.
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3. Der Strafausspruch weist, was der Senat gemäß
§ 301 StPO zu prüfen hat, keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten auf.
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Becker Pfister Sost-Scheible
Hubert Schäfer |