BGH,
Urt. v. 9.2.2006 - 5 StR 423/05
5 StR 423/05 (alt: 5 StR 254/03)
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9.2.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9.
Februar 2006, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger, Richter Dr. Raum, Richter Dr. Brause, Richter
Schaal als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Braunschweig vom 16. Juni 2005 wird verworfen. Die Staatskasse
trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten
entstandenen notwendigen Auslagen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Untreue zu einer - zur
Bewährung ausgesetzten - Freiheitsstrafe verurteilt. Dieses
Urteil hat der Senat durch Beschluss vom 27. August 2003
gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben (BGHR
StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 55). Im zweiten Durchgang hat das
Landgericht den Angeklagten nunmehr freigesprochen. Die hiergegen
gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt
vertreten wird, bleibt ohne Erfolg. I. Dem Angeklagten liegt zur Last,
durch eine am 8. April 1998 von ihm vorgenommene Überweisung
über 300.000 DM vom Geschäftskonto eines von ihm
gegründeten Unternehmens auf sein Privatkonto eine Untreue zu
Lasten des Unternehmens begangen zu haben. Von diesem Vorwurf hat das
Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen
freigesprochen. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der
Angeklagte der Erfinder
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der „D -Figuren“. Diese wie zweibeinige
Nashörner aussehenden Figuren, die sich der Angeklagte als
Geschmacksmuster schützen ließ, bildeten den
Mittelpunkt von Comicserien. Sie waren auch Gegenstand von Kurzfilmen.
Zur Vermarktung der D -Figuren wurde die D -M GmbH gegründet,
deren Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der
Angeklagte war. Ebenso wurde die D -Me GmbH & Co. F KG (im
folgenden: D F KG) gegründet, deren
Geschäftsführer der Zeuge Ho war. Die D F KG suchte
Investoren, die Gelder für die Produktion von Filmen
einbringen sollten. Der Angeklagte schloss im Oktober 1997 einen
Vertrag mit dem Geschäftsführer Ho , wonach ihm eine
Provision in Höhe von 10 % der von ihm eingeworbenen Gelder
für den Fall zugesichert wurde, dass die Gelder bei der D F KG
tatsächlich eingezahlt waren. Dem Angeklagten gelang es mit
Hilfe des Zeugen He , den Zeugen C als Anleger zu interessieren. Dieser
investierte aus eigenem Vermögen und aus Mitteln der Cr AG
insgesamt 3 Mio. DM in die D F KG, wobei dieser Betrag in mehreren
Teilbeträgen auch tatsächlich eingebracht wurde. C
erhielt zudem eine Beteiligung an der D -M GmbH in Höhe von 3
%, der Zeuge He eine solche von 0,5 %, mit der dessen
Vermittlungsbemühungen belohnt werden sollten. Noch bevor der
gesamte Betrag auf dem Konto der D F KG gutgeschrieben war,
überwies der Angeklagte, der bevollmächtigt war,
über die Konten der D F KG zu verfügen, 300.000 DM
auf sein Privatkonto, wobei er als Verwendungszweck auf dem
Überweisungsträger: „Provision“
angab. Nach einer mündlichen Abrede mit Ho durfte er
allerdings nur in Eilfällen von seiner Vollmacht Gebrauch
machen.
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II. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. 1.
Der Senat kann dabei offenlassen, ob der Angeklagte seine
Vertretungsmacht durch die von ihm vorgenommene Überweisung
missbraucht hat. Deshalb muss der Senat auch nicht entscheiden, ob das
Landgericht zutreffend einen die Vertretungsmacht des Angeklagten
begründenden Eilfall nicht auszuschließen vermochte
und insoweit innerhalb der Beweiswürdigung dem
Einlassungsverhalten des Angeklagten hierzu die notwendige Beachtung
eingeräumt hat. 2. Das landgerichtliche Urteil hält
rechtlicher Überprüfung jedenfalls deshalb stand,
weil das Landgericht das Vorliegen eines Nachteils im Sinne des
§ 266 StGB rechtsfehlerfrei verneint hat. Es hat insoweit
zutreffend eine Gesamtsaldierung mit dem Provisionsanspruch des
Angeklagten vorgenommen. Die Angriffe der Revision der
Staatsanwaltschaft hiergegen bleiben ohne Erfolg. a) Ohne
Rechtsverstoß ist das Landgericht von der Wirksamkeit der
Provisionsabrede ausgegangen. Das Bestehen eines Provisionsanspruches
führt dazu, dass die Überweisung -
unabhängig davon, ob der Angeklagte sie hätte
vornehmen dürfen - keinen Nachteil im Sinne des § 266
StGB begründen konnte. Mit der Erfüllung der aus der
Provisionsabsprache entstandenen Verbindlichkeit ist nämlich
durch die Tathandlung ein im Wege einer vorzunehmenden Gesamtsaldierung
anzusetzender gleichwertiger Vermögenszuwachs dadurch
entstanden, dass die D F KG von einer entsprechenden Verbindlichkeit
befreit wurde (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 55). Mit
der Zahlung ist der Provisionsanspruch des Angeklagten
erfüllt. Ob die Provision zu diesem Zeitpunkt hätte
bezahlt werden dürfen, ist für die strafrechtliche
Betrachtung ohne Belang, weil durch die vorfristige
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Überweisung jedenfalls kein Nachteil im Sinne des §
266 StGB entstanden ist. Das Landgericht trifft allerdings weder genaue
Feststellungen zu den Einzahlungen noch zu dem genauen Wortlaut der
Provisionsklausel. Dieser Darstellungsmangel nötigt jedoch
nicht zu einer Aufhebung des landgerichtlichen Urteils. Aus dem
Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich noch
mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass die eigenmächtige
Überweisung durch den Angeklagten zu einem Zeitpunkt erfolgt
ist, als ein Vertrag über die Einlageleistung bereits
geschlossen und dem Zeugen He für seine Vermittlungsleistung
bereits eine Beteiligung an der D - M eingeräumt war. Zu
diesem Zeitpunkt war bereits auch eine Anzahlung erfolgt. Hinsichtlich
der Folgezahlungen lässt sich dem Urteil entnehmen, dass diese
bis Frühsommer vollständig erbracht wurden. Selbst
wenn man die Daten als richtig unterstellt, die mit der
Revisi-onsbegründung von der Staatsanwaltschaft - ohne
freilich eine formgerechte Verfahrensrüge erhoben zu haben -
vorgetragen wurden, ergäbe sich nichts anderes. Danach
erfolgten nach der Anzahlung vom März 1998 erst am 24. April
1998 sowie am 5. Juni 1998 weitere Teilzahlungen in Höhe von
etwa 1,2 Mio. DM und 500.000 DM. Die Provision sollte allerdings - nach
der von der Staatsanwaltschaft im Wortlaut mitgeteilten
Provisionsvereinba-rung - erst dann als ganz verdient gelten, wenn das
Beteiligungskapital auch vollständig einbezahlt war. Ob diese
vertragliche Regelung sich auf den Zeitpunkt der Entstehung der
Provisionsforderung oder den ihrer Fälligkeit bezieht, kann
offen bleiben. Zum Zeitpunkt der Überweisung bestand
jedenfalls ein gesicherter vertraglicher Anspruch, der die Leistung der
Einlage absicherte. Deshalb begründete die vorfristig erfolgte
Provisionszahlung hier - wie das Landgericht zutreffend festgestellt
hat - keinen Nachteil, weil aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen,
den Vermögensverhältnissen der Einlegenden sowie der
bereits eingeräumten Beteiligung zugunsten des Zeugen die
Leistung der Provision gesichert erschien. Eine schadensgleiche
Vermö-
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gensgefährdung durch die teilweise vorfristig erfolgte
Erfüllung des Provisi-onsanspruchs lag bei der
wirtschaftlichen Situation der Beteiligten ersichtlich nicht vor, zumal
die vertraglich versprochenen Beträge innerhalb der
nächsten Wochen tatsächlich eingezahlt wurden. b) Das
Landgericht hat in den Vereinbarungen mit C keinen konkludenten
Verzicht des Angeklagten auf den ihm zustehenden
Provisi-onserlös gesehen. Die vom Landgericht gefundene
Auslegung der in diesem Zusammenhang relevanten
Willenserklärungen hält sich im Rahmen des
tatrichterlichen Ermessens (vgl. BGH NJW 2004, 2248, 2250 insoweit in
BGHSt 49, 147 nicht abgedruckt). Das Landgericht konnte sich
für die Begründung des Ergebnisses darauf
stützen, dass schon in dem Prospekt für die
Kapitaleinwerbung Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung
vorgesehen waren. Weiterhin hat das Landgericht - gestützt auf
die Aussagen der beteiligten Zeugen - festgestellt, dass entsprechende
Provisionsansprüche bei derartigen Geschäften
üblich sind und die Abrede der Provision auch ihrer
Höhe nach sachgerecht gewesen sei. Die Üblichkeit
solcher Provisionen wird schließlich noch dadurch belegt,
dass der Zeuge He als Provision eine Beteiligung an der D -M GmbH
erhalten hat. 3. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hatte
das Landgericht nicht zu prüfen, ob das Verhalten des
Angeklagten einen Betrug gemäß § 263 StGB
zu Lasten der Anleger darstellen könnte. Abgesehen davon, dass
im Hinblick auf die Angaben in dem Werbeprospekt oder die Angaben des
Zeugen C kaum Anhaltspunkte für eine Täuschung
über die ungekürzte Verwendung der eingeworbenen
Gelder bestanden, war dem Landgericht eine Einbeziehung dieses
Tatvorwurfs schon deshalb verschlossen, weil eine Betrugshandlung zu
Lasten des Zeugen C eine andere prozessuale Tat im Sinne des §
264 StPO darstellen würde. Beide Taten lagen zeitlich
über etliche Wochen auseinander, die jeweiligen Tathandlungen
und die Person des Geschädigten unterscheiden sich. Selbst
wenn erst durch die Einwerbung das Kapital für die
eigenmächtige Überwei-
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sung des Angeklagten erbracht worden sein sollte, liegt im Hinblick auf
diese beiden selbständigen Handlungen keine einheitliche
prozessuale Tat vor. Beide Tathandlungen sind nicht so eng miteinander
verbunden, dass sie sich bei natürlicher Betrachtung als
einheitlicher Lebensvorgang darstellen würden (vgl. BGH NJW
2003, 2924, 2926).
Harms Häger Raum Brause Schaal |