BGH,
Urt. v. 8.7.2010 - 3 StR 151/10
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 151/10
vom
8. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Juli
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird
das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. Oktober 2009 im
Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte der besonders
schweren Vergewaltigung und des Diebstahls schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der
Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu
tragen.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil aufgehoben im Ausspruch über
- die Einzelstrafe wegen besonders schwerer Vergewaltigung,
- die Gesamtstrafe;
die jeweils zugehörigen Feststellungen bleiben
aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Vergewaltigung" und
Diebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und
einem Monat verurteilt; als Einzelstrafen hat es eine Freiheitsstrafe
von fünf Jahren (Vergewaltigung) und eine Geldstrafe von 60
Tagessätzen (Diebstahl) ausgesprochen. Gegen die Verurteilung
wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der
Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Die
ebenfalls auf die Sachrüge gestützte, zum Nachteil
des Angeklagten eingelegte und wirksam auf den Ausspruch über
die Einzelstrafe wegen Vergewaltigung und über die
Gesamtstrafe beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft
beanstandet Bewertungsmängel bei der Strafbemessung;
rechtsfehlerhaft habe das Landgericht lediglich auf die in §
177 Abs. 4 StGB angedrohte Mindeststrafe erkannt. Das Rechtsmittel wird
vom Generalbundesanwalt vertreten.
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1. Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft
ändert der Senat den Schuldspruch klarstellend dahin ab, dass
der Angeklagte der besonders schweren Vergewaltigung schuldig ist. Nach
den Feststellungen nötigte er die Nebenklägerin
dadurch zur Duldung des Vaginal- und des Oralverkehrs, dass er ihr ein
Springmesser an den Hals hielt. Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht
deshalb von der Qualifizierung der Tat nach § 177 Abs. 4 Nr. 1
StGB ausgegangen. Um dem sich aus § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO
ergebenden Erfordernis der rechtlichen Bezeichnung der Straftat
Rechnung zu tragen, ist diese Qualifikation in der Urteilsformel durch
einen Schuldspruch wegen "be-
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sonders schwerer" Vergewaltigung kenntlich zu machen (BGHR StPO
§ 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4).
2. Im Übrigen ist das Rechtsmittel des Angeklagten aus den
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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3. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
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a) Die Bemessung der Einzelstrafe wegen besonders schwerer
Vergewaltigung hält revisionsrechtlicher
Überprüfung nicht stand.
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Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht als strafmildernd
berücksichtigt, dass die Nebenklägerin durch den
Einsatz des Messers und die wiederholt erzwungenen sexuellen Handlungen
keine körperlichen Verletzungen davongetragen hat. Dass der
Täter kein Verhalten gezeigt hat, durch das er den Tatbestand
noch eines weiteren Strafgesetzes verwirklicht hätte, kann ihm
im Rahmen der Bemessung der Rechtsfolgen nicht zugute gehalten werden
(vgl. BGH bei Miebach NStZ 1998, 132; BGH NStZ 2007, 464, 465).
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Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Erwägung des
Landgerichts, der Angeklagte sei als Ausländer besonders
strafempfindlich. Die Ausländereigenschaft begründet
für sich alleine keine besondere Strafempfindlichkeit; nur
besondere Umstände wie Verständigungsprobleme,
abweichende Lebensbedingungen und erschwerte familiäre
Kontakte können ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung
führen (BGHSt 43, 233; BGH NStZ 2006, 35; Fischer, StGB, 57.
Aufl., § 46 Rn. 43b). Konkrete Feststellungen hierzu fehlen.
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b) Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils im
Ausspruch über die Einzelstrafe wegen Vergewaltigung und
über die Gesamtstrafe. In Anbetracht des festgestellten
Tatgeschehens sieht sich der Senat nicht in der Lage, die
Verhängung der Mindeststrafe als angemessen im Sinne von
§ 354 Abs. 1a Satz 1 StPO anzusehen.
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Die zugehörigen Feststellungen können bestehen
bleiben; möglich bleiben Ergänzungen, die zu den
bisherigen, zum Schuld- und zum Strafausspruch getroffenen
Feststellungen nicht in Widerspruch treten.
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Becker von Lienen Sost-Scheible
Schäfer Mayer |