BGH,
Urt. v. 8.9.2005 - 1 StR 159/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 159/05
vom
8.09.2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8.
September
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Hof vom 21. Dezember 2004 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die dem
Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines heimtückisch
und
aus niedrigen Beweggründen begangenen Mordes in Tateinheit mit
Freiheitsberaubung
unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem anderen Urteil zu
einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Dagegen richtet
sich die
vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit
der
Sachrüge. Sie erstrebt die Feststellung der besonderen Schwere
der Schuld
und das Bejahen des weiteren Mordmerkmals "grausam". Das Rechtsmittel
hat
keinen Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
1. Die Mitangeklagten G. , D. G. und der Angeklagte
kamen überein, K. , von dem sie wussten, dass er an Diabetes
litt,
durch eine Überdosis Insulin zu töten. Die Initiative
ging von der damals
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17-jährigen Go. aus. K. hatte sich um sie als Partnerin
bemüht und sie daher finanziell unterstützt. Als er
die finanziellen Zuwendungen
sperrte, wollte sie sich des für sie nutzlos und
lästig gewordenen
K. entledigen. Der 25-Jährige, mit einem IQ von 78
unterdurchschnittlich
intelligente Angeklagte stimmte dem Tötungsvorschlag der
intellektuell weit
überlegenen Go. zu, um einen Nebenbuhler auszuschalten, sie
durch
das Geheimnis um eine schwere Straftat an sich zu binden und den
Kontakt zu
dem vermeintlich gemeinsamen Sohn zu sichern. Der 18-jährige
D. G.
, der Neffe des Angeklagten, der sich dem Müßiggang
hingab, bei seinem
Onkel wohnte und von diesem ernährt wurde, sagte seine
Mitwirkung an einer
gemeinsamen Tötung zu, weil er im Falle der Weigerung
fürchtete, seinen bequemen
Lebensstil zu verlieren.
2. Am 8. Juli 2003 zwischen 18.00 und 19.00 Uhr überfielen die
männlichen
Angeklagten in der Wohnung der auch anwesenden Go. den völlig
ahnungslosen K. hinterrücks und brachten ihn zu Boden.
Go. versetzte ihm mindestens eine Insulin-Injektion, danach D. G.
mindestens eine weitere. K. verfiel in einen Zustand des Unterzuckers.
Er verlor seine Kräfte und begann zu schwitzen. Da K. nach
einer
gewissen Zeit noch lebte, waren sich die Angeklagten unsicher, ob die
Injektionen
für den Tod ausreichend waren. Der Angeklagte holte aus der
Wohnung
des Opfers weiteres Insulin, womit ihm mindestens eine weitere
Injektion gewaltsam
gesetzt wurde. Nach den Injektionen äußerte K. , er
brauche
dringend Zuckerwasser, sonst werde er sterben (UA S. 63, 64).
Die Angeklagten warteten nun auf den Tod ihres Opfers. Nachdem sie
sich drei Portionen Pizza beschafft und verzehrt hatten, sorgten sie
dafür, dass
das zwar stark geschwächte, aber noch handlungsfähige
Opfer nicht entkom-
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men konnte. K. wäre im Laufe der Nacht in der Lage gewesen,
aus eigener
Kraft das Haus zu verlassen. Sie versperrten daher die
Wohnungstüre. In
der Nacht schliefen Go. und einer der männlichen Angeklagten
mit
K. im Wohnzimmer, der andere lag vor der Zimmertüre, so dass K.
den Raum nicht unbemerkt verlassen konnte.
3. Am nächsten Morgen, dem 9. Juli 2003, war K. leicht
benommen, geschwächt und schwitzte, lebte aber noch. Den
Angeklagten war
klar, dass die bei dem zuckerkranken Opfer kaum nachweisbare
Tötung durch
Insulinvergiftung fehlgeschlagen war. Sie entschlossen sich auf ihren
ursprünglichen
Plan, der Tötung durch Erschlagen, zurückzugreifen.
Zu diesem Zweck
hatte Go. "K. s Todeslatte" gebaut und auch so beschriftet. Dabei
handelte es sich um eine 1,16 m lange Holzlatte, an deren einem Ende ein
sackartiger Gegenstand, gefüllt mit Kieselsteinen,
Nägeln, Nadeln, Schrauben
und einer 2,1 kg schweren Eisenkugel befestigt war. Die Angeklagten
führten
ihr Opfer in einen Pkw und verstauten die "Todeslatte". Bei einem
notwendigen
Zwischenstopp an einer Tankstelle verließ K. unbemerkt das
Fahrzeug
und begab sich in ein nahe gelegenes Wirtshaus. Als D. G. sein
Fehlen bemerkte, ging er hinterher und fuhr ihn in den
Gasträumen an, er wolle
doch nicht etwa telefonieren. K. erwiderte "Nein, nein, passt schon" und
ging mit ihm zum Auto zurück. Nach anschließender
Weiterfahrt in ein Waldstück
töteten die Angeklagten ihr Opfer dort gemeinsam. D. G. zerrte
K. hierzu aus dem Pkw. Go. schlug mindestens zweimal mit der
"Todeslatte" auf seinen Kopf, bis das sackartige Gebilde abriss. Dann
schlug
D. G. mit der Eisenkugel aus dem Sack mindestens dreimal gegen
den Kopf des nun am Boden liegenden Opfers und T. G. zog
schließlich den Gürtel des Opfers um dessen Hals so
lange zu, bis K.
kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
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Das sachverständig beratene Landgericht konnte nicht
ausschließen,
dass das Opfer bereits durch den ersten Schlag mit der "Todeslatte" das
Bewusstsein
verloren hatte. Infolge der Schädelzertrümmerung
wäre der Tod in
jedem Fall binnen maximal einer halben Stunde eingetreten. Welche der
Handlungen
den Tod herbeigeführt hat, konnte nicht festgestellt werden.
II.
1. Das Landgericht hat das Mordmerkmal "grausam" verneint, weil der
Wille der Angeklagten nicht darauf gerichtet gewesen sei, K. bewusst und
geplant außergewöhnliche körperliche und
seelische Qualen zuzufügen. Die
Länge des gesamten Tötungsgeschehens sei nicht
beabsichtigt gewesen.
Beim Transport in den Wald habe K. selbst nicht definitiv gewusst, dass
er auf jeden Fall getötet werden sollte, was sich aus seiner
Rückkehr aus dem
Gasthaus zum Auto ergebe. Durch die mögliche Bewusstlosigkeit
beim ersten
Schlag scheide auch objektiv die Zufügung besonders starker
Schmerzen aus.
2. Der Tatrichter hat unter Abwägung der für und
gegen den Angeklagten
sprechenden Umstände eine besondere Schwere der Schuld nicht
festgestellt.
III.
Die Revision ist nach deren Begründung zulässig
darauf beschränkt,
das Landgericht habe zu Unrecht die Feststellung der besonderen Schwere
der Schuld und ein weiteres Mordmerkmal verneint (BGHSt 41, 57).
Die Verneinung der besonderen Schuldschwere begegnet im Ergebnis
keinen durchgreifenden Bedenken (§§ 57a Abs. 1 Satz 1
Nr. 2, 57b StGB).
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1. Zum Mordmerkmal der Grausamkeit:
"Grausam" tötet, wer dem Opfer aus gefühlloser,
unbarmherziger Gesinnung,
Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art
zufügt, die nach
Stärke oder Dauer über das für die
Tötung erforderliche Maß hinausgehen (st.
Rspr., vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Grausam 1 m.w.N.). Die
Grausamkeit
muss nicht notwendig in der eigentlichen Ausführungshandlung
im engeren
Sinne und den durch diese verursachten Leiden liegen; sie kann sich
auch aus
den Umständen ergeben, unter denen die Tötung
eingeleitet und vollzogen
wird. Das grausame Verhalten muss vor Abschluss der den
tödlichen Erfolg
herbeiführenden Handlung auftreten und vom
Tötungsvorsatz umfasst sein
(vgl. BGHSt 37, 40 m.w.N.).
Das Landgericht hat bei seinen Erwägungen zur Grausamkeit auf
die
Dauer des gesamten zweiaktigen Tötungsgeschehens abgestellt.
Diese war
durch den Wechsel der Tatmittel bedingt und - wie das Landgericht
zutreffend
ausführt - von den Angeklagten nicht beabsichtigt. Die
Schlussfolgerung der
Kammer aus der Rückkehr des Opfers vom Gasthaus zum Auto,
dieses habe
beim Transport nicht definitiv gewusst, dass es auf jeden Fall
getötet werden
sollte, ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
Zum Zustand des K. während der Nacht, als die Angeklagten
auf dessen Tod infolge Insulinvergiftung warteten, stellt das Urteil
jedoch
lediglich fest, dass ihr Opfer stark geschwächt, aber noch
handlungsfähig war
und aus eigener Kraft hätte entkommen können. Weitere
Feststellungen zum
körperlichen und seelischen Zustand des K. während
des Verlaufs
der Nacht finden sich nicht. Dass er einschlief, ist dem Urteil nicht
mit hinreichender
Klarheit zu entnehmen. Durch die Äußerung, er
brauche dringend
Zuckerwasser, sonst werde er sterben, war den Angeklagten seine
Todesangst
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bekannt. Dass diese während der Nacht andauerte, liegt nahe,
konnte indes
vom Landgericht nicht näher aufgeklärt werden. In dem
Verhalten der Angeklagten
während dieser ersten Tatphase, die von abends 18.00 bzw.
19.00 Uhr
bis zum nächsten Morgen andauerte, könnte ein
bewusstes Zufügen seelischer
und körperlicher Qualen liegen, welches wegen dieses langen
Zuwartens als
grausam zu bewerten wäre.
2. Das Bejahen des Mordmerkmals der Grausamkeit wäre hier
jedoch
nicht geeignet, die Schwere der Schuld zu erhöhen.
Die Entscheidung über die Frage, ob die besondere
Schuldschwere im
Sinne von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu bejahen ist, hat
der Tatrichter ohne
Bindung an begriffliche Vorgaben im Wege einer zusammenfassenden
Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit zu
treffen, wobei ein Bejahen nur
möglich ist, wenn Umstände von Gewicht vorliegen.
Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der Entscheidung
eine ins
Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; es hat lediglich zu
prüfen, ob
der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht
und abgewogen hat, ist
aber gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle der tatrichterlichen
Wertung
zu setzen (BGHSt 40, 360, 370).
Eine an diesen Maßstäben orientierte
Gesamtwürdigung enthält das angefochtene
Urteil. Der Tatrichter hat dabei keine gegen den Angeklagten sprechenden
Umstände von Gewicht übersehen. Er hat die
Verwirklichung von zwei
Mordmerkmalen ausdrücklich hervorgehoben. Die
Tatausführung hat er außerdem
als verwerfliches Handeln mit einem hohen Maß an
Brutalität bewertet.
Der Senat kann daher ausschließen, dass er das lange Zuwarten
in der Nacht
nicht bedacht und in seine Überlegungen einbezogen hat, selbst
wenn er die
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nahe liegende Subsumtion unter das Mordmerkmal der Grausamkeit nicht
vorgenommen
hat. Auf ein bloßes Zusammenzählen von Mordmerkmalen
kommt
es im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung nicht an (vgl.
BGHSt
41, 57, 63). Gegen eine schematische Bewertung von einzelnen
Umständen
spricht hier gerade die Täterpersönlichkeit. Insoweit
hebt der Tatrichter hervor,
dass der unterdurchschnittlich intelligente Angeklagte seinen
jugendlichen bzw.
heranwachsenden Mittätern intellektuell unterlegen, nicht der
Motor und Verursacher
des Mordkomplotts war und von selbst nicht auf die Idee der
Tötung
gekommen wäre. Diese Abwägung ist rechtlich nicht zu
beanstanden, auch
wenn eine andere Bewertung möglich gewesen wäre.
Nack Wahl Kolz
Hebenstreit Elf |