BGH,
Urt. v. 9.12.2009 - 5 StR 403/09
5 StR 403/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9.
Dezember 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof S. ,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof Sc.
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Sch.
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
1. Das Verfahren wird nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt,
soweit der Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt worden ist.
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das
Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Dezember 2008 werden verworfen,
die Revision des Angeklagten mit der Maßgabe, dass er wegen
Mordes in Tateinheit mit Brandstiftung mit Todesfolge und mit besonders
schwerer Brandstiftung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt ist.
3. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft
und der Einstellung sowie die hierdurch dem Angeklagten entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch
den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -
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G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im
Übrigen wegen Mordes, wegen Brandstiftung mit Todesfolge in
Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung und wegen Diebstahls zu
einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Dieses
Urteil greift die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung
sachlichen Rechts gestützten, vom Generalbundesanwalt
vertretenen Revision insoweit an, als das Landgericht eine besondere
Schwere der Schuld im Sinne von § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB
verneint hat. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die
Sachrüge gestützten Revision gegen das Urteil
insgesamt. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat keinen,
dasjenige des Angeklagten nur den aus dem Tenor ersichtlichen
geringfügigen Teilerfolg.
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1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen
getroffen:
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Der zum Zeitpunkt der Tat 22 Jahre alte Angeklagte hatte die 20 Jahre
alte J. , eine polnische Studentin, in der Tatnacht in einem Bistro
kennengelernt. Zwischen beiden kam es in dem Lokal zu einem intensiven
Flirt und dem Austausch von Zärtlichkeiten. Während
J. es jedoch bei diesen Zärtlichkeiten belassen wollte, hegte
der Angeklagte die Hoffnung, mit ihr noch in derselben Nacht den
Geschlechtsverkehr vollziehen zu können. Nachdem beide
gemeinsam das Bistro verlassen hatten, kehrten sie in ein anderes Lokal
ein. Die Zudringlichkeiten des Angeklagten führten jetzt dazu,
dass es J. mit der Angst zu tun bekam. In einem
Telefongespräch mit ihrem Freund in England erklärte
sie in jetzt bereits angetrunkenem Zustand aufgeregt und unter
Tränen, dass ein Unbekannter mit ihr Geschlechtsverkehr
durchführen wolle. Auf ihrem Nachhauseweg traf sie wieder mit
dem Angeklagten zusammen und verweigerte ihm schließlich auch
nicht den Zutritt zu ihrer Wohnung.
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Der Angeklagte „setzte alles daran, um mit ihr intim zu
werden“ (UA S. 6). Es gelang ihm schließlich, die
deutlich alkoholisierte J. dazu zu bewegen, mit ihm
Zärtlichkeiten auszutauschen und sich bis auf ihr T-Shirt zu
entkleiden oder entkleiden zu lassen. Als der Angeklagte jedoch mit ihr
den Geschlechtsverkehr durchführen wollte, lehnte J. dies ab.
Aus Verärgerung über die Zurückweisung und
die Verweigerung des Geschlechtsverkehrs würgte der Angeklagte
sie mit erheblichem Kraftaufwand mindestens 15 Sekunden lang, wobei er
ihren Tod billigend in Kauf nahm. Als J. in Todesangst laute Schreie
ausstieß, griff er zu einem in der Wohnung befindlichen
Zimmermannshammer und schlug damit nunmehr mit Tötungsabsicht
mindestens achtmal heftig von hinten auf den Kopf seines Opfers ein,
und zwar jetzt auch, um seine Strafverfolgung zu vereiteln. J. erlitt
ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit multiplen
Schädelfrakturen; aus einer klaffenden Wunde am Hinterkopf
trat Gehirngewebe aus und die Schädeldecke wies ein nahezu
faustgroßes Loch auf. Infolge ihrer Kopfverletzungen verlor
sie das Bewusstsein, lebte jedoch noch. Zugunsten des Angeklagten geht
das Landgericht davon aus, dass er sein Opfer zu diesem Zeitpunkt
allerdings für tot hielt.
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Um die Spuren seiner Tat und seiner Täterschaft zu beseitigen,
stellte er einen Holztisch und legte er eine Decke an die auf einem
Teppich liegende J. , beträufelte diese Gegenstände
mit Nagellackentferner und entzündete sie. Er nahm dabei in
Kauf, dass ein Brand auf das gesamte durch weitere Mieter bewohnte
Gebäude übergreifen werde. (Soweit das Landgericht im
Widerspruch zu seinem Schuldspruch Wendungen anführt, die
einen bedingten Tötungsvorsatz zum Nachteil der Hausbewohner
belegen könnten, liegt ersichtlich ein Vergreifen im Ausdruck
vor.) Bei Verlassen der Wohnung nahm der Angeklagte mehrere
Kleidungsstücke der Getöteten und ihren Fotoapparat
an sich, um diese Gegenstände für sich zu behalten.
Sie wurden später in der von ihm bewohnten Wohnung gefunden.
Als er die Wohnung des Opfers verließ, bemerkte er nicht,
dass er seinen Wohnungsschlüssel mit einem Anhänger
verloren hatte, der auf seine Adresse hinwies.
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In der Wohnung des Opfers entstand ein Schwelbrand, durch den der
Fußboden im Wohnzimmer bis in tiefer liegende Schichten
durchbrannte. Kurz nach Ausbruch des Brandes verstarb J. an den Folgen
der Halskompression, des Schädel-Hirn-Traumas und der
Brandverletzungen; jede der Verletzungen hätte für
sich genommen in unterschiedlichem Zeitablauf zum Tode geführt.
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2. Die Revision des Angeklagten hat nur insoweit einen
geringfügigen Teilerfolg, als sie zu einer Korrektur des
Schuldspruchs führt.
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a) Die Urteilsfeststellungen beruhen auf einer tragfähigen,
ausreichend begründeten Beweiswürdigung. Dies gilt
auch für die Annahme uneingeschränkter
Schuldfähigkeit.
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b) Indes bedarf der Schuldspruch der Korrektur.
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Die Strafkammer ist von Tatmehrheit zwischen Mord (aus sonst niedrigen
Beweggründen) und Brandstiftung mit Todesfolge (in Tateinheit
mit besonders schwerer Brandstiftung) ausgegangen. Da die
Geschädigte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen jedoch infolge der Kombination aller gegen sie
gerichteten Gewalthandlungen, auch des Brandes, verstarb, verbindet der
einheitliche Erfolg der Handlungen - der Tod der Geschädigten
- die Straftatbestände des Mordes und der qualifizierten
Brandstiftung zur Tateinheit. Dies lässt die
Einzelfreiheitsstrafe von zwölf Jahren für die
qualifizierte Brandstiftung entfallen.
c) Nicht aufrecht erhalten bleiben kann auch der Schuldspruch wegen
Diebstahls. Da die Strafkammer zugunsten des Angeklagten davon
ausgegangen ist, dass er J. bei der Brandlegung bereits für
tot hielt, fehlte es ihm zum Zeitpunkt der Mitnahme der Kleider und des
Fotoapparates der Getöteten am erforderlichen Vorsatz, fremden
Gewahrsam zu brechen. Nach seiner Vorstellung waren die Sachen vielmehr
gewahrsamslos,
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da eine Tote keinen Gewahrsam gehabt hätte (vgl. BGHR StGB
§ 242 Abs. 1 Gewahrsam 1). Anstelle einer
Schuldspruchänderung und Einzelstrafkorrektur hat der Senat -
dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend - von der Einstellung nach
§ 154 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht.
3. Die von der Staatsanwaltschaft angegriffene Ablehnung der
Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des §
57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hält rechtlicher
Nachprüfung im Ergebnis stand.
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Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu
bejahen ist, hat das Tatgericht unter Abwägung der im
Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden
Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42,
226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der
tatgerichtlichen Wertung eine ins Einzelne gehende
Richtigkeitskontrolle versagt. Es hat nur zu prüfen, ob das
Tatgericht alle maßgeblichen Umstände bedacht und
rechtsfehlerfrei abgewogen hat; es ist aber gehindert, seine eigene
Wertung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzten (BGH NStZ
1998, 352, 353).
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Das Landgericht hat bei seiner Prüfung eine zusammenschauende
Würdigung des Mordgeschehens und der
Täterpersönlichkeit vorgenommen. Dabei hat es
einerseits das „erbarmungslos brutale Vorgehen“ des
Angeklagten gegen sein Opfer als schuldsteigernd
berücksichtigt. Als Umstände, die für den
Angeklagten sprechen, hat es in seine Abwägung eingestellt,
dass er nicht vorbestraft ist und die Mordtat ohne vorherige Planung
begangen hat, kein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen
ihm und seinem Opfer bestand, er zur Tatzeit erst 22 Jahre alt war und
nicht mehrere Mordmerkmale erfüllt hatte. Das Landgericht hat
sich auch mit der Frage auseinander gesetzt, ob eine über die
allgemeine Schuldschwere des Mordes hinausgehende Schuld im Hinblick
auf die von dem Angeklagten zur Verdeckung seines vorausgegangenen Tuns
begangenen Brandstiftungsdelikte bejaht werden muss. Zwar hat es die
Brandstiftung in diesem Rahmen nicht ausdrücklich
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unter dem hier durchaus wesentlichen Aspekt gewürdigt, dass
damit weitere Personen gefährdet wurden. Jedoch stellt das
Urteil eine solche Gefährdung - wie ausgeführt, sogar
überzogen - an anderer Stelle fest (UA S. 7). Der Senat
schließt deshalb letztlich aus, dass das Landgericht diesen
Umstand außer Betracht gelassen hat.
Basdorf Raum Brause
Schneider König |