BGH,
Urt. v. 9.7.2009 - 5 StR 263/08
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2
Ein Mitglied des Leitungsorgans eines Rechtsanwaltsversorgungswerks ist
Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08
LG Hamburg -
5 StR 263/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Juli 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Bestechlichkeit u. a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der
Hauptverhandlung vom 24. Juni und 9. Juli 2009, an der teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt J. ,
Rechtsanwalt N. ,
Rechtsanwalt W.
als Verteidiger für den Angeklagten K. L. ,
Rechtsanwalt L. ,
Rechtsanwältin Li. ,
Rechtsanwalt P.
als Verteidiger für die Angeklagte G. L. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 -
am 9. Juli 2009 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. L. wird das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 23. November 2007 aufgehoben
a) im gesamten Strafausspruch gegen diesen Angeklagten mit den
zugehörigen Feststellungen;
b) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz; dieser
entfällt.
2. Auf die Revision der Angeklagten G. L. wird das genannte Urteil
a) im Schuldspruch gegen diese Angeklagte dahin abgeändert,
dass sie der Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen schuldig ist;
b) im gesamten Strafausspruch gegen diese Angeklagte mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung über
die Strafaussprüche, auch über die Kosten der
Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
- 4 -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten K. L. wegen Bestechlichkeit in zwei
Fällen, jeweils in Tateinheit mit Untreue, zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und
den Wertersatzverfall in Höhe von knapp 1,5 Mio. Euro
angeordnet. Gegen seine mitangeklagte Ehefrau G. L. hat es wegen
Beihilfe zur Bestechlichkeit in zwei Fällen, jeweils in
Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue, eine Gesamtfreiheitsstrafe von
einem Jahr und sechs Monaten verhängt und deren Vollstreckung
zur Bewährung ausgesetzt. Die gegen die Verurteilungen jeweils
mit Verfahrensrügen und der Sachrüge
geführten Revisionen der Angeklagten haben die aus dem Tenor
ersichtlichen Teilerfolge.
1
A.
2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Durch am 28. November 2000 in Kraft getretenes Gesetz vom 21. November
2000 (HmbGVBI 2000 S. 349 - HmbRAVersG) wurde das Versorgungswerk der
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte der Freien und
Hansestadt Hamburg als Körperschaft des öffentlichen
Rechts errichtet (i. F.: Versorgungswerk). Mit der Mitgliedschaft im
Versorgungswerk können angestellte Rechtsanwälte von
der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auf
Antrag befreit werden. Zum Leitungsorgan der Körperschaft
wurde ein fünfköpfiger ehrenamtlicher
Verwaltungsausschuss gesetzlich bestimmt, dessen Mitglieder durch die
Mitgliederversammlung zu wählen waren.
3
Die Mitgliederversammlung beschloss im April 2001 die Satzung des
Versorgungswerks, die nach Genehmigung durch die für die
Rechtsaufsicht
4
- 5 -
zuständige Justizbehörde im Amtlichen Anzeiger
veröffentlicht wurde und am 1. Juli 2001 in Kraft trat.
Auf derselben Mitgliederversammlung wurde der Angeklagte L. , ein
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer sowie Rechtsbeistand und als
solcher Mitglied der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg, zum
stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses
gewählt. Zu den Hauptaufgaben des Verwaltungsausschusses
gehörte die Prüfung von
Geldanlagemöglichkeiten für das durch die
Mitgliedsbeiträge eingenommene Kapital des Versorgungswerks.
5
Die Wahl des Angeklagten entsprach einem bereits vor der
Gründung des Versorgungswerks mit dem anderweitig verfolgten
D. gefassten Tatplan. Der Angeklagte sollte die Stellung im
Verwaltungsausschuss unter Missachtung der ihm als Organwalter der
Körperschaft obliegenden Pflichten im Interesse der P. N. L.
AG (i. F.: P. ) dazu ausnutzen, das Vermögen des
Versorgungswerks bei der P. anzulegen. Im Gegenzug sollte er durch D. ,
den Bezirksdirektor der P. , verdeckt einen als
„Vermittlungsprovision“ deklarierten Anteil
erhalten.
6
Die weitere Geschäftsabwicklung folgte einer durch den
Angeklagten und D. bereits seit langem gepflogenen Übung. Der
Angeklagte beriet seit vielen Jahren als Wirtschaftsprüfer und
Steuerberater eine Vielzahl vermögender Mandanten auch in
Bezug auf Kapitalanlagen. Diesen verschaffte er jedenfalls in der Zeit
ab 1994 unter Ausnutzung seiner beruflichen Vertrauensstellung diverse
Versicherungsverträge der P. und erhielt dafür von D.
heimlich „Provisionen“. Gemäß
dieser Übung sollten auch im Falle des Versorgungswerks die
erwarteten „Provisionsbeträge“ auf das
Konto eines dem Angeklagten nahe stehenden Dritten fließen,
hier auf das einer von der in den Tatplan eingeweihten Ehefrau des
Angeklagten, der Mitangeklagten G. L. , beherrschten Gesellschaft
bürgerlichen
7
- 6 -
Rechts, an der neben ihr nur noch ihr Vater, der frühere
Mitangeklagte G. , zu einem Prozent beteiligt war.
Innerhalb des Verwaltungsausschusses wurden zum Zweck der
Arbeitsteilung Referate gebildet. Dem Angeklagten wurden dabei
gemeinsam mit dem Zeugen C. die Bereiche
„Vermögensverwaltung/Finanzen“
übertragen. Das Referat war
schwerpunktmäßig für Fragen der
Kapitalanlage und für Verhandlungen mit deren Anbietern
verantwortlich. Das dem Angeklagten seitens der übrigen
Ausschussmitglieder zugeschriebene besondere Fachwissen im
Kapitalanlagegeschäft und sein dominantes Auftreten innerhalb
des Ausschusses führten schnell zu seiner faktischen
Leitungsfunktion (UA S. 16) innerhalb des Referats.
8
9
Unter Ausnutzung dieser Position gelang es dem Angeklagten, die P. als
Vertragspartner ins Gespräch zu bringen. Allerdings scheiterte
sein Plan, das gesamte zur Verfügung stehende Kapital des
Versorgungswerks unter gleichzeitiger Auslagerung der Kapitalverwaltung
bei der P. anzulegen, am Mehrheitsvotum des Verwaltungsausschusses.
Dieser beschloss nämlich, die Anlage aufzuteilen und lediglich
ein Drittel des Gesamtkapitals bei einer Versicherung anzulegen. Um
seinen erhofften Anteil zu erhöhen, erstrebte der Angeklagte
als Mitglied der Hamburger Steuerberaterkammer indes noch den Anschluss
der dortigen Steuerberater an das anwaltliche Versorgungswerk, ohne
dass dies später umgesetzt wurde.
Er erklärte den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses, dass
das von der P. dem Versorgungswerk angebotene Kapitalanlageprodukt die
gewünschte Mindestverzinsung von 3,5 % biete und keine
weiteren Verwaltungsgebühren oder sonstige Kosten anfallen
würden. Tatsächlich war ihm jedoch ebenso wie D.
bekannt, dass sich dieser Garantiezins nicht auf die effektive Rendite
bezog, sondern auf das Kapital, das nach Abzug der
beträchtlichen Kosten angelegt werden würde. Hiernach
blieb den übrigen Mitgliedern des Verwaltungsausschusses
verborgen, dass ihnen ein
10
- 7 -
normales Tarifprodukt der Versicherung zu im Hinblick auf den Umfang
des Projekts nicht besonders günstigen Konditionen angeboten
wurde. Beide verschwiegen, dass die Versicherung angesichts der zu
erwartenden erheblichen Beiträge grundsätzlich zu
Verhandlungen und zum Gewähren - rechtlich zulässiger
- günstigerer Bedingungen bereit gewesen wäre. Dies
hätte namentlich dann gegolten, wenn die Versicherung nicht
die an den Angeklagten zu zahlende „Provision“
hätte einkalkulieren müssen.
Nach Anhörung auch anderer Anbieter unterzeichneten der
Vorsitzende des Verwaltungsausschusses B. und der Angeklagte als
stellvertretender Vorsitzender im November 2001 den von der P.
angebotenen Rentenversicherungsvertrag. Im Frühjahr des Jahres
2002 überwies die P. auf Veranlassung D. s
verabredungsgemäß die mit 3,2 % der vorgesehenen
Gesamtkapitalanlage bemessene „Provision“
für den Angeklagten in Höhe von knapp 900.000 Euro
auf das von der Mitangeklagten G. L. geführte Konto der
genannten Gesellschaft, das erst kurz zuvor, nämlich am 5.
März 2002, auf den Namen „Unternehmensberatung L.
“ eröffnet worden war.
11
Da das Beitragsaufkommen des Versorgungswerks schnell die Prognosen
übertraf, kamen die Mitglieder des Verwaltungsausschusses
überein, einen weiteren Versicherungsvertrag
abzuschließen. Abermals setzte sich der Angeklagte
für die P. ein; er erklärte auf einer Sitzung des
Organs erneut der Wahrheit zuwider, dass bei einem Abschluss mit der P.
Provisionen nicht anfallen würden. Der Verwaltungsausschuss
beschloss, einen weiteren Rentenversicherungsvertrag bei der P. zu
ähnlichen Konditionen abzuschließen, den der Zeuge
B. und der Angeklagte im August 2002 unterzeichneten. Wie zuvor mit D.
vereinbart, überwies die P. im September 2002 die
„Vermittlungsprovision“ in Höhe von knapp
1,1 Mio. Euro auf das Konto der von der wiederum eingeweihten
Mitangeklagten G. L. beherrschten Gesellschaft, das zwischenzeitlich
auf den Namen „G. G. F. “ umge-
12
- 8 -
schrieben worden war. Ebenso wie die zuvor gezahlte Provision wurde der
Betrag vom Angeklagten L. , der ohne weiteres Zugriff auf die Gelder
erhielt, in Windkraftanlagen investiert.
Nach Aufdeckung der verheimlichten Zahlungen an den Angeklagten wurden
die Versicherungsverträge mit der P. rückabgewickelt.
Die bis dahin eingezahlten Beiträge von rund 11,8 Mio. Euro
wurden dem Versorgungswerk - ohne Zinsen und
Überschussbeteiligungen - im Oktober 2004
rückerstattet.
13
B.
14
Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der
Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Ergänzend
gilt Folgendes:
15
I. Hinsichtlich der Rügen nach § 338 Nr. 3 StPO, die
Ablehnungsgesuche vom 26. Juni 2007 betreffen, ist ein
Verstoß gegen § 338 Nr. 3 StPO nicht gegeben.
1. Diesen Rügen liegt das folgende Prozessgeschehen zugrunde:
16
Am dritten Sitzungstag, dem 26. Juni 2007, wurde nach einer
Unterbrechung der Hauptverhandlung noch im Sitzungssaal und in
Gegenwart aller Verfahrensbeteiligter das Verfahren gegen den
(bisherigen) Mitangeklagten G. wegen dessen schlechten
Gesundheitszustandes abgetrennt. Im Zusammenhang hiermit
äußerte der Vorsitzende: „Herr G. , Sie
werden sicher von Ihrer Familie erfahren, wie das Verfahren ausgeht.
Falls der BGH unsere Rechtsauffassung teilt, werden wir uns
wiedersehen.“
17
Wegen dieser Äußerung lehnten die Angeklagten K. und
G. L. die Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Be-
18
- 9 -
fangenheitsgesuche wurden in anderer Berufsrichterbesetzung als
unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Revisionen verstehen die Äußerung dahin, dass
die Strafkammer die Angeklagten verurteilen und die Verteidigung
hiergegen Revision einlegen werde; sollte diese Revision vom
Bundesgerichtshof verworfen werden, würde auch das nunmehr
abgetrennte Verfahren gegen den Mitangeklagten G. vor der Strafkammer
fortgeführt werden. Denn nur dann könne es ein
„Wiedersehen“ geben.
19
3. Die Rügen greifen im Ergebnis nicht durch. Nach §
24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit
abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen
gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn
der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm
bekannten Sachverhalts Grund zur Annahme hat, der Richter nehme ihm
gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene
Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen
kann (BGHSt 21, 334, 341; BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit
4). Diese Voraussetzungen sind hier noch nicht erfüllt.
20
Die gewählte Formulierung kann nicht losgelöst von
dem prozessualen Hintergrund gesehen werden. Dieser ist in der
Situation der unmittelbar zuvor erfolgten Verfahrensabtrennung dadurch
gekennzeichnet, dass im Vordergrund des Strafverfahrens die rechtlich
strittigen, im Eröffnungsbeschluss von der Strafkammer
bejahten Fragen standen, ob der Angeklagte L. als Amtsträger
anzusehen und sein Verhalten als pflichtwidrig zu bewerten sei. Vor
diesem Hintergrund ist die unnötige, zudem ungeschickt
formulierte Äußerung nur als situationsbedingter
Hinweis zu verstehen, der noch einmal die Auffassung wiederholte, die
bereits Grundlage des Eröffnungsbeschlusses war. Die
Mitteilung einer Rechtsauffassung als solche kann aber
grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit
begründen. Eine unverrückbare Festlegung auf eine
Rechtsauffassung und auf ein be-
21
- 10 -
stimmtes Beweisergebnis, was durchgreifend bedenklich wäre,
kann der Äußerung von einem besonnenen
Prozessbeteiligten letztlich nicht entnommen werden. Hinzu kommt, dass
der Hinweis auf die Maßgeblichkeit einer künftigen
Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs für die
Notwendigkeit einer Fortführung des Prozesses gegen den
Angeklagten G. angesichts der Position der Staatsanwaltschaft
für den Fall der Nichtverurteilung ebenso gelten konnte.
II. Auch im Zusammenhang mit einer Fristsetzung des Vorsitzenden zur
Stellung weiterer Beweisanträge liegt der absolute
Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO nicht vor.
22
23
1. Den zugehörigen Rügen, die Ablehnungsgesuche vom
9. Juli 2007 betreffen, liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
24
Nachdem die Hauptverhandlung vom 18. Juni bis zum 9. Juli 2007 an neun
Sitzungstagen durchgeführt worden war, wurde das Verfahren am
9. Juli 2007 gegen den Mitangeklagten D. durch Beschluss der
Strafkammer „aus Gründen der
Verfahrensbeschleunigung“ abgetrennt, da das
„Verfahren gegen den geständigen Angeklagten
… entscheidungsreif“ sei. Der Vorsitzende ordnete
die Fortsetzung in dem abgetrennten Verfahren für denselben
Tag um 11.00 Uhr an und traf anschließend die Anordnung:
„Die Frist zur Anbringung von Beweisanträgen wird
bestimmt bis Dienstag, den 10. Juli 2007, 10.00 Uhr.“ An den
vorausgegangenen Sitzungstagen vom 2. und 3. Juli 2007 waren die
Verfahrensbeteiligten darauf hingewiesen worden, nach Vernehmung zweier
noch zu hörender Zeugen sei „gegebenenfalls damit zu
rechnen, dass die Schlussanträge zu halten sein“
würden.
Wegen der Fristsetzung und der Abtrennung gegen den Mitangeklagten D.
lehnten die Angeklagten K. und G. L. sämtliche Mitglieder des
Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Be-
25
- 11 -
fangenheitsgesuche wurden in anderer Berufsrichterbesetzung als
unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Revisionen erblicken in der angeordneten Fristsetzung eine
Missachtung des Rechts der Angeklagten auf sachgerechte Verteidigung
und auf ein faires Verfahren, die in so „massiver, grober und
nicht mehr verständlicher Weise“ vorliege, dass die
Angeklagten nicht davon ausgehen konnten, die Richter seien in der
Entscheidung noch offen. Vielmehr habe für die Angeklagten der
Schluss nahe gelegen, das Gericht wolle unter Preisgabe elementarer
Verteidigungsrechte so rasch wie möglich zur Verurteilung
kommen.
26
27
3. Auch diese Verfahrensrügen bleiben erfolglos.
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a) Ausweislich seiner dienstlichen Äußerung hatte
der Strafkammervorsitzende für seine Fristsetzung die
Erwägungen des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGHSt
51, 333, 344) herangezogen. Die - in späteren Entscheidungen
des Bundesgerichtshofs gebilligte (vgl. BGHR StPO § 246 Abs. 1
Fristsetzung 2) und näher ausgeführte (BGHSt 52, 355)
- Verfahrensweise einer Fristsetzung für die Stellung von
Beweisanträgen, die nach Verstreichen der gesetzten Frist
unter erleichterten Voraussetzungen wegen Verschleppungsabsicht
ablehnbar sind, steht vor allem nicht im Widerspruch zu § 246
Abs. 1 StPO. Sie billigt nämlich nicht die Ablehnung
beantragter Beweiserhebungen allein aufgrund später
Beweisantragstellung oder gar die Ablehnung der Entgegennahme von
Beweisanträgen nach Fristablauf (vgl. selbst für
einen Extremfall BGHR StPO § 244 Abs. 3 Missbrauch 2).
Vielmehr verfolgt sie das Ziel stringenter, dem
Zügigkeitsgebot des Art. 6 Abs. 1 MRK verpflichteter
Verfahrenserledigung, sucht den dysfunktionalen Einsatz des
Beweisantragsrechts zur Prozessverschleppung zu verhindern und schafft
in den Gerichten zustehender Erweiterung und Änderung
bisheriger Rechtsprechung zu dem entsprechenden Ablehnungsgrund des
§ 244 Abs. 3
- 12 -
Satz 2, § 245 Abs. 3 Satz 3 StPO einen Weg zu sachgerechter
Vorbereitung leichterer Ablehnung grundlos spät gestellter
Beweisanträge.
Im Spannungsfeld zur grundlegenden Bedeutung des Beweisantragsrechts
für eine effektive aktive Verteidigung und zum Fehlen einer
gesetzlichen Präklusionsregelung für die Stellung von
Beweisanträgen versteht es sich freilich von selbst, dass die
so entwickelte Verfahrensweise vorsichtiger und
zurückhaltender Handhabung bedarf. Sie wird
regelmäßig erst nach zehn Hauptverhandlungstagen (s.
den Sondermaßstab des § 229 Abs. 2 StPO; vgl. BGHSt
52, 355, 362) und nicht vor Erledigung des gerichtlichen
Beweisprogramms in Betracht zu ziehen sein. Zudem wird Anlass
für die in Frage stehende Fristsetzung überhaupt nur
bei bestimmten Anzeichen für Verschleppungsabsicht im
bisherigen Verteidigungsverhalten gegeben sein, die vom Vorsitzenden im
Zusammenhang mit der entsprechenden Anordnung ausdrücklich zu
bezeichnen sind (§ 273 Abs. 3 StPO; vgl. BGHSt aaO S. 363).
Das letztgenannte Erfordernis ist Konsequenz der Funktion der
betroffenen Verfahrensweise als Vorbereitung späterer,
leichter begründbarer ablehnender Entscheidungen über
nach Fristablauf gestellte Beweisanträge wegen
Prozessverschleppungsabsicht (§ 244 Abs. 6, § 34
StPO).
29
b) Es liegt auf der Hand, dass die restriktiv zu handhabenden
Voraussetzungen bei der die Richterablehnung veranlassenden
Fristsetzung vorliegend nicht vollständig erfüllt
waren. Diese erfolgte nach weniger als zehn Verhandlungstagen, wobei
mit ihrer Anordnung eine ausdrückliche Begründung
für einen berechtigten Verdacht von Prozessverschleppung nicht
verbunden war. Besonders ins Gewicht fällt darüber
hinaus, dass die Frist eklatant kurz gesetzt war.
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c) Der Verfahrensfehler begründet gleichwohl noch nicht die
Besorgnis der Befangenheit. Dies gilt ungeachtet dessen, dass
Verfahrensfehler, die mit einer Einschränkung besonders
wesentlicher Verteidigungsrechte ein-
31
- 13 -
hergehen, eher als sonstige Verfahrensfehler eine Richterablehnung nach
§ 24 StPO zu rechtfertigen in der Lage sind.
Maßgebend zu berücksichtigen ist das die
Richterablehnung veranlassende Verfahrensgeschehen. Ihr waren
Äußerungen der Verteidigung im Vorfeld der
Hauptverhandlung vorausgegangen, die angesichts des gesamten bisherigen
Verteidigungsverhaltens (UA S. 30 ff.) als Ankündigung einer
überschießend offensiven Verteidigung verstanden
werden konnten (vgl. insbesondere UA S. 35); das vorangegangene
Antragsverhalten in der Hauptverhandlung schon vor der Fristsetzung war
jedenfalls nicht geeignet, einen solchen verständlichen
Argwohn zu zerstreuen. Aufgrund der bereits zuvor seitens des Gerichts
angekündigten Möglichkeit eines alsbaldigen
Abschlusses der Beweisaufnahme traf die kurze Frist die Verteidigung
nicht gänzlich unvorbereitet. Da angesichts der bevorstehenden
Ferienzeit beträchtliche Verfahrensunterbrechungen konkret
drohten, war ein Streben des Vorsitzenden nach alsbaldigem
Verfahrensabschluss erklärlich. Die beanstandete
Verfahrensweise bezog sich auf eine neue, prinzipiell berechtigte,
indes noch nicht näher ausgestaltete Rechtsprechung.
32
Vor dem Hintergrund all dieser Umstände ist in der
rechtsfehlerhaften Fristsetzung keine derart gravierende
Vernachlässigung berechtigter Verteidigungsbelange zu sehen,
dass deshalb die Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt gewesen
wäre. Dies gilt letztlich auch unter Berücksichtigung
dessen, dass dem mit dem Ablehnungsgesuch beanstandeten Verhalten eine
unbedachte, nicht unbedenkliche Äußerung des
Vorsitzenden am dritten Hauptverhandlungstag (oben B. I.)
vorausgegangen war, und ungeachtet dessen, dass die Fristsetzung just
zu dem Zeitpunkt erfolgte, als sich mit der prozessual für
sich nicht zu beanstandenden Ankündigung einer Erledigung des
Verfahrens gegen den Mitangeklagten D. im Wege der
Verständigung für die Angeklagten K. und G. L. eine
grundlegend neue Prozesssituation ergab, wenngleich dies eine noch
kritischere Sicht auf die Kürze der gesetzten Frist veranlasst.
33
- 14 -
Es bleibt trotz alledem bei dem Grundsatz, dass ein
Verfahrensverstoß, der auf einem Irrtum oder auf einer
unrichtigen Rechtsansicht beruht, allein noch keinen Ablehnungsgrund
darstellt (vgl. BGHSt 48, 4, 8), sondern nur dann, wenn eine
Entscheidung abwegig ist oder der Anschein der Willkür erweckt
wird. So weit geht das die Richterablehnung veranlassende Vorgehen des
Strafkammervorsitzenden letztlich doch nicht.
34
III. Die Verfahrensrügen wegen Nichteinholung eines
versicherungsmathematischen Sachverständigengutachtens
erweisen sich auch deshalb gemäß § 344 Abs.
2 Satz 2 StPO als unzulässig, weil die Revisionen den von der
Strafkammer in ihren Ablehnungsbeschlüssen vom 12. und 26.
Oktober 2007 (Protokollanlagen 114 und 145) in Bezug genommenen
Beschluss vom 12. Oktober 2007 (Protokollanlage 116) in dem
erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Rügevortrag
weder beigefügt noch seinem wesentlichen Inhalt nach
mitgeteilt haben. In der Sache sind die Rügen angesichts der
mit Hilfe von Versicherungsfachleuten getroffenen Feststellungen zu
ungenutzten vorhandenen Verhandlungsspielräumen bei der
Ausgestaltung der in Frage stehenden Geldanlagen für den
Schuldspruch nicht durchgreifend. Die Strafaussprüche haben
ohnehin keinen Bestand.
35
IV. Der frühere Mitangeklagte D. hatte sich wiederholt in der
Hauptverhandlung bis zur Abtrennung des gegen ihn gerichteten
Verfahrens zur Sache geäußert. Zumal danach sind
sämtliche auf Verletzung des § 261 StPO
gestützten Rügen, mit denen allein anhand der
für ihn abgegebenen, von ihm als Einlassung anerkannten und
als Anlage zu Protokoll genommenen Verteidigererklärung die
Urteilsausführungen zum Inhalt seines Ge ständnisses
beanstandet werden sollen, wie der Generalbundesanwalt in der
Revisionshauptverhandlung zutreffend hervorgehoben hat, im Ansatz
verfehlt (vgl. BGHR StPO § 243 Abs. 4
Äußerung 8; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
Einlassung 1; vgl. auch BGHSt 52, 175, 180).
36
- 15 -
C.
Die von beiden Angeklagten erhobenen Sachrügen sind teilweise
erfolgreich.
37
I. Das Landgericht hat den Angeklagten L. als stellvertretenden
Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses des Versorgungswerks zutreffend
als Amtsträger gemäß § 332 Abs. 1,
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB angesehen und rechtsfehlerfrei
wegen Bestechlichkeit verurteilt.
38
1. Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c
StGB ist, wer sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder
sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.
39
40
a) Es spricht viel dafür, dass das Versorgungswerk eine
Behörde im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c Alt. 1
StGB ist. Jedenfalls ist sie eine sonstige Stelle im Sinne des
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c Alt. 2 StGB.
Das Versorgungswerk wurde durch Gesetz als Körperschaft des
öffentlichen Rechts errichtet. Über das
typischerweise öffentlich-rechtlich ausgestaltete
Verhältnis der Körperschaft zu ihren Mitgliedern
hinaus besteht in weiten Teilen eine Zwangsmitgliedschaft.
Sämtliche Mitglieder der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer
sind - soweit sie das 45. Lebensjahr nicht vollendet haben (§
3 Abs. 1 und 2 HmbRAVersG) - Pflichtmitglieder und können auf
Antrag von der Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung nach
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI befreit werden. Überdies
besitzen die zur Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Entscheidungen und
Maßnahmen des Verwaltungsausschusses des Versorgungswerks als
Organ der Körperschaft Verwaltungsaktqualität und
unterliegen nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens
(vgl. §§ 7, 8 der Satzung) verwaltungsgerichtlicher
Überprüfung. Schließlich untersteht das
Versorgungswerk, wie im Sozialversicherungsrecht üblich (vgl.
nur § 393 Abs. 1 SGB III; §§ 87, 88 Abs. 1
SGB IV; § 141
41
- 16 -
SGB VII), staatlicher Rechtsaufsicht (§ 7 Abs. 1 HmbRAVersG)
und der Haushaltsordnung der Freien und Hansestadt Hamburg (vgl.
§§ 105 ff. LHO, HmbGVBl 1971 S. 261).
Diese durch das Landgericht fehlerfrei festgestellten Umstände
streiten dafür, das Versorgungswerk - wie dies auch
für andere Träger der Sozialversicherung angenommen
wird (RGSt 76, 105, 107; 76, 209, 211; Radtke in MünchKomm
StGB § 11 Rdn. 97; aM BGHZ 25, 186, 193 [zu § 29
GBO]) - als Behörde im strafrechtlichen Sinn einzustufen (zu
den verschiedenen Begriffsbestimmungen Radtke aaO). Die Frage muss
jedoch nicht abschließend entschieden werden, weil jedenfalls
die Voraussetzungen für eine sonstige Stelle im Sinne des
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c Alt. 2 StGB erfüllt sind.
42
43
Eine sonstige Stelle ist eine behördenähnliche
Institution, die rechtlich befugt ist, bei der Ausführung von
Gesetzen und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben
mitzuwirken, ohne dabei selbst Behörde im
verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein (vgl. nur BGHSt 43, 370, 376; 52,
290, 293). Der Organisationsform der Stelle kommt dabei nach
ständiger Rechtsprechung regelmäßig keine
entscheidende Aussagekraft zu (Fischer, StGB 56. Aufl. § 11
Rdn. 19 m.w.N.). Steht im Einzelfall eine Körperschaft des
öffentlichen Rechts in Rede, so ist dieser Organisationsform
indes eine erhebliche indizielle Bedeutung beizumessen
(ähnlich Welp, Festschrift für Lackner 1987 S. 761,
780). Schon nach dem Willen des Gesetzgebers sollen nämlich
vor allem Körperschaften des öffentlichen Rechts das
Merkmal der sonstigen Stelle erfüllen können (Entwurf
eines Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 11. Mai
1973, BT-Drucks 7/550 S. 209). Andere Schlüsse lässt
entgegen der Ansicht der Revision auch die Entscheidung des Senats zur
Amtsträgerstellung des Geschäftsführers
einer vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) allein beherrschten
privatrechtlich organisierten Gesellschaft (BGHSt 46, 310) nicht zu.
Dort hat der Senat ebenfalls maßgeblich auf die rechtliche
und tatsächliche Eingliederung der Stelle in die
Staatsverwaltung abgestellt und sie mit dem Hinweis auf die
Sonderstellung des BRK abgelehnt (BGHSt aaO
- 17 -
S. 314). Beim BRK handelt es sich nämlich um eine sogenannte
Formalkörperschaft, die zwar in die Rechtsform der
öffentlich-rechtlichen Körperschaft gekleidet ist,
ohne dass jedoch bei ihrer Einrichtung an eine organisatorische
Eingliederung in die Staatsverwaltung gedacht war (vgl.
Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, 5. Aufl. § 81
Rdn. 38 und § 87 Rdn. 13; BGH aaO m.w.N.). Die deshalb
mangelnde staatliche Lenkung konnte durch die gleichwohl bestehende
staatliche Rechtsaufsicht über das BRK nicht kompensiert
werden (BGHSt aaO S. 315). Nur in diesem spezifischen Kontext wurde in
jener Entscheidung das Fehlen einer Fachaufsicht stützend
herangezogen. Das Kriterium ist indessen nicht generell ein
maßgebliches Beweiszeichen für eine fehlende
Eingliederung der betreffenden Stelle in die Staatsverwaltung.
44
b) Das Versorgungswerk nimmt auch Aufgaben der öffentlichen
Verwaltung wahr. Die berufsständische Versorgung der
„klassischen“ verkammerten Berufe ist traditionell
Teil des gegliederten Systems der sozialen Sicherung in der
Bundesrepublik Deutschland (BVerfGE 113, 1, 25; BVerwG NJW-RR 2001,
785, 786; NJW 1997, 1634; Groepper NJW 1999, 3008; Hahn GewArch 2002,
441; 2008, 49, 52). Durch sie wird die sozialstaatlich gebotene
Grundversorgung ihrer Pflichtmitglieder und deren
Familienangehöriger im Bereich der Alters-,
Berufsunfähigkeits- sowie Hinterbliebenenversorgung
gewährleistet und mithin ein Teil der Daseinsvorsorge
für diesen Personenkreis wahrgenommen. Trotz bestehender
Unterschiede zum System der gesetzlichen Rentenversicherung ist die
berufsständische Versorgung mit jenem gleichwertig (vgl. nur
den Befreiungstatbestand § 6 SGB VI und dazu Kreikebohm, SGB
VI 3. Aufl. § 6 Rdn. 16). Beide haben eine von der
Höhe der geleisteten Beiträge abhängige
angemessene Versorgung im Alter zum Ziel.
c) Die Feststellungen der Strafkammer tragen auch die nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die
Begründung einer Amtsträ-
45
- 18 -
gereigenschaft erforderliche Bestellung des Angeklagten L. zur
Wahrnehmung der beschriebenen Aufgaben der öffentlichen
Verwaltung.
aa) Das Merkmal der Bestellung setzt seinem Wortsinn nach keinen
förmlichen Akt voraus (st. Rspr., vgl. nur - unter Hinweis auf
die Entstehungsgeschichte - BGHSt 43, 96, 102 f. sowie BGHSt 52, 290,
299). Die Bestellung ergibt sich vielmehr aus der Art der
übertragenen Aufgaben. Sie ist in der Heranziehung zur
Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu sehen, wenn diese
mit einer auf eine gewisse Dauer angelegten Eingliederung verbunden
ist. Das Tatbestandsmerkmal der Bestellung ist deshalb nicht durch
besondere formelle Voraussetzungen, sondern durch die hierdurch
bewirkte Einbeziehung in die Organisation der öffentlichen
Verwaltung bestimmt. Es beschreibt die Beauftragung einer Person mit
der Erledigung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung (vgl.
BGHSt 43, 96, 101 ff.; BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2
Amtsträger 4 und 14).
46
47
bb) Jedenfalls durch seine Wahl in den Verwaltungsausschuss durch die
Mitgliederversammlung wurde der Angeklagte für vier Jahre
(§ 5 Abs. 1 Satz 3 der Satzung) mit der
eigenständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben
tatsächlich betraut; er war damit in die Organisation der
Körperschaft längerfristig fest eingegliedert. Der
Verwaltungsausschuss leitet das Versorgungswerk und ist für
die Durchführung der Beschlüsse der
Mitgliederversammlung verantwortlich sowie verpflichtet, innerhalb von
neun Monaten nach Ende des Geschäftsjahres den
Jahresabschluss, den Lagebericht und den Prüfungsbericht des
Abschlussprüfers der Mitgliederversammlung vorzulegen
(§ 6 Abs. 1 der Satzung).
cc) Soweit die Revisionen - insbesondere in Verfahrensrügen
(§ 244 Abs. 3 StPO) gekleidet - eine fehlende Bestellung im
Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB wegen einer angeblich
unwirksamen Gründung des Versorgungswerks und einer
rechtsfehlerhaften - im Übrigen, soweit ersichtlich, von
niemandem angefochtenen - Wahl des Angeklagten zum stellvertreten-
48
- 19 -
den Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses geltend machen, bleiben sie
ohne Erfolg. Eine Rechtswidrigkeit oder Anfechtbarkeit des
Bestellungsaktes ist für § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB
tatbestandlich ohne Bedeutung. Die Verletzung von Rechtsvorschriften im
Innenverhältnis zwischen Stelle und Betroffenem lässt
die Frage der Amtsträgereigenschaft unberührt;
entscheidend ist vielmehr die - hier erfolgte - tatsächliche
Übernahme der Erfüllung übertragener
öffentlicher Aufgaben (Eser in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 11 Rdn.
29; Hilgendorf in LK 12. Aufl. § 11 Rdn. 36; Rudolphi/Stein in
SK StGB 40. Lfg. § 11 Rdn. 31a; Radtke in MünchKomm
StGB § 11 Rdn. 57; Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im
Strafrecht 2001 S. 544). Dessen ungeachtet offenbaren weder der
Revisionsvortrag noch die angegriffenen Feststellungen einen
Rechtsmangel im Rahmen der Gründung des Versorgungswerks (vgl.
zudem zu dessen Unerheblichkeit: BVerfGE 3, 41, 44 [Gemeinderat]; 1,
14, 38 [Landtag]; BVerwGE 108, 169, 176; BVerwG NVwZ 2003, 995, 996;
Seifert, Bundeswahlrecht 3. Aufl. Art. 41 Rdn. 14 sowie Hahn GewArch
2003, 217, 219 und Feuerich/Weyland, BRAO 7. Aufl. § 90 Rdn.
9).
49
Die in der Revisionshauptverhandlung von der Verteidigung gegen die
Annahme einer Amtsträgereigenschaft des Angeklagten L. ins
Feld geführte Behauptung, die als Zeugen vernommenen
seinerzeitigen Mitglieder des Verwaltungsausschusses B. und C.
hätten keine Aussagegenehmigung erhalten, obwohl ihnen eine
solche, wären sie und der Angeklagte L. Amtsträger
gewesen, hätte erteilt werden müssen, ist falsch: Es
wurden Aussagegenehmigungen erteilt und zu den Akten genommen (vgl. Bl.
446 d.A.).
d) Entgegen der Ansicht der Revisionen wird die Idee des freien Berufs
durch die Annahme der Amtsträgereigenschaft eines im
Verwaltungsausschuss eines Rechtsanwaltsversorgungswerks
tätigen Rechtsanwalts nicht in Frage gestellt. Soweit dieses
freiwillig übernommene Ehrenamt überhaupt auf seine
anwaltliche Selbständigkeit Auswirkungen haben sollte,
entbehren die entsprechenden Regelungen jedenfalls sämtlich
einer berufsre-
50
- 20 -
gelnden Tendenz. Im Zusammenhang mit der anwaltlichen Selbstverwaltung
übernommene - typischerweise der staatlichen Rechtsaufsicht
unterstehende (Tettinger, Kammerrecht 1997 S. 128; Maurer, Allgemeines
Verwaltungsrecht 17. Aufl. § 23 Rdn. 45) -
Tätigkeiten lassen insbesondere wegen ihrer
Rechtspflegefunktion die freie Ausübung der
Rechtsanwaltstätigkeit unberührt (vgl. zur
Behördeneigenschaft des Vorstands einer Anwaltskammer schon
RGSt 47, 394, 395; RG JW 1936, 1604; BGH NJW 2000, 3004, 3005 m.w.N.).
2. Ohne Rechtsverstoß hat das Landgericht auch den Vorsatz
bezüglich der Amtsträgerstellung angenommen. Zwar
reicht es hierfür grundsätzlich nicht aus, wenn der
Betreffende nur um die seine Amtsträgerstellung
begründenden Tatsachen weiß. Vielmehr muss er auch
eine Bedeutungskenntnis gerade von seiner Funktion als
Amtsträger haben (BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2
Amtsträger 14). Das hat die Strafkammer aber auch nicht
verkannt. Freilich ist die Feststellung sehr knapp, es sei dem
Angeklagten klar gewesen, dass er „aufgrund seiner Stellung
im Versorgungswerk dazu berufen war, das gesetzliche Ziel der
Altersvorsorge zu verfolgen“ (UA S. 14). Jedoch wird diese
Feststellung ergänzt durch weitere Ausführungen im
Urteil, wonach sich der Angeklagte dieser besonderen Pflichtenstellung
bewusst war (UA S. 108) und es - zumindest aufgrund der Ausgestaltung
des Versorgungswerks als öffentlich-rechtlicher
Körperschaft, des stark formalisierten
„Gründungsverfahrens“ sowie des Handelns
der „Organwalter“ in Ausfüllung der ihnen
zugewiesenen Positionen - „für den Angeklagten
… klar gewesen (war), dass er dazu berufen war, in
verantwortlicher Position bei der Erfüllung einer dem
Versorgungswerk als Selbstverwaltungskörperschaft unter
Einschluss hoheitlicher Befugnisse zugewiesenen Aufgabe
mitzuwirken“ (UA S. 106). Diese Wertungen fußen
ersichtlich auf einer Gesamtschau der Urteilsgründe und dem in
Rede stehenden förmlichen Bestellungsakt des Angeklagten durch
seine Wahl in das Selbstverwaltungsorgan der Körperschaft.
51
- 21 -
Die Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses
machte für den rechtskundigen Angeklagten seine besondere
Pflichtenstellung gegenüber und innerhalb der
Selbstverwaltungskörperschaft greifbar. Dies gilt insbesondere
angesichts der ihm übertragenen teilweise hoheitlichen
Entscheidungsbefugnisse gegenüber den Zwangsmitgliedern. So
wurden Anträge auf Befreiung von der Mitgliedschaft unter
Mitwirkung des Angeklagten schriftlich in Form eines mit einer
Rechtsmittelbelehrung versehenen Verwaltungsaktes beschieden (UA S. 12
f.). Die Auswahl der Anlageform gehörte, was dem Angeklagten
fraglos bewusst war, sogar zum Kernbereich der Tätigkeit des
Versorgungswerks.
52
3. Die Angriffe der Revisionen gegen die von der Strafkammer
angenommene Unrechtsvereinbarung zwischen dem Angeklagten und D. in
Bezug auf pflichtwidrige Diensthandlungen des Angeklagten gehen fehl.
53
54
a) Der Einwand, der Vorschlag des Angeklagten habe sich im Rahmen des
ihm eröffneten Ermessensspielraums gehalten, greift bereits im
Ansatz zu kurz. Bei Ermessensentscheidungen handelt der
Amtsträger pflichtwidrig, wenn er sachwidrig entscheidet, aber
auch dann, wenn er sich nicht ausschließlich von sachlichen
Gesichtspunkten leiten, sondern sich durch den Vorteil beeinflussen
lässt, diesen also mit in die Waagschale legt (BGHSt 15, 88,
92; 15, 239, 242, 247; 48, 44, 46; BGH NStZ-RR 2008, 13). Ausreichend
ist bereits, dass sich der Täter seinem Partner
gegenüber bereit zeigt, sich bei der Ausübung seines
Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen (vgl. § 332
Abs. 3 Nr. 2 StGB). So liegt der Fall hier.
aa) Der Angeklagte handelte als Ermessensbeamter im Sinne des
§ 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB. Nach den Feststellungen der
Strafkammer war ihm sowie dem Zeugen C. die Vorauswahl
möglicher Kapitalanlageprodukte seitens der übrigen
Verwaltungsausschussmitglieder übertragen worden. Beide
sollten die notwendigen Informationen zur Vorbereitung der
Anlageentscheidung des Verwaltungsausschusses einholen. Das Landgericht
hat
55
- 22 -
weiter festgestellt, dass dem Angeklagten hier auf Grund seiner
Wirtschaftsprüfererfahrungen und seines dominanten Auftretens
„faktische Leitungsfunktion“ zukam. Er
kontrollierte und prägte daher die Vorauswahl und nahm durch
seine deutliche Positionierung für das Angebot der P. auf die
Entscheidungsfindung Einfluss. Ihm stand mithin sowohl bei der
Erstellung einer Entscheidungsgrundlage für die Auswahl eines
Anlageprodukts durch den Verwaltungsausschuss als auch im Rahmen der
späteren Abstimmung des Gremiums ein Entscheidungsspielraum zu
(vgl. dazu BGHSt 47, 260, 263 mit Anm. Wohlers JR 2003, 161; BGH
NStZ-RR 2008, 13, 14).
bb) Nach den Feststellungen des Landgerichts steht außer
Frage, dass sich der Angeklagte bereit gezeigt hat, die vereinbarten
Vorteile bei den ihm obliegenden Ermessensentscheidungen
maßgebend in die Waagschale zu legen (§ 332 Abs. 3
Nr. 2 StGB). Bezugspunkte der Unrechtsvereinbarung sind die dem
Verwaltungsausschuss unterbreiteten Vorschläge, bei der P. ein
- für das Versorgungswerk zudem eher ungünstiges -
Kapitalanlageprodukt abzuschließen, sowie das
Abstimmungsverhalten des Angeklagten zugunsten der P. im
Verwaltungsausschuss. Der Angeklagte hat die Unrechtsvereinbarung durch
die genannten pflichtwidrigen Diensthandlungen dann auch
tatsächlich umgesetzt und dafür Vorteile
großen Ausmaßes bezogen (§ 335 Abs. 2 Nr.
1 StGB). Eine mögliche - hier indes fern liegende - sachliche
Rechtfertigung der Entscheidung ist ohne Belang (Fischer aaO §
332 Rdn. 14).
56
b) Nicht durchgreifend ist auch der weitere Einwand der Revisionen, die
Vereinbarung wirtschaftlich günstigerer Konditionen
hätte gegen § 81 Abs. 2 Satz 4 VAG (sogenanntes
Provisionsabgabeverbot; Anordnung des Reichsaufsichtsamts für
Privatversicherung vom 8. März 1934, VerAfP 1934, 99, 100; zu
deren Fortgeltung als Bundesrechtsverordnung vgl. BGHZ 93, 177, 178 f.;
159, 334, 338 f.; BGH NStZ 2001, 545) verstoßen. Dies gilt
schon deswegen, weil dem Angeklagten im Rahmen des § 332 StGB
vorgeworfen wird, dass er wegen der in Aussicht stehenden
Schmiergeldzahlun-
57
- 23 -
gen und damit sachwidrig dafür eingetreten ist, aus der
Vielzahl der zur Verfügung stehenden
Geldanlagemöglichkeiten gerade den Abschluss von
Rentenversicherungsverträgen bei der P. zu wählen.
II. Die gegen die Verurteilung wegen Untreue gerichteten
Einwände der Revisionen, insbesondere zum entstandenen
Untreueschaden, greifen nicht durch.
58
1. Im Rahmen seiner Vermögensbetreuungspflicht nach §
266 Abs. 1 StGB, die mit der Pflichtwidrigkeit im Rahmen des §
332 StGB korrespondiert, durfte der Angeklagte die Möglichkeit
eines für das Vermögen des Versorgungswerks
vorteilhaften Vertragsabschlusses aus finanziellem Eigeninteresse nicht
vereiteln oder unberücksichtigt lassen (vgl. BGHSt 31, 232,
235; BGH NStZ 2003, 540, 541). Diesen Maßstab hat das
Landgericht beachtet. Ohne dass hierdurch der tatbestandliche
Vermögensnachteil zu bestimmen wäre, hat es in diesem
Zusammenhang auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die
ausgehandelten Vertragskonditionen aus mehreren Gründen
für das Versorgungswerk ungünstig waren: Zum einen
wurde die gewollte Verzinsung des eingezahlten Kapitals mit mindestens
3,5 % nicht erreicht, sondern lediglich eine effektive Verzinsung von
weniger als 2 %. Zum anderen barg die Konstruktion eines
Rentenversicherungsvertrages, bei dem allein der Vorsitzende des
Verwaltungsausschusses versichert war, ein erhebliches Risiko, weil bei
einem Ableben der versicherten Person vor Vertragsende zwar die
eingezahlten Beträge zurückerstattet worden
wären, aber die vertraglich vorgesehene Verzinsung nicht
angefallen wäre (UA S. 18 f.).
59
Das Tatgericht hat bei der Bestimmung des Vermögensnachteils
zunächst erwogen, ob der Untreueschaden unter Heranziehung der
Höhe der „Versicherungsprovisionen“
(Schmiergeldzahlungen) bestimmt werden kann. Eine solche
Schadensberechnung ist anerkannt sowohl beim Eingehungsbetrug in Form
des sogenannten Ausschreibungs- oder Submissionsbetrugs, bei dem der
Vermögensschaden in der Differenz zwischen der vertraglich
60
- 24 -
vereinbarten Auftragssumme und dem Preis liegt, der bei Beachtung der
für das Auftragsvergabeverfahren geltenden Vorschriften
erzielbar gewesen wäre, als auch in den Fällen
freihändiger Vergabe mit Angebotsanfragen (vgl. BGHSt 47, 83,
88 f.; vgl. auch BGHSt 49, 317, 332 f.). Weil Schmiergeldzahlungen
nahezu zwingende Beweisanzeichen dafür sind, dass der ohne
Preisabsprache erzielbare Preis den tatsächlich vereinbarten
Preis unterschritten hätte, begegnet in solchen
Fällen die Annahme, ein Vermögensschaden sei
mindestens in Höhe der Schmiergeldbeträge entstanden,
keinen rechtlichen Bedenken. Dementsprechend gilt
grundsätzlich, dass bei der Auftragserlangung durch Bestechung
im geschäftlichen Verkehr der auf den Preis aufgeschlagene
Betrag, der lediglich der Finanzierung des Schmiergelds dient,
regelmäßig die Mindestsumme des beim Auftraggeber
entstandenen Vermögensnachteils im Sinne von § 266
Abs. 1 StGB bildet. Hiernach hätte für das Tatgericht
die Annahme nahe gelegen, auch bei Bestimmung des dem Versorgungswerk
entstandenen Schadens die gezahlten
„Versicherungsprovisionen“
(Schmiergeldbeträge) zu berücksichtigen, weil solche
absprachebedingten Zahlungen eine günstigere Preisgestaltung
verhindert haben. Dass ohne diese Zahlungen erheblich
günstigere Konditionen für das Versorgungswerk
hätten erreicht werden können, ist von der
Strafkammer festgestellt worden. Damit war die vereitelte Ersparnis
nicht nur eine vage Hoffnung, sondern es bestand eine gesicherte
Aussicht auf einen wirtschaftlich günstigeren Vertrag, die als
eine werthaltige Vermögensposition (vgl. BGH NStZ 2003, 540,
541) anzusehen ist.
2. Die Einwendungen der Revisionen aus § 81 Abs. 2 Satz 4 VAG
(oben I. 3. b) greifen nicht durch. Zweifelhaft ist bereits, ob es sich
bei den von der Strafkammer festgestellten
Verhandlungsmöglichkeiten um davon erfasste
Begünstigungsverträge handelte. Die Verhandlungen mit
der P. hätten nämlich nicht zwingend die
Besserstellung des Versorgungswerks zulasten der Versichergemeinschaft
zum Ergebnis haben müssen (zum Zweck der Vorschrift
Prölss, VAG 12. Aufl. § 81 Rdn. 74 ff.). Selbst wenn
aber die Verhandlungen eine Begünstigung des Versorgungswerks
im
61
- 25 -
Sinne des § 81 Abs. 2 Satz 4 VAG zum Gegenstand gehabt haben
sollten, wären diese Abweichungen von einem bestehenden
Tarifprodukt nicht von vornherein als unzulässig anzusehen
gewesen. Versicherungsrechtlich anerkannt ist die
Erlaubnisfähigkeit von
Begünstigungsverträgen, sofern diese sachlich
gerechtfertigt sind (vgl. Prölss aaO § 81 Rdn. 82;
Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG 4. Aufl. § 81 Rdn. 35). Das
soll wegen möglicher Kostenersparnisse namentlich bei
Kollektivlebensversicherungen gelten (vgl. Richtlinie des
Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen [BAV] 3/94 II.
Nr. 2.2, VerBAV 1/1995, S. 4). Vergleichbar liegt der Fall hier. Obwohl
mit dem Versorgungswerk kein Kollektivversicherungsvertrag
abgeschlossen wurde, sondern Versicherungsnehmer das Versorgungswerk
und versicherte Person allein der seinerzeitige Vorsitzende des
Verwaltungsausschusses war (UA S. 22), hätte die P. aufgrund
der „trotz des hohen Prämienvolumens geringen
Verwaltungskosten … auf der Grundlage der dann für
diesen Einzelfall vorzunehmenden … Berechnungen einen
rechtlich zulässigen individuell begünstigenden
Vertrag“ (UA S. 113 f.) oder einen so genannten Nettotarif
anbieten können, der auf der Grundlage der nicht anfallenden
„Provision“ und anderer eingesparter Kosten zu
kalkulieren gewesen wäre. Zumindest soweit die dadurch
sachlich gerechtfertigten eingeräumten Konditionen sich durch
den Vertrag selbst getragen und keine Subventionierung durch die
Versichertengemeinschaft zur Folge gehabt hätten (vgl. Anlage
zur Richtlinie 3/94 des BAV Nr. I. Nr. 1.4, aaO S. 5), durfte die
Kammer auch von einer grundsätzlichen Vereinbarkeit mit
§ 81 Abs. 2 Satz 4 VAG und einer damit bestehenden
Genehmigungsfähigkeit durch die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht ausgehen. Dass die P.
grundsätzlich bereit war, eine solche Vertragsgestaltung bei
der Aufsichtsbehörde anzumelden oder aufsichtsrechtlich
genehmigen zu lassen, hat das Landgericht mit Hilfe
sachverständiger Zeugen aus dem Versicherungsbereich
rechtsfehlerfrei festgestellt.
3. Die Strafkammer hat jedoch wegen aus dem Provisionsabgabeverbot
hergeleiteter rechtlicher Bedenken, der Besonderheiten versicherungs-
62
- 26 -
mathematischer Berechnungen und der von ihr sonst als notwendig
erachteten Hinzuziehung eines versicherungsmathematischen
Sachverständigen von einer exakten Schadensberechnung Abstand
genommen und ist von einem Vermögensnachteil von -
„was den Schuldspruch trägt“ (UA S. 114) -
mindestens einem Euro ausgegangen; der Nachteil erreiche
„jedoch in keinem Fall die Höhe der
Schmiergeldzahlungen“ (UA S. 126). Der ersichtlich nicht
ernst gemeinte, überzogen formulierte Ausgangspunkt einer
Schadenshöhe von einem Euro - der, wenn er eine
seriöse Sachverhaltsvariante wäre, schwerlich einen
Untreueschaden belegen könnte - steht in offenem Widerspruch
zu der klaren Urteilsfeststellung, dass die Möglichkeit zu
beträchtlich günstigerer Vertragsgestaltung
pflichtwidrig ausgelassen wurde (UA S. 21, 65, 108, 113). Diese
Feststellung sollte mit der Wendung ersichtlich auch nicht in Frage
gestellt werden. Vielmehr wollte das Tatgericht damit bloß
vermitteln, dass seines Erachtens „angesichts der
tateinheitlich begangenen Bestechungsdelikte … der
Höhe des Nachteils … auf der Ebene der
Strafzumessung keine Bedeutung“ (UA S. 114) zukomme. Bei
solchem Verständnis der Urteilsbegründung stellt der
Umstand, dass es das Tatgericht nicht wenigstens unternommen hat, die
ungefähre Schadenshöhe auf der ihm zu Gebote
stehenden, wenngleich konkret als unvollkommen erachteten Grundlage mit
aller gebotenen Vorsicht zu schätzen, die Möglichkeit
der Aufrechterhaltung des Schuldspruchs wegen tateinheitlicher Untreue
nicht in Frage.
III. Soweit die Revision der Angeklagten G. L. mit der
Sachrüge die Beweiswürdigung angreift, weil die
Strafkammer aufgrund der vorhandenen Indizien nicht hätte die
Überzeugung gewinnen können, dass die Angeklagte
Kenntnis von der Stellung ihres Ehemanns im Versorgungswerk hatte und
sie bei der unterstützenden Billigung der verdeckten
Zahlungsweise im Vorfeld der Zahlungen jedenfalls im Groben
über den Hintergrund der Zahlungsflüsse informiert
worden sei, bleibt die Revision zum Schuldspruch wegen Beihilfe zur
Untreue ohne Erfolg, dringt jedoch hinsichtlich der Verurteilung wegen
Beihilfe zur Bestechlichkeit durch.
63
- 27 -
1. Das Landgericht stützt seine Überzeugung, die -
zum Anklagevorwurf schweigende - Angeklagte habe zumindest in
Grundzügen um die Stellung ihres Ehemanns im Versorgungswerk
und seine damit verbundenen Pflichten gewusst und die mit D. bestehende
Unrechtsvereinbarung gekannt, auf folgende Indizien und Wertungen:
64
Die Angeklagte hat am 5. März 2002 das Konto
eröffnet, auf das kurze Zeit später die erste
für den Angeklagten L. bestimmte Zahlung der P. fast in
Millionenhöhe überwiesen worden ist, welche die
Dimension früherer verdeckter Provisionszahlungen deutlich
überschritt. Vor Eingang der zweiten Provisionszahlung
veranlasste sie noch die Umbenennung des Kontoinhabers. Die Angeklagte
ist gelernte Bankkauffrau und Steuerfachgehilfin. Das Landgericht
hält es schlechterdings nicht für vorstellbar, dass
sie keinerlei Kenntnis von der Stellung ihres Ehemanns im
Versorgungswerk gehabt hat. Angesichts des Umfangs der
Provisionszahlungen ist es bei lebensnaher Betrachtung zweifelsfrei
davon überzeugt, dass die Angeklagte vor den Zahlungen
jedenfalls im Groben über den Hintergrund der
Zahlungsflüsse informiert worden ist.
65
2. Der von der Strafkammer gezogene Schluss auf eine Gehilfenstellung
der Angeklagten G. L. ist hinsichtlich der Untreue möglich
(vgl. zum Maßstab BGH NJW 2007, 384, 387, insoweit in BGHSt
51, 144 nicht abgedruckt), und zwar vor folgendem Hintergrund: Der
Angeklagte L. hatte sich in den Jahren zuvor unter standeswidriger
Ausnutzung seiner beruflichen Vertrauensstellung als
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater an den Kapitalanlagen
seiner Mandanten persönlich bereichert. Er hatte als
„stiller Vermittler“ diverse
Versicherungsverträge für die P. vermittelt und im
Gegenzug wie ein Versicherungsvertreter Provisionen erhalten. Diese
waren zunächst bar, später dann auf Konten der
„G. GbR“, bei der die Angeklagte zu 99 %
Gesellschafterin war und bei der sie für die
Bankgeschäfte zuständig war, überwiesen
worden (UA S. 7 bis 10). Die auch im Vergleich zu früheren
entsprechenden Provisionen au-
66
- 28 -
ßergewöhnliche Höhe des auf verdecktem
Zahlungsweg überwiesenen Betrags auch in Verbindung mit der
kurz zuvor erfolgten Eröffnung des betreffenden Kontos durch
die Angeklagte rechtfertigt den Schluss auf eine vorherige Absprache
mit hinreichender Hintergrundinformation über den
Zahlungsanlass gegenüber der in den Zahlungsfluss
erwiesenermaßen eingebundenen Angeklagten. Dass bei der
außergewöhnlichen Höhe des Betrages
womöglich nicht nur Steuerhinterziehungsabsichten bestanden,
sondern eine Vermögensschädigung des für die
„Provision“ maßgeblichen Vertragspartners
der Versicherung bewirkt werden konnte, für den - wie sie
ersichtlich wusste - ihr Ehemann tätig war, beruht bei aller
Kürze der Urteilsbegründung zu diesen
Umständen auf ausreichend tatsachenfundierten tatgerichtlichen
Schlüssen. Die Annahme eines wenigstens bedingten
Untreuevorsatzes der Angeklagten im Rahmen ihrer Beihilfehandlung ist
deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
67
3. Diese Indizien und Wertungen sind jedoch nicht genügend
aussagekräftig und bilden keine tragfähige Grundlage
für die Überführung der Angeklagten
hinsichtlich einer tateinheitlichen Beihilfe zur Bestechlichkeit.
Der Senat hat bereits entschieden, dass bei der Bestechlichkeit an den
Nachweis des Vorsatzes zum Tatbestandsmerkmal Amtsträger
über die Tatsachenkenntnis hinausgehende Anforderungen zu
stellen sind (BGHR StGB § 11 Amtsträger 14). Der
Täter muss eine Bedeutungskenntnis gerade von seiner Funktion
als Amtsträger haben. Gleiche Anforderungen sind an die
Bejahung des Vorsatzes zu stellen, wenn nicht derjenige des
Täters, sondern der eines Gehilfen in Frage steht. Die -
ohnehin überaus knappen - Ausführungen des
Landgerichts zum Vorsatz der Angeklagten belegen weder ausreichend
deren erforderliche spezifische Kenntnis von den Umständen,
wonach es sich bei dem Versorgungswerk um eine „sonstige
Stelle“ handelt, noch von den Umständen, aus denen
sich eine Amtsträgerstellung ihres Ehemannes herleiten
ließ.
68
- 29 -
4. Da die Angeklagte bislang von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht
hat und liquide Beweismittel für ein neues Tatgericht nicht
ersichtlich sind, mit denen sich der Bestechlichkeitsvorsatz bei der
Angeklagten tragfähig belegen ließe, hat der Senat
im Sinne einer Einschränkung des Schuldspruchs auf
bloße Beihilfe zur Untreue durchzuentscheiden. Dies zieht die
Aufhebung des Strafausspruchs nach sich, weil die Strafkammer bei der
Strafzumessung maßgebliches Gewicht auf das Amtsdelikt gelegt
hat.
69
IV. Der Strafausspruch gegen den Angeklagten L. hat keinen Bestand.
70
Ungeachtet des durch den außergewöhnlichen Umfang
der inkriminierten Provisionen geprägten Gewichts der jeweils
nach § 335 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 2 Nr. 1 StGB zu ahndenden
Taten sind die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe gegen den
unbestraften Angeklagten, der seine gesamte bisherige berufliche
Grundlage infolge der Verurteilung einbüßen wird,
für lange zurückliegende Taten, deren negative
wirtschaftliche Folgen für das geschädigte
anwaltliche Versorgungswerk wesentlich rückgängig
gemacht wurden (vgl. zu alledem UA S. 116 f.), hoch, wenngleich nicht
bereits allein ihrer Höhe wegen beanstandungswürdig.
Jedoch ist zu besorgen, dass sich die widersprüchlichen
Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Höhe des
Untreueschadens - Auslassen weitaus besserer Anlagekonditionen
einerseits (UA S. 21, 65, 108, 113), bloße Anlastung eines
Schadens von einem Euro andererseits (UA S. 114) - zum Nachteil des
Angeklagten ausgewirkt haben, weil die Strafbemessung dadurch
ihrerseits widersprüchlich und unzulänglich
begründet ist.
71
Die Höhe des Untreueschadens bestimmt wesentlich das
Ausmaß der Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung (BGH wistra
2002, 420, 421; 2007, 259, 261): Ein bloßer Ermessensfehler
bei der sachwidrig von einem verborgenen Schmiergeldangebot motivierten
Auswahl des Vertragspartners einer Geldanlage, der keinen
Vermögensschaden der Anstellungskörperschaft nach
72
- 30 -
sich zieht, weist - obwohl er ohne weiteres den Tatbestand der
Bestechlichkeit erfüllt - ein geringeres Maß an
Pflichtwidrigkeit auf als ein gleiches, indes zusätzlich noch
beträchtlich schädigendes Fehlverhalten. Zwar hat das
Landgericht die Vermögensschadenshöhe als
Strafzumessungsfaktor gar nicht benannt; es hat - nahezu wie bei einer
Verfahrensweise nach § 154a StPO - das tateinheitliche
Vergehen nach § 266 StGB bei der Strafzumessung
unerwähnt gelassen. Dem Urteil ist indes bei rechtem
Verständnis ein maßgeblicher Schaden im Sinne von
§ 266 StGB zu entnehmen und nicht nur ein
„Scheinschaden“ von einem Euro. Danach besteht im
Blick auf die beträchtliche Strafhöhe Grund
für die Besorgnis, dass eben doch eine solche erhöhte
Pflichtwidrigkeit der Amtspflichtverletzung der Strafzumessung zugrunde
gelegt worden ist, ohne dass hierfür ein Mindestschaden
bestimmt worden wäre.
73
Zudem könnten mehrere von Negativwertungen geprägte
Wendungen im Rahmen der Urteilsfeststellungen zum Tatgeschehen
(„Gelegenheit, Stellung im Verwaltungsausschuss
ausschließlich zu seinem persönlichen Vorteil
auszunutzen und sich persönlich dadurch so umfassend wie
möglich zu bereichern“ sowie „ungeliebte
Kuh so weit wie möglich zu melken“, UA S. 13;
„Pakt besiegelt“, UA S. 14; „wie Alberich
über den Nibelungenhort wachte der Angeklagte L.
eifersüchtig“, UA S. 15) darauf hindeuten, das
Landgericht habe den Angeklagten jenseits des tatsachenfundiert
festgestellten gravierenden Tatunrechts noch weiter abwerten wollen.
Bei dieser Sachlage vermag auch der Umstand, dass durch den Wegfall des
Verfalls ein angenommener Milderungsgrund (UA S. 117) nicht
fortbesteht, den Mangel eines widersprüchlich und
unzulänglich bezeichneten Schadens im Rahmen der
Strafzumessung nicht aufzuwiegen. Der Senat weist indes darauf hin,
dass das bislang festgestellte von hohem korrupten Gewinnstreben
bestimmte Tatunrecht fraglos die Verhängung einer
empfindlichen zu vollstreckenden Freiheitsstrafe erfordert.
- 31 -
V. Der angeordnete Wertersatzverfall kann - insoweit in
Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt - in dem nicht
nach Maßgabe des § 111i StPO n. F. zu beurteilenden
Altfall (vgl. Fischer aaO § 73 Rdn. 1) keinen Bestand haben.
Ihm steht die Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegen.
74
1. Dem Versorgungswerk kann als Dienstherrn ein Ersatzanspruch auf
Herausgabe des Erlangten nach § 687 Abs. 2, § 681
Satz 2, § 667 BGB zustehen. Solche Ansprüche auf die
Herausgabe von Bestechungslohn sollen letztlich die Interessen des
Geschäftsherrn kompensieren und unterfallen daher
grundsätzlich der Vorrangbestimmung des § 73 Abs. 1
Satz 2 StGB (vgl. BGH wistra 2007, 222, 223; 2008, 262 m.w.N.). Ob die
fallspezifischen Bedenken des Landgerichts gegen die Annahme eines
entsprechenden Anspruchs aus besonderen versicherungsrechtlichen
Erwägungen durchgreifen, bedarf keiner Entscheidung. Dies
liegt indes eher fern, weil sich aus dem Provisionsabgabeverbot
für den Angeklagten im Verhältnis zum Versorgungswerk
kein Grund ableiten lässt, die Schmiergelder behalten zu
dürfen. Abgesehen davon liegt angesichts der Höhe des
bei der P. angelegten Kapitals auf der Hand, dass auch sonst
beträchtliche - eben nicht etwa mit einem Euro bemessbare -
Forderungen des Versorgungswerks gegen den Angeklagten bestehen.
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2. Zudem kommt in Betracht, dass ein Teil des Bestechungslohns in
Höhe des der P. entstandenen Schadens dieser nach §
826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB
zusteht. Der gesondert verfolgte D. hat durch die von vornherein
ungerechtfertigten Provisionsauszahlungen zugunsten des Angeklagten L.
nahe liegend die P. geschädigt. Hieran war der Angeklagte L.
beteiligt, der deshalb der P. ebenfalls schadensersatzpflichtig
wäre. Die konkrete Vertragsentwicklung belegt, dass es hier
fern läge anzunehmen, Gewinne der P. aus den mit dem
Versorgungswerk abgeschlossenen Versiche-
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rungsverträgen könnten der Annahme eines Schadens
infolge der zu Unrecht geleisteten Provisionszahlungen entgegenstehen.
Basdorf Raum Schaal
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