BGH,
Urt. v. 8.5.2008 - 3 StR 53/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 53/08
vom
8.5.2008
in der Strafsache
gegen
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
8.5.2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Kolz,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Hildesheim vom 19. September 2007 mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte
S. in den Fällen 5 sowie 9 bis 11 der Anklage freigesprochen
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des
Wohnungseinbruchsdiebstahls in fünf Fällen
(Fälle 1 bis 5 der Anklage, vgl. VII. 1. a) bis e) der
Urteilsgründe) sowie des wahlweise erhobenen Vorwurfs des
Wohnungseinbruchsdiebstahls oder der Hehlerei in drei Fällen
(Fälle 9 bis 11 der Anklage nebst Nachtragsanklage, vgl. VII.
1. f) bis i) der Urteilsgründe) freigesprochen. Gegen den
Freispruch in den Fällen 5 und 9 bis 11 der Anklage richtet
sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit sachlich-rechtlichen
Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat Erfolg, da die
Beweiswürdigung des Landgerichts Rechtsfehler aufweist.
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1. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel
eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu
verschaffen, obliegt allein dem Tatrichter. Seine
Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht
regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie
durch eine eigene zu ersetzen oder sie etwa nur deshalb zu beanstanden,
weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise näher
gelegen hätte. Vermag der Tatrichter vorhandene, wenn auch nur
geringe Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht zu
überwinden, so kann das Revisionsgericht dies nur auf
Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die
Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder
lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft,
Verstöße gegen Denkgesetze oder
Erfahrungssätze aufweist oder ob der Tatrichter
überspannte Anforderungen an die für eine
Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl.
BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 13 und
Überzeugungsbildung 33; BGH NStZ 2000, 48; BGH wistra 2002,
260, 261). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass
die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in
eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGHR
StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 24).
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2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in
mehrfacher Hinsicht nicht.
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a) Für den Freispruch im Fall 5 der Anklage gilt Folgendes:
Nach den Feststellungen war der Angeklagte in der Nacht des 31.
März 2007 Beifahrer in einem von dem Mitangeklagten B.
gesteuerten VW Golf. Sie wurden von einer Polizeistreife gestellt,
nachdem der Mitangeklagte einen Wohnungseinbruchsdiebstahl begangen
hatte und mit dem Fahrzeug auf dem Rückweg war. Der Angeklagte
hat sich gegen den Vorwurf, an dem Wohnungseinbruchsdiebstahl beteiligt
gewesen zu sein, mit der Behauptung verteidigt, der Mitangeklag-
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te habe ihn am Abend zu einer Probefahrt aufgefordert, um zum einen
technische Probleme am VW Golf zu überprüfen und zum
anderen ein weiteres Fahrzeug, das der Mitangeklagte kaufen wollte, zu
besichtigen. Der Mitangeklagte habe in dem Ort V. den Wagen alleine
verlassen, er - der Angeklagte - habe ca. 20 Minuten bis gegen 21.43
Uhr in dem VW Golf gewartet, dann sei der Mitangeklagte
zurückgekommen und habe mitgeteilt, das zum Kauf in Aussicht
genommene Fahrzeug könne heute nicht probegefahren werden. Das
Landgericht ist der Auffassung, die Einlassung sei nicht zu widerlegen,
weil weitere Beweise oder Indizien nicht zur Verfügung
stünden.
Dies lässt zum einen besorgen, die Strafkammer habe dem
Grundsatz keine Bedeutung geschenkt, dass es der Zweifelssatz nicht
gebietet, dem Urteil Behauptungen des Angeklagten zu Grunde zu legen,
die zwar nicht durch gegenläufige Beweise zu widerlegen sind,
für deren Richtigkeit sich aber andererseits keinerlei
Anhaltspunkte im festgestellten Sachverhalt ergeben (st. Rspr.; vgl.
BGH NJW 1995, 2300; NStZ 1999, 205; NJW 2002, 1057, 1059; 2002, 2188,
2189; 2003, 2179). Unabhängig hiervon erweist sich die
Beweiswürdigung des Landgerichts aber jedenfalls als
lücken- und damit rechtsfehlerhaft, weil sie sich mit mehreren
Besonderheiten und Beweisanzeichen nicht auseinandersetzt, die mit
nicht geringem Gewicht für eine Tatbeteiligung des Angeklagten
sprechen können und auf deren Erörterung vor der
Anwendung des Zweifelssatzes daher aus Rechtsgründen nicht
verzichtet werden durfte.
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Das Landgericht hätte erwägen müssen, dass
ein Einbrecher wohl kaum einen Unbeteiligten unter einem Vorwand zum
Tatort mitnimmt, ihn dort warten lässt und dann vor seinen
Augen mit Diebesbeute zurückkehrt. Zudem sind im Keller der
Freundin des Angeklagten in einem diesem zuzuordnenden Bereich
zahlreiche Schmuckstücke gefunden worden, die aus der Beute
anderer Woh-
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nungseinbruchsdiebstähle stammten. Weiterhin ist der
Angeklagte bereits mehrfach und erheblich wegen Diebstahls im
erschwerten Fall verurteilt worden. Hinzu kommt, dass nach den
Feststellungen die Beute, ein Münzalbum,
Schmuckstücke und Geld, auf der Flucht vor der Polizei aus dem
Wagen geworfen worden ist. Das Münzalbum konnte Tage
später am Randstreifen einer Autobahnauffahrt, demnach am
rechten Straßenrand der Autobahn aufgefunden werden. Es liegt
nicht fern, dass die bei hoher Geschwindigkeit vorgenommene
Entäußerung der Beute unter Mithilfe des Angeklagten
geschehen ist, was ebenfalls auf dessen Mitwirkung schließen
ließe. Alle diese Umstände hätten nicht nur
isoliert, sondern auch in einer sie alle umfassenden
Gesamtwürdigung auf ihre Bedeutung für die
Überzeugungsbildung von der Schuld des Angeklagten untersucht
werden müssen.
b) Für den Freispruch vom Vorwurf dreier weiterer
Einbruchsdiebstähle (Fälle 9 bis 11 der Anklage) bzw.
entsprechender Hehlereitaten an den aufgefundenen Beutestücken
gilt Folgendes: Hier hat sich der Angeklagte mit der Einlassung
verteidigt, die Schmuckstücke auf einem Flohmarkt in
Unkenntnis ihrer Herkunft erworben zu haben. Diese Einlassung ist nach
Auffassung des Landgerichts ebenfalls nicht zu widerlegen.
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Hier führt bereits die Aufhebung des Urteils im Fall 5 der
Anklage zur Aufhebung des Freispruchs, da nicht
auszuschließen ist, dass sich das Landgericht bei einer
Verurteilung im Fall 5 im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung
auch von der Täterschaft des Angeklagten in den
Fällen 9 bis 11 überzeugt hätte,
insbesondere da das Landgericht diese Fälle nur isoliert
betrachtet und dabei ausgeblendet hat, dass mit der Festnahme des
Angeklagten am 31. März 2007 im Umfeld eines
Einbruchsdiebstahls ein weiteres Beweisanzei-
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chen für eine strafbare Erlangung der sichergestellten
Schmuckstücke vorhanden ist.
3. Rein vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass eine
Wahlfeststellung nach ständiger Rechtsprechung voraussetzt,
dass die mehreren möglichen, einander
ausschließenden Verhaltensweisen rechtsethisch und
psychologisch gleichartig bzw. gleichwertig sind (vgl. BGHR StGB
§ 260 Wahlfeststellung 1 m. w. N.). Daher käme nur
eine Wahlfeststellung zwischen dem - im Wohnungseinbruchsdiebstahl
enthaltenen - einfachen Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) und
Hehlerei, nicht aber zwischen Wohnungseinbruchsdiebstahl und Hehlerei
in Betracht.
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Becker Pfister Kolz
Hubert Schäfer |