BGH,
Urt. v. 7.10.2003 - 1 StR 212/03
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
StGB § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1, § 266 Abs. 2
Wird bereits durch den Abschluß eines Austauschvertrages ein
Nachteil im Sinne
einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bewirkt,
so ist ein "Vermögensverlust
großen Ausmaßes" im Sinne des Regelbeispiels
für den besonders schweren
Fall einer Untreue wie auch eines Betruges erst dann
herbeigeführt (§ 263 Abs. 3
Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 266 Abs. 2 StGB), wenn der
Geschädigte seine vertraglich
geschuldete Leistung erbracht hat.
BGH, Urt. vom 7.10.2003 - 1 StR 212/03 - LG Augsburg
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 212/03
vom
7.10.2003
in der Strafsache
gegen
- 2 -
wegen Untreue
- 3 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7.
Oktober
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 4 -
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 8. November 2002 im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird mit der
Maßgabe
verworfen, daß dieser der Untreue schuldig ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Untreue in einem besonders
schweren Fall" zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten
verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Der Angeklagte
wendet sich mit
seiner Revision gegen die Verurteilung und rügt die Verletzung
sachlichen
Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des
Strafausspruchs, bleibt im
übrigen jedoch erfolglos.
I.
- 5 -
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte Amtsrat
bei der Stadtverwaltung A. . Im Rahmen einer Nebentätigkeit
übernahm
er berufsmäßig Betreuungen. Zu den von ihm betreuten
Personen gehörte
auch die damals 85jährige, an einem hirnorganischen
Psychosyndrom leidende
C. , für die er auch die Vermögenssorge wahrnahm. Da
die Barmittel
der Betreuten nahezu aufgebraucht waren, beabsichtigte der Angeklagte
die
Veräußerung landwirtschaftlicher Flächen,
die im Eigentum der Betreuten
standen. Nachdem die zuständige Rechtspflegerin bei dem
Vormundschaftsgericht
die Genehmigung des beabsichtigten Grundstücksverkaufs in
Aussicht
gestellt hatte, überredete der Angeklagte unter Einschaltung
seines Bekannten
W. dessen damalige Lebensgefährtin D. , sich als
Strohkäuferin zur Verfügung zu stellen, um eines der
beiden in Betracht gezogenen
Grundstücke "gewinnbringend für seine eigenen Zwecke
verwenden zu
können". Mit notariellem Vertrag verkaufte der Angeklagte dann
als amtlich
bestellter Betreuer für C. - vorbehaltlich der Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts
- zwei in der Gemarkung G. liegende landwirtschaftliche
Flächen der Betreuten zum Kaufpreis von 38.000 DM an Frau
D. . Dabei handelte es sich um ein 695 qm großes
Grundstück "An der
Wellenburger Straße" sowie eine 7.560 qm große
Fläche "Am Brandweg".
Der Angeklagte wußte, daß es sich bei dem
Grundstück "An der Wellenburger
Straße" trotz seiner Ausweisung als
Landwirtschaftsfläche im Grundbuch
um hochwertiges Bauland handelte. Der Bodenrichtwert für das
fragliche
Wohngebiet südlich der Wellenburger Straße lag bei
700 DM pro qm; der tatsächliche
Wert dieses Grundstücks zum Zeitpunkt des Verkaufs belief sich
auf
347.000 DM.
- 6 -
Der Rechtspflegerin beim Vormundschaftsgericht war die Lage des
Grundstücks im Wohngebiet aufgefallen. Sie bat den Angeklagten
darauf zu
einem persönlichen Gespräch. Dieser
erläuterte ihr bewußt wahrheitswidrig, er
habe bereits mit der Stadt A. geklärt, daß die
verkauften Grundstücke wegen
Nichteinhaltbarkeit der Bebauungslinien kein Bau- oder Bauerwartungsland
seien. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben des Angeklagten
erteilte das Vormundschaftsgericht die erforderliche Genehmigung. Wenige
Tage später übergab der Angeklagte seinem Bekannten
W. in bar Geldbeträge von 29.000 DM und 9.000 DM zur
Begleichung
des Kaufpreises. Absprachegemäß zahlte dieser das
Geld noch am selben Tage
unter Nachahmung der Unterschrift von D. ohne deren Wissen auf
das Konto der betreuten C. bei einer Bank ein. Kurze Zeit danach
wies das Vermessungsamt der Stadt A. das Vormundschaftsgericht
allerdings
darauf hin, daß es sich bei dem Grundstück "An der
Wellenburger
Straße" um ein offensichtlich erheblich unter Wert verkauftes
Baugrundstück
handele. Nunmehr forderte das Vormundschaftsgericht den Angeklagten
unter
Fristsetzung auf, die Frage der Baulandqualität umgehend beim
Vermessungsamt
zu klären und gegebenenfalls den
Grundstückskaufvertrag anzufechten
und rückabzuwickeln. In der Folge dessen kam es noch vor
Eintragung von
D. als Eigentümerin im Grundbuch zur notariellen
Rückabwicklung des
Kaufvertrages hinsichtlich des Grundstücks "An der
Wellenburger Straße" gegen
eine anteilmäßige Reduzierung des Gesamtkaufpreises
um 12.000 DM.
Der Angeklagte hat bestritten, von der Baulandqualität des
nämlichen
Grundstücks gewußt zu haben. Auch hat der den
Vorwurf der Einschaltung einer
Strohkäuferin zur gewinnbringenden Verwendung des
Grundstücks "An der
Wellenburger Straße" für eigene Zwecke
zurückgewiesen. Das Landgericht hat
diese Einlassungen im Rahmen einer umfangreichen
Beweiswürdigung für wi-
7 -
derlegt erachtet und den Angeklagten der Untreue für schuldig
befunden, weil
er die ihm als Betreuer im Sinne des § 1896 BGB
eingeräumte Verfügungsbefugnis
über das Vermögen der betreuten C. zum
Abschluß eines für
diese nachteiligen Rechtsgeschäfts ausgenutzt habe (§
266 Abs. 1 Alt. 1 StGB,
sog. Mißbrauchstatbestand). Der Tatbestand sei vollendet,
weil für die Annahme
eines Vermögensnachteils wie beim Betrug der Eintritt eines
Gefährdungsschadens
ausreiche. Die schädigende Verfügung des Angeklagten
sei bereits
im Abschluß des notariellen Kaufvertrages zu sehen,
für die die vormundschaftsgerichtliche
Genehmigung schon zuvor in Aussicht gestellt gewesen sei.
Aus diesem Kaufvertrag sei nach der Genehmigung ein
Erfüllungsanspruch auf
Übertragung des Eigentums erwachsen. Diesem habe ein
Kaufpreisanspruch
gegenübergestanden, der noch nicht einmal dreieinhalb Prozent
des tatsächlichen
Grundstückswertes ausgemacht habe. Die Betreute selbst sei zur
Anfechtung
des Geschäfts wegen ihrer Erkrankung nicht in der Lage gewesen.
2. Bei der Strafzumessung hat die Strafkammer den Strafrahmen
für den
besonders schweren Fall zugrundegelegt (§ 266 Abs. 2 i.V.m.
§ 263 Abs. 3
Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB), weil hier ein "Vermögensverlust
großen Ausmaßes"
in Rede stehe. Die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert
des Grundstücks
"An der Wellenburger Straße" von 347.000 DM
übersteige den insoweit
vereinbarten Kaufpreis von 12.000 DM um 335.000 DM. Die vom Angeklagten
mit dem Abschluß des Kaufvertrages getroffene
Vermögensverfügung sei als
"Vermögensverlust großen Ausmaßes" im
Sinne des Regelbeispiels zu werten.
Der "tatsächliche Schadenseintritt" habe bereits unmittelbar
bevorgestanden
und habe von der Betreuten selbst aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr
verhindert
werden können. Der Eigentumsübergang durch Eintragung
der Frau
D. im Grundbuch sei lediglich aufgrund des zufälligen
Eingreifens des
Vermessungsamtes unterblieben.
- 8 -
II.
Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen den
Schuldspruch
richtet. Dieser ist allerdings dahin klarzustellen, daß der
Angeklagte der Untreue
(nicht der Untreue im besonders schweren Fall) schuldig ist. Die Annahme
eines besonders schweren Falles soll grundsätzlich schon aus
verfahrensrechtlichen
Gründen nicht in die Urteilsformel aufgenommen werden; sie
gehört
nicht zur "rechtlichen Bezeichnung der Tat" im Sinne des § 260
Abs. 4 Satz 1
StPO (vgl. nur BGHSt 27, 287, 289; siehe auch Meyer-Goßner
StPO 46. Aufl.
§ 260 Rdn. 25).
Die Einwände der Revision gegen die Beweiswürdigung
und die vom
Landgericht getroffenen Feststellungen sowie gegen den Schuldspruch sind
unbegründet (im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO). Dies
hat der Generalbundesanwalt
in seiner Antragsschrift vom 2. Juni 2003 zutreffend
ausgeführt. Die vom
Landgericht angenommene Vermögensgefährdung hat sich
allerdings erst
nach der Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung des
notariellen
Vertrages konkretisiert.
III.
Der Strafausspruch kann von Rechts wegen keinen Bestand haben. Das
Landgericht hat das Regelbeispiel eines "Vermögensverlustes
großen Ausmaßes"
(§ 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1
StGB) zu weit ausgelegt:
Es hat die schadensgleiche Vermögensgefährdung, die
aus dem vom Angeklagten
abgeschlossenen Verpflichtungsgeschäft zunächst
folgte, also den
bloßen Gefährdungsschaden dem
Vermögensverlust im Sinne des Regelbeispiels
gleichgesetzt. Diese rechtliche Würdigung vermag der Senat
nicht zu
teilen. Das Merkmal des Vermögensverlustes ist nach seiner
sprachlichen Be-
9 -
deutung und im Blick auf die Systematik des Gesetzes enger zu verstehen
als
das des Vermögensnachteils oder des
Vermögensschadens. Es setzt einen
"endgültigen Verlust" voraus. Wird bereits durch den
Abschluß eines Austauschvertrages
ein Nachteil im Sinne einer schadensgleichen
Vermögensgefährdung
bewirkt, so ist ein Vermögensverlust im Sinne des §
266 Abs. 2 i.V.m.
§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB erst dann
herbeigeführt, wenn der Geschädigte
seine Leistung erbracht hat. In Fällen der vorliegenden Art
fällt daher
ein Gefährdungsschaden nicht in den Anwendungsbereich des
genannten Regelbeispiels.
Im einzelnen:
1. Der Bundesgerichtshof hat bislang ausdrücklich offen
gelassen, ob
die Herbeiführung einer bloßen
Vermögensgefährdung - die sich als
strafbarkeitsbegründende
Vermögensbeschädigung im Sinne von § 263
Abs. 1 StGB
und als Vermögensnachteil im Sinne von § 266 Abs. 1
StGB darstellt, "wenn
der Vermögensverlust naheliegt" (vgl. BGHSt 34, 394, 395
m.w.N.) - das Regelbeispiel
des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB verwirklichen kann
(so
BGH, Beschl. vom 7. Mai 2002 - 3 StR 48/02 = NStZ 2002, 547; vgl. dazu
einerseits
Tiedemann in LK 11. Aufl. § 263 Rdn. 298; andererseits
Tröndle/
Fischer StGB 51. Aufl. § 263 Rdn. 122; Cramer in
Schönke/Schröder, StGB
26. Aufl. § 263 Rdn. 188c). Er hat in der zitierten
Entscheidung allerdings bereits
hervorgehoben, daß nach allgemeinem Sprachgebrauch der
Begriff des
Vermögensverlustes enger ist als der der
Vermögensbeschädigung (BGH NStZ
2002, 547).
2. Der Senat hat erwogen, den Begriff des Vermögensverlustes
aus
Gründen der Praktikabilität und der Vereinfachung
ebenso auszulegen wie den
des Vermögensschadens und des Vermögensnachteils in
den Tatbeständen
der §§ 263, 266 StGB. Dies hätte den
Vorteil, daß die Rechtsanwender sich bei
- 10 -
der Interpretation des Regelbeispiels gleichlaufend auf dem Boden einer
gesicherten
Rechtsprechung zu Tatbestandsmerkmalen bewegen könnten und eine
gesonderte rechtliche Bewertung im Rahmen der Strafrahmenwahl vermieden
würde, die im Einzelfall mit durchaus nicht einfachen
Abgrenzungen verbunden
sein kann (im Ergebnis ebenso: Tiedemann in LK aaO). Eine solche
Lösung
mußte jedoch verworfen werden (wie hier im Ergebnis:
Tröndle/Fischer aaO §
263 Rdn. 122; Cramer in Schönke/Schröder aaO
§ 263 Rdn. 188c; NKKindhäuser
§ 263 Rdn. 454).
a) Das verfassungsrechtlich verankerte Gebot der Gesetzesbestimmtheit
(Art. 103 Abs. 2 GG) gilt grundsätzlich auch für die
Rechtsfolgenvorschriften.
Das schließt jedoch die Verwendung von Begriffen nicht aus,
die der Deutung
durch den Richter bedürfen. Maßgebend für
die Auslegung eines Gesetzes ist
dann der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des
Gesetzgebers,
so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang
ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der mögliche Wortsinn
einer Vorschrift
zieht der Auslegung eine unübersteigbare Grenze (vgl. zu
alledem nur
BVerfGE 105, 135, 152 ff. = NJW 2002, 1779 ff. zur
Vermögensstrafe; siehe
auch BVerfG, Kammer, NJW 2001, 1848, 1849).
Im Blick auf die durch den Wortlaut einer strafrechtlichen Norm
begrenzte
Möglichkeit der Auslegung ist vorgegeben, daß der
Verlust von Vermögen
enger zu verstehen ist als der Bedeutungsgehalt der Begriffe des
Schadens und des Nachteils. Das kommt nicht nur in der genannten
Entscheidung
des 3. Strafsenats zum Ausdruck (BGH NStZ 2002, 547). Auch sonst
kehrt in der bisherigen gefestigten Rechtsprechung wie auch in der
Literatur
bei der Umschreibung des Gefährdungsschadens das engere
Verständnis des
Verlustbegriffs wieder: Danach ist bei der gebotenen wirtschaftlichen
Betrach-
11 -
tung ein Vermögensschaden "nicht nur im tatsächlichen
Verlust" eines Vermögenswertes
("effektiver Schaden"), sondern schon in der konkreten
Gefährdung
vermögenswerter Positionen zu sehen (so zusammenfassend
beispielsweise
BVerfG, Kammerbeschluß vom 20. Mai 1998 - 2 BvR 1385/95 - =
NJW 1998,
2589 = NStZ 1998, 506; vgl. im übrigen zur gleichlaufenden
Auslegung von
Vermögensschaden - § 263 Abs. 1 StGB - und
Vermögensnachteil - § 266
Abs. 1 StGB -: BGHSt 15, 342, 343 f.; 40, 287, 294 ff.; 43, 293, 297
ff.; BGHR
StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 43; NK-Kindhäuser
§ 266 Rdn. 141; Schünemann
in LK aaO § 266 Rdn. 132). Das
strafbarkeitsbegründende Kriterium der konkreten
Vermögensgefährdung wird auch dahin umschrieben,
daß nach den
Umständen des Einzelfalles die "naheliegende Gefahr des
Vermögensverlustes"
(BGHSt 34, 394, 395), die naheliegende Möglichkeit eines
Verlustes (BGH
NStZ 1996, 203 Nr. 21 a.E.) oder gar "des endgültigen
Verlustes" bestehen
muß (Samson in SK § 263 Rdn. 166; vgl. weiter BGHSt
21, 112, 113; BGH
wistra 1991, 307 f.; Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. §
263 Rdn. 42). Im Zusammenhang
mit dem sog. Eingehungsbetrug ist von der Vertiefung des
Eingehungsschadens
die Rede, durch die die "endgültige Schädigung"
erreicht wird
(BGH NStZ 1997, 542, 543; Lackner/Kühl aaO § 263 Rdn.
64). Dieser Sprachgebrauch
und diese Konkretisierungen belegen, daß der Begriff des
Verlustes
schon bisher enger als der des Schadens und der des Nachteils verstanden
und ihm die Bedeutung einer gewissen Endgültigkeit beigelegt
wurde. Eine
nachträgliche Schadenswiedergutmachung hat insoweit
außer Betracht zu
bleiben, weil sie tatbestandsunerheblich ist.
b) Die systematische Betrachtung der Regelbeispiele bestätigt
dies: So
ist nach dem Willen des Gesetzgebers ein besonders schwerer Fall der
Untreue
- wie auch des Betruges - nicht nur dann regelmäßig
gegeben, wenn ein
Vermögensverlust großen Ausmaßes
"herbeigeführt" worden ist, sondern auch
- 12 -
dann, wenn eine große Zahl von Menschen "in die Gefahr des
Verlustes" von
Vermögenswerten gebracht wurde (§ 263 Abs. 3 Satz 2
Nr. 2 Alt. 2 StGB). Daß
das Gesetz in derselben Vorschrift, gar im engsten Regelungszusammenhang
zwischen dem herbeigeführten (eingetretenen) Verlust - des
Vermögens - und
der Gefahr des Verlustes - wenn auch von Vermögenswerten -
unterscheidet,
spricht ebenso für die engere Auslegung des Merkmals im hier
vertretenen
Sinne.
c) Aus der Entstehungsgeschichte der Regelbeispielsvorschrift ergibt
sich nichts anderes. Der Gesetzgeber hielt die Begriffe
"Vermögensschaden"
und "Vermögensverlust" wohl für weitgehend
austauschbar. So wurde hervorgehoben,
daß schon nach der zur Vorläuferbestimmung - die
benannte Regelbeispiele
nicht kannte - ergangenen Rechtsprechung ein "besonders großer
Schaden zur Annahme eines besonders schweren Falles habe
führen können"
(vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 64; siehe dazu auch BGH NStZ 2002, 547).
Eine
Absicht dahin, das Regelbeispiel enger zu fassen, ist im
Gesetzgebungsverfahren
- soweit ersichtlich - zwar nicht hervorgetreten; es fehlt aber ebenso
an einem
aussagekräftigen Anhaltspunkt dafür, daß
der Vermögensverlust dem
Tatbestandsmerkmal (Schaden, Nachteil) gleich erachtet werden sollte. Es
bleibt deshalb bei dem Befund, daß der Gesetzgeber gerade
nicht an den
Schaden oder den Nachteil angeknüpft hat, sondern - neu und
eigenständig
formuliert - an den Vermögensverlust.
d) Schließlich läßt sich auch aus anderen
Vorschriften, die das Merkmal
des Verlustes enthalten, kein verläßlicher Hinweis
auf eine andere, weitere
Interpretation gewinnen. In ihnen steht der Begriff mitunter in einem
anderen
Sinnzusammenhang (vgl. z.B. § 401 Abs. 1 Nr. 1 AktG);
überwiegend wird ihm
aber wohl auch eine eher enge Bedeutung beigelegt und
regelungsspezifisch
- 13 -
differenziert (siehe etwa § 45 StGB: Verlust der
Amtsfähigkeit, § 265 StGB:
Verlust einer versicherten Sache, § 160 Abs. 2, § 166
Abs. 1 StPO: Besorgnis
des Verlustes von Beweismitteln; siehe auch § 393 Abs. 3 StPO,
§ 32 Nr. 2
GVG, § 43 Abs. 1 Satz 3 JGG oder gar Art. 16 Abs. 1 GG). Die
jeweils anderen
Normzusammenhänge und Regelungsziele, vor allem aber der
ersichtlich ganz
überwiegend enge sprachliche Bedeutungsgehalt verbieten es
schon im Ansatz,
daraus etwa Anhaltspunkte für eine weite Auslegung des
Merkmals des
"herbeigeführten Vermögensverlustes" zu gewinnen, wie
sie im Ergebnis das
Landgericht vertritt. Die Deutung der Regelbeispielsvorschrift ist
vielmehr tatbestandsspezifisch
auszurichten.
e) Nach allem ist festzuhalten, daß in Fällen der
vorliegenden Art sogenannte
Gefährdungsschäden aus dem Anwendungsbereich des
Regelbeispiels
eines "Vermögensverlustes großen Ausmaßes"
ausscheiden. Liegen - wie
hier - Verpflichtungen zugrunde, muß auf Seiten des
Geschädigten Erfüllung
eingetreten sein, wenn das Merkmal des "herbeigeführten
Vermögensverlustes"
gegeben sein soll. Beim Abschluß eines
Grundstückskaufvertrages ist die
Erbringung der ausbedungenen Leistung, hier also die Eintragung des
neuen
Eigentümers im Grundbuch erforderlich. Dieser muß
Inhaber des "Vollrechts"
geworden sein. Fehlt es daran, kann jedoch im Blick auf die
übrigen Umstände
der Tat die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles in
Betracht
kommen.
3. Daraus folgt hier, daß die Voraussetzungen des
Regelbeispiels nach
§ 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1
StGB nicht erfüllt sind. Die
Urteilsgründe ergeben, daß D. noch nicht als neue
Eigentümerin des
Grundstücks im Grundbuch eingetragen war. Wollte die
Strafkammer dennoch
einen unbenannten besonders schweren Fall annehmen, hätte sie
dies mit den
- 14 -
besonderen Umständen begründen müssen, die
sich aus der Tat und namentlich
dem Betreuungsverhältnis zwischen Opfer und Täter
ergaben. Solches
mag hier zwar naheliegen. Die Strafkammer hat entsprechende
Gesichtspunkte
bei ihrer Straffindung ergänzend erwähnt. Der Senat
vermag indessen nicht
von sich aus die Voraussetzungen eines unbenannten besonders schweren
Falles zu bejahen. Deren Prüfung erfordert eine umfassende
Abwägung aller
dazu heranzuziehenden Gesichtspunkte. Das ist Sache des Tatrichters.
- 15 -
4. Die Strafe muß deshalb neu zugemessen werden. Die
Feststellungen
zum Strafausspruch können bestehen bleiben, weil allein ein
Wertungsfehler
vorliegt. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht
widersprechen,
sind statthaft.
Nack Wahl Boetticher
Schluckebier Elf |