BGH,
Urt. v. 8.3.2000 - 3 StR 575/99
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 575/99
vom
8. März 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8.
März 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Kutzer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr.
Rissing-van Saan, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach,
Winkler, von Lienen als beisitzende Richter, Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger
des Angeklagten E. , Rechtsanwältin als Verteidigerin des
Angeklagten B. , Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Osnabrück vom 12. Juli 1999 in den die
Angeklagten E. und B. betreffenden Rechtsfolgenaussprüchen mit
den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten H. , B. und E. verurteilt, weil sie
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben
und diese zum Teil auch aus den Niederlanden nach Deutschland
eingeführt haben. Dabei hat es gegen den Angeklagten H. -
insoweit ist das Urteil insgesamt rechtskräftig - wegen
fünf Fällen vier Jahre, gegen den Angeklagten B.
wegen drei Fällen drei Jahre und gegen den Angeklagten E.
wegen drei Fällen zwei Jahre Gesamtfreiheitsstrafe
verhängt, deren Vollstreckung hinsichtlich dieses Angeklagten
zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Den Angeklagten E. und H.
hat es zudem die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre
verhängt; dagegen ist eine Entscheidung über die
Fahrerlaubnis des Angeklagten B. nicht getroffen worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft,
die hinsichtlich des Angeklagten E. auf den Rechtsfolgenausspruch und
hinsichtlich des Angeklagten B. auf den Maßregelausspruch
beschränkt ist. Mit der Sachrüge wird beanstandet,
daß beim Angeklagten E. zumindest bei der zweiten und dritten
durchgeführten Kurierfahrt kein minder schwerer Fall
hätte angenommen werden dürfen und daß auch
dem Angeklagten B.
die Fahrerlaubnis hätte entzogen werden müssen.
1. Das den Angeklagten E. betreffende Rechtsmittel, das der
Generalbundesanwalt nicht vertritt, hat zwar keinen Rechtsfehler zu
seinem Vorteil ergeben; doch führt die nach § 301
StPO gebotene Überprüfung des Urteils auch zugunsten
des Angeklagten zur Aufhebung des ihn betreffenden
Rechtsfolgenausspruchs.
a) Die Gesamtabwägung der Strafkammer zur Anwendung eines
minder schweren Falles bei allen drei Taten enthält keinen
Rechtsfehler, wie der Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme vom
14. Januar 2000 im einzelnen zutreffend dargelegt hat.
Ergänzend weist der Senat lediglich darauf hin, daß
der von der Strafkammer herangezogene Grundsatz, daß gegen
Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten
Verhältnis zueinander stehen sollten (st. Rspr., vgl. BGHR
StGB § 46 II Zumessungsfehler 1, Wertung 4), nicht
völlig außer acht gelassen und somit auch bei der
Gesamtabwägung zur Prüfung eines minder schweren
Falles herangezogen werden darf. Dabei durfte berücksichtigt
werden, daß der Angeklagte E. nicht vorbestraft war und als
Kurier nur einen verhältnismäßig geringen
Lohn von durchschnittlich 175 DM für ein Kilogramm
transportierten Rauschgiftes erzielte, während die Angeklagten
H. und B. als eigentliche Händler mehrfach vorbestraft waren
und einen Gewinn von etwa 1.000 DM je erworbenes Kilogramm Rauschgift
erstrebten (UA S. 18).
b) Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts enthalten
jedoch einen gewichtigen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten E. .
Auf UA S. 32 wird zu seinen Ungunsten bei der Prüfung eines
minder schweren Falles ausdrücklich sein zu Ziff. III 1)
dargestelltes Aussageverhalten in Bezug auf die Tatbeteiligung des
Mitangeklagten B. gewertet. Unter Ziff. III 1) wird im Rahmen der
Beweiswürdigung ausgeführt, daß die
Strafkammer "Tendenzen" dafür erkannt habe, daß E.
"zumindest geneigt" war, B. zu Unrecht zu belasten. Dies werde deutlich
am Beispiel Fall 3, bei dem er B. der Beteiligung bezichtigt habe;
diese Angaben seien jedoch "mit hoher Wahrscheinlichkeit" falsch, weil
es "sehr wahrscheinlich" sei, daß sich B. im Fall 3 zur
Tatzeit nicht am Tatort aufgehalten habe (UA S. 25). Bei der
Strafzumessung im engeren Sinn hat die Strafkammer auf diese
Erwägungen Bezug genommen (UA S. 37).
Die strafschärfende Berücksichtigung eines
Verhaltens, das nicht prozeßordnungsgemäß
zur Überzeugung des Gerichts festgestellt ist, sondern nur mit
"hoher Wahrscheinlichkeit" gegeben (zu Fall 3) oder gar nur in
"Tendenzen" erkennbar war (zu den übrigen Fällen),
verstößt gegen den Grundsatz in dubio pro reo (vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 46 Rdn. 17 a
m.w.Nachw.). Dieser Fehler hat sich zwar bei der Strafrahmenfindung
nicht ausgewirkt, da die Strafkammer ohnehin minder schwere
Fälle angenommen hat, doch kann der Senat nicht
ausschließen, daß er die Strafzumessung im engeren
Sinn beeinflußt hat.
2. Das gegen den Angeklagten B. gerichtete Rechtsmittel der
Staatsanwaltschaft führt ebenfalls zur Aufhebung des ihn
betreffenden gesamten Rechtsfolgenausspruchs. Die Beschränkung
der Revision auf den Maßregelausspruch, die Nichtentziehung
der Fahrerlaubnis, ist hier unwirksam, vielmehr ergreift das
Rechtsmittel den gesamten Rechtsfolgenausspruch.
Eine Rechtsmittelbeschränkung innerhalb des
Rechtsfolgenausspruchs ist möglich, wenn solche
Beschwerdepunkte betroffen sind, die einer rechtlich und
tatsächlich selbständigen Beurteilung,
losgelöst vom nichtangegriffenen Teil der Entscheidung,
zugänglich sind; dies gilt jedoch bei der Nachprüfung
einer Maßregelanordnung nicht, wenn im Einzelfall eine
untrennbare Wechselwirkung zum Strafausspruch besteht (BGHSt 38, 362
f.). Die Verteidigerin des Angeklagten B. hat zu Recht darauf
hingewiesen, daß die Strafkammer bei den beiden
Mitangeklagten E. und H. die Folgen der Entziehung der Fahrerlaubnis
ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt hat (UA S.
34, 42). Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß sie
gegen den Angeklagten B. eine niedrigere Freiheitsstrafe
verhängt hätte, wenn sie auch ihm die Fahrerlaubnis
entzogen hätte.
In der Sache beanstandet die Staatsanwaltschaft zu Recht, daß
die Strafkammer nicht erkennbar geprüft hat, ob die
Fahrerlaubnis nicht auch dem Angeklagten B. hätte entzogen
werden müssen. Es stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel
dar, wenn sich der Tatrichter mit der Möglichkeit oder
Notwendigkeit einer Maßregelanordnung nicht auseinandersetzt,
obwohl die Umstände des Falles dazu drängen (BGHR
StGB § 64 Anordnung 1).
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, zumal in
größerer Menge, belegt regelmäßig
eine erhebliche charakterliche Unzuverlässigkeit, die auch die
Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines
Kraftfahrzeugs ergibt, wenn er im Rahmen des Tatgeschehens ein Fahrzeug
geführt hat (BGH NStZ 2000, 26 f.; BGHR StGB § 69
Abs. 1 Entziehung 3). Nach den getroffenen Feststellungen hat der
Angeklagte B. sein Fahrzeug mehrfach, nämlich im Zusammenhang
mit den Taten vom 27. November 1998 und vom 10. Dezember 1998,
geführt, die den Handel mit insgesamt drei Kilogramm Haschisch
zum Gegenstand hatten. Erschwerend kommt hinzu, daß dieser
Angeklagte im Gegensatz zu den Mitangeklagten wegen Verkehrsdelikten
(Fahrens ohne Fahrerlaubnis und unbefugtes Benutzen von
Kraftfahrzeugen) vorbestraft ist. Diese Umstände
hätten der Strafkammer Veranlassung geben müssen, die
Entziehung der Fahrerlaubnis auch bei dem Angeklagten B. zu
prüfen, zumal sie eine solche Anordnung gegenüber den
Mittätern H. und E. getroffen hatte, ohne die Gründe
für die unterschiedliche Sachbehandlung darzulegen.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß die in der
Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft zur
Begründung der Fahrerlaubnisentziehung
herangezogene Erwägung, der Angeklagte habe
"möglicherweise sogar ein drittes Mal (Tat vom 30. November
1998) mit seinem Fahrzeug erhebliche Drogenmengen transportiert",
unzulässig ist und gegen den Zweifelssatz
verstößt.
Kutzer Rissing-van Saan Miebach
Winkler von Lienen |