BGH,
Urt. v. 8.2.2000 - 5 StR 421/99
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 421/99
URTEIL
vom 8. Februar 2000
in der Strafsache gegen
wegen Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8.
Febru-ar 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger, Richter Basdorf, Richter Nack, Richterin Dr.
Gerhardt als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim
Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt M
, Rechtsanwalt S als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten G K gegen das Urteil des Landgerichts
Frankfurt (Oder) vom 19. März 1998 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten G K wegen Totschlags in Tateinheit
mit versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge und mit
einem Waffendelikt zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die
Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg; insbesondere kommt eine
Strafrahmenverschiebung aufgrund seiner Alkoholisierung nicht in
Betracht.
I.
1. Am Nachmittag des 9. April 1996 hielt sich G K zusammen mit seinem
älteren Bruder W und mit I R auf einem
Werkstattgelände in Berlin auf und trank Alkohol. Man
veranstaltete eine Grillparty anläßlich des
bevorstehenden Geburtstages G K . Die Brüder K verabredeten im
Laufe des Abends eine in der Nacht zu verübende Straftat. Sie
planten eine Schutzgelderpressung zum Nachteil von noch
auszuwählenden Osteuropäern, sogenannten
"Überführungstouristen". Solche pflegten - was den
Beteiligten bekannt war - Autos von Deutschland in die GUS-Staaten in
der Weise zu überführen, daß sie zur
gegenseitigen Absicherung in einem Konvoi fuhren. Bei der dabei
erforderlichen Übernachtung auf Parkplätzen sollte
die Herausgabe von Geld mit Hilfe einer abgesägten
Doppelflinte - entsprechende Munition (Schrot- und
Flintenlaufgeschoßpatronen) wurde mitgeführt -
erzwungen werden. Dabei sollte die Flinte nicht nur zur Drohung
eingesetzt werden; falls nötig, sollte auch geschossen werden.
Gegen 22.00 Uhr kam - wie verabredet - der Fahrer J mit einem PKW Golf.
Zusammen mit R fuhr man los. G K , der auf dem Beifahrersitz
saß, bestimmte die Fahrtrichtung. Bei der Suche nach
geeigneten Opfern ging es zunächst in Richtung Magdeburg, dann
wieder in Richtung Berlin. Anschließend fuhren sie vom
Berliner Ring auf die BAB 12 in Richtung Frankfurt (Oder). Zwischen
2.00 und 3.00 Uhr morgens erreichten sie den Parkplatz Storkow
unmittelbar vor der Abfahrt Storkow. Auf diesem Parkplatz hatten zuvor
sechs "Überführungstouristen" ihre PKW hintereinander
geparkt; ein jeder hatte sich in seinem Fahrzeug zum Schlafen gelegt.
Der PKW des später getöteten H stand an letzter
Stelle.
J parkte den Golf unmittelbar vor dem Konvoi, R blieb vor dem Golf
stehen, um Wache zu halten. Man verabredete, sich bei eventuellen
Komplikationen bei der etwa 1 km entfernten Autobahnabfahrt zu treffen.
Die Brüder K begaben sich - bewaffnet mit der Flinte und einem
Bowiemesser - gegen 3.00 Uhr zu dem Auto H . Einer der Brüder
durchstach die Vorderreifen des Autos mit dem Bowiemesser. Sie weckten
den auf dem Fahrersitz schlafenden H und versuchten, von diesem unter
Verwendung der Flinte Geld zu erpressen. Einer der Brüder
verschoß mit Billigung des anderen mit
Tötungsvorsatz Schrotmunition aus einer Entfernung von einem
bis eineinhalb Metern gezielt durch die Scheibe der Fahrertür.
H war sofort tot.
J , der den Schuß gehört hatte, fuhr mit R zu dem
verabredeten Treffpunkt. Dorthin flüchteten auch die
Brüder K . Sie stiegen in den Golf ein und fuhren Richtung
Berlin. Während der Rückfahrt gerieten sie gegen 3.30
Uhr in eine allgemeine Verkehrskontrolle und wurden vorläufig
festgenommen. Die G K um 6.40 Uhr abgenommene Blutprobe ergab eine
Blutalkoholkonzentration von 1,66 %, rückgerechnet auf die
Tatzeit von 3.00 führt das zu einer
höchstmöglichen Tatzeit-BAK von 2,59 %.
2. G K hat sich in der Hauptverhandlung zu seiner Alkoholisierung dahin
eingelassen, er habe sich betrunken gefühlt, aber nicht so,
daß er die Kontrolle verloren habe. Das Landgericht ist den
Sachverständigen gefolgt, die zu dem Ergebnis kamen,
daß bei G K - anders als bei dessen Bruder, der eine
höchstmögliche Tatzeit-BAK von 2,98 % hatte - die
Voraussetzungen des § 21 StGB zur Tatzeit nicht vorgelegen
hätten. Dabei hat das Landgericht - den
Sachverständigen folgend - auf das physische und psychische
Leistungsverhalten während und nach der Tat abgestellt:
Vorgabe des Fahrtweges, planvolle und zielgerichtete
Tatausführung, Erinnerungsvermögen, Fluchtweg,
Verhalten bei der Festnahme, keine Ausfallerscheinungen. Auch G K
eigene Einschätzung seiner Trunkenheit hat es
berücksichtigt.
II.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Der Schuldspruch
wegen Totschlags, nicht wegen Mordes, weist keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten auf. Zum Strafausspruch bedarf lediglich die
Verneinung der Voraussetzungen des § 21 StGB der
Erörterung.
Trotz des gewichtigen Indizes einer rechtsfehlerfrei berechneten
höchstmöglichen Tatzeit-BAK von 2,59 % durfte der
Tatrichter aufgrund der herangezogenen psychodiagnostischen Kriterien -
insbesondere im Blick auf das als bereits signifikant zu wertende
Leistungsverhalten des Angeklagten im Rahmen der Vorbereitung der
detailliert geplanten Tat und des Nachtatverhaltens - im Einklang mit
der Beurteilung durch den medizinischen Sachverständigen eine
erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit
ausschließen (vgl. BGHSt 43, 66). Auf den bedenklichen
Erwägungen des Tatrichters zur Alkoholgewöhnung des
Angeklagten (UA S. 115) beruht die Beurteilung nicht.
Der Senat kann deshalb offenlassen, ob eine Strafrahmenverschiebung
nach § 49 Abs. 1 StGB schon deshalb ausscheidet, weil G K zum
Zeitpunkt des Tatentschlusses noch voll schuldfähig war. Als
er sich gegen 22.00 Uhr zur Tat entschloß, betrug seine
Blutalkoholkonzentration allenfalls 1,73 %. Mit diesem
Tatentschluß hätte er die entscheidende Ursache
für die Ausführung der Tat gesetzt, so daß
die möglicherweise später - zur Tatzeit - gegebene
Einschränkung seiner Verantwortlichkeit nach den
Grundsätzen der actio libera in causa ohne Bedeutung
wäre (BGHSt 21, 381; BGHR StGB § 21 -
Strafrahmenverschiebung 1; BGH, Beschluß vom 21.
März 1996 - 4 StR 91/96 -). Der Tatentschluß
umfaßte nach den Feststellungen möglicherweise
bereits alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestands des später
verübten Raubes mit Todesfolge, insbesondere auch die
vorhersehbare spezifische Todesgefahr durch die in Aussicht genommene
Schußabgabe mit einer Schrotpatrone und, was bei der Art des
geplanten Überfalls auch nahelag, einen Schuß aus
nächster Nähe.
Harms Häger Basdorf
Nack Gerhardt |